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Hanway (1754) | ![]() |
Jonas Hanway:
Zuverläßige Beschreibung seiner Reisen, von London durch Rußland und
Persien; und wieder zurück durch Rußland, Deutschland und Holland, in den
Jahren von 1742 bis 1750 [...]. Nebst einer unpartheyischen Historie des großen
Eroberers Nadir Kuli oder Kuli Chans, [...] 2 Tle. (Hamburg / Leipzig 1754)
<4> VIc B 165 # / digital: diverse
Ein Auszug in: SbnR, Bde. 1 und 2
|P_204f.
Das 41. Capitel: Gilan
£{Doe-030',08}
Gilan wird an der einen Seite von einem Berge bedecket, der beynahe die Gestalt eines
halben Mondes hat. [...] An dem Fuße des Berges gegen Osten ist ein warmes Bad,
dessen Wasser gelblicht, und wegen seiner heilsamen Wirkungen sehr berühmt ist.
[../.] Rescht, die Hauptstadt in Gilan, war vor etwa zwanzig Jahren mit einem dicken Walde
umgeben, der sie sehr ungesund machte, [...]. Die Luft in Gilan, die zwar zum Seiden- und
Reißbaue sehr bequem ist, wie denn auch keine Provinz einen solchen Ueberfluß
daran hat, ist dennoch sehr ungesund. Die plötzliche Veränderung derselben
verursachet Fieber, insonderheit bey denenjenigen, welche in ihrer Kleidung
nachlässig sind. Die verschiedenen Sümpfe, welche von den Ueberschwemmungen der
caspischen See entstanden sind, wodurch die Reißfelder öfters unter Wasser
gesetzet werden, und die benachbarten Gebirge, welche mit Wäldern bedecket sind,
tragen vieles zur Verderbung der Luft bey; zumal wenn die Sonne heftig brennet, und die
Ausdünstungen folglich stark sind.
|P_29-30
£{Hes-206,04-19}
Man hat bereits angemerket, daß die Perser und Afghaner einander als Ketzern
begegnen. Die beyden mahommedanischen Secten werden durch die Namen Sunni und Schias
unterschieden. Da Mahommed sowohl von den Persern, als Türcken, für den wahren
Messias gehalten wird: so betrifft ihre Streitigkeit nur den Nachfolger dieses falschen
Propheten, und den Sinn einiger besondern Stellen im Koran. Die Secte der Sunnier begreift
die Türken, einige Tartarn, die Unterthanen des Mogols nebst einigen geringern
Völkerschaften, und unter diesen die Afghaner, welche insgesammt Omars Anhänger
sind. Die Secte der Schias schließt die Perser und andere Völkerschaften in
sich, als ein Theil von den Usbeker Tartarn und einige indianische Fürsten, welche
des Ali Anhänger sind und ihre Secte auch durch den Namen des Abeliah
unterscheiden.
|P_296
£{Hes-206,04-19}
Verordnung zur Vereinigung der beiden Secten, der Schias und Sunnier, welche die
Perser und Türken theilen.
|P_306
£{Hes-198,27}
Bey Wiederdurchsehung des Feldzuges des Schach Nadirs nach Indien, dessen
umständliche Erzählung den merkwürdigsten Theil dieser Geschichte ausmachet,
wird man mir die Neigung, eine Vergleichung zwischen diesem Unternehmen, und des
berühmten macedonischen Helden seinem anzustellen, zu Gute halten, worauf ich
natürlicher Weise gebracht werde. Es erhellet augenscheinlich, daß diese
Verheerer der morgenländischen Welt, Alexander und Nadir, von einerley
herrschenden Leidenschaft, einer uneingeschränkten Begierde nach Eroberungen,
angetrieben worden. Alexander hatte in der That die stärkste Begierde nach Ruhm und
Ehre. Nadir verband mit seinem Vergnügen an kriegerischen Thaten einen
unersättlichen Durst, Reichthümer zu sammeln. Der eine herrschete nach dem
Rechte seiner Geburt; der andere durch eine an sich gerissene Gewalt. Diese Gewalt konnte
nicht ohne große Kriegesmacht, und diese Kriegesmacht nicht ohne große
Schätze erhalten werden.
|P_308-309
Zu Ende des Christmonates 1736 fing Nadir Schach seinen Marsch mit achtzigtausend Mann
an, wovon der größte Theil Reuterey war. Nicht lange darnach folgete ihm ein
Haufe von ungefähr dreyßigtausend Mann unter der Anführung seines
Lieutenants, Tähmas Chan. Der kürzeste Weg nach Kandahar würde durch
Kherman gewesen seyn. [...] Die Macht, die er zusammengebracht hatte, soll über
dreyßigtausend Mann stark gewesen seyn, und die Menge von Lebensmitteln, die in die
Stadt Kandahar gebracht wurde, war zu einer sehr langen Belagerung hinlänglich.
|P_320
£{Hes-198,27}
Er marschirete also aus, und rückete mit einem Heere von zwanzig tausend Mann
über zwanzig englische Meilen von Lahor. [...] Dieses ist das Land, wovon Porus
König war, als Alexander seinen merkwürdigen Feldzug nach Indien that.
|P_326-327
Der 18te des Hornungs war zur Zusammenkunft beyder Monarchen angesetzet. Mahommed
Schach, der Kaiser von Hindostan, setzete sich in eine königliche Sänfte, und
gieng in Begleitung des Asim Ali Chans, Ghasi Odin Chans, einiger Kämmerlinge und
ungefähr zweyhundert Pferden aus seinem Lager. Tähmas Chan, des persischen
Königes Lieutenant, kam ihm auf dem halben Wege entgegen, und erwies ihm die seinem
Range gebührenden Ehrenbezeugungen. [...] Nadir kam hervor, ihn zu empfangen, und
nachdem er sich, nach den gewöhnlichen Bewillkommnungen, an seine linke Seite
gestellet, redete er ihn folgendergestalt an: ›Ist es möglich, daß du die Sorge
für deine Angelegenheiten so weit solltest hindangesetzet und mich genöthiget
haben, diesen Besuch bey dir abzustatten? Ich habe dir zween Gesandten geschickt, wovon
einer, allem Völkerrechte und der zwischen uns bestehenden Freundschaft zuwider, zu
Peischor ermordet worden. Deine Staatsbedienten haben mir keine genugthuende Antwort auf
meinen Brief geschickt, welcher zu deinen Händen gekommen ist. Als ich in dein
Gebieth einrückte, so schicktest du mir niemanden entgegen, mich zu fragen, wer ich
wäre und was ich wollte: so gar, da ich bis nach Lahor gekommen, und dir einen Bothen
geschickt hatte, dich zu begrüssen; erhielt ich keine Antwort. Als die Befehlshaber
deiner Kriegsmacht aus ihrer Schlafsucht erwacht waren: so liefen sie, anstatt daß
sie eine Versöhnung hätten unterhandeln sollen, auf eine unordentliche Art
zusammen, meinen Fortgang aufzuhalten. Nach diesem sperrtest du dich selbst in deinen
Verschanzungen ein, ohne zu erwägen, daß, wenn dein Feind stärker
wäre, als du, es unmöglich fiele, lange in dem Zustande zu bleiben, ohne
ausgehungert zu werden; und wenn er schwächer wäre, es eben so wenig
rühmlich, als nöthig wäre; endlich setzetest du ohne Vorsicht alles auf den
Ausgang eines einzigen Streiches. Ob ich nun wohl sah, wie verwickelt du warest: so both
ich dir dennoch einen Vergleich an: allein, man rieth dir so übel, oder du warest
auch von so kindischen Begriffen aufgeblasen, daß du die Bedingungen meiner
Freundschaft verachtetest, und dein eigenes Beste hindan setzetest. Nun siehst du, in was
für eine Enge du durch die siegreichen persischen Waffen gebracht worden. Wie wenig
geschickt dur gewesen, dein eigenes Volk zu regieren, das sieht man daraus, daß du
seit einigen Jahren den Ungläubigen eine Steuer erlassen, die sie hätten
bezahlen sollen; und zugegeben, daß sie dein Land überzogen haben.
|P_328
Den folgenden Tag, nachdem die Leichname der Indianer begraben worden, schickete Nadir
einen Befehlshaber mit einiger Mannschaft ab, von dem Geräthe des großen Mogols
Besitz zu nehmen. Er ließ im Lager ausrufen, es könne sich jeder ohne Furcht,
aufgehalten oder beleidiget zu werden, zurückbegeben. Er schickete auch seinen
Zeugmeister nebst dem Offizier, welcher sich der Güter bemächtiget, einen jeden
mit fünfhundert Pferden ab, alles das Geschütz und Kriegesgeräthe
wegzunehmen, welches dem Kaiser und den Herren an seinem Hofe gehörete. Ueber dieses
verlangete er, Mahommed Schach sollte nebst seinem Sohne, Sultan Achmed, und seiner
Kaiserinn, Malika Al Sumani, nebst ihren Hausgenossen, wiederum in seinem Lager
erscheinen, weswegen denn ein königliches Gezelt für sie vor seinem eigenen
aufgeschlagen und tausend persische Soldaten zu ihrer Wache bestimmet wurden.
|P_336
Das XXIV Capitel. Nadir giebt seinen Soldaten ein Geschenk. Die Schatzung von
Audih wird nach Dehlie gebracht. Sirbullind Chan wird zum vornehmsten Sammler der
Schatzung bestellet. [...] Der Wert des gesammelten Schatzes.
|P_339-340
£{Hol-256R}
Die zur Einsammlung bestimmten Bevollmächtigten saßen alle Tage von der
Sonnen Aufgange bis auf den Abend, in welcher Zeit wenig Achtung gegen die Leute gezeiget
wurde. Endlich war in der Mitte des Aprils die Summe von vier Croren von den Kaufleuten
und dem gemeinen Volke erpresset worden. In dem königlichen Schatze fand man drey
Croren Geld: in den innern Gewölbern aber, welche viele Regierungen hindurch waren
verschlossen gewesen, entdecketen sie einen weit ansehnlichern Schatz (16). Wir
müssen auch nicht den Pfauenthron vergessen, welcher reich von Juweelen war, und auf
eine ungeheure Summe geschätzet wurde. Die ganze Summe des Schatzes, welcher bey
dieser Gelegenheit gesammelt worden, wird folgendermaßen geschätzet:
Crores Pf. Sterl.
Juweelen, welche dem großen Mogol und indianischen Herren abgenommen
worden
25 31, 250, 000
Der Pfauenthron nebst neun andern, wie auch einigem Gewehre
und Geräthe, welches mit kostbaren Steinen besetzet war
9 11, 250, 000
Gold und Silberplatten und Geld, welches Nadir zusammenschmelzen lassen 30 37, 500, 000
Diesem können die reichen Manufacturen von mancherley Art beygefüget werden 2 2, 500, 000
Geschütz, Kriegesvorrath, Geräth und andere Schätzbarkeiten
4 5, 000, 000
--------
(16) Die verschiedenen Berichte, welche wir von diesem außerordentlichen Raube
gehabt haben, fallen größtentheils ins Wundersame, und einige Schriftsteller
haben mehr ihre Einbildungskraft als ihre Beurteilungskraft arbeiten lassen. Die
allerwahrscheinlichste Nachricht schätzet diese Reichthümer auf siebenzig
Millionen Pfund Sterlinge. Ich habe in Persien wegen dieser Sache niemals auf den rechten
Grund kommen können. Die Perser reden bloß von großen Haufen
Schätzen, und tausend Kameelen und Maulthieren, die mit Gold und Silber und kostbaren
Steinen beladen gewesen. Frazers Nachricht, welche ich annehme, setzet sie auf siebenzig
Croren, welches die höchste Rechnung zu seyn scheint, welche die Natur der Dinge
zuläßt. Dieses ist so viel als sieben und achtzig Millionen und fünfmal
hundert tausend Pfund Sterlinge. Von dieser Summe werden sieben Millionen und fünfmal
hundert tausend Pfund im Golde und Silber gerechnet.
|P_343-345
Ob einige besondere Ceremonien dabey vorgegangen, als der Mogol die indianischen
Herrschaften, welche Nadir verlangete, abgetreten, das erhellet nicht. Es scheint hier
aber der bequeme Platz zu seyn, der außerordentlichen Abtretung zu erwähnen,
welche an den persischen König geschah, und folgendermaßen lautete:
›Gott verlängere unaufhörlich die Regierung des Nadir Schachs,
welcher so erhaben, als Saturn, an Herrlichkeit gleich dem Mars, an Pracht
gleich dem Alexander, ein Herr der Könige des Erdbodens, der Schatten des
Allmächtigen und die Zufucht des Islam ist, dessen Hof die Himmel sind. [...] Dieses
übergeben wir freywillig der Herrschaft des mächtigen Herrn von Persien; und von
itzt an sollen unsere Bediente und Unterthanen dieselben räumen und das Eigenthum und
die Regierung dem persischen Könige übergeben, um nach seinem Belieben damit zu
schalten un zu walten. Wir entsagen allen unsern Rechten, darinnen zu befehlen, zu
verbiethen, oder in einer von diesen Herrschaften Einkünfte zu sammlen. Das Castel
und der Flecken Lohre Bender aber soll mit dem gesammten Lande gegen Osten des Flusses
Attock und der Gewässer des Scind und Nala Sunkra, nach wie vor dem hindostanischen
Reiche zugehören. Gegeben zu Schajehanabad, den 4ten des Mohirrim 1152.‹
Diese erlangete Herrschaft war von nicht geringer Wichtigkeit, als alle die
Schätze, welche Nadir dem Mogol raubete, vornehmlich die Provinz Peischor, wenn wir
aus den großen Einkünften urtheilen dürfen, die er aus diesem eroberten
Lande zog. Und es fand sich dabey keine andere Gefahr, solche zu verlieren, als welche
natürlicher Weise aus den Umständen seiner eigenen Regierung entstund. Der Sitz
des persischen Reiches, welchen er in Chorasan errichtet hatte, war auch zur
Unterstützung seiner Eroberungen bequem, wenn ihm die göttliche Vorsehung
erlaubet hätte, dasjenige durch Friedenskünste fest zu setzen, was er durch das
Schwerdt also erobert hatte.
|P_359
Der fünfte Theil. Von Nadir Schachs Zurückkunft nach Ispahan aus
seinem indianischen Feldzuge 1740, bis auf seine Ermordung im Jahre
1747.
|P_362-364
Man wird sich nicht darüber verwundern, daß ein Herr, welcher das Herz
hatte, sich durch eine willkürliche That alle Einkünfte der Geistlichkeit von
der Landesreligion zuzueignen, den vornehmsten seiner Unterthanen von einer andern Meynung
schätzen wollen. Wir finden, daß er oftmals gesuchet, die unterschiedenen
Religionen, wozu sich seine Unterthanen bereits bekannten, mit einander zu vermischen, und
eine von seiner eigenen Erfindung einzuführen. Um diese Zeit ließ er ein
kostbares Grabmaal zu Mesched bauen, worein er seinen Leichnam wollte legen lassen. Es
wurden daran keinen Kosten ersparet. Das Grab von Jaspis, worein Tamerlan zu Balch geleget
war, wurde von dar mit großer Beschwerniß geholet. Weil es sich aber doch
nicht recht zu dem Platze schickete: so wurde es wider an seinen alten Ort gebracht. Es
ist merkwürdig, daß dieses ganze Grabmaal von Christen errichtet worden; und
zwar zu eben der Zeit, da er eine armenische Kirche von seinen mahomedanischen Unterthanen
erbauen ließ. Wenn man einen verzweifelten Eingriff in die Freyheiten des
menschlichen Geschlechts thun will: so scheint nichts wirksamer zu seyn; als daß man
die eingeführte Religion eines Landes verachtet oder umkehret. Die Religion wird
stets von der größten Wichtigkeit für die Menschen seyn; weil es
bloß nur ein anderes Wort ist, womit man den Glauben von dem Daseyn eines Gottes und
der Unsterblichkeit der Seelen ausdrücket. Zu eben der Zeit aber, da sie in den
Herzen Wurzeln gefasset, und einen Einfluß in die Aufführung eines Theiles der
Menschen hat, hat sie auch denjenigen, von denen man insgemein saget, daß sie keine
Religion haben, zu einem politischen Werkzeuge oder Instrumente zeitlicher Vortheile
gedienet. Persien war einmal zu einer ganz besondern Schaubühne ausersehen, wo der
Allmächtige seine Macht auf eine ganz sonderbare Art offenbarete: viele Zeiten aber
sind vergangen, seitdem das Wesen der Religion gegen den Schatten vertauschet geworden zu
seyn scheint. Wir finden dem ungeachtet, daß die Perser auf eine merkwürdige
Art geschickt sind, Dinge zu glauben, die einen künftigen Zustand angehen. Nadir nahm
oftmals Gelegenheit, die Thaten des Ali mit verächtlichen Worten zu erwähnen;
und hielt als ein Soldat Gericht über sein Betragen, da er sein Heer in die
Wüsten von Arabien geführet, wo ihrer viele aus Mangel am Wasser umkamen.
›Und warum, sagete er zu dem Volke, rufet ihr nicht, anstatt, daß ihr zum Ali
bethet, vielmehr Gott an?‹ Es scheint, er habe bey seinen Religionsentwürfen einen
doppelten Bewegungsgrund gehabt. Er suchete das Volk aufzuhalten, und zu gleicher Zeit
seinen Ruf dadurch zu vergrößern, daß er einen neuen Glauben nach Art
seiner Vorgänger einführete. Weil er die sesfiische Familie vertilget hatte,
welche aus einem Grundsatze der Gottesfurcht und des Glaubens auf den persischen Thron war
gesetzet worden: so schien er begierig zu seyn, der Ursprung eines neuen Stammes von
Königen auf dem Grund neuer Religionssätze zu werden. Dieser Bewegungsgrund
schickete sich so bequem zu der Gemütsart der Persianer, daß wir
natürlicher Weise schließen können, er habe von daher eine Sicherheit
für sich und seine Familie gehoffet. Gegen den Beschluß dieses Jahres
ließ er eine persische Uebersetzung der vier Evangelisten machen. Es scheint aber
dennoch aus der Art, wie er diese Sache trieb, daß solche mehr die Wirkung eines
grillenhaften Einfalles, als eines festen und beständigen Entwurfes gewesen. Die
Sache wurde unter des Myrsa Mehrie, eines etwas gelehrten Mannes, Aufsicht gegeben,
welcher mit gehöriger Gewalt dazu versehen war, und einige armenische Bischöfe
und Priester, nebst verschiedenen Mißionarien von der römischen Kirche und
persischen Mullahen zu sich nach Isphahan berief. Diese letztern konnten nichts dabey
gewinnen; weil die Veränderung, wenn sich einige dabey ereignete, zum Nachtheile der
Mahommedanischen Lehre gereichen mußte. Außerdem war Nadirs Aufführung
gegen sie ungemein strenge und ohne vorhergehendes Beyspiel gewesen. Viele von ihnen
bestachen daher den Myrsa Mehrie mit großen Geschenken, damit er ihr Ausbleiben
entschuldigen möchte. Unter denen bey dieser Gelegenheit aufgeforderten Christen war
nur ein einziger in Persien gebohrener römischer Priester hinlänglich Meister
von der Sprache, sich in ein so kürzliches Werk einzulassen. Was die Armenier
anbetraf: so waren sie zwar gebohrene persische Unterthanen und mit den Einwohnern
untermischet; jedoch verstunden sehr wenige von ihnen die Grundsprache. Es ließ sich
natürlicher Weise vermuthen, daß Myrsa Mehrie und die persischen Mullahen mehr
bedacht seyn würden, wie sie Nadirn gefallen, und das Ansehen der mahommedanischen
Lehre erhalten, als sich der Vorurtheile entschlagen möchten, und daß sie nur
Meister von einer so wichtigen Sache zu werden suchten. Diese Uebersetzung wurden mit
allen denen Glossen verfertiget, die sich aus den Fabeln und Ungereimtheiten des Korans
bewähren ließen. Sie legeten vornehmlich eine alte arabische und persische
Uebersetzung zum Grunde. Der Pater Des Vignes, ein französischer Mißionarius,
wurde auch bey diesem Werke gebrauchet, wobey er sich der so genannten Vulgata bedienete.
Sie brachten nur sechs Monate mit Verfertigung dieser Uebersetzung und einer schönen
Abschriften davon zu. Den folgenden May gieng Myrsa Methie mit den persischen Mullahen und
einigen christlichen Priestern von Ispahan nach dem persischen Hofe ab, welcher damals in
dem Lager bei Tähiran gehalten wurde. Nadir empfing sie mit einigen Merkmaalen der
Höflichkeit und sah die Arbeit flüchtig durch. Es wurde ihm ein Stück davon
vorgelesen, bey welcher Gelegenheit er einige kurzweilige Anmerkungen über die
Geheimnisse in der christlichen Religion machte. Zu gleicher Zeit verlachete er auch die
Juden, und machte den Mahommed und Ali ebenfalls lächerlich. Bey diesen
Umständen war es unmöglich, daß diese Arbeit etwas Gutes wirken konnte. Er
bemerkete, daß die Evangelisten in ihren Berichten nicht mehr mit einander
übereinstimmeten, als die mahommedanischen und christlichen Priester; er
müßte daher noch in eben der Schwierigkeit bleiben, worinnen er vorher gewesen:
wenn ihm Gott Gesundheit verliehe, so wollte er aus beyden eine Religion machen, die weit
besser wäre, als irgend eine, welche bisher jemals von Menschen ausgeübet
worden; und dergleichen ungewisse Betrachtungen machte er mehr. Er beurlaubete darauf
diese Kirchendiener und Uebersetzer mit einigen kleinen Geschenken, die nicht so viel
werth waren, als ihnen die Reise gekostet hatte.
|P_395-396
£{Ak_02-212,25-30}
Hier soll er [Nadir], saget man, einigen von den Häuptern der Usbecker,
Turkumanen und anderer Tartaren, die ein großes Theil seines Heeres ausmacheten, vor
sich gerufen haben; und nachdem er sie Verschwiegenheit und Gehorsam habe schwören
lassen, so habe er ihnen seinen Vorsatz eröffnet, alle Perser in seinem Lager
niederzuhauen; und zur Losung das Niedermetzeln anzufangen, wolle er um zwölf Uhr des
Nachtes eine Rakete aufsteigen lassen: wenn dieß Werk geschehen wäre, so wolle
er sie mit Geld und großer Ehre überhäufen; wobey er meldete, er wollte,
wenn er eine starke Pyramide von persischen Köpfen aufgerichtet hätte, sich nach
Kälat begeben, und daselbst seine Tage endigen. [...] Was sollte man in dieser
äußersten Noth für einen andern Entschluß fassen, als daß
Nadir selbst sterben müßte? Saleh Beg, ein sehr unerschrockener
Befehlshaber und Oberster bey der afscharischen Leibwacht, both seine Dienste dazu an, und
verlangete nur vier auserlesene Mann zu seinen Begleitern. Als die gewöhnliche Zeit,
da Nadir sich schlafen legete, vorbey war, und wenig Stunden vor der abgeredeten
Losung zu dem vorhabenden Morde, giengen Saleh Beg und seine Begleiter, unter dem
Vorwande dringender Geschäffte, mit einiger Gewalt durch die Wache. Sie drangen in
die äußerste Abtheilung des Harams, und trafen einen Verschnittenen an, den sie
aus dem Wege schaffeten. Von da giengen sie weiter in den Haram, wo sie eine alte Frau
antrafen, die sie auch tödteten. Sie waren aber doch verlegen, in welchen von den
Zelten Nadir schlief, bis sie durch den Schein einer Lampe einige Juwelen
entdecketen. Hier eileten sie hinein, und fanden ihn. Er hatte entweder noch nicht
geschlafen, oder war von dem Geschreye der alten Frau aufgewecket worden, und aus dem
Bette aufgestanden. Als die Mörder sich ihm näherten: so zog er seinen
Säbel, und fragete, was sie hier zu tun hätten. Saleh Beg gab keine
Antwort, sondern hieb ihm sogleich mit seinem Säbel in die linke Seite seines
Halsbeines. Dieser hinderte aber nicht, daß nicht der Schach noch hinlängliche
Kräfte zusammen nahm, zween von den Soldaten zu tödten, welche auf ihn zukamen,
ihres Anführers Werk zu vollenden. Er wollte sich darauf aus seinem Zelte hinaus
begeben, als er über die Stricke desselben stolperte, und Saleh Beg ihm eine
tödtliche Wunde versetzete. Nadir schrie: ›Gnade! ich will euch allen
verzeihen;‹ worauf dieser Befehlshaber antwortete: ›Du hast keine Gnade
erwiesen, und verdienest daher auch keine‹.
Datum: 16.05.2007 / .. / 03.06.2015 /24.11.2020