|F_1
/ ≥ Vorlesungen
/über die
/Naturerkentniß des Menschen.
/Vom Herrn Professor Kant. ≤
/
/
/Koenigsberg im 8br 1772
/Philippi
/
|F_1': δohne_Text
|F_2
/Die Wissenschaft des Menschen ($anthroopoologia$)
hat mit der Physiologie des äussern Sinnes eine Aehn-
lichkeit, in so fern in beyden die Gründe der Erkentniß
aus Beobachtung und Erfahrung genommen werden.
Nichts scheint für den Menschen wichtiger als diese
Wissenschaft, und denoch ist sie bis jetzt am mehresten
vernachläßigt. Die Schuld liegt vermuthlich in der
Schwierigkeit dieser Beobachtungen, und an der selt-
samen Illusion da man glaubt dasjenige zu kennen,
womit man gewohnt ist. Dadurch haben sich in manche
Wissenschaften wichtige Stücke der Betrachtung ent-
zogen, weil man sie nicht würdig dazu hielt. Eine Ursa-
che mag auch wohl diese seyn, daß man nicht viel erfreü-
liches zu finden vermuthet, wenn man die schwürige
Höllenfahrt zur Erkentniß seiner selbst anstellen
würde.
/Aber warum ist nicht aus dem großen Vorrath
der Beobachtungen englischer Schriftsteller eine zusam-
menhangende Wissenschaft des Menschen gemacht?
/Es scheint daher zu kommen, weil man die Wissenschaft
des Menschen angesehen hat, als einen an die Metaphisic
angehängten Theil, und daher nur so viel Achtsamkeit auf
sie hat können gewandt werden, als die größeren Theile
der Metaphisic zuließen. Dieser Fehler ist vielleicht
aus dem Irrthum entsprungen, weil man in der Meta-
phisic alles aus sich selbst nehmen muß, so hat man
alle Theile der Metaphisic als Folgen der Seelenlehre
angesehen. Aber die Metaphisic hat nichts mit
Erfahrungserkentniße zu thun. Die empyrische
Psychologie gehört eben so wenig, als die empyrische
/~δRand_02
/Die Kentniß, die Wissenschaf-
ten gehörig anzuwenden, ist die
Weltkentniß. Diese Weltkent-
niß besteht, in der Kentniß
des Menschen, wie wir ihnen
gefällig werden können etc. Die
Weltkentniß verhütet also
daß aus Gelehrsamkeit nicht
Pedantery wird. Die Kentniße
der Merkwürdigkeit<en> der Natur,
wird auch zur Weltkentniß
mitgerechnet. Die physische
Geographie und Antropologie
machen also die Weltkentniß aus.
Die Kentniß des Subiects
ist das Fundament aller Erkent-
niße. Aus dem Mangel dersel-
ben, sind so viele practische
Wissenschaften, unfruchtbar ge-
blieben. zE die Moralphilosophie.
Spaldings Schriften beziehen
sich <so> auf d«er»ie %menschliche Natur,
daß man sie nicht als mit
Annemlichkeit lesen kann.
Aber den mehresten Moral-
philosophen und %Geistlichen fehlt
diese Kentniß der %menschlichen Natur.
«¿¿¿»Wenn wir «s»Solche Geschicklichkei-
ten besitzen, die gleichsam
einen moventen Gebrauch ha-
ben, ist von großem Werth.
Denn %obgleich der Nutzen daraus
nur jedes mal klein ist, so
wird er durch die Multiplication
doch groß. ~
|F_2'
/Phisic zur Metaphisic.
/Wenn wir die Kentniß des Menschen als eine besondre
Wissenschaft ansehen, so entspringen daraus viele
Vortheile.
/Erstlich darf man nicht aus Liebe zu ihr die ganze
Metaphisic studieren
/Zweytens kan sie nur dadurch so wie eine jede an-
dre Wissenschaft zur Höhe gebracht werden. Den eine
Wissenschaft kan nur Ordnung und Regelmäßigkeit
der Disposition erhalten, wenn sie auf Akademien
allein getrieben wird, es kan dieses aber nicht statt
finden, wenn sie nicht genau abgesondert wird.
/Man behält nichts aus Büchern, wozu man nicht gleich-
sam Fächer im Verstande hat. Die Disposition ist
daher in Wissenschaften das beste. Hat man diese
von der Naturerkentniß des Menschen, so wird
man aus Romanen, aus allen Schriften, und aus dem
Umgange unschätzbare Reflexionen und Beobachtun-
gen sammeln.
/Wir werden das menschliche Gemüth in allen Zu-
ständen betrachten, im gesunden und kranken, im
verwirten und rohen Zustande; die ersten Principien des
Geschmacks und der Dimdication des Schönen, die Prin-
cipien der Pathologie, Empfindsamkeit und Neigungen fest-
setzen.
/Hieraus wird sich folgern laßen, was am Menschen
natürlich ist, und was an ihm künstlich oder angewöhnt ist.
Das wird das schwerste seyn, und unser Hauptobiect den
Menschen, so fern er natürlich ist, von dem, durch Erziehung
und andern Einflüßen umgeschafnen Menschen, zu unterscheiden,
das Gemüth vom Körper abgesondert zu betrachten, und durch
Beobachtung auszumitteln, ob der Einfluß des Körpers
/~δRand_02'
/Unterredungen über die
%menschliche Natur, scheinen die
angenehmsten zu seyn, im
Umgange, denn die Materie
in Gesellschaften muß so
seyn, daß jeder sein Urteil
drüber fällen kan.
/Der Geist der Beobachtung
macht, nachsichtig und milde.
/Wir werden nicht den Men-
schen allein erwägen, nach
seinen verborgenen Eigen-
schaften, so nur zur Spe-
culation dienen, sondern
%vorzüglich nach seinen practischen
Eigenschaften.
/Der Uebergang der %kör-
perlichen Bewegung bis zur geis-
tigen läßt sich nicht wü-
ter erklären, %folglich Bonnet
und verschiedene andre irren
sehr, wenn sie vom Gehirn auf
d«e»ie Seele, mit Sicherheit
glauben schließen zu können. ~
|F_3
/nothwendig zum Denken gehöre. Zeigen uns «die» Erfahrungen
das Gegentheil, so wird eine bloße Schlußfolge aus diesen
Erfahrungen, den sichersten Beweisgrund für die Unsterb-
lichkeit der Seele an die Hand bieten.
/ ≥ Abhandlung. ≤
/Der erste Gedanke der uns aufstößt, wenn wir uns
selbst vorstellen, drückt das Ich aus. Wir wollen das Ich
zergliedern. Alle Beweise die man von der Einfach-
heit der Seele führt, sind nichts anders als Analysis
des Ichs. In dem Wörtchen Ich ist nicht bloß eine An-
schauung seiner selbst, sondern auch die Einfachheit un-
sers Selbst. Denn es ist der vollkomste Singularis.
Es drückt ferner aus meine Substantialitaet, denn ich un-
terscheide das Ich als ein letztes Subiect, was weiter
von keinem Dinge kan prädicirt werden, und das selbst
das Subiect aller Praedicate ist. Das Wörtchen Ich
drückt ferner aus eine vernünftige Substanz, denn
das Ich drückt «ferner» aus, das man sich selbst zum
Gegenstande seiner Gedanken mit Bewustseyn macht,
und eine Personalität. Ieder Mensch, jedes Geschöpf was
sich selbst zum Gegenstande seiner Betrachtungen
macht, kan sich nicht als einen Theil der Welt ansehen,
das Leere der Schöpfung auszufüllen, sondern als
ein Glied der Schöpfung, und als der Mittelpunct und Zweck
derselben. Das Ich ist das Fundament des Verstandes
der Vernunftfähigkeit, und der ganzen obern Erkentniß-
kraft, denn alle diese Vermögen beruhen darauf,
daß ich mich selbst, und das, was in mir vorgehet, beachte
/~δRand_03_Z_6
/Iedes Wesen was Ich
sagen kan, und sich also selbst
zum Gegenstande seiner
Betrachtung machen kan,
hat einen unmittelbahren
Werth, alle andre haben
nur einen mittelbahren,
die Aufmerksamkeit
und Anschauung seiner
selbst, muß nicht
leicht seyn, daher Kinder
bis ins 3te Iahr zu diesem
Begrif ihrer Selbst gar
nicht gelangen, sobald
sie aber <zu> diesen Gedan-
ken gelangen, als dann scheint
der Punct der Entwicklun-
gen ihrer Fähigkeiten zu
seyn.
/Der Auctor räumt den
Leser auch eine Stimme zum
Urteil ein, wenn er im
Plurali redet, daher das Wort
wir bescheiden ist. ~
|F_3'
/und beschaue. Weil es schwer ist sich selbst zum
Gegenstande der Gedanken zu machen, so unterläßt
mans oft.
/In dem Wörtchen Ich findet man so gar den Begrif
der Freyheit, und das Bewußtseyn der Selbstthätigkeit,
da es keine äußere Sache bezeichnet. Wir sehen also
aus dieser Analyse des Ichs, daß dasjenige, was viele
Philosophen für tiefsinnige Schlüße angeben, nichts
als unmittelbahre Anschauungen unsers Selbst sind.
/Wenn man in Gesprächen oft von sich selbst redet,
ist der Gesellschaft verdrüßlich: den jeder Mensch
sieht sich als ein Hauptstück der Schöpfung an, und will
sich nicht in den Standpunct einer einzelnen Person
setzen, es müßte denn eine wichtige Begegnung seyn.
Reflexionen haben sehr was angenehmes, und gewöhnt
man sich an selbige, so gewinnt man alle Sachen lieb.
Leibnitz setzte die beobachteten Würmchen, behutsam
wieder aufs Blatt, und jeder liebt das was ihm Gele-
genheit zu Betrachtungen giebt. Das ist die Ursache
warum Montaigne so sehr gefällt.
/Binnen zehn Iahren ist der Körper von ganz andrer
Materie, so wie ein Strom immer mit andern Waßer
fließt, doch bleibt das Ich unverändert. Dieses
Ich ist untheilbar, wenn alle Glieder vom Leibe mir
gesondert werden, und ich kann noch das Ich sprechen,
so bin ich mir noch keiner Verringerung bewußt.
Ieder Mensch hat in sich gleichsam eine doppelte
Persöhnlichkeit, das Ich als Seele und als Mensch.
Das %eigentliche Ich ist was einfaches, substantiales,
beharrliches; da man im Gegentheil das Ich als
/~δRand_03'_Z_1
/Wer auf das Innere der
Triebfedern geht, wie
Montaigne, der kan fast
nicht anders als im Singu-
lari reden; daher Pascal
und Malebranche ihn mit
keinem Grunde tadeln.
/δZ_19
/Die Persöhnlichkeit macht, daß
mir etwas imputirt wer-
den kan, und die Persöhnlichkeit
entspringt aus dem Gedanken Ich.
Aus der Verbindung meh-
rerer gleichzeitiger Ideen
zu einer einzigen, wird das
Daseyn unsers einfachen, untheil-
baren Ichs geschloßen. ~
|F_4
/Mensch, als der Veränderung unterworfen ansieht;
man sagt zum Exempel, ich war groß, ich war klein. Das
Ich würde sich auch nicht verändern, wenn man im an-
dern Körper wäre.
/In Ansehung des Körpers ist der Mensch von den
Thieren wenig unterschieden, und der Hottentotte
tritt dem Orangutang so nahe, daß man in der bloßen
Beurtheilung der Gestalt, wenn man auf die Artigkeit
sieht dubiös wird.
/Wenn man den Menschen die Vernunft nähme, so
ist die Frage was der Mensch für ein Thier seyn möchte.
Es scheinet daß er nicht würde das Beste seyn, jetzt ist
seine Thierheit schwer zu erkennen, da sie durch die Ver-
nunft moderirt wird.
/Die Stoiker wollten die Thierheit ganz unverbunden
mit der Seele setzen. Den Körper sahen sie nicht als ei-
nen Theil des Selbst an, sondern als etwas, das uns
zwar zugehöret, von deßen Vertraulichkeit wir uns
aber entziehen müßten, er ist uns, sagten sie, so wie
die Schaale der Schnecke blos unsre Wohnung, und er
selbst sowohl als seine Veränderungen gehören
zu unserm zufälligen Zustande.
/Epicur hingegen behauptete, es gebe keine andre
Wesen, als die Gegenstände, wovon die Sinne ge-
rührt werden, und nur dasjenige geht uns Selbst
an was den Körper angeht.
/Ich bin, das ist eine Anschauung, und nicht ein Schluß
wie Cartesius glaubte. Aber mein Körper ist, das
ist eine bloße Erscheinung. In mir nemlich ist nichts
/~δRand_04_Z_15
/Zum Unglük wird erfordert
daß man sich seines Zustan-
des bewußt ist, daher ein
Geschöpf welches nicht Ich
sagen kan, zwar viele Schmer-
zen leiden kan, aber deswe-
gen nicht unglüklich ist.
Durch das Ich also sind wir
nur der Glükseeligkeit
und Unglükseeligkeit fähig.
Der ganze Beweiß in der
Philosophie, daß die Seele
eine einfache Substanz, grün-
det sich auf dem Ich.
weil dises der vollkom-
menste Singularis ist. ~
|F_4'
/als die Vorstellung meiner Selbst, ich schaue
also nur mich selbst an. So fern in mir Verände-
rungen sind, die den Gegenständen correspondiren, so
heißen sie Erscheinungen. Wir haben keine
Anschauung in der ganzen Welt, als die Anschauung
unsers Selbst. Alles andre sind Erscheinungen.
Das ich ist die bloße Seele, der Körper ist der Balg.
/Wir finden in unsrer Seele gleichsam zwey Seiten,
eine nach welcher sie leidend; und eine andre nach der
sie thätig ist. Nach der ersten bin ich ein Spiel
aller Eindrücke die auf mich von der Natur geschehen.
Nach der andern bin ich ein freyes selbstthätiges Prin-
cipium. Der Mensch erkent sich um so viel niedriger
als er leidend, und in Ansehung der Selbstthätigkeit ge-
bunden ist. Die Fähigkeit modificirt zu werden oder
zu leiden nennt man die untre Kraft der Seele.
Die Fahigkeit selbstthätig zu handeln, die obere Kraft.
/So fern die Seele der Eindrücke fähig ist, die der
Körper leidet heißt sie anima. So fern sie fähig
ist selbstthätig zu handeln, mens. So fern beydes
vereiniget, und die erste Fähigkeit unter der mode-
rirung der andern steht. so heißt die Seele animus.
/Anima heißt Seele, animus Gemüth, mens Geist.
Es sind nicht 3 Substanzen aber drey Arten, wie wir
uns lebend verhalten. In Ansehung der ersten
sind wir leidend, in Ansehung der andern auch,
jedoch auch zugleich reagirend, in Ansehung der dritten
Art, sind wir ganz selbstthätig.
/Bey angenehmen Empfindungen, können wir
unterscheiden
/1, Das Gefühl des Vergnügens selbst
/~δRand_04'_Z_1
/Der Logische Egoismus, @besteht@,
daß man aller andrer
Urtheil in Ansehung der
Entscheidung des Unwahren
und Wahren für überflüßig
halte.
/δZ_8
/Etant continuellement affecté
de sensations, ou immédiate-
ment, ou par la mémoire, com-
ment puis je savoir si le sen-
timent du moi est quelque
chose hors de ces mêmes sensa-
tions, et s'il peut ètre indé-
pendant d'elles ? Rousseau.
L'identité du moi ne se
prolonge que par la nemoire. ~
|F_5
/und 2, die Fröhlichkeit über dieses Gefühl des Vergnü-
gens.
/Eben so kan man bey schmerzhaften Empfindungen
unterscheiden.
/1, den Schmerz selbst, oder den Kummer
/2, die Traurigkeit über die schmerzhafte Empfindungen.
Die Stoiker verstanden unter dem Wesen, den
Menschen die niemals elend ist, der zwar allen
Schmerz in der Seele fühlet, zum Gemüth aber den-
selben nicht kommen, sondern reagiren läßt.
/Der Mensch kan in der Seele die empfindlich-
sten Schmerzen fühlen, und dennoch ein frohes und
ruhiges Gemüth besitzen. Das Gemüth heißt sonst
Herz, welches also an die obern Kräfte der %menschlichen
Natur gränzt. Ein gut Gemüth oder Herz, ist das
gute Verhältniß zwischen Empfindungen oder
Neigungen und reaction des Verstandes. Sokra-
tes hatte ein böses Gemüth, aber seine Grund-
sätze des Verstandes überwältigten seine
Sinnlichkeit, und machten das Verhältniß zwischen
ihr und der Vernunft wieder recht.
/Also giebts außer der Lust und Unlust in der
Seele, und im Gemüth, noch eine Lust und Unlust
im Geiste, das sind Billigung seiner guten, oder
Mißbilligung seiner bösen Handlungen. Oft
kan die Seele ganz in Schmerz schwimmen, und das Ge-
müth in Kummer gesenkt seyn, und doch im Geiste
sich große Heiterkeit befinden, so wie es im Ge-
gentheil, in dem Geiste oft finster aussieht, wenn
in der Seele und im Gemüth lauter Freüden gau-
keln. Gemüthskrankheiten sind die stärksten.
/~δRand_05_Z_1
/Wenn ein Mensch in seinem
%äußerlichen Betragen, nicht Merk-
mahle eines innern Werths
zeigt, so verachten wir
ihn, im Gegentheil sagen
wir aber daß er Anstand
besitzt. Er muß aber auch
Marquen geben, daß er
den Werth andrer nicht
verkennet, welches man
Bescheidenheit nennet.
/Es ist die Frage worin
wir die Qüelle der Uebel
des Menschen zu setzen
haben? Und wir sehen in
der Thierheit des Men-
schen. In manchen Menschen
sind so starke Triebfe-
der, daß es der Intelli-
genz schwer ist, selbige zu
discipliniren. Und der
Unterschied de«s»r Menschen
scheint mehr auf der
Thierheit als auf der
geistigen Natur zu be-
ruhen.
/Der Mensch macht sich
so viel als %möglich zur Intel-
ligenz, und thut als wenn er
die Thierheit %gänzlich vernachläßigt. ~
|F_5'
/Betrübniß ist schlimmer als Schmerz. Sie ist die
Unlust über meinen ganzen Zustande. Die geisti-
ge Traurigkeit, ist das Mißfallen an meiner
eigenen «Trau» Person, und die schlimste unter allen.
Es ist sonderbar, daß die Vergnügungen desto
dringender und stärker werden, je feiner und
weiter sie von der Sinlichkeit erhaben sind.
/Was von Lust oder Unlust bis zum Geiste hinauf-
steigt, kömt mit verdoppelter Stärke in das Ge-
müthe wieder zurück. Daher sind die verzweifelsten
Handlungen aus Selbstreprochen, so wie die erha-
bensten Handlungen aus Selbstbilligung entsprungen.
Man sagt bisweilen Menschen, Gesellschaften,
oder Reden sind ohne Geist. Geist nennen wir das
was die eigentliche bewegende Kraft enthält,
zE Spiritus von Liquoren. Man sieht daß der
Geist im Menschen, so viel als der erste Grund
des Lebens ist.
/Alle Betrübniß kömmt mehrentheils daher,
daß man sich eine so große Idee von der Wich-
tigkeit des Lebens macht. Ein weiser Mann
sieht alles in der Welt, sein Leben selbst, für
unwichtig an, das hilft ihm zur Ueberwiegung
und reaction gegen starke sinnliche Empfindungen.
/Das Gemüth ist gewöhnlich ein Gegenstand der
Liebe. So gar wird ein gut Gemüth, wenn es sonst
bösen Ausschweifungen Preiß wird, geliebt, da-
her giebt es auch aimables debauches. Man ver-
traut sich ganz solchen guten Gemüthern, aber
selten denjenigen die aus Grundsätze gut handeln.
|F_6
/Das Gemüth in Ansehung des practischen heißt
gewöhnlich Herz. Was den Geist betrift, so sagt man
niemahls der Mensch hat einen bösen Geist. Denn
der Geist wird von keinen Neigungen afficirt, und
da er also blos aus Vernunft alles beurthei-
let, und nicht aus Sinnlichkeit, so kan aus ihm nichts
böses herkommen. Mithin entspringt aus ihm alles
Gute, aus dem Gemüth aber das Böse.
/Der Geist ist eigentlich das Principium aller
Beurtheilung. Wenn man aber auf die gemeine
Meinung der Menschen, besonders der Wilden
Acht giebt, so bedeutet das Wort Geist, dasje-
nige, was den trägen Stoff in der ganzen Na-
tur belebt. So haben die Chimiker ihre spiritus
rectores in Oehlen et caet:
/ ≥ Verhältniß unsers Selbst gegen die Welt. ≤
/Der Geist so fern er mit einem Körper verei-
niget ist, heißt Seele. Also Ich als Geist, so
fern ich die Welt erkenne nicht bloß als den-
kender Geist, sondern vermittelst des Körpers,
so bin ich Seele.
/Nun betrachte ich die Welt 1, pro situ corporis.
So wie jener Einwohner einer kleinen arcadischen
Felsen Insul, welcher da er auf die Güter des Gra-
fen, dem die Insul gehörte, kam, auf seine Knie
niederfiel, und den Grafen für den Beherrscher
der Welt preißete.
/2, Nach der Beschaffenheit der %sinlichen Organen.
/~δRand_06_Z_1
/Wir haben Fähigkeiten,
Vermögen und Kräfte.
/Fähigkeit ist die Eigenschaft
des Gemüths, von fremden Ein-
drücken modificirt zu werden.
Wir könen große Vermö-
gen haben und doch eine kleine
Kraft. Also sind die Kräfte
d«e»ie Qüellen der Ausübungen,
und das Vermögen die Zuläng-
lichkeit zu gewißen %Handlungen.
Was zu den Vermögen
hinzu k«h»ommen muß, um thä-
tige Kräfte zu werden, ist
nicht so leicht einzusehen. ~
|F_6'
/Es ist wunderbar daß wir durch die strengste
Anstrengung des Dichtungsvermögen uns keine
Gestalt vorstellen können, die für denkende Wesen
anständiger wäre, als die wir jetzt haben. Man
siehts aus Miltons Paradiese. Woraus wir sehen
daß die menschliche Gestalt das erste Muster
der Schönheit. ist.
/ ≥ Von der Vorstellungskraft. ≤
/Es ist ein großer Unterschied zwischen den Vor-
stellungen die in uns mit Bewustseyn, und ohne
Bewustseyn entstehen. Der Musicus ist sich der
vielen und schweren Vorstellungen und reflexionen,
die er machen muß wenn er phantasiert «sich» nicht
bewust. Die dunklen Handlungen unsrer gan-
zen Erkentnißkraft machen den größten Theil
des Zustandes der Seele aus. Die wenigsten
Erkentniße sind durch Bewustseyn erhellet.
Das Bewustseyn bringt nicht Erkentniße hervor,
sondern sucht nur auf die Reflexionen die
wir anstellen, Licht zu werfen.
/Sehr viele schwürige Wissenschaften, suchen bloß den
dunklen Schatz der Vorstellungen in der Seele zu
erhellen, nicht neue hervorzubringen. So ist die ganze
Moral nur eine Analyse des Vorraths von Begriffen
und Reflexionen, die der Mensch im dunklen hat. Die
feinste Betrachtungen sind ohne Bewust in uns
entstanden. In dunklen Vorstellungen ist der
Verstand am wirksamsten, und alle klare Vorstellun-
gen sind mehrentheils Resultate von langen
/~δRand_06'_Z_9
/Wir pflegen gemeinig-
lich Empfindung zu nen-
nen, was ein Urteil im
Dunkeln ist
/Alles deßen was wir
schon gewohnt sind, werden
wir uns nicht mehr recht
bewußt. zE Ich höre ehe
die StadtUhren schlagen,
als meine Stubenuhr.
/
/Eine Reihe von Ideen
und Reflexionen, sind das-
jenige was seichte Köpfe
Gefühl und Empfindung
nennen. Sie wollen %ei-
gentlich sagen, daß sie nicht
fähig seyn, die Gründe <warum> die-
se«n» oder jene«n» %Handlung unrecht-
mäßig ist, entwickeln zu
können. ~
|F_7
/dunklen Reflexionen. Homen in seinen Grundsätzen
der Kritic, hat es vorzüglich geglückt, die dunklen
Reflexionen, die vor gewißen Urtheilen der Men-
schen, oder auch vor äußern Ausbrüchen, zE des Lachens p
vorhergehen aus zu spühren. Der Philosoph der mensch-
lichen Natur, hat in dem Fall mit dem Naturfor-
scher gleiche Bemühungen, nemlich aus Erscheinungen
des inneren oder äußern Sinnes, die Kräfte die
im dunklen wirken auszuspähen, und vor Augen
zu legen. Man sieht zE in der Erfahrung, daß Eltern
unter ihren Kindern, die vom gegenseitigen Ge-
schlecht vorzüglicher lieben, als die mit ihnen gleiches
Geschlechts sind. Und unter den Söhnen genies-
sen die von einem stillen gelaßenen Character,
besonders die Gunst des Vaters, und die von
einem aufgeweckten, oder auch wilden Natu-
rell sind Günstlinge der Mutter. Was ist die
Ursache? Welches sind die vorhergegangnen Re-
flexionen die dieses bewirken? Eine Ursach
ist der innre wirksame Naturtrieb. Die andre
die der Mutter den Sohn lieb macht, ist diese.
Sie sieht, der Schwäche und Unterordnung ihres
Geschlechts eingedenk, auf den Sohn, als ihren
künftigen Schutz, und Vorsorge herab, und in der Ab-
sicht, kan sie einem munteren und lebhafteren
Naturell das Meiste sich versprechen. Ebenso
sieht man daß wenn ein Reicher ins Zimmer tritt,
er in uns gleich eine Achtung für sich erweckt.
/~δRand_07_Z_1
/Die Principien der Sitt-
lichkeit und der Metaphi-
sic, liegen schon im
Dunkeln in uns und der
Philosoph macht sie uns
nur klar, und entwickelt sie.
Er wirft gleichsam ein
Lichtstrahl in dem dunklen
Winkel unsrer Seele.
/
/Die Logic verbietet zu
verwickeln, aber der
Geschmack verlangt es,
so müßen wir über vie-
le Sachen ein Schleyer
werfen.
/Es giebt ein Wohlgefal-
len aus dem Nachschmack,
welches eine Auflösung
von etwas, was anfäng-
lich sich dubiös zeigt, und
am Ende <sich> zeigt mit Klarheit.
/
/Eine Neigung gegen
eine Person, die w«ie»enn wir
«wir»sie sehen, zwar Fehler ge-
wahr werden, aber in
ihrer Abwesenheit ver-
schwinden ist unheilbar ~
|F_7'
/So wie man sich im Gegentheil kaum der Aerger-
niß erwähren kan, wenn man einen Armen laut
und stolz sprechen hört. Dies rührt daher, daß wir
Vermögen und Talente höher schätzen, als den guten
Gebrauch derselben. Denn hat man nur Vermö-
gen, es sey Geld oder Geschicklichkeit, so glaubt
man daß die <gute> Anwendung hievon was leichtes
sey, da jeder Mensch freye Willkühr hat. Aber
Achtung ist nicht nothwendig mit Billigung oder
Neigung verbunden.
/Man darf sich nicht über die Dunkelheit bekla-
gen, denn wäre gar zu viel Illumination in
unsern Ideen, so entstünde dadurch eine
neüe Verwirrung, nur durch die Abstechung
des Lichts und Schattens können wir uns der
Vorstellungen bewußt werden. Die dunklen
Ideen haben in uns große Macht. Sie geben
uns oft eine Richtung in den Gesinnungen die
wir selbst durch klare Ideen nicht ändern
können. So geht es zE mit dem Schrecken des To-
des, wovon selbst der Mensch ergriffen
wird, der in der Kürze des Lebens seine wich-
tigste Trostgründe sucht. Die Vernunft
zeigt jeden den Tod, als was wünschens-
werthes, die Sinlichkeit macht ihn aber zum
Könige der Schrekniße. Imgleichen mit
/~δRand_07'_Z_1
/Es giebt ein Vortrag
wie die Music, die da
gefällt, aber nichts zurück
läßt, der Vortrag aber
so anfänglich alles zu
verdunkeln scheint, aber
zuletzt alles erhellet, ist
unterrichtend, und das Ver-
gnügen so aus selbigen
entspringt, besteht gleich-
sam im Nachgeschmack. ~
|F_8
/der Furcht die uns der Anblick einer abschüßi-
gen Tiefe oder andrer Gefahr, trotz unsrer
Sicherheit uns einjaget. Und so laufen die
Ideen <nach Gesetzen> der Sinlichkeit, den Verstandesideen
gerade entgegen. Wir sind gewohnt dunkle
Vorstellungen für Empfindungen zu halten.
So glauben wir die Schönheit eines Gedichts,
das Witzvolle eines Scherzes zu empfinden,
da es doch offenbahr hier Reflexionen sind,
die mit den Empfindungen nichts ähnliches haben.
Denn das Empfindungs_Principium ist die Sinlich-
keit, und das der Reflexionen der Verstand.
Was ein Gegenstand der Empfindungen
werden soll, muß den Sinnen können unter-
worfen werden, und wir <empfinden> nichts als was sin-
lich ist. So wenig also Schönheit, Harmonie
und andre ideealische Gegenstände, so wenig
wird auch Häßlichkeit, Ungereimtheit, übel-
paßende Gleichniße, können empfunden
werden.
/Wenn nun aber so sehr vieles, was man
Empfindungen nent, nichts als dunkle Re-
flexionen sind, so steht dem Philosophen ein
großes Feld zu bearbeiten vor, um diese
dunkle Reflexionen zu entwikkeln. Es
scheint daß man zum Verderb der Weltweißheit,
/~δRand_08_Z_1
/Das Mittel der Deütlich
keit ist Ordnung.
/Die Deütlichkeit ist die
Bedingung wodurch wir fe-
hig sind, unsre Vorstel-
lungen und Begriffe anzu-
wenden.
/Es giebt «die» Köpfe die zur
Ordnung sich gewöhnet, deren
Ordnung aber mehr auf die
Figur, als auf einer Idee
der Vernunft, sich bezieht.
Ueberhaupt sind Regeln
als Gangelbänder vor Leüte
anzusehen, von schwachen Fä-
higkeiten. Die Teütschen haben
einen Hang zur Ordnung und Methode. *1
/Die Ordnung hat nur einen
Werth, in so fern sie zur
Erleichterung eines Zwecks
beyträgt.
/*2 Die Ursache davon ist
wirklich ein Mangel. «vo»des
Genies. Daher Franzosen
und Engelländer ausfinden,
und die Deütschen den Erfin-
dungen Ordnung und Regel-
mäßigkeit geben. ~
|F_8'
/mit Fleiß die dunklen Vorstellungen Empfindun-
gen nennt, um sich der %beschwerlichen Auswickelung
derselben, auf eine so gute Art zu entziehen.
Denn die Berufung auf Empfindung schneidt
aller Untersuchung den Faden ab. Ehe man
sich also aufs Gefühl beruft, sehe man
zu, ob es sich nicht in dunkle Reflexionen auf-
lösen laße. Die Moden können auf eben
die Art den Philosophen viel Stoff dar-
bieten.
/Wo klare Vorstellungen sind, da glaubt
man schon sich bewust zu seyn. Es ist aber
ein großer Unterschied, wenn ich sage ich
bin mir der Vorstellung bewußt, und ich
bin mir meiner selbst bewußt, daß ich
die Vorstellung habe. Denn die Erfah-
rung zeigt, daß je mehr man an andre
Dinge denkt, man desto weniger an sich
selbst denkt. Bey ganz klaren Vorstellun-
gen denkt man an sich gar nicht, d.i. je
mehr ich mir einer Sache bewußt bin, desto
weniger bin ich mir meiner selbst bewußt
bey der Sache. Der Zustand da man nur
ganz an Sachen, und nicht an sich denkt, ist
der glüklichste, und dem Körper besonders
sehr zuträglich. Gedankenlosigkeit ist
/~δRand_08'_Z_1
/Die Gedanken sind öfters
schon zur Reife gekommen, ehe
man noch fähig ist, selbige
zu entwickeln.
/δZ_9-10
/Die Vorstellung von dem
Leiden eines andern, würkt
aufs Gefühl. In Ansehung
der großmüthigen %Handlungen kan
ich aber nicht sagen ich fühle
selbige. Es giebt Empfindung<en>
die äußerst vermischt sind.
zE Wann uns einer unverdiente
Wohlthaten erzeigt, wenn wir
selbige aber nachspähen, so finden wir
daß sie durch eine Reihe von Reflexionen entsprungen
/Der Mensch scheüt nichts mehr
als was seiner Selbstthä-
tigkeit hinderlich ist. Die
%menschliche Natur stürzt sich
lieber in einen %willkührlichen
Irrthum, als <in> eine weise
Unwißenheit <zu bleiben>. Der größte
«t»Theil der Irrthümer ist, daher
entsprungen, daß sie sich
nicht in eine bescheidene
Unwißenheit einschränken wollen. ~
|F_9
/der Zustand der dunklen Vorstellungen, da
ein Mensch weder an sich selbst, noch an andre
Dinge klar denkt. Die Seele kan dabey
vielleicht sehr thätig seyn. Der mehreste
Theil der Menschen ist oft gedankenloos, und
der Zustand ist sehr zuträglich. Bey der
Arbeit ist man %gewöhnlich gedankenloos, viel-
leicht ist eben deswegen die Arbeit so gesund.
/Die auf sich selbst gerichtete Aufmerksam-
keit ist theils schwer, theils sehr abmattend, und
ist sie unwillkührlich, so ist sie vieleicht das
größte Uebel was man nur haben kan.
/Es ist aber ein Unterschied zwischen dem Acht-
geben auf seine Person, und dem Achtgeben
auf die Thätigkeit seiner selbst. Das erste
thun Hypochondristen, das zweyte nachdenkende
intellectual Philosophen. Die eitle Aufmerk-
samkeit auf seine Gebährden macht steif, und
erweckt bey jeden Verdruß.
/Man liebt sein Leben destomehr je mehr
man thätig ist, und der Mensch liebt alles das was
ihm seyn Daseyn fühlen läßt. Alle Vergnügun-
gen der Einbildungskraft bestehen vielleicht
nur darin, daß sie unsre Kräfte ins Spiel
setzen, und unsre Thätigkeiten begünstigen. In
einsamen Stunden hascht man lieber nach Hirn-
gespinsten, als daß man gar nichts denken sollte.
Eine Schrift mit vielen Irrthümern darin
/~δRand_09_Z_1
/Ie jünger der Mensch ist, je
weniger unentschlußiger ist
er, und er liebt daher sich lieber
in Gefahr zu stürzen, als in
solchen Zustande zu bleiben.
Dies entspringt aus einem
Instinct der Natur.
/
/Persohnen die in Gesell-
schaften zeigen, daß sie
auf sich selbst Acht ge-
ben, nennt man affectirte.
/Wo eine %ängstliche Furchtsam-
keit, daß man durch sein
Betragen nicht gefallen wer-
de, nennt man gezwungen.
/Die Frauenzimmer haben
%vorzüglich Acht zu geben, wie
sie in die Augen fallen, weil
dieses gleichsam ihren Werth
ausmacht. Ein Frauen-
zimmer sieht in Ansehung
der E«rde»hre nur immer darauf
was die Leüte von ihnen
reden, bey d Mannspersonen
aber, was die Leüte von
ihnen denken. ~
|F_9'
/aber Genie herrscht, ist viel beßer als eine
Schrift ohne Irrthümer, die aber nur alltä-
gige Sachen vorträgt. Wer irre reißt ist
dennoch gereißt, und durch ein Buch der erstern
Art wird mein Verstand in Thätigkeit gesetzt,
und in der Situation kann er selbst auf neüe
Aussichten gerathen. Hobbes ist nutzbarer
als Puffendorff. Paradoxe Schriften sind
die sich den gemeinen angenommenen Sätzen
entgegenstellen. Alle neüe Schriften sind
paradox, wenn sie auf Sachen gehen von denen
man sonst allgemein das Gegentheil be-
hauptet hat. Paradoxe Schriften verdienen
die größte Aufmerksamkeit. Terraßon
merkt an, daß paradoxe Schriften immer
nur für die Nachkommen geschrieben werden,
denn sie wiederlegen %gemeiniglich den allge-
meinen Wahn, nach welchen sie von ihren Zeit-
genoßen noch immer beurtheilt werden.
/ ≥ Von den vergesellschafteten Vorstellungen ≤
/Nicht jeder Begleiter ist ein Gesellschafter.
Also sind auch nicht alle begleitenden Vor-
stellungen immer vergesellschaftet. Zur
Gesellschaft gehört Verknüpfung. Was wir
/~δRand_09'_Z_1
/Diejenige Schriften, so
einen allgemeinen Wahn aufhe-
ben sollen, sind alle am Anfan-
ge verworfen worden, weil
selbige mit denselben Vorurthei-
len beurtheilt werden, welche
diese Schriften erst aufheben
wollen.
/
/Eine paradoxe Schrift, ist
gleichsam anzusehen, als eine
Fahrt ohne Compass. Irrende
Seefahrer belehren immer
andere, und dadurch nützen sie
nicht weniger als diejenigen
so ihre Farth ungeirrt endigen.
/δZ_20
/Die Nebenidee von dem Worte
Wollust, warf ein falsches
Licht über das ganze System
des Epicurs.
/Man nennt den Nahmen einer
Nation, um eine Krankheit damit
zu benennen. E.g. die Franzosen ~
|F_10
/oft sich begleiten sehen, halten wir durch die
Einbildungskraft für verknüpft. aus der Be-
gleitung schlüßen wir auf Verbindung, von die-
ser kommen wir auf den Begrif der Ur«r»sache.
Wir wollen unten sehen, wie viel in dem Urteil
der Menschen, von den Sachen selbst, und von den
sie begleitenden Ideen herkömt. Wir müßen
aufmerksam seyn, die begleitenden Ideen,
von der Sache selbst zu unterscheiden.
/ ≥ Von den prägnanten Ideen. ≤
/Ein Ausdruck ist prägnant der viel Sinn hat.
Eine Sache immer durch ein Wort auszudrücken,
und zusammengesetzte Ideen immer in einem Aus-
druck zusammen zu ziehen, hat den Nachtheil daß
es confundirt, aber den Vortheil daß es starken
Nachdruck hat. Es ist dem logischen Gebrauch
des Verstandes nicht gemäß, aber wohl
dem ästetischen. Die Abstechung gegen ei-
ner Verlegenheit aus der man sich selbst
hilft, und der darauf folgenden Ruhe, würkt
großes Vergnügen. Es muß in der Schreib-
art eine Dunkelheit seyn, aber so eingerich-
tet, daß man sie den Augenblick auflö-
set, worinnen auch wahrer und angenehmer
Witz beruhet. Die Sentenzen sind besonders von
der Art. Kinder Unterweisungen wären in Sentenzen sehr nützlich.
/~δRand_10_Z_1
/Poeten müßen %eigentlich
keinen persöhnlichen Character
haben, weil sie sonst nicht
so leicht fähig sind, einen jeden
Character zu schildern.
/
/Die Fehler von einer schönen
Person geben gleichsam einen
Wiederschein, und sie gefallen
wohl gar zuletzt, weil die
Person gefällt.
/δZ_10
/Durch die Unthätigkeit
wird er Mensch so sehr
als durch strengste
Anstrengung erschöpft. ~
|F_10'
/ ≥ Von den untern und obern Erkentniß-
Vermögen. ≤
/Der Mensch schätzt sich höher, wenn sein Zustand
thätig, und nicht leidend ist. Denn obgleich der lei-
dende Zustand nicht selten angenehm ist, so
hält, man ihn doch niedriger und geringer als den
thätigen. Daher schätzt man einen Menschen und
hält ihn für erhabener, wenn er in sich selbst die
Qüelle seines Glücks in der Thätigkeit hat, als
einen Menschen dem alles aufwartet ihn
pflegt und vergnügt.
/Der Mensch vergleicht die Bestimmung seines
Zustandes, mit gewißen Vermögen und Kräften
in sich, als mit Ursache dieser Bestimmung.
Der Mensch hat erstens Receptivität oder
Fahig«h»keiten zu leiden, d.i. %sinlichen Vorstellungen.
Gefühl der Lust und Unlust, Begierden, diese
gehören, zum untern Vermögen, er hat aber
auch in sich eine <freye> Willkühr, seinen Zustand
selbst bestimmen zu können, und selbstthätig
Vorstellungen in sich zu erwecken. Dies gehört
zum obern Vermögen.
/Der leidende Zustand ist uns oft angenehm
aber das freye Vermögen, sowohl den leidenden
als thätigen Zustand sich beliebig zu überlaßen,
schätzt man fürs größte Glück, und nichts kan den
/~δRand_10'_Z_1
/Das obere Vermögen ist
der Verstand, unsre untre
Vermögen und Krafte sind die
Sinlichkeit, welche der leiden-
de Zustand, vermöge welcher
wir afficirt werden können.
/δZ_7
/«¿»Wan Dinge an sich schwer
sind, so sind sie jeder-
man schwer, und haben
ein solches Verhältniß
zu unserm Verstande
daß er seine ganze Kraft
anwenden muß, welches
man mit Beqüemlichkeit
nicht erreichen kan. Man
kan alles leicht machen,
wenn man ihm nur die Spreü
entgegen weht, und den Kern
wegläßt.
/Wenn die Schwürigkeit
etwas zu begreifen in der
Proportion der Kraft zu
unserm Vermögen liegt, so
darf man nur die Zeit ver-
längern. Denn durch eine kleine
Kraft in langer Zeit, wird
soviel gewürkt als umgekehrt. ~
|F_11
/Mangel deßelben ersetzen.
/Man ist zufrieden wenn man auch die quälendsten
Gedanken im Kopfe hat, in dem Fall wenn sie nur
aus Willkühr sind. Sind aber die Vorstellungen
unwillkührlich da, so werde ich von Furien gleich-
sam gequälet. In der Macht der freyen Willkühr
alle actus meiner Vermögen beliebig in mir zu
exerciren und zurück zu halten, beruht das größte
Glück der Welt. Den gesetzt es stößt mir das
größte Uebel zu, und ich bin im Stande von meinen
Vorstellungen zu abstrahiren, und andre herbey zu
rufen, so bin ich gegen alles gewafnet und
unüberwindlich.
/Kein Mensch würde es annehmen, daß ein andrer
ihn nach seiner Meynung glücklich machen wollte.
/Einen jeden gereüt es, wenn er sich von einer
Neigung hat fortschleppen laßen zE Iachzorn.
Daher mag kein Mensch gerne Leidenschaften
haben, den in dem Taumel der Leidenschaften,
glaubt der Mensch etwas ganz beliebig zu
thun, wovon er hernach betrübt einsieht, daß
er es von der Gewalt der Neigung verblendet,
und beherrscht wieder seinen Wil«len»kür gethan.
Ieder Mensch aber mag doch lieber ein Spiel
der Leidenschaften, als ein der Willkühr eines
andern unterworfener Sclave seyn. Aber
/~δRand_11_Z_1
/2 %Handlungen des Verstandes
können wir betrachten
/1, Wodurch wir Erkentniße
in uns hervorbringen
/2, wodurch wir Irrthümer
abhalten.
/Der negative Theil unsrer
Bemühungen ist der wich-
tigste. Das negative in
der Erziehung ist, wenn man
abhält, daß dem jungen
Menschen nichts böses ge-
lernt werde, das positive
daß in ihm Erkentniße
hervorgebracht werden.
/Bernoulli zeigt daß
man immer verliert, wenn
man ein Spiel spielt, welches
ein %anseehnliches Verhältniß
zu unserm Vermögen
hat. Den man verliert immer
von dem kleinen Theil, und
man gewint zu dem größern
Theil.
/Negative Urtheile, so«¿¿¿»llen
Irrthümer, und negative Ge-
setze Handlungen abhalten.
/Wer viele Bedürfniße leicht
befriedigen kan ist positiv
reich, wer viel entbehren kan
negativ reich. ~
|F_11'
/eigentlich sieht man doch, daß es viel böser ist, sich
einer Leidenschaft zu unterwerfen, als die Unter-
würfigkeit unter die Willkühr andrer.
/Die Freyheit ist die wahre Majestat der
Menschheit.
/Der Grund worauf die Inhaerentia einer
gewißen Bestimmung beruht, ist Vermögen, der
Grund worauf die Hervorbringung einer Be-
stimmung beruht ist Kraft. Das Vermögen
ist entweder ein unteres, d.i. die Sinlichkeit,
oder ein oberes das ist Verstand. Diese bey-
de Vermögen sind die Gründe der Inhae-
renz gewißer Bestimmungen oder actus in
uns. Aber wir haben auch eine Kraft
die den Grund enthält der Hervorbrin-
gung gewißer actuum in uns, d.i. die freye
Willkühr, zE. das Phantasien mir anwandeln
können beruhet auf der Sinlichkeit, aber
daß ich selbst Phantasien in mir hervor-
bringe, das beruht auf der Willkühr. Die
Sinnlichkeit ist das Vermögen daß mir Pha«t»ntasyn
inhaeriren können, aber «Sinnlichkeit» Willkühr ist
die Kraft die Phantasyen welche vermöge der
Sinlichkeit in mir inhaeriren können, wirklich
/~δRand_11'_Z_1
/Die negativen Lehren sind
die schwehrsten, und finden
die wenigsten Liebhaber.
/
/Leicht ist dasjenige
was ein kleines Verhält-
niß zur Kraft des Sub-
iects hat, schwer wenn es
ein großes Verhältniß
zur Kraft des Subiects
hat. Durch jede schwehre
Handlung ist meine gesam-
te Fahigkeit gebunden, und
daraus entspringt das
Unangenehme. Etwas leicht
zu leisten bringt keine
Ehre, aber etwas leicht zu
machen. Die französische
Nation hat die Naturgabe
daß sie die schwersten
Sachen leicht machen können.
/
/Schwach bezieht sich aufs Sub-
iect, Wichtig aufs Obiect,
welches in Ansehung deßen
der es leistet, <kan es> leicht seyn
kan. Der sich mit Gravtaet
zeigt, glaubt wichtig zu seyn ~
|F_12
/hervorzubringen. Der Mensch ist vermögend nach
freyen Belieben bestimmen zu können, seinen
Zustand sowohl der Vorstellungen als Be-
gierden. Die Thiere haben auf die Gegen-
stände fast so viel Macht als wir, aber die
Bestimmung ihres Zustandes stehet nicht bey
ihnen. Sachen der Kunst und Künstler hält man
höher als Sachen der Natur und gemeine Hand-
arbeiter. Den der da regiert hält man acht-
samer, als den der ernährt, obgleich der erste den
andern als nothwendig voraussetzt. Dies
kömt daher weil die Menschen die Form höher
schätzen als die Materialien. Eben so schätzen
die Menschen den Verstand hoch, und weit über
die Sinlichkeit. Die Sinnlichkeit ist bey ihnen
im Üblen Ruffe, die doch dem Verstande
alle Materialien liefert, und ohne welchen
der Verstand unthätig bleiben müßte.
/ ≥ Von der Sinlichkeit. ≤
/Die Sinlichkeit besteht in der Art wie
wir von einem Gegenstande afficirt wer-
den. Alle Vorstellungen die die Sinne
uns liefern, sind in uns blos durch die Ge-
genwart der Gegenstände, da sie die Sinen
trefen entsprungen. Die sinliche Vorstellungen
/~δRand_12_Z_1
/Alle Menschen die Gravi-
taet «haben» <zeigen>, sind gemeinhin
schwache Köpfe, und je dum-
mer ein Mensch ist, je gra-
vitätischer ist er.
/In einer Gesellschaft
muß man nichts schweres
vorbringen, oder man
muß sie mit einer lus-
tigen Art vortragen.
/Die Franzosen werden
wohl immer die Schöpfer
des Geschmacks bleiben,
wir haben ihnen auch die
Lebhaftigkeit in unserm
Umgange zu verdanken.
/Der etwas hochschätzt,
weil es eine überwundene
große Schwürigkeit zeigt,
hat weder Geschmack noch
Genie. ~
|F_12'
/beruhen also auf unsre Paßibilität. Von
diesen sinlichen Vorstellungen sind Verstandes
Vorstellungen dem Ur«r»sprung und den Qüellen
nach verschieden, nicht aber der Form nach.
Daher bleiben die dunklen Vorstellungen
so undeütlich sie auch sind, doch immer Verstan-
desvorstellungen, und die sinnliche Vorstellung
mag so deütlich seyn wie sie immerhin wolle,
bleibt doch immer sinnlich. Viele haben hierin
geirret, ja selbst der berühmte Mendelssohn,
der die deütlichen Vorstellungen für Verstan-
des-Vorstellungen hält, da er doch aber einge-
sehen, daß sehr oft die Sinnlichkeit für den
Verstandesbegriffen viel Vorzüge hat, so
hat er solches aus der «Vorst» Verwirrung
herleiten wollen, allein dies ist nicht %möglich,
denn die Deütlichkeit der sinlichen Vorstellun-
gen kan sehr groß seyn, und man kan doch
von der Sache selbst, noch gar keinen Ver-
standesbegrif haben.
/Die Deütlichkeit oder Undeütlichkeit also
bestimmt Vorstellungen nicht, ob sie aus
dem Verstande oder aus der Sinlichkeit
entsprungen, sondern ihr Ursprung. Es können
%sinliche Vorstellungen sehr deütlich, und Verstan-
des Vorstellungen ganz verworren seyn. Denn
was im Begrif deütlich ist, kan in der An-
schauung höchst %undeütlich seyn, und umgekehrt.
|F_13
/So wenig aber eine Kupfermünze, ohngeachtet
des schönsten Gepräges, doch keine Goldmedaille
wird, eben so wenig wird eine sinliche Vorstel-
lung, sie mag bearbeitet und geputzt werden
wie sie wolle eine Verstandes-Vorstellung
werden.
/Die Sinnlichkeit liefert unsrer Erkentniß
die Materialien, und der Mangel derselben hebt
den Gebrauch des Verstandes gänzlich auf,
er hat gleichsam die Potestatem rectoriam und
ordnet sie, hieraus fließt, daß es unbillig
ist, die Sinlichkeit zu verachten, und daß es kein
Fehler wenn jemand blos sinnlich ist, sondern
nur ein Mangel. Eine Uhr an welcher das Zif-
ferblatt und der Zeiger fehlt, ist deswegen
noch nicht untauglich.
/Es frägt sich nun ob das Bewustseyn zum
Untern oder Obernvermögen gehöre? Das Be-
wustseyn ist eine Kraft nicht eine Vorstel-
lung, es bringt auch nicht neüe Vorstellungen
hervor, sondern beleüchtet sie nur, es ist
also die Bedingung unter welcher die Obere
Kraft würksam seyn kan. Sinnliche Vorstellun-
gen bleiben immer sinnlich, wenn man sich gleich
ihrer bewußt ist, und intellectuale intellectual,
wenn gleich das Gegentheil. Bewustseyn muß
man gar nicht mit den beyden Vermögen vermengen.
|F_13'
/Sinnlichkeit haben wir also gesehen ist kein
Uebel, Verwirrung ware ein Uebel, allein
die Sinlichkeit verwirret nicht. Wer nur
blos die Sinne braucht, deßen Vorstellung
fehlt zwar noch die Bearbeitung des Ver-
standes, ohne welcher keine Begreiflich-
keit und Ordnung der Vorstellung statt
finden kan, allein wenn einer Sache auch
etwas fehlt, so ist doch noch kein Uebel
sondern nur blos ein Mangel da. Die
Sinnlichkeit ist bey einigen so verhaßt,
daß auch P. Pallas in seinen Reisebe-
schreibungen will Pillen entdeckt haben,
die wenn sie jemand vor seinem Tode ein-
nimt, ihn auf ewig von aller Sinlichkeit
befreyen sollen. Der Grund dieser Ver-
spottung liegt darin, die Sinlichkeit scheint
immer etwas niedriges anzuzeigen, weil %nemlich
die %sinlichen Begierden unsre freye Willkühr
binden, was aber unsre Freyheit ein-
schränkt, halten wir für erniedrigend.
Allein was das theoretische betrift, so
ist die sinliche Form der Erkentniß, wegen
ihrer Augenscheinlichkeit der intellectualen
ofters vorzuziehen, denn die Anschauung
ist die vollkommenste Erkentniß. Wol-
len wir nun die discursive Erkentniß
des Verstandes zur Anschauung brin-
gen, so müßen wir, wie es Moralisten
|F_14
/auch wirklich thun, die allgemeinen Ver-
standeslehren, in concreten Fällen zeigen.
/Außerdem daß das Laster verabscheü-
ungswürdig ist, liegt auch was ungereimtes
und lächerliches darinnen. Es wäre daher zu
wünschen daß Schriftsteller, anstatt
auf das Laster immer die Donner der Ver-
wünschung fahren zu laßen, die lächerlichen
Ungereimtheiten der Lasterhaften in
einer launichten Schreibart zeigen möchten.
Nutzbarer ist es auch das Laster in der
Narrenkappe, als auf der Folter der Fu-
rien zu sehen; denn nichts verabscheüt der
Mensch mehr, als Verachtung und verlacht
zu werden. Wir wollen lieber ein Ge-
genstand des Haßes als der Verspot-
tung seyn.
/Es ist beßer ein Heraclit als ein
Democrit zu seyn. Man betrachte die
Welt als das große Narrenhaus und
den Planeten, auf den die Menschen,
um wegen ihrer Thorheit die Quarantai-
ne zu halten, verwiesen sind. Man la-
che über die Thorheiten der Menschen, ohne
Ausschließung seiner selbst, alsdenn
wird man ein Freünd von allen Menschen
bleiben, man wird über ihre Thorheiten
|F_14'
/lachen und sie doch zugleich lieben, statt
daß jener mit der mürrischen Laune
ein Misantrop und Menschenfeind wird.
Denn verdienen wohl die Thorheiten @der@
Welt, daß man sich über die ärgere «,»? verdie-
nen sie wohl mehr als Verlachung? Durch
dieses Betragen erhalten wir den edelsten
Schatz des Menschen, die Heiterkeit der
Seele. Auch selbst das Ziel der ei-
frigsten Bemuhungen der Menschen,
und selbst ihrer ernsthaftesten Handlun-
gen, was ist es anders als die Eitelkeit?
Nero ist gewiß mehr ein Thor als ein
Bösewicht gewesen.
/Die Tugend sollte man gleichfalls nicht
in ihrer erhabenen ehrfurchtsvollen Hoheit,
sondern dem liebenswürdigen Lichte
zeigen, worin sie so sehr reitzt, denn sonst
wird sie schreckbar, und so wie alles wo
für wir Respect haben sollen, uns lästig.
Wir sind lieber bey guten Freünden, als
bey Persohnen höhern Standes und Verdien-
stes, für die wir Achtung haben müßen.
Es ist aber nöthig wenn man Vernunft-
sätze, in einem Kleide der Sinlichkeit
zeigen will, daß man sie vorher durch
den Verstand, ganz rein von aller Sin-
lichkeit erkant und erwogen habe.
|F_15
/Der ganze Nutzen der schönen Wissenschaf-
ten ist, daß sie die moralische Vernunft-
sätze in vollem Glantze setzen. Sulzer zeigt
dieses sehr deütlich.
/Einiges Verfahren nennen wir negativ
wenn man nemlich nicht was eigentliches her-
vorbringt, was zu unserm Zwecke dient, son-
dern nur die Hinderniße zu demselben
aufhebt. So ist Roußeaus Erziehungs_Plan
negativ. Er sucht nicht sowohl den Zögling
mit Kentniße zu waffnen, als vielmehr
zu verhüten daß nicht böse Gewohnheiten
und Irrthümer sich bey ihm einnisteln. Einige
Menschen sind so beschaffen, daß sie nur
negativ gut sind, sie ermangeln %nemlich
der Schlauigkeit durch die Schlangen-
wege der Betrügerey zu gehen. Ehrlichkeit
geht den geraden und sicheren Weg, darum
man sie auch mit der Dumheit zu paaren
pflegt. So giebt es auch negative Ehrlich-
keit wenn man nicht betrügt. Die kan
einen Tölpelhaften immer beywohnen;
Aber ein ehrlicher Mann aus Grundsätzen
ist nur ein rechtschaffener Mann.
/Es giebt auch einen negativen Stolz
da man sich nicht will verachten
laßen, und der die eingebildeten Vor-
|F_15'
/züge eines Aufgeblasenen zurücke
weißt.
/Negative Erkentniße, da wir nem-
lich nur lernen was eine Sache
nicht ist, und damit Irrthümer ab-
zuhalten. Diese sind von von gros-
sen Nutzen.
/Der erste Schritt zur Weisheit
ist von Thorheit frey zu seyn. Die
ganze Welt ist voller Thorheit,
und der gröste Mann hat zu seinen
Zweck in der Welt, das Tändeln.
Der Spaß ist das Element der
Menschen. Ein Weiser ist nie aus dem
Menschen zu machen. Genug wen der
Mensch negativ weise und gut ist.
Der Mensch der niemahls einem einen
Becher kaltes Waßers gereichet,
aber auch niemahls gelogen, das
Eigenthum eines andern, als «glünen»
glühend Eisen geflohen, und keinen
hintergangen, der ist beynahe
schon gerecht, und unendlich mehr
werth, als der von weichen gut-
thätigen Herzen und dabey gegen die
|F_16
/höchsten Pflichten des Rechts gegen
sich nachtsichtlich ist. Es ist aber eigen
der Mensch schätzt nicht die negative
gute Handlungen, das kömt daher daß
der Mensch immer gerne thätig seyn
will. Ia ich glaube daß die Begüns-
tigung der Thätigkeit, daß Principium
alles Vergnügens ist. Da nur negati-
ve %Handlungen unsre Thätigkeit restringiren,
so mag dieses vieleicht der Grund seyn,
warum man sie nicht liebt. Vieleicht
auch die Ursache daß in Gesellschaft-
ten Einwürfe und Wiedersprüche so
unangenehm sind, wie nicht weniger
Schriften die blos Irrthümer wie-
derlegen unangenehm sind.
/δRest_leer
|F_16'
/ ≥ Leichtigkeit und Schwehre
der Erkentniß. ≤
/Wir kennen sehr gut den Umfang
unsers Erkentnißvermögens. Was
mit meinem Erkentnißvermögen ver-
glichen, einen Ueberschuß von Erkent-
nißvermögen läßt, das nenne ich
leicht. Wo in der Vergleichung das
Erkentniß größer ist als das
Vermögen, das nenne ich schwer. Wenn
wir sehen, daß jemanden etwas Mü-
he kostet, so ist es uns stets un-
angenehm. Sehe ich jemanden eine
große Last ziehen, so ist mir der
Anblick beschwehrlich. Selbst wenn
wir zu Gaste sind, und es ist ein gros-
ser Umlauf und Zurüstung, so ist
das nicht lieb; es müßen die Gäste
gleichsam von selbst, oder von ohnge-
fehr bedient werden. Ietziger Zeit
sucht man alles leicht zu machen, aber
nicht auf die rechte Art, weil
man das Schwere wegläßt.
/Es giebt entschiedene Charactere
|F_17
/deren einige in allen Dingen zu aller-
erst auf die Schwürigkeiten sehen an-
dere wieder alles leicht finden.
/Der erstere Character ist mysan-
tropisch, denn weil er bey aller Ge-
fälligkeit, die er thun soll, Schwürig-
keiten findet, so entschließt er sich
schwer etwas zu thun. Der andre
Character verspricht immer mehr
als er halten kan. Ieder Mensch
hat eine gewiße Manier, wie er
eine Sache die ihm vorkömt, zuerst
ansieht. Es ist daher öfters sehr
nöthig Anfängern, die Schwürig-
keiten einer Wißenschaft stren-
ge herzuzählen, damit die unfähigen
Köpfe ihr Unvermögen fühlen. Ge-
nies werden eben um der Schwü-
rigkeit willen die Wissenschaft
umarmen. Welchen Schaden
hat Gellert nicht gethan, daß
er das Publicum, und besonders
|F_17'
/das Frauenzimmer glauben macht,
sie könten über die Gründe der
Moral und über alle Sachen Urthei-
le fällen.
/Einiges ist gleich, so bald man
es empfängt klar, andres erheischt
Abstraction und Aufmerksamkeit.
/δRest_leer
|F_18
/ ≥ Von der Attention und Abstraction. ≤
/Wir haben ein Vermögen unsre Gedanken
immer auf ein Obiect zu wenden, aber
auch das Gegentheil. Sie sind also theils
willkührlich theils unwillkührlich. zE in einer
Gesellschaft, wo man ganz ehrbar seyn soll,
können wir unsre Gedanken nicht abwenden
von einem Gegenstande der uns eben
zum Lachen reitzt. Und wir können das La-
chen desto weniger zurückhalten, je mehr
Mühe wir uns geben. Die Unvollstän-
digkeit choquirt uns stets, daher wir stets
empfindlich sind, wen wir zE sehen daß
ein Knopf an unserm Lehnstuhl «fehlet»,
abgebrochen ist. Die Herrschaft des Ge-
müths bestehet darin, wenn wir den Strom
der Vorstellungen aufhalten können, und nicht
erlauben daß die Sinnlichkeit reißaus
nimt. Zerstreüungen haben 1, den Nutzen
daß sich das Gemüth erhohlt, und zwar dadurch
daß wir unsre Gedanken stets ver-
ändern, und alle Kräfte des Gemüths im
Spiel setzen, die Attention bleibt also
nicht auf einen Punct geheftet, dadurch
verwundet de@r\n@ Hypochondrist sein Gemüth
daß er seine Gedanken stets auf einen
Gegenstand richtet.
/~δRand_18_Z_1
/Eine fortgesetzte Auf-
merksamkeit ermüdet. Es
ist mit dem Gemüth wie
mit den Gliedern, wo jeder
Muskel seinen Antagonisten
hat, wo der eine ermüdet
wird wenn der andre sich
exerciret. Alle Thätigkeit,
selbst der anhaltende
Gebrauch der feinsten
Sinne ermüdet.
/Die Abstraction, ob
zwar nur dazu nöthig ist,
zu verhindern, daß ein
Gedanke nicht sey, ist
eine wahre Handlung,
und öfters schwerer als
Aufmerksamkeit, be-
sonders wenn man von
Gegenständen der Sinne,
oder auch von Vorstellun-
gen abstrahiren will, die
immer mit einander verbun-
den zu seyn pflegen.
/Empyrische Köpfe abstrahi-
ren zu wenig, speculative zu ~
|F_18'
/Der Vorzug der Menschheit besteht darin
daß er alle seine Vermögen unter
seiner freyen Willkühr bringen kan.
Der Mensch wird öfters glüklich oder
unglüklich, dadurch daß er zu viel oder
zu wenig abstrahirt. Eine Art vo«m»n
Abstraction vom Uebel ist dem Men-
schen natürlich, zE die Abstraction vom
Tode. Die Menschen abstrahiren öfters
zu viel von den Folgen, die aus ihren Hand-
lungen entspringen können, würden sie
diese Fahigkeit nicht haben, so würde es
ihnen in den Lauf ihrer Vergnügungen
hemmen, solche Persohnen nennet man
Leichtsinnige.
/Die Stoiker behaupten, daß ein
Weiser, jeder Art von Eindrücke so
auf «uns»ihn geschehen, die Kraft beneh-
men könne. zE das Podagra könne mit
solchem Wiederstande attaquirt werden,
daß es keine Veränderungen im Gemüth
hervorbringen könne.
/Wenn ein Uebel da ist so faßt ein
jeder Muth, der Zustand aber zwischen
Hofnung und Furcht, ist der schrecklichste.
Daher sagt Roußeau daß die Aerzte
den Menschen zaghaft machen.
/~δRand_18'_Z_1
/viel daher haben die Leh-
ren der Letzteren nicht den
geringsten practischen Nutzen.
So wie wenn einer über die
Moral nachdenkt, und nicht
zugleich das %menschliche Ge-
schlecht studiert.
/
/Im Affect nährt der
Mensch nur eine Neigung
und abstrahirt von allen übri-
gen. Andre abstrahiren
im Unglücke zu viel, indem
sie alles Gute, was noch
um sie ist, ihrer Betrach-
tung entziehen. In gewißen
Fällen hat man auch wie-
der zu viel Aufmerk-
samkeit. Wie mancher
kan keine grobe Rede,
keine Beleidigung ver-
tragen.
/Bey den Chinesern ist der
Zustand der glüklichste, da
man sich seines Körpers und
keiner Eindrücke bewust ist. ~
|F_19
/ ≥ Lehre von den Sinnen. ≤
/Der Verstand ist ein Vermögen die
Sinne sind Fähigkeiten. Alle Erkentniße
die %sinlichen gehören zu den untern Vermögen,
die aber aus dem Verstande entsprin-
gen gehören zu den obern Vermögen
des Menschen. Innerlich könen wir nicht
viele Sinne unterscheiden, weil die Seele
einfach und nicht so viele Organe wie der
Körper, daher wir %äußerlich viele Sinne
gewahr werden. Wir sagen daher wir
haben einen inneren Sinn, und verschiede-
ne äußere. Der Sinn des Gefühls scheint
sich durch ganze Nervensystem zu verbrei-
ten, wir haben daher nur 4 Sinne zu welche
jede, eine besondre Organisation. Ner-
ven und Fasern scheinen gleichsam die anima-
lischen Potenzen zu seyn, alle andre sind
gleichsam nur Werkzeüge des Körpers.
/Obiectiv sind Sine, wenn sie mir eine
Vorstellung vom Gegenstande machen
können, subiectiv, wenn sie nur Verän-
derungen in mir hervorbringen. zE Ge-
|F_19'
/schmack und Geruch, daher diese auch
keine Erkentniße in uns hervorbrin-
gen. Sie sind die niedrigsten. Sie
würken aber stärker als die obiectiven.
Der Geruch ist eine unmittelbahre
Rührung, daher er keiner Auslegung
bedarf, er paart sich mit Einbildun-
gen und Chimären, er verursacht uns
daher mit weit mehr Verdruß als
Annehmlichkeiten, das Wohlriechen
kan nur auf eine kleine Weile ange-
nehm seyn. Man sieht er will nur
dann und wan leicht berührt werden. Den
Wilden riecht nichts beßer, als die
Garküche. Das Vergnügen aus dem Ge-
ruch liegt wirklich nicht in der Natur,
sondern ist was ausstudiertes. Man
sieht Kinder in einem Zimmer wo es
sehr unangenehm riecht eben so ver-
gnügt seyn, als in einem wohlriechenden.
/Der Geschmack nimt auch sehr viele
Vorurtheile an, man sieht daß Sachen
die man zuletzt gar nicht entbehren kan,
uns %anfänglich haben müßen empfohlen
|F_20
/werden, zE Kaviar, das Tobacksrauchen.
/Zu den Organen der Erkentniße
gehort 1, das Fühlen, welches vom Gefuhl
unterschieden, wir erkennen dadurch
die Substanz, durchs Sehen gleichfalls
die Substanz und die Gestalt, durchs
Gehör, das Spiel, oder die Succession
in der Zeit.
/ ≥ Theorie der Sinnlichkeit. ≤
/Wir können bey allen sinlichen Vor-
stellungen unterscheiden,
/1, die Materie, wodurch der Eindruk
auf die Sinne geschieht, dieser Eindruk
allein bringt aber noch keinen Begrif in
mir hervor. Sondern es muß noch hinzu-
kommen 2, die Form, und diese Form ist
zuerst die der Anschauung. Raum und Zeit
sind die Form aller sinlichen Anschauun-
gen. Die Verhältniße des Raumes geben
Gestalten, die der Zeit, das Spiel. Daher
die Music, als in welcher eine Folge von
Tönen ist, Spiel heißt.
/Außer dem Vermögen zu empfinden,
müßen wir noch ein Vermögen haben
|F_20'
/aus den verglichenen und zusammen gefaß-
ten Eindrücken, gleichsam ein Bild zu
machen was denselben correspondirt.
Dieses Vermögen ist nun %erstlich
/der Abbildung, da wir aus den
Empfindungen, die uns allen Stoff zu
Erkentnißen darreichen, Vorstellun-
gen bilden. Die Einfalt ist deswegen
so angenehm, und eine Bedingung der
schönen Künste, weil sie die Abbildung
vom Gegenstande im Gemüthe erleichtert
/2, der Nachbildung, da wir uns Vor-
stellungen von«m» Ding<en> machen, die zwar
nicht jetzo da sind, aber doch vorher ge-
wesen. Dies Vermögen also entlehnt
so wohl die Materie als die Form
aus den Sinnen. Dies Vermögen nennet
man Phantasie oder Imagination
/3, der Vorbildung, welches die Materia-
lien, aus den Sinnen nimt, und sich durch
den, aus den Sinnen gegebenen datis
auf künftige Zeit etwas vorbildet.
/4, der Einbildung, wo man sich etwas
bildet, was man nicht aus den
sinlichen Vorstellungen nimmt. Aus
|F_21
/der Einbildung kan man sich eine Vor-
bildung auf die Zukunft machen zE die
Schrecken des Todes.
/Es ist nicht gut, daß man in der
Philosophie die Einbildung mit der Nach-
bildung stets vermischt hat. Zur Einbil-
dung wird immer Erdichtung erfordert,
denn sie nimt nur die Materialien aus
den Sinnen, aber die Form aus sich
selbst. Die Nachbildung nimt aber Ma-
terie und Form aus den Sinnen.
/Unter allen Vermögen der Seele, ist
die Empfindung das unterste, denn wir
sind dabey ganz leidend. Wir können uns
zwar der Eindrücke, so die Gegenstände
in uns hervorbringen, nicht erwehren,
«A»aber wir können die Aufmerksamkeit
von selbigen abwenden, oder sie auch
fliehen. Empfinden gehört für das Thier.
/Durch Gewohnheit und Uebung kan man das
Vermögen, die Aufmerksamkeit von allem
abzuziehen, sehr schärfen. zE die Amerikaner.
/Die Seele hat über ihren inneren Zustand
mehr und leichtere Gewalt, als über den
äüßeren, und nur die Gewohnheit überredet
/~δRand_21_Z_14
/Wie verderblich sind die
Dichter die, die Seele so
welk machen. ~
|F_21'
/uns, daß wir den Sinnen so sehr un-
terworfen sind. Denn weil wir in der
Erziehung verzärtelt jederen Aufwallung
nachgeben, und niemahls wiederstehen, so
glauben wir, es sey nicht möglich den
Neigungen zu wiederstehen. Aber die
Erfahrung derer, so gut erzogen sind,
oder sich noch einmahl erzogen haben,
(welches ein jeder eigentlich thun sollte,)
zeigt deütlich, daß wir ein Vermö-
gen haben, über alle unsre Triebe zu
gebiethen.
/Dem Spiele unsrer eigenen Phanta-
sien stets nachhängen, und nicht Macht
über anwandelnde Vorstellungen
zE verliebten Einbildungen, oder Sorgen,
zu haben, ist der elendeste Zustand.
/Ie mehr der Mensch sich gewöhnt
zu reflectiren, destomehr verrin-
gert sich seine Anhänglichkeit an
gewißen Sachen. Durch Reflexion
kühlt sich aller Zorn, und alle Hitze
der Begierden ab, und nach und nach macht
man sich von allen Dingen loß.
/~δRand_21'_Z_19
/Man weiß aus vielen
Exempeln, daß wenn der
Zornige, schon die Ursache
seines Affects hererzählt,
sich seine Wuth schon legt.
Daher eifert er so sehr
über die Rechtmäßigkeit
seiner Sache, denn das ist ein
Mittel, wodurch er sich
abkühlt. ~
|F_22
/ ≥ Der Ideealism. ≤
/Diejenigen Philosophen die die Wirklichkeit
der äußern Gegenstände ableügnen, %nemlich
die Ideealisten, wenn sie theoretisch
sind, haben eben keinen Vortheil aber auch
keinen Schaden dabey. Es wird sie zu
wiederlegen, blos auf die Auflösung
einer Logomachie ankommen. Practische
Idealisten sind die, die so handeln, als
ob sie in einer Welt, die sie sich ertraeü-
men lebten. Das Romanlesen die
wenige Kentniß der Welt, setzt man-
che Menschen in solche seltsame Gemüths-
stellung. Gellert war fast darin.
/Der theoretische Idealism, hat seinen
Ursprung vieleicht aus der richtigen
Meynung, daß das Centrum aller Dinge
vernünftige Wesen sind, und folglich der
Endzweck, Werth und Nutzen aller Dinge
nur von der Beziehung derselben auf
Ideen abhängt. Hieraus also daß alle
Dinge wenn sie auch existirten, an sich kei-
nen Werth hätten als ihnen die Men-
|F_22'
/schen in ihren Vorstellungen beylegen,
sind einige vieleicht bewogen worden
zu glauben, daß zwischen Traeümen und
Empfinden kein Unterschied sey, als
eine ordentlichere Entwicklung der Phan-
tasie. Im Handeln werden sie sich von
andern Menschen gar nicht unterscheiden.
/Der ästetische Idealism, ist die Ge-
ringschätzung der würklichen Welt, und die
Ergötzungen einer aus Einbildungen er-
schaffenen Welt. Dieser Idealism kan
entweder vernünftig seyn, wenn er aus
Gründen der Vernunft herrührt, oder
chimärisch, der eine Geburth der bloßen
Einbildung ist. Der letztere tadelt den
Lauf der Welt mit Unrecht. Denn ge-
wiß wenn seine eingebildete Welt eta-
bliret, und ihm das Staatsruder von der
Vorsicht übergeben würde, so würde er
sie bald in den unseeligsten Zustande
sehen, und gern würde er sich der vorigen
Verfaßung unterwerfen.
/Man hat was das sinnliche Schöne
betrift, wirklich Vorstellungen von
|F_23
/Schönheit, welchen keine existirende Schön-
heit vollkommen entspricht, und nach welchen
man alles Schöne beurtheilt. Man nen-
net diese Vorstellungen so fern man
sich daraus ein Bild der vollkommensten
Schönheit formt Ideal.
/In dieser Welt hat alles einen gewissen
Zweck. Der Schöpfer hat alles so schön
wie %möglich gemacht, aber doch so daß der
Hauptzweck die Nutzbarkeit bliebe. Wenn
wir nun dasjenige, wovon wir einsehen,
daß es blos die Nutzbarkeit zum Zweck
habe, weglaßen, und nur das uns vorstel-
len, was zur Schönheit abzweckt, so gelan-
gen wir auf diesem Wege zu dem Ideal.
Man sieht dieses an den Statuen der
Alten, jenen Meisterstücken des Geschmacks,
wo die Knochen die den Bedürfniße
und Nothwendigkeiten des Lebens wegen
spitzig und eckig seyn müsten, ganz rund
gearbeitet sind. Auch läßt sich hiernach
die Ursache angeben, warum es dem Ge-
schmack zuwieder in Gesellschaften von
|F_23'
/häuslichen Angelegenheiten zu reden.
/Das Ideal wird also nicht aus der Natur
genommen, auch wird in der Natur nie-
mahls etwas gefunden werden, was dem-
selben völlig gleich wäre. Denn man fin-
det in der Natur immer, daß etwas
einen andern Zweck habe, als bloß zu
gefallen. Das Ideal aber fordert daß
alles darauf abziele uns zu gefallen, wenn
es auch sonst nicht den mindesten Nutzen
hätte. Und nicht blos daß man in der
Natur dunkle und undeütliche Ausnahmen
von dem Ideal der Schönheit anträfe, sondern
man weiß sie gemeiniglich mit Nahmen
anzuzeigen. Ieder Künstler muß ein
Original im Kopfe haben.
/Die vernünftige Ideale haben ihren
Nutzen. Es giebt aber auch chimärische, so
auf Absurditäten hinauslauffen. So
will mancher daß Ehrlichkeit und Tugend
in Kutschen fahren, und an herrlichen Ta-
feln bedient werden soll, wodurch die
Tugend der Demuth und «Dem»Mäßigkeit, und
überhaupt das Edle aller Tugenden auf-
/~δRand_23'_Z_2
/In Ansehung des Stylo
muß kein Autor zum Mo-
dell vorgelegt werden, ob
er gleich zum Beyspiel die-
nen kan.
/
/Franzosen sind selten
Originale, weil es bey ihnen
unanständig ist, anders
zu denken und zu seyn, wie alle
andre, und weil die Erziehung
bey allen mehrentheils gleich-
artig ist. Hingegen bey den
Engelländern, die wenig
nach andern fragen, und
eben dadurch ungesellig
werden, findet man die
mehresten Originale, sie ha-
ben auch die mehresten Ent-
deckungen gemacht. ~
|F_24
/gehoben wird.
/Alle unsre Erkentniß fängt von den
Sinnen an, ob wir sie gleich nicht daraus
schöpfen. Die Anwendung des Verstandes
beruht auf Erfahrungen. Die Sinne
sind der letzte Endzweck worauf wir
alles zurücke bringen.
/ ≥ Von den gehäüften Vorstellungen,
(complexiv.) ≤
/Eine Perceptio complexa ist, wo außer
der eigentlichen Vorstellung, noch
aus subjectiven Gründen, aus unsrer
Situation entspringende Vorstellun-
gen, als Begleiter da sind. zE ich erin-
nere mich an eine grammatische
Regel, und es fällt mir %zugleich die drohende
Miene des Schulmeisters ein.
/Alle unsre Vorstellungen sind
immer mit begleitenden Vorstellun-
gen umgeben, die ihnen stets nachfolgen.
Ob zwar in Ansehung des Objects, die
Hauptvorstellung (obiective primaria) am
meisten hervorstechen sollte, so geschieht
|F_24'
/es doch oft, daß die begleitenden Vor-
stellungen stärker wirken. zE beym Kir-
chengehen sollte obiective, die Andacht
die Hauptvorstellung seyn, aber man
nehme das Ernsthafte der Versammlung,
die Pracht des Gebäudes, die Modulation
des Singens hinweg, so wird die Haupt-
vorstellung ganz und gar verschwinden.
Man muß daher sorgfältig seyn, dasje-
nige was die anhärirende Vorstellung
sehr wirksam macht, zu vermeiden, und nur
so viel behalten, als die Aufmerksam-
keit auf die Hauptvorstellung schär-
fen kann. Selbst in Wißenschaften
und im Handeln sieht man dieses vitium
subreptionis. Anständigkeit ist eine
bloße Begleiterin der Tugend, und die
meisten lieben diese Begleiterin
mehr als die Hauptsache, oder diese
nur um jener willen. Frauenzimmer sind
besonders so geartet, daß sie mehr
auf das «in»adhaerirende, als auf die
Hauptvorstellung sehen. Miltons
|F_25
/Frau sagte ihm, er möchte doch das ihm von
Carl den 2ten angetragene Secretariat
annehmen, er antwortete aber sie wollen
in Kutschen fahren, ich will aber ein %ehrlicher
Mann seyn. Die Frau dachte wer wird es
mir ansehen wenn ich in Kutschen fahre,
daß mein Mann nicht ehrlich sey.
/Es geschieht oft daß wir unsre Empfin-
dungen, wenn wir von einigen Dingen
stark, von andern im Gegentheil ganz
wenig afficirt werden, gar nicht er-
klären können. Oft können wir uns nicht
überzeügen, wenn gleich die ganze Welt
überzeügt wäre, weil die perceptiones
adhaerentes bey uns im Subiect oft
wirksamer sind, als die primariae.
Die Partheylichkeit für das Geschlecht
zeigt sich in der Erfahrung. z.B. Iene Ge-
schichte von einem %englischen Officier, der bey Fontenoy
zugegen gewesen war, und die %unglückliche Bataille
erzählte.
/Ohne Adhaerenz ist jede Vorstellung troken.
|F_25'
/Das Trockene, die lakonische Antworten
gefallen nicht, sie müsten denn aufs lus-
tige gehen.
/ ≥ Von der Ueberzeügung, Ueberredung
/<Beyfall> ≤
/Ueberzeügung und Ueberredung ist nur
subiectiv verschieden. Die Uebereinstim-
mung der Erkentniß mit dem Gegenstan-
de ist Wahrheit. Bin ich mich dieser Wahrheit
bey einer meiner Erkentniße bewust, so
ists Ueberredung oder Ueberzeügung. Die-
se beyde kan bey sich selbst keiner
unterscheiden. Nur andre wenn sie
sehen, daß ich mir der Wahrheit einer
Erkentniß bewust bin, welche nicht
wahr ist, so nennen sie dies mein
Bewustseyn Ueberredung, ist die
Erkentniß wahr, so nennen sie sie
Ueberzeügung.
/Was den Beyfall betrift, so erhält
man oft recht, weil die Gegenparthey
nicht mehr streiten will, oder was
anders zu thun hat.
|F_26
/Manche Gesetze sind angefochten, weil
man sie so triumphirend so überzeügend
einführte. Subjective Gründe müßen oft
Erklährungen solcher Phänomenen darbie-
then.
/Wir schließen die Betrachtung von
den Vorstellungen, mit der Erklährung
der Aestetic. Sie ist überhaupt die Wis-
senschaft der Sinne. Die Unterschei-
dung durch Lust oder Unlust ist äste-
tisch. Die Aestetic können wir ein-
theilen
/1, In die transcendentale, welche die
%sinlichen Vorstellungen von den intellec-
tualen unterscheidet, sie kömt in der
Metaphisic bey der Betrachtung der
unterschiedenen Erkentnißqüellen
vor, und überhaupt erwegt sie die For-
men der Sinlichkeit, d.i. Raum und Zeit.
/2, In die physische, welche die Organe
des Körpers betrachtet, und ein Theil
derselben die physiologische überlegt
die Empfindungen.
/~δRand_26_Z_20
/3, In die practische, sie
untersuchet die Lust
und Unlust in der Em-
pfindung ~
|F_26'
/Die Urteilskraft ist das Unter-
scheidungsvermögen, reinigt unser
Erkentnißvermögen aber vermehrt
es nicht, ist ernsthaft, nicht der
Witz welcher belustigt.
/Die Engländer nennen die Franzosen
wegen ihrer Lustigkeit Affen, und
die Franzosen die Engländern wegen ihrer
Ernsthaftigkeit Bären.
/Wer viel Witz und Laune hat, mißbraucht
sie gemeiniglich.
/Der Witz vor sich betrachtet hat kei-
nen Werth, aber wohl die Urteilskraft.
/Youngs Witz ist centnerschwer.
/In Gesellschaften hat die Vernunft
gemeinhin «f»Ferien, und der spielende
Witz herrscht.
/Der Spaß besteht gemeinhin <darin>, wenn
man den andern auf eine lustige
Art hintergeht, worüber er aber mit
lachen kann zE der Aprill Spaß.
/Wenn die Lustigkeit von beyden Sei-
ten nicht gleich groß seyn kan, in einem
|F_27
/Spaß, so zeigt selbiges was niedriges.
/Montesquieü in seinem ganzen Werke
hat fast nur lauter Einfälle, und wenig
Einsichten.
/Ein Mensch von stumpfen Fähigkei-
ten, kan dennoch eine reife Urteils-
kraft besitzen, und ist also sehr unterschie-
den vom Dumkopf. zE Clavius.
/Ein stumpfer Kopf hat einen Man-
gel «vom»an Witz, ein dummer an Urteils-
kraft.
/Ein ehrlicher Mann kann ein stumpfer
Kopf seyn, aber er muß eine scharfe Ur-
teilskraft haben.
/Ein Verstand der gar nicht zur Praxis
taugt, ist deswegen nicht dumm.
/Ein dummer Mensch hat von seinem
Verstande gemeinhin einen großen
Begrif, und ein Verständiger umgekehrt.
Ersterer besitzt stets viel Dreistig-
keit. Um einzusehen daß man dumm
ist, gehört Verstand.
/~δRand_27_Z_12
/Rechtschaffen kan <man> nur
durch Grundsätze seyn. ~
|F_27'
/ ≥ Das Gedächtnißvermögen ≤
/Die Einbildungskraft, darunter ver-
steht man, selbst geschaffene Vorstel-
lungen hervorbringen zu können.
/Beym Anschauen des gegenwärtigen
sehen wir stets aufs vergangene und
aufs künftige. Dadurch bringen wir
es in Verbindung, und werden es uns
bewußt.
/Das Gedächtniß ist das «Nachbildungs» <Erinnerungs>-
vermögen. Die Gesetze der Association
sind die Ursache der Reproduction der
Vorstellungen. Wen ich willkührlich, Be-
griffe und Vorstellungen zurükrufen
kan, so heißt dieses sich erinnern.
/Wenn wir eine Vorstellung mit vielen
andern associren können, desto leichter
können wir selbige wieder in uns er-
innern.
/Associatio bruta <sensualis> wenn von ohngefähr
zwey Vorstellungen zusammen sind
/-- reflexa, wenn eine mit der andern
Aehnlichkeit hat.
/~δRand_27'_Z_2
/So wie die Phantasie eine
thätige Kraft ist unwill-
kührliche Bilder, so ist das
Gedächtniß das Vermögen
willkührliche Vorstellungen,
die wir vorher gehabt zu
reproduciren.
/Unbändige Phantasie
schwächt das Gedächtniß.
/Wenn man sich eines Um-
schweifes bedient um Sa-
chen auszudrücken, so wird
das Bild dunkel. Wenn
man daher anstößige Sa-
chen ohne Ekel vortragen
will, so muß man sie mit
einen neüen Namen bele-
gen. Die naturalia mit la-
teinischen Namen belegt,
klingen nicht so anstößig
als im deütschen, weil man
erst durch Mittel-Ideen
darauf kömmt.
/
/dient %zugleich unsern Witz und
%Beurtheilungskraft zu schärfen. ~
|F_28
/Associatio intellectu<a>lis, wenn eine <mit> der
andern verbunden ist.
/Das Gedächtnißvermögen besteht da-
rin, etwas zu faßen, 2, zu behalten
3, leicht es sich wieder zu erinnern. Ein
leichtes Gedächtnißvermögen, ist %gemein-
hin flüchtig, und umgekehrt dauerhaft.
Selten werden diese 3 Eigenschaften
des Gedächtnißes in einem Subiecte zu-
sammen gefunden.
/Wir können Erkentniße desto leichter
behalten, wenn wir Fächer haben worin
wir sie gleichsam eine Stelle geben:
/Viele Leüte gestehen daß sie ein
schlechtes Gedächtniß haben, sie den-
ken man wird sie doch dafür viel
Verstand zutrauen. Man muß aber
gestehen daß wenn das Gedächtniß
schwach ist, solches auch einen %großen
nachtheiligen «A»Einfluß auf den Verstand
hat.
/
/~δRand_28_Z_1
/Die %Aehnlichkeit kan«t» %entweder
in den Sachen oder in
den Worten liegen.
/
/Witzige Leüte finden
allenthalben Aehnlichkeiten,
daher kömts, daß sie
Sachen bald faßen,
aber weil diese Aehnlichkei-
ten oft nur schwach sind,
so können sie Sachen
nicht lange behalten.
/
/Vir beatae memoriae
exspectat iudicium.
/
/
/Das Gedächtniß hat in dene
Kopfe keine andre Verrich-
tung, als die Abdrucke und
Bilder der Dinge wohl
zu bewahren: der Verstand
aber, und die Einbildungs-
kraft sind diejenigen
welche mit diesen Bil-
dern und Abdrücken wir-
ken. Huart. ~
|F_28'
/Es giebt verschiedene Mittel wodurch
man dem Gedachtniß zu Hülfe kömt.
/1, Die Claßification, welches der Zweck
der ganzen Logic; %nemlich alle Dinge unter
Begriffe und diese unter allgemeine zu
bringen. Das ist die Dinge in logische
Oerter zu disponiren.
/2, daß man Dinge vergleiche mit den
Gesetzen des Verstandes. Daß man
auf die Ursache und Würkung oder auf
die Zwecke sehe.
/3, Daß man Dinge mit seiner Nei-
gung verbinde.
/Hieraus erhellet wie ein scharfsinni-
ger Mann wenig Gedächtniß haben
könne, denn er associert nur Dinge
nach der Vernunft, was der andre
nach Aehnlichkeit associert fällt ihm
nicht bey.
/Man muß sich eben angewöhnen
seine sensitive Kraft auch zu
cultiviren, sonst ist aller Ver-
stand unnütz.
/~δRand_28'_Z_1
/Von den Graden des Ge-
dächtnißes werden wun-
derbahre Dinge erzählt. Man
darf nicht ausgesuchte
Exempel suchen, man stelle
sich nur einen Polyhistor
vor, der eine ganze Bibli-
othec im Kopfe hat.
/Maliabeki ein Bauers-
sohn, welcher hernach
Bibliothecar in Florenz
wurde, war zu seiner Zeit
das Orakel von Europa.
Robert Hill ein Frauen-
schneider, wurde Biblio-
thecar in Cambridge. ~
|F_29
/ ≥ Von der äüßern Empfindung. ≤
/Zuerst müßen wir die Empfindungen von
der Erscheinung unterscheiden. Empfin-
dung ist die Rührung auf unsre Organe.
Erscheinung ist die Vorstellung von der
Ursache der Empfindung, oder von dem Ge-
genstande der die Empfindung in mir
hervorgebracht. Bisweilen praevalirt
die Empfindung bisweilen die Erscheinung.
Wenn ich Music oder jemand sprechen
höre, so gebe ich mehr Acht auf die Er-
scheinung als auf die Empfindung. Ist
aber das Geschrey so groß, daß die
Ohren «w»mir wehe thun, so attendire«n» ich
mehr auf die Empfindung, als daß ich
über die Erscheinung reflectire.
/Eintheilung in Sinnen wodurch uns Gegen-
stände erscheinen, und wodurch wir uns selbst
erscheinen. Was der Erkentniß entgegen
ist nennet man Gefiehl, welches das Be-
wustseyn daß in meinem Subiecte was
verändert worden ist. Es hat aber das
/~δRand_29_Z_7
/Bey den mehresten Sinnen
geschiehts, daß weil man
sehr wenig von den Gegen-
ständen modificirt wird,
man glaubt gar nicht affi-
cirt zu werden. Man re-
flectirt mehr über die
Gegenstände, als über
die Veränderungen auf
unsre Organen. Ist aber
diese stark, so hört wie-
der die Reflexion auf.
/Die Stärke der %sinlichen Vor-
stellung beruht auf den
Grad der Empfindung,
die Klarheit derselben
auf der Erscheinung. ~
|F_29'
/Gefühl noch eine andere Bedeütung, da
es so viel heißt, als einen Körper an-
fühlen.
/Nun wirken alle Gegenstände auf
mich entweder unmittelbahr, da ich sie
berühre, oder rühren meine Sinne blos
durch eine Mittelmaterie. Die Sonne
empfinde ich nicht unmittelbar sondern
vermittelst des Lichts. Der einzige un-
mittelbahre Sinn ist das Gefühl.
/Ferner wirken die Gegenstände auf
uns mechanisch oder chymisch. Mechanisch
durch Druck und Stoß. Das Gefühl, Ge-
hör, Gesicht, sind mechanischen Wirkungen
unterworfen. Chymisch durch Auflö-
sungen der Materie. Geruch und Geschmack
werden chymisch verändert. Die Saliva
lößt fast alles auf, und dringt mit
dem menstruo in die fühlbaren Gefäs-
sen des Geschmacks. Mit dem Ge-
ruch verhält es sich eben so.
/Bemerkungen. Der Sinn des Gefühls
der der gröbste zu seyn scheint, ist
das Fundament aller Erkentniße.
und der Informator aller übrigen Sinne.
/~δRand_29'_Z_6
/Wir riechen nur die exhala-
tionen der Körper: daß
nicht alle Körper riechen
kömt theils daher, daß sie
keine volatilische Salze ha-
ben, vieleicht auch daß
sie so flüchtig, daß sie sich
verliehren, ehe sie zum Ge-
müths-Organen gelangen.
Wir schmecken die Körper
nicht, sondern nur die Sal-
ze, die durch die Salivam
aufgelößt, in die Wärz-
chen der Geschmacksorga-
nen dringen.
/Die Speisen die im Vor-
schmack angenehm sind, haben
%gewöhnlich einen minder dauerhaf-
ten angenehmen Nachschmack.
Die aber im Nachschmack gut
schmecken, die liebt man am
längsten und sind auch die
gesündesten, weil sie ~
|F_30
/Durchs Gehör erscheint uns eigentlich
gar nichts. Durchs Gesicht können wir uns
doch Erscheinungen von Bilder machen. Aber
allein hilft uns das Gesicht nichts. Es
täüscht uns und zeigt uns nicht was Substanz
ist. Daher nennt man auch so oft Geister
was man gesehen, und nicht hat haschen können.
Das Gefühl berichtet uns von Substanz.
/Der Sinn der am wenigsten Begriffe
von Sachen giebt, ist der Geschmack. Aber
weil er blos subjectiv ist, scheint er auch
die stärcksten Eindrücke auf uns zu machen.
Er ist auch dem Gefühl am nächsten
verwandt. Befriedigung des Geschmacks
und Geschlechter-Trieb, sind die stärksten
Neigungen der Menschen. Beyde sind
auch zu ihrer Erhaltung nothwendig.
/Weil das Gehör uns keine Sache vorstellt,
auch keine Eigenschaft, sondern blos die Berührung
der Luft auf unsre Organe, so kan man
in Ansehung des Gehörs weiter nichts thun
als rechnen, so wie in Ansehung des Gesichts
bilden. <Dieser Sinn ist die wahre Arithmetik unsrer Seele.>
/~δRand_30_Z_1
/mit den Drüsen, die in
den Verdauungsgefäßen
sind, harmoniren.
/
/
/Ein in London operirter
Blinder, unterschied die
Sachen nicht durchs Ge-
sicht, als bis er sie dürchs
Gefühl examinirte und
betastete.
/δZ_20
/das Gehör kan den kleinsten
Unterschied von 6000 Schlä-
gen in einer Secunde wahr-
nehmen. ~
|F_30'
/Sinne heißen vollkommen, je mehr sie
uns Erkentniße verschaffen, und je mehr sie
mittheilend sind. Das Gesicht und Gehör
sind also die vollkommensten. Ienes hilft
%vorzüglich dem Verstande, dieses der Ver-
nunft. Kein Sinn ist eines eindringenderen
und vernünftigern Vergnügens fähig, als
das Gehör. Unter allen Vergnügungen sind
die der Gesellschaft die allergrößesten.
Durch den Sinn des Gehörs empfinden wir
mehr Vergnügungen in Gesellschaft, als
durch den des Gesichts.
/Der Geruch scheint uns feiner zu seyn
als der Geschmack, weil wir bei jenen
mehr urtheilen als bey diesen. Kein Sinn
ist mit einem Appetit verbunden als der
Geschmack. Welches daher kömt, weil
die Geschmacksdrüsen bis in die Einge-
weide fortgehen, und der Geschmack da-
her mit unsern Bedürfnißen zusam-
menhängt.
/Wozu nützt doch der Geruch? wir richen ja
öfters unangenehme als angenehme Sa-
chen. Der Sinn des Geruchs scheint uns wenn
wir in Gesellschaft leben entbehrlich, wol
/~δRand_30'_Z_6
/Das Gehör instruirt dem
Verstande, indem es ihm
schnelle Verhältniße zu
faßen, und also die Begriffe
in Ordnung zu bringen lehrt.
Gesicht liefert wieder
viele Erfahrungen dem
Verstande, ohne daß die
Werkzeüge dieses Sinnes
%sonderlich gerührt werden. ~
|F_31
/gar beschwerlich zu seyn. Aber im wilden
Zustande haben ihm die Menschen sehr
nöthig. Die Amerikaner haben einen erstau-
nend feinen Geruch, so wie die Thiere. Für
die Empfindung des Geruchs haben wir kei-
nen Nahmen, wir nehmen ihn vom Geschmack,
oder wir nennen die Gegenstände. Die
Empfindungen des Geruchs bringen erstau-
nende Wirkungen hervor. Als Ohnmacht, Ekel,
Uebergeben, Niesen. Es scheint als wenn
die Kinder in den ersten Wochen den Ge-
brauch der Sinne nicht völlig haben. Den Ge-
brauch des Gesichts haben sie nicht gleich,
denn es ist nöthig das Organ gebrauchen zu
lernen. Ueberhaupt müßen wir alle Sinne
exerciren, wenn wir sie wollen zur Vollkom-
menheit bringen.
/Es muß in Ansehung aller Sinne die Ein-
bildung sehr viel thun. Die Moden zeigen
es in Ansehung des Gesichts. In Ansehung
des Geruchs giebt es so gar auch Moden.
Vorzeiten waren die Parfums von Ziebeth
und Ambra, jetzo die von distillirten Saften
Mode.
/~δRand_30_Z_12
/Einige Beobachter können
die Dinge nicht bemerken
die Schwammerdam durchs
Mikroskop gesehen. Es
gehört Uebung dazu. ~
|F_31'
/Wo die Eindrücke nur schwach seyn dürfen
um empfunden zu werden; da ist der Sinn
fein. Scharfe Sinne sind die, so die
wenigen Unterscheide, unterscheiden kön-
nen zE die unmerkliche Schattirung der
Farben, kleine Disharmonien in der Mu-
sic. Zart sind die Sinne wenn sie leicht
offendirt werden, wenn leicht ein Eindruk
zu stark ist.
/Geschmack findet sich erst im Alter, denn
dazu gehöret Beurtheilung. Iugend mag
lieber empfinden, Alter reflectiren.
/ ≥ Vom Gebrauche der Sinne. ≤
/Er ist zwiefach, erstens gebrauchen wir
sie zur Empfindung, zweytens zur Reflexi-
on über die «Sinne» Empfindung, und zur Bil-
dung der Begriffe aus diesen Reflexi-
onen. Viele die sich über Blödigkeit der
Sinne beklagen, haben vielleicht eben so
starke Sinne, und werden eben so stark
gerührt als andere, nur es fehlt ihnen an
den nöthigen Reflexionen über die Ein-
drücke.
/Es ist nicht genung Eindrücke zu haben.
Es muß das Bildungsvermögen die Eindrücke
/~δRand_31'_Z_1
/Die Iugend hat feine das
Alter hat scharfe Sinne.
Denn weil das Alter stumpfre
Organe hat, und also unfähig
ist was neües zu empfinden,
so sucht es destomehr, das
schon empfangene zu nutzen,
und legt sich aufs Reflectiren.
/Das Frauenzimmer hat ge-
meiniglich zarte aber des-
wegen nicht feine Sinne.
/δZ_19
/Man mißt es dem Gesicht
der Iäger zu, daß sie so
scharf sehen, aber man soll-
te es ihrer Bildungskraft
zuschreiben. ~
|F_32
/modeln. Das Bildungsvermögen ist der Grund
des Dichtungsvermögens.
/Gewohnheit schwächt die Aufmerksamkeit
auf die Eindrücke, und dadurch auch die Em-
pfindung der Eindrücke selbst. Aber sie
stärkt die Fahigkeit der Vorstellungskraft,
sie macht das Bildungsvermögen geschäftig,
lindert schmerzhafte Empfindungen und schwächt
auch %zugleich unser Vergnügen. Ueberhaupt wer-
den die Sinne durch Gewohnheit stumpf.
Die Sinnesfähigkeit wird durch Gewohnheit
immer größer, aber die Aufmerksamkeit
nimt ab.
/Es scheint als wenn die Menschen im Alter
sich deswegen so wolzu befinden glauben, weil
sie wenig fühlen. Aber eben der Mangel der
Empfindsamkeit ist ihr Unglük. Denn da der
Alte nicht fühlt die kleinen Ungemäch-
lichkeiten, die an seinen Körper nagen und
seinen Bau zerstören, so geschiehts daß
mit einmahl eine Krankheit ausbricht,
die ihm unvermuthet das Leben raubt.
/Der Mensch sucht in allen Dingen, sich das
allergeringste zu zueignen, auch das geringste
/~δRand_32_Z_1
/Alle Schärfungsmittel
machen die Sinne stumpf.
Oft ist die starke Empfind-
samkeit das gröste Uebel,
und die Hauptsache der Krank-
heit. Opium schwächt sie. ~
|F_32'
/Vortheilhafte auf sich zu beziehen, und
alles Nachtheilige abzuwenden. Reisende
loben in fremden Ländern ihr Vaterland, in
ihrem Vaterlande die fremde Länder.
/Die Zerstreüung durchs Denken, schwächt
die Schärfe der Sinne. Es ist doch ei-
gen, daß bey den Wilden die Sinne und
überhaupt das Thierische viel vollkomner
ist, als bey uns, da doch ihre Organen
nicht schärfer sind. Bougainville führt
an, daß die Wilden in der Georgeninsel,
einen Matrosen den Augenblick für eine
Frauenperson erkanten, die er auch war.
Durch welchen Sinn mögen sie das ent-
deckt haben.
/Die Abstechung macht starke Em-
pfindung. Wir fühlen die Ruhe nur
nach der Unruhe. Iedermann wünscht
sein Leben so einzurichten, daß wenn
er auch jetzt die größten Uebel ausste-
hen müßte, er nur künftighin Vergnü-
gungen haben könte. Man suche sein
Leben so einzurichten, daß die Ver-
gnügungen immer stufenweis steigen.
/~δRand_32'_Z_16
/Roußeaus Erziehung hat
den Grundsatz die Kinder
abzuhärten, und sie dadurch
für Ungemach zu sichern,
und für Vergnügungen zu zu be-
reiten. ~
|F_33
/ ≥ Vom Betruge der Sinne. ≤
/Die Sinne betrügen nicht denn sie urthei-
len nicht. Der Irrthum ist allemahl ein
Werk der Reflexion, die wir bey Gele-
genheit der Sinne anstellen. Denn wenn
die Reihe unsrer Vorstellungen, die wir bey
Gelegenheit der Empfindungen durchlaufen,
uns durch Gewohnheit so geläüfig geworden,
daß wir fast nichts beytragen, um sie in
uns zu erwecken; so glauben wir sie werden
von den äußern Dingen in uns erregt,
und halten sie durch diesen Wahn getäuscht,
für Empfindungen. Dies ist eine der Hauptqüellen
der Irrthümer der Sinne. Die andern Irr-
thümer entspringen entweder aus einem
Blendwerk, wenn die Sache wegen einer
dazwischen kommenden Ursache, uns anders
erscheint, als sie in der That ist; in dem
Fall ist die Ursache in der Sache selbst,
daß sie uns anders erscheint, als sie ist:
oder aus einem Hirngespinst, wenn wir unsre
Einbildungen mit den Empfindungen unter-
mischen, und denn sehen wir das, wonitt wir
den Kopf voll haben.
|F_33'
/ ≥ Von den Vorstellungen, nach den
Verhältnißen, was sie unter einander haben. ≤
/Eine Vorstellung hat oft die Eigen-
schaft eine andre zu beleben oder
matt zu machen. Wir lieben Mannigfaltigkeit.
Das ist die Vielheit verschiedener Dinge.
Alleen, Gartenhecken sind nicht angenehm,
weil keine Mannigfaltigkeit da ist. Der
Schöpfer hat, wie es scheint, bey der Welt
Mannigfaltigkeit zum Augenmerk gehabt.
/Manches scheint gar keinen Zweck zu ha-
ben als zur Nachfrage da zu seyn.
/Wir lieben Abwechselung; das ist gleich-
sam die Mannigfaltigkeit in verschiedenen
Zeiten. Der Ueberdruß ist %eigentlich nichts
anders, als der Unmuth über Eynerleyheit
in verschiedenen Zeiten. Die Ursache scheint
sehr mechanisch zu seyn. Wir können in einer
Stellung gar nicht lange bleiben. Um zu
schwitzen, darf man nur unbeweglich im
Bette in einer Stellung liegen. Wir haben
zu jeden Muskel einen Antagonisten,
und daher muß man die Glieder bald
so, bald so legen.
/~δRand_33'_Z_18
/Music setzt die Körper in
Erschütterung, so wie selbst
Häüser durch starke In-
strumente baufällig wer-
den. ~
|F_34
/Wir lieben Neüigkeit. Was abwechselt darf
nicht eben neü seyn. Menschen sind äußerst
begierig nach Neüem, wenn es auch nicht wichtig
ist. Neüigkeit beruht nicht blos darauf daß
der Gegenstand neü ist, wenn nur die Er-
kentniß davon neü ist. Aber noch mehr ver-
gnügt man sich, wenn auch der Gegenstand
neü ist, weil wir es alsdann communiciren
können.
/Seltenheit ist uns angenehm. Sie besteht da-
rin daß eine Sache nicht bey vielen anzutref-
fen ist. Die Liebe zur Seltenheit ist eine
falsche Richtung des Geschmacks. Den der Grund
davon ist Eitelkeit und wenig Verstand.
/Contrast besteht darin, wenn Dinge zu-
gleich erkant oder empfunden werden, de-
ren eins das Wiederspiel des andern ist.
/Einige Contraste haben Wiedersprüche bey
sich. Nichts kan mehr zur Verunehrung eines
Menschen beytragen, als Contraste worin
Wiedersprüche sind
/Es komt bey Menschen fast alles auf
Verhältniße an. Denn sie beurtheilen
/~δRand_34_Z_1
/Neüigkeit macht Sachen
auch in Besitz angenehm.
/
/In Gesellschaften fängt
man %gemeiniglich an von
Sachen zu reden, die uns
nahe sind, und dan geht
man zu entferntern.
/δZ_10
/Man kan schon daraus
daß man sieht worin
die Menschen einen Werth
setzen, %ziemlich richtig, von
ihren Character urtheilen.
/
/In der Natur giebts vie-
le Contraste, als an den
Norwegischen Küsten, wo
schöne Thäler, zwischen
beschneyten hohen Gebür-
gen lachen. Die Chinesen
wißen schöne Contrasten
in ihren Gärten anzubringen. ~
|F_34'
/alles nach andern.
/ ≥ Von der Schwächung der Vorstellung
durch Zeit. ≤
/Wenn man eine Vorstellung lange
hat, so wird sie schwach, denn die Auf-
merksamkeit schwindet. Wenn man
immer über eine Materie denkt, so
denkt man zuletzt nichts. Beym Studie-
ren muß Mannigfaltigkeit seyn, damit
alles immer als neü vorkomme. Einerley
Empfindung ist %anfänglich höchst unange-
nehm, zuletzt wird mans so gewohnt,
daß man nicht mehr attendirt. Das
Gemüth hat den grösten Verdruß über
die monotonie in Vorstellungen, und
der Mensch begiebt sich oft in die wi-
drigsten Umstände und Gefahren, um nur
in andere Zustande zu kommen.
/ ≥ Von den verschiedenen Zuständen
der Menschen. ≤
/Seiner selbst ist jemand mächtig, wenn
sein innrer Zustand, seiner Willkühr un-
|F_35
/terworfen ist. Man kan seiner selbst
nicht mächtig seyn, theils bey Eindrücken
von äußern Dingen oder Empfindungen,
theils bey Handlungen. Was das erste be-
trift, so findt man sehr oft, daß in
gewißen Umständen zE wenn wir vor
einer großen Menge auftreten sollen,
der Zustand unsrer selbst unsrer Will-
kühr nicht stets unterworfen ist. Wenn
man so gar zu Handlungen unwillkührlich
getrieben wird, so setzt das unsern Werth
weit mehr herab, als wenn man blos sei-
ne Empfindungen nicht in Gewalt hat.
/Wenn der Mensch außer sich selbst
gesetzt, oder aus dem Zusammenhang
seiner Gedanken gebracht wird, durch
angenehme Empfindungen; so heißts Ent-
zückung, durch unangenehme Betäubung.
Trunkenheit. Es ist der seltsamste Zu-
stand von der Welt, da der Mensch mehr
den Chimären als der Wahrheit nachhängt,
sich stark glaubt alles zu unternehmen,
und nicht das Mindeste thun kan, fühlt sich
/~δRand_35_Z_6
/Der Selbstbesitz animus
sui compos, der Gott der
Stoiker ist viel erhabner,
als das stets fröhliche
Gemüth des Epicur.
/
/Den Frauenzimmern ist
das Aufschreyen in Er-
schreckungen und plötzlichen
Gefahren fast allgemein
gewöhnlich. Vieleicht hat die
Natur dies dem schwächern
Geschlecht eingeprägt, da-
mit sie durch dies Mit-
tel, sich vom Schrecken
erhohlen können. ~
|F_35'
/im besten Zustande, da er im elendesten
ist; weil sein Gefühl ganz stumpf, und seine
Imagination lebhaft ist.
/Man muß sorgfältig das Trinken bis zur
Fröhlichkeit oder bis zum Rausch von der
versoffenen Neigung unterscheiden. Die
letztere ist niederträchtig, das erste ver-
dient aber eine Untersuchung.
/Man bemerkt zuerst, daß ein Mensch
der sich auf seine eigene Hand betrinkt sich
schämt, dies zeigt deütlich daß das Trin-
ken ein Mittel zur Geselligkeit seyn soll.
Die Getränke wenn sie als Mittel zur
Fröhlichkeit angesehen werden, haben
sie ihren Werth. Der Grad bis wie weit
man gehen kan ist sehr delicat. Die Geträn-
ke selbst haben verschiedene Wirkungen.
Brandtwein macht heimlich, man betrinkt
sich daran lieber allein. Bier macht schwer
und die Gesellschaft träge. Wein und Kaffe
ist geistiger, man wird offenherziger, ge-
sprächig, und von dem Zwange der Verstel-
lung frey, und die Gesellschaft ist gleichsam
im puren Stande der Natur.
/~δRand_35'_Z_1
/Der Trunk zeigt bey ver-
schiedenen Völkern, verschie-
dene Wirkungen. Bey den
Nordischen, wirkt er Gesel-
ligkeit.
/
/Prediger, Frauenzimmer
und Iuden betrinken sich
nicht, und geschiehts so ver-
denkt man es ihnen sehr.
Den erstern, weil sie sich
das Recht der Lehren an-
maßen; den andern weil
sie gleichsam eine Schantze
zu bewahren haben, wovon
durch den Trunk alle Schild-
wachen abgelöset werden.
Letztere thun es deshalb nicht,
weil überhaupt alle Menschen
die sich cachiren und verstellen
müßen, den Trunk als den
Verräther ihres Temperaments
vermeiden müßen. ~
|F_36
/Kan man im Trunk des Menschen Gesinnung
kennen? Sein Temperament wohl, aber nicht seine
Gesinnung. Nicht blos der Trunk, sondern auch
selbst das Eßen, verändert das Naturell.
Manche Menschen besonders vornehme Herren
sind bey kalter und unfrenüdlicher Witterung
barbarisch.
/Wir gehen zu einen Zustande, der nicht
künstlich, sondern natürlich ist, da der Mensch
zu gewißen Zeiten in einen Zustand der
stumpfen Empfindung und Ohnmacht willkühr-
licher Bewegungen geräth, d.i. der Schlaf.
Wir sehen daß der Schlaf stufenweise
entsteht, zuerst kommen wir in einer Art
von sanfter Ruhe, dann werden unsre
Empfindungen stumpf, hierauf werden
wir unthätig. Es ist besonders daß
der Schlaf «stumpf» <kalt> macht. Einige Thiere
schlafen den Winter über, und dieser Schlaf
wird durch die Kälte hervorgebracht,
das Thier hat alsdenn nicht mehr Wärme
als die Luft. Es scheint der Schlaf
aus Mangel der Lebenswärme zu entstehen.
|F_36'
/Denn indem man einschlafen will, so friert man.
Schlummer ist vom Schlaf nur darin verschie-
den, daß man im erstern noch stumpfe Em-
pfindungen hat, obgleich die Vorstellungen
die man sich aus solchen Empfindungen macht
gewöhnlich ganz falsch sind. Im Schlummer allein
träumt man, im tiefen Schlaf nie.
/Ursache des Schlafs. Alle Empfindungen
geschehen durch Nerven, ihre Wurzel ist im
Gehirn, und der Hauptstamm medulla oblongata.
Es scheint im Gehirn die Fabrique des Nerven-
safts zu seyn. So wie ein Baum wen man ihm
ein Stück Wurzel wegnimt, doch noch blüht,
so hat man Exempel daß Menschen die einen
guten Theil vom Gehirn verlohren haben
dennoch leben.
/Das Gehirn besteht aus zwey Theilen. Aus
dem cerebro und dem cerebello. Im Cerebro
oder Vorderhirn scheinen alle Organe der
Empfindsamkeit und der willkührlichen Bewe-
gungen zu seyn, so wie im cerebello alle Le-
benssäfte und Principia des Lebens.
Man hat grausame Experimente mit Thie-
/~δRand_36'_Z_1
/Beym ersten Antritt der
Schläfrigkeit wird die Auf-
merksamkeit auf äußere
Gegenstände schwächer und
hierauf fängt die Imagi-
nation an ihr Spiel rast-
loß fortzusetzen. Im Tage
wirkt sie zwar auch, aber
ihre Bilder sind nur so
helle, wie ein brennendes
Licht, am hellen Tage.
/Iungen Leüten besonders
wenn sie anfangen zu
schlafen, wird bange. Vie-
leicht weil die Brust be-
klemt und dadurch der
Lunge die Ausdehnung
schwerer wird. ~
|F_37
/ren gemacht die das bestätigen. Man lößte einen
Hund das cerebrum ab und drückte ihm da sanft,
gleich gerieth er in einem Schlaf. Es scheint hie-
raus daß denen die die Lethargie haben, das
Vorderhirn eingedrückt seyn muß.
/Einförmige Bewegungen machen daß man
nicht attendirt, und verursachen daher den Schlaaf.
Der Schlaaf entspringt aus allen was unsern
Lebenssäften eine andre Richtung giebt.
Daher das Eßen schläfrig macht.
/Den Tag über tritt der Lebenssaft aus
dem Hintergehirn zu den Organen der will-
kührlichen Bewegung und Empfindungen. Nun
erschöpft sich allmälig der Lebenssaft, und
dann geräth der Mensch im Schlaf. Während
des Schlafs elaborirt sich im Hintergehirn
der Nervensaft, und fließt ins Vorderge-
hirn und dann wacht der Mensch auf.
/Ohnmacht und Tod. Ohnmacht woher sie ent-
springt ist ein Gegenstand der Medicin. Es
scheint doch, als wenn die Lebensbeschäftigung
als dan still steht, der Puls geht nicht fort, und
das Blut tritt aus manchen Gliedern zurük.
/Es ist nach mechanischen Gesetzen gewiß,
/~δRand_37_Z_19
/Alte Leüte sind wegen
des Todes so unbesorgt
wie junge. Die Ursache da-
von ist, die Empfindsam-
keit nimt mit dem Alter
ab. ~
|F_37'
/daß man auf eben die Art, wodurch man
wächst und sich nährt, man auch sterben muß.
Die Nahrung setzt was neües an die K«ä»anäle
an, das Alte geht zuletzt nicht mehr davon
weg, dadurch versetzen sich die Kanäle und
das ist der Weg zum Tode. Vor dem Tode
scheint die Empfindsamkeit allmälig %gänzlich
zu schwinden. Hört die Empfindsamkeit auf,
so hat der Verstand keine Materialien, und
endigt sich daher auch.
/ ≥ Von den Bildungs-Vermögen. ≤
/Zuerst unterscheiden wir das Bildungsver-
mögen 2, das Nachbildungs- 3, das Vorbildungs-
4, das Einbildungs- 5, das Ausbildungsvermö-
gen.
/Das Bildungsvermögen ist die Zusammenneh-
mung der Eindrücke, woraus als dan ein Gan-
zes entspringt. Es ist also von der Em-
pfindung zu unterscheiden.
/Was das 2te betrift, so weiß man
daß im Bette bey geschloßenen Augen
uns gewöhnlich die Bilder vorkommen,
die wir im Tage gesehn.
/Vorbildung. Hunde so gar haben sie.
Wenn der Iäger die Kuppel hervor-
/~δRand_37'_Z_16
/Die Nachbildung ist die Wieder-
hohlung der Anschauungen, oder
vielmehr des Bildes, welches
wir uns bey Gelegenheit der
Dinge gemacht hatten. Unsre
gegenwärtige Zeit ist voll
von Bildern der vergange-
nen, und dieses ist das einzige
Mittel eine Connection der
Gedanken vorzustellen. ~
|F_38
/nimt, so freüen sich die Hunde, daß sie
auf der Iagd gehen werden.
/Einbildungsvermögen ist das Fundament
von allen Erfindungen, denn so bald jemand
was neües entdecken will, so muß er sich
etwas vorstellen, was noch nicht da war.
Nie können wir etwas ganz und gar erdichten,
sondern wir haben die Materialien gleich-
sam abcopirt, und können daher nur die Form
verändern.
/Iunge Leüte stellen sich das Gegenwärtige
und Zukünftige vor, nicht aber das Vergangene.
Die Alten hingegen gehen stets aufs Vergan-
gene und verachten das Gegenwärtige, reden
entzückt von der Redlichkeit und Vergnügungen
ihrer Zeiten; es komt aber solches theils von der
verringerten Zartheit ihrer Nerven, theils von
einer gewißen Parteylichkeit her, da sie sich
nicht mehr im Stande sehen an den gegenwär-
tigen Vergnügungen Antheil zu nehmen.
/Die Reproduction der Vorstellungen ist
zwiefach 1, der Bilder 2, der Empfindung. Die
letztere ist schwerer, und selten lebhaft, so können
wir uns niemahls einer großen Wärme
Kälte, oder Schmerzen erinnern.
/~δRand_38_Z_1
/Wer die Kunst weiß
Vorstellungen so einem
andern vorzutragen, daß
derselbe sich schon zum
voraus dämmernde Bil-
der von den künftigen
Ideen vorstellen kan,
dem wird Beyfall und
Lob die gewiße Beloh-
nung seiner Kunst seyn. ~
|F_38'
/Es ist besonders, daß Bilder der Sachen
öfters mehr rühren, als die Sachen selbst,
weil die Einbildungskraft diese Bilder aus-
zumahlen beschäftigt ist, und bald Liebe bald
aber auch Haß hinzugesellet, welches er
hernach würklich empfunden zu haben glaubt.
/Hypochondrische Personen, können die Bilder
ihrer Phantasie nicht im Zaume halten, und
daher kömt diese Krankheit dem Wahnsinn sehr
nahe.
/Der Grund aller Ausschweifungen liegt
in der Einbildungskraft.
/ ≥ Von dem Vermögen
über alle diese Bildungsvermögen
zu disponiren. ≤
/Es scheint ausgemacht zu seyn, daß zu
jeder Gemüthsfähigkeit zu jedem Vermö-
gen distincte Empfindungen zu haben, eine
Modification des Gehirns erfordert
werde. Die Fähigkeiten der Menschen
sind unendlich verschieden. Einer ist ein
empyrischer der andre ein speculativer
Kopf. Die Ursache davon im Gehirn
kan kein Mikroscop beym Anatomiker
entdecken.
/~δRand_38'_Z_1
/Dasjenige gefällt weit
mehr deßen Annehmlichkeit
durch Reflection verur-
sachet wird, als was sich
uns unmittelbar aufdringt;
zE ein Frauenzimmer in de-
ren Mienen man Sanft-
muth und Artigkeit wahr-
nimt, gefällt weit mehr
als eine declarirte Schön-
heit. ~
|F_39
/Nun ist die Frage wo bleiben die Geburten meiner
Bildungsvermögen? Denn es geht doch nichts verlohren
wenn es auch durch die Zeit sehr geschwächt wird.
Plattner und andere neüe philosophische Medikus
glauben daß von jedem Bilde Merkmahle im
Gehirn zurücke bleiben. Es läuft das Spiel
der Bilder in meinem Gehirn so unwillkührlich
fort, als das Blut im Leibe. Wenn man nach-
denken will, so macht man gleichsam Lerm
im Phantasienreich. Da erscheinen nun aller-
hand Ideen und paßiren die Musterung un-
aufhaltsam durch. Die Bilder die meiner
Materie verwandt sind halte ich auf. Bis-
weilen entwischen sie, denn bekümmert man sich,
man weiß nicht was es war, und fängt
die ganze Reihe von vorne an. Manchmal ist
sie unsrer Materie wenig verwandt, und
wir sind betrogen, aber manchmal giebt
sie auch mit einmahl einen Aufschluß.
/ ≥ Dichtungsvermögen. ≤
/Das Dichten ist entweder willkührlich oder
unwillkürlich. Wenn man Historien und besonders
Romanen ließt, so kan man es bald dahin
/~δRand_39_Z_1
/Um zu denken muß
man sich nicht anstren-
gen, sondern ganz
leger fortgehen. Zwischen
in muß man immer
so was vornehmen, was
der Einbildung eine
ganze andre Richtung
giebt, aber nicht er-
müdet.
/Montaigne sagt, er
schriebe um sich
wohl zu befinden. ~
|F_39'
/bringen, daß man unwillkührlich dichtet. Die
Annehmlichkeit der Romanen beruht da-
rauf, daß sie das Dichtungsvermögen
ins Spiel setzen. In sehr vielen Lebensum-
ständen dichten wir Romane. Denn den lee-
ren Raum zwischen Empfindungen füllen wir
mit Dichten an.
/Das unwillkürliche Dichten ist die größte
Qual. Um sich davon zu befreyen muß
man sich an der Erfahrung halten und
Gesellschaft lieben.
/Das Dichten macht uns glücklich, indem es
uns diese Welt angenehmer macht, und den
Genuß derselben würzet. Aber es macht
uns auch unglüklich, indem es uns im Leben
%unnützlich macht.
/Man kan dichten nach der Phantasie
und nach dem Verstande.
/Man muß Ausdruk von Gedanken und
ebenso Dichter vom Schriftsteller oder
Versmacher unterscheiden. Gellert war
kein Dichter (ein Dichter muß sich neüe
Bilder schaffen können) aber ein guter
Schriftsteller. Milton hatte ein wastes
dichtrisches Genie. Klopstock stellt nicht
die Sachen so vor, daß sie rühren, sondern
/~δRand_39'_Z_1
/Aller Traum, alle Hof-
nung ist Gedicht. Sachen
die fehlerhaft sind,
dichten wir oft zu den
vollkommensten. Ein Lieb-
haber weis es. Manche
Stelle im Leben kan
man durchs Dichten an-
genehm machen.
/
/
/Der Schaden der Romane
ist der; daß sie uns chi-
märisch machen, und gegen
die Welt eine ekele und ver-
zärtelte Denkungsart
geben, das Herz welk ma-
chen und die ganze Gemüths-
art so umformen, daß
man im Leben und in der
Gesellschaft unnütz oder gar
eine %unerträgliche Last
wird. Wenn man je eine
Gemüthsart in sich erwe-
ken will, so muß es die
harte, die muthige seyn,
die uns gegen alle Vor-
fälle des Lebens waf- ~
|F_40
/er redt als einer der gerührt ist, und rührt uns nur
durch Sympathie. So wie ein Weinender uns
auch weinend macht. Das Dichten ist eine reich-
haltige Qüelle von Erfindungen, und überhaupt
sind alle Erfindungen Geburten des Dichtungs-
vermögens. Selbst der Begrif von Gott ist er-
dichtet. Man sieht also hieraus daß Dichtun-
gen, nicht immer leere Bilder und Hirngespinste
sind.
/Der Hang zur Phantasterey ist, da man in lau-
ter Wünschen lebt, und selbige sich als wirklich vorstellet.
Iunge Leüte sind %gewöhnlich davon angesteckt. Den
Gegenstand ihrer Neigung dichten sie sich überirr-
disch schön. Und diese erdichtete Vorstellungen
haften so fest an ihren Vorstellungen der Sa-
chen selbst, daß sie beydes gar nicht abson-
dern können.
/ ≥ Von den Ideen. ≤
/Alle Ideen sind gebildet. Die Idee vom
Weisen, von einem unverdorbenen simplen Na-
turmenschen, vom Himmel pp sind nicht aus der
Erfahrung geschöpft, sondern durch die Neigung
erdichtet immer eine Sache complet und vollkommen
zu vollenden.
/Man dichtet entweder nach Regeln der Ver-
nunft, (intellectualiter,) oder nach Regeln der
Sinnlichkeit, (sensualiter.
/~δRand_40_Z_1
/net, und alles Glük von
uns selbst erwarten
läßt, anstatt daß
uns Romane alles
vom Glück zu erwar-
ten lehren.
/
/Pium Desiderium ist
ein Wunsch nach Ver-
beßerung der Sitten,
ohne die Mittel anzei-
gen zu können, selbige zu
erhalten; solche pia
Desideria kan man
wohl Poeten und «Dichtern» <Rednern>
vergeben, aber nicht
einem Philosophen.
/
/
/
/
/
/So macht man sich
ein maximum der
Freündschaft durchs
Dichten, nach Regeln
der Vernunft. ~
|F_40'
/Eine Vorstellung die intellectualiter erdichtet
ist, heißt Idee, und man macht sich indem
man das maximum von einem Begriffe sich
denket, welches auf verschiedene Art gesche-
hen kan. So war der Stoische Weise verschie-
den vom Epicurischen glüklichen Menschen, beyde
waren die Idee des vollkommenen Menschen.
/ ≥ Vom Ideal ≤
/Idee und Ideal sind von einander unterschieden.
Idee ist eine Vorstellung die ein Urbild ent-
halten soll, oder wornach ein Ding geformt
seyn soll. Ideal ist das erste und vollkommenste
Bild, wornach alle Dinge möglich sind, oder
es ist eine Idee in concreto zE Grandison.
/Wir können dreyerley Ideale haben 1, aesthetisches
2, intellectualis 3 practisches.
/Was das aesthetische betrift, so merk ich an,
es ist nicht möglich von Empfindungen sich
was zu erdichten, mithin auch von Empfindun-
gen sich kein Ideal zu machen. Unsre Ideale
gehen blos auf die Form, weil unser Dichten
blos auf die Form geht.
/ ≥ Träumerey oder der Zustand des
unwillkührlichen Dichtens. ≤
/Das unwillkührliche Dichten ist ein träümeri-
scher Zustand. Menschen in solchem Zustande, sind
/~δRand_40'_Z_9
/Ein Mahler ist entweder
blos Nachahmer, oder
Original, welcher das
Ideal macht. Nach dem
Urteil des größten jetzi-
gen Mahlers Mengs, hat
Raphael das Ideal ge-
malt, indem er himlische
Gestalten %übermenschlich
gebildet. Correggio hat
die Holdseeligkeit ge-
mahlt indem er ein
sanftes Spiel von
Empfindungen in uns
erweckt, was die Er-
fahrung uns nicht giebt.
Titian bekömt, den
untern Rang, denn er
mahlte die Natur. ~
|F_41
/von einem wirklich Träümenden nur darine unter-
schieden, daß der Wachende alle Eindrücke gleich
fühlt, und also oft gestöhret wird. Wie Phosphorus
oder faul Holz am Tage kaum bemerkt wird, im
Dunkeln aber große Figur macht, so bekommen
auch unsre bey Tage fast unbemerkbare Ein-
bildungen im Schlafe eine solche Stärke, Klarheit
und Deütlichkeit, daß uns nichts als die Stärke
der Empfindungen übrig bleibt, um sie von wirklich
%sinnlichen Eindrücken zu unterscheiden.
/ ≥ Vom Träumen. ≤
/Der Traum gränzt an den Schlaf, und ans Wachen
und ist ein Kind des Schlummers. Der Anfang des
Traums entsteht immer von irgend einer %sinlichen
Empfindung, die wir im Schlummer empfinden.
Weil diese Empfindungen alsdann sehr matt und
stumpf, die Einbildungen aber um eben so viel
stärker sind, so vermischen wir beyde, und
halten die über die stumpfe Empfindung, die zum
Thema wird, gedichtete Bilder, für wirkliche
Eindrücke. Im Schlummer kan zE das Hahnengeschrey
uns als eine jammernde Stimme eines entfernten
Elenden vorkommen, und dadurch eine sehr tragi-
sche Scene eröfnen. Kurzer fester Schlaf
erhohlt am meisten. Leises Schlafen und Traeume
ermüden.
/~δRand_41_Z_1
/Einem wachenden Men-
schen legt man die
Träumerey bey, wenn er
beständig in Gedanken
geht und seinen Hirn-
gespinsten nachhängt.
/δZ_12
/Das Schlummern so
willkommen und lieblich
es vielen seyn mag,
muß man, so wie al-
les, was uns nur ver-
gnügt, um uns zu ent-
kräften, entsagen.
/Im Traume laßen
die %sinlichen Empfindungen
nach, und der Mensch
hat einen eingebil-
deten Körper. ~
|F_41'
/ ≥ Vom Schlafwandern. ≤
/Es giebt für die Träumenden ein Zustand der
aber eine wahre Krankheit ist, da der Mensch sei-
nen Körper, einstimmig mit den eingebildeten Chimä-
ren bewegt. Der gelindeste Grad davon ist
das Sprechen im Schlafe. Ein stärkerer Grad
ist das Nachtwandern. Aber es giebt noch
höhere Grade, die in Erstaunen setzen, da manche
ohne Bewustseyn sich an den Tisch gesetzt und
Abhandlungen geschrieben, die nur an der Unre-
gelmäßigkeit der Buchstaben für Traeüme
erkant werden konten.
/ ≥ Von der Erstarrung ≤
/Dieser Zustand zeigt sich in unsern Gegenden
fast gar nicht, man hat aber aus andern
Beyspiele davon. Sie besteht %eigentlich in
einem Zustande wo man alle Empfindun-
gen auf eine Zeitlang verliehrt.
/ ≥ Vom Phantasten und gestörten Menschen ≤
/Phantasterey ist die Realisirung der
Hirngespinste. Phantast ist derjenige, der
seine Einbildungen für Empfindungen hält.
Die verliebte Neigung macht phantastisch.
/Affecten machen aus einer vernünftigen
Idee Phantasterey. Beym idealischen Kopf arten
alle Affecten in Phantasien aus.
|F_42
/Nimt man das Ideal an, nicht als den Gegenstand
des Verlangens, den wir suchen (principium practicum)
sondern als ein Mittel des Beurtheilung (prin-
cipium diiudicandi) so ist das Ideal gut und nützlich.
Sucht man einen idealischen Freünd in der Welt,
so wird man Phantast, und geht auf dem Wege
zur Misantropie.
/ ≥ Enthusiasm. ≤
/So nennet man alle Phantasterey, die aus dem
Ideal der Vollkommenheit entspringt. Ein Enthusiast
ist stets ein edler Phantast. Es giebt auch Phan-
tasten der geistigen Anschauung, welche glauben
Dinge, die bloß durch den Verstand erkant wer-
den, anzuschauen; da der Verstand doch nur reflec-
tirt.
/Schwärmerer. Diejenige welche Dinge, die ihre Ein-
bildung aushecken, in der wirklichen Welt substitui-
ren, und bey jedem Schatten geistige Erscheinungen
zu haben glauben, heißen Visionairs. Das Genus
aller Gemüths-Krankheit, in so weit sie keine
große Abweichungen, sondern würkliche Verkehrt-
heiten sind, heißt Stöhrung.
/Die Verkehrtheiten in Ansehung der Sinne, sind
«sin» entweder, der Wahnsinn oder der Blödsinn.
Iener siehet zu viel, der letztere zu wenig.
Die Sinne der Blödsinnigen mögen vor sich betrachtet
allemahl recht gut seyn, nur daß sie von der Aufmerk-
/~δRand_42_Z_1
/Man lacht über den
Rousseau, daß er sich
vermißt durch Einführung
der Einfalt der Natur,
Beyspiele von dem realisir-
ten Ideal des Menschen zu
liefern. Er ist ein wahrer
Tugenfreünd, und seine Ideen
sind so wenig Chimären,
als des Plato seine, aber
ihre Wirklichkeit ist nicht möglich.
/
/Enthusiasten sind stets
gleichsam idealisch be-
trunken, und geistische Be-
rauschung schadet stets
mehr, als die Körperliche.
/δZ_22
/Blödsinnige sind stets
harthörig. ~
|F_42'
/samkeit und Reflection des Verstandes, die
bey allen Erscheinungen statt finden muß,
entblößt sind.
/Der Wahnwitz beruhet nicht in einem Fehler
des Verstandes, sondern entsteht daraus,
daß die Empfindungen auf einmahl einen
großen Glanz bekommen. Er ist mit den
mehresten hitzigen Fiebern verbunden, und die
Hypochondrie ist gleichsam Praeparation
dazu.
/Die Verkehrtheiten in Ansehung des Ver-
standes sind Wahnwitz und Dumheit. Der
Wahnwitzige reflectirt da, wo Vernunft gar
nicht applicable ist. Hingegen urtheilt der
Dumme gar zu wenig. Der Unterschied zwischen
Wahnwitz und Wahnsinn bestehet darin, daß bey
dem letzteren ein guter Verstand statt haben
kan, bey dem ersteren aber die Anwendung
der Vernunft schlecht ist, diejenigen nä-
hern sich ihm, welche die Schranken der
Vernunft übertreten. zE. Boehmens Schriften.
/Von diesen Fehlern des Verstandes ist
die Albernheit unterschieden, als welche in
dem Spiel des Witzes, welcher den Umständen
gar nicht angemeßen ist, bestehet.
/~δRand_42'_Z_1
/Der Blödsin zeigt immer
eine Schwäche des Ver-
standes, Blödsinnige
sind stets harthörig.
/δZ_11
/Der Wahnwitz bleibt
immer ein größerer
Fehler, als der Wahn-
sinn, weil er bestän-
dig das Grundver-
derben der Menschheit
gezeigt. ~
|F_43
/Narren und Thoren sind nicht einerley. Narrheit
nennet man des Ungereimte, was schädlich
oder lasterhaft ist, wenn es aber diese
Würkung nicht mit sich führet, so nennet
man es Thorheit. Man könte mit Recht die
Frage aufwerfen; ob nicht alle Laster der
Menschen Narrheiten seyn mögen? Demo-
critus deßen Character in der Historie
nicht sehr berühmt ist, scheinet dem Men-
schen aus diesem Gesichtspuncte angese-
hen zu haben, da er die glänzensten Per-
sonen, nur für verdeckte Thoren hielt.
Seine Methode zu philosophiren bringt eine
gute Laune des Gemüths zuwege.
/Der Mensch ist geneigt zum Spiel und ist
nur aus Nothwendigkeit ernsthaft. Ie
mehr man die Welt gekant hat, destomehr
wächst die Begierde zu lachen und junge Leü-
te sind nur zu weilen ernsthaft, welches
auch nothwendig ist, weil sie sonsten sich
keine Mühe geben würden, in sich einen Grad
vom Werthe zu legen, wenn sie unter jeder wahr-
heitsvollen Mühe versteckte Thorheit entdecken
würden. Dieses ist der wahre Entzweck, wa-
rum die Natur der Tugend alles wichtig
vormahlt.
/~δRand_43_Z_1
/Die Thorheit hat das
besondre an sich, daß
sie sich selbst, um ihre
Absicht bringt.
/Das gesellschaftliche
Vergnügen würde einen
hohen Grad erhalten, wenn
die Menschen ihre Ambiti-
on und Eitelkeit wechsel-
seitig einschränkten, und
vielmehr den Genuß sich
angelegen seyn ließen.
/
/Wenn man jede Ernsthaftig-
keit analisirt, so findet man
hinter ihr Thorheit. Sie kan
nemlich nicht anders, als
durch Ceremonie hervor-
gebracht werden. Iede
Ceremonie ist lächerlich, und
schickt sich gar nicht für
den Menschen, nur ist
das Schlimste, daß es
mit ihnen so weit kömt,
daß sie gar für das
Wesentliche der Sache
gehalten werden. Ein jeder
hintergeht sich also den für ernst-
haft zu halten, der sich nur
so anstellte. ~
|F_43'
/ ≥ Von der Praevision. ≤
/Aller Unterschied des Gegenwärtigen, Ver-
gangenen und Zukünftigen praesupponirt eine
Zeit. Wenn wir unter dem Gegenwärtigen einen
ganzen Zeitraum verstehen, so sehen wir nicht
gleichsam einen Punct vor uns, der das Gegen-
wärtige ausdrückt, sondern einen ganzen District
in der Zeit. Alle Vermögen sind nur practisch
durch die Praevision, und ohne sie kan nirgend
ein Zusammenhang statt finden. Dieses ist
die Ursache warum gemeine Leüte auf der-
selben so verpicht sind, und warum sie bey je-
der Erscheinung fragen, was sie bedeüte.
Alle unsre Handlungen, beziehen sich aufs künf-
tige. Der beste Schluß ist, die Praevision
vernünftig anzuwenden.
/Die Menschen sind beständig begierig ihr
und anderer Schicksahle voraus zu wißen.
Da nun die Astronomie die einzige Wissen-
schaft ist, worinnen wir mit vieler Ge-
wisheit Begebenheiten auf Iahrhunderten
eg. den Stand des Mondes, Sonnen Finster-
niße, bestimmen können, so ist man auch
auf den Einfall gekommen, hieraus Gründe
um sein Verhängniß zu erfahren, ausfündig
zu machen, welches denn der Astrologie
ihren Ursprung gegeben. Allein da dieses
/~δRand_43'_Z_1
/Es ist für den Menschen
nichts reitzenderes, als
in der Zukunft zu schauen.
/Die Zeit die wir voraus
sehen, ist uns unendlich und
weit länger, als die ver-
gangene, daher wird uns
der Prospect in die künftige
Zeit so wichtig. ~
|F_44
/sehr abergläübisch, und alle Mittel es uns bekant
zu machen fehlen, so müßen wir gestehen, daß
wir nur eine kurze Zeit voraus sehen können
und mit dem Pope sagen, daß uns in dem
Buche des Schicksahls die Pagina des Ge-
genwärtigen nur offen sind. Das Vertrauen
welches die mehresten Menschen in der Praesa-
gition und Wahrsagereyen setzen, entspringt aus
starken Leidenschaften und Affecten. Maupertuis
merkt an, daß wenn Astronomen etlichemahl
bemerken würden, wie zu der Zeit einer merk-
würdigen Veränderung am Himmel, große Re-
volutionen auf der Erde entstünden, sie vie-
leicht auch einigen Einfluß auf unsre Schick-
sahle würden bestimmen können. Die Traumdeüte-
rey ist zwar von wenigem Werthe, jedoch ist ge-
wiß daß wenn der künftige Zustand eine Fol-
ge aus meinen Gegenwärtigen, oder gar seinen
Grund in unsern Körper hat, die Träume ei-
niger maßen Bedeütungen in Absicht des
künftigen haben können, die sich uns in dunklen
Empfindungen vorstellen.
/ ≥ De facultate characteristica. ≤
/Wir müßen zuerst einen Unterschied anmer-
ken, zwischen Symbolen und Charactern. Ienes
sind Vorstellungen welche in die Stelle <anderer> substitu-
/~δRand_44_Z_1
/Wenn wir auf den Character
derjenigen, die viel traeü-
men, und bey denen sie eine
gewiße Figur machen Acht
geben, so finden wir, daß
sie auch sehr zum wachenden
Traeümen incliniren, und einen
kränklichen Körper haben.
/Es ist jedoch besonders
wenn man sich die Träü-
me so klar vorstellen
kan, %und so viele Ordnung
in ihnen entdeckt. ~
|F_44'
/irt, und also in allen Sprachen gleichförmig ange-
bracht werden können, letztere aber können nicht
gebraucht werden, um allgemein gültig zu seyn.
Sie sind Wörter, welche also für eine Vor-
stellung, so vielfach als Sprachen bekant, und
erfunden sind, seyn können. Alles wird
beynahe durch Symbola begleitet, als Or-
densbänder der Meriten, Kleider der
Reichthümer. Ia in Religionen selbst
findet man sehr viele, weil bloße Wör-
ter, die geistigen Vorstellungen nicht
erregen können. Mehrentheils aber wird
hiedurch zuwege gebracht, daß Menschen
mehr an Symbolen, als an Sachen selbst
die sie vorstellen, hängen. Die Symbo-
la bringen auch vermöge der Verglei-
chungen die die Menschen gewöhnlich da-
bey anstellen, viele Irrthümer zuwege.
zE wenn Gott wie ein König vorgestellt
wird. Eine Erkentniß ist symbolisch,
wenn wir die Sache nicht unmittelbar,
sondern durch Zeichen, die aber doch
mit der Sache eine Aehnlichkeit haben
müßen, erkennen. zE Zahlen sind sym-
bolische Vorstellungen von Größen.
/~δRand_44'_Z_1
/Die Menschen werden
durch Worte gerührt und
belehrt, deren Ideen sie
dennoch nicht kennen, so
lehrte Sondersohn ein
Nachfolger Newton, die
Gründe der Optique
mit großem Beyfall,
ob er gleich blind geboh-
ren ward, sie können
empfindungsvoll sprechen,
ohne selbst die Empfin-
dungen bey sich zu spüh-
ren. Merkwürdig ist es
daß bloße Wörter Em-
pfindungen hervorbrin-
gen können, in denen doch
das Anschauen der Sache
gar nicht liegt. ~
|F_45
/Bey jeder Schrift muß man sorgfältig
untersuchen, ob die hervorgebrachten
Gemüthsbewegungen, durch Sachen, Bilder,
oder Wörter entsprungen seyn. Bey Klop-
stock scheinen die letztern die Ursache
davon zu seyn.
/ ≥ Vom Witz und Urtheilskraft. ≤
/Man pflegt das Vermögen die Aehnlich-
keit der Dinge zu finden, Witz, die Kraft
aber den Unterschied derselben auszu
spähen, die Scharfsinnigkeit zu nennen.
Wenn wir aber diejenigen Fälle untersuchen,
in welchen wir von diesen Vermögen Ge-
brauch machen, so finden wir, daß wie
der Witz zum Erfinden nothwendig, und
Materialien zum denken herbeyschaffen
muß, also die Urteilskraft das Vermö-
gen ist, das was mit den Dingen stimmt
oder ihnen wiederstreitet einzusehen,
und daher werden wir die Urteilskraft
dem Witz entgegen setzen, und den Witz eine
Kraft nennen zu vergleichen und die Ver-
hältniße der Dinge einzusehen, da die Ur-
teilskraft sich vielmehr beschäftiget, mit
Verknüpfung und Absondern.
/~δRand_45_Z_16
/Aenliche Dinge sind
noch nicht verknüpft,
sondern können vieleicht
gar keine Gemeinschaft
mit einander, als ein-
zig in unsern Vor-
stellungen haben, so
wie in der emblematischen
Mahlerkunst, der Mond
wie ein Menschengesicht
repraesentiret wird. ~
|F_45'
/Die Scharfsinnigkeit ist das Genus, oder das Ver-
mögen kleine Unterschiede oder Aehnlichkeiten,
die nicht ein«em» jeder bemerkt zu beobachten.
Versteckte Aehnlichkeiten zu entdecken
erfordert einen hohen Grad des Witzes.
Man findet auch daß man für den Man-
gel des Scharsinns keinen besondern Namen
hat, und ihn nicht als einen Vorwurf be-
trachtet, dagegen man den der keinen
Witz hat, einen Stumpfen, der aber ohne
Urteilskraft ist einen Dummen nennt.
Von dem Mangel des Witzes können wir
nicht auf dem Mangel der Beurtheilungs-
kraft schließen. zE der große Mathema-
tiker Clavius. Man hat aber vielmehr Ur-
sache an der Urteilskraft bey denjenigen
zu zweifeln, welche eine große Leichtigkeit
und Gefühl von dem Witz haben, und es für ein
großes Verbrechen halten würden, die
Producte deßelben nicht zu offenbahren.
Der Witz heißt spielend wenn er nicht
mit den würklichen Verhältnißen der
Dinge übereinstimt, und unterscheidet
sich von dem %gründlich darin, daß er die
/~δRand_45'_Z_1
/Ein Advocat, welcher eine
offenbahre falsche Sache
defendiren will, muß Witz
besitzen, um einigermaßen
Gesetze ausfündig zu ma-
chen, welche sie scheinbahr
begünstigen, eine Scharf-
sinnigkeit der Urteilskraft
muß ihm der Richter
entgegen setzen.
/
/
/Der theoretische Theil der
Rechtsgelahrtheit gehört
dem Gedächtniße, der prac-
tische dem Verstande, die
Regierung des Staats der
Einbildungskraft zu.
/Die Scheere eines guten
Advocaten ist «der» <ein scharfer> Verstand,
womit er jedem Falle das
Maaß nimt und ihn dasjeni-
ge Gesetz anpaßt, welches
ihn entscheidet.
/Huart.
/Aristoteles behauptet
daß Leüte von großem Ver-
stande, ob sie gleich am Gedächt-
niße Mangel haben, eine sehr
starke Erinnerungskraft
besitzen. ~
|F_46
/Scheinähnlichkeit für eine beständige ansieht,
oder wenn die Aehnlichkeit bloß willkührlich
ist, und von Wörtern abhängt, er wird %endlich schaal
wen sein Gegenstand «wenn sein Ge» ein willkühr-
licher Umstand ist. Eine Munterkeit die gar kei-
ne Begriffe zum Endzwecke hat, ist eine Bemühung
die auf ein Nichts hinaus läuft, und wird lästig.
/Die Empfehlung des Witzes ist die Leichtigkeit,
und sein Spiel hört auf, wenn man sich auf ihm vor-
bereitet, so wird niemand über einen guten
Einfall oder höchstens aus Gefälligkeit lachen,
wenn man zuerst den Ton dazu angiebt, oder
sich merken läßt, daß man haben wolle, wie
die andre lachen sollen. Die Empfehlung der Ur-
teilskraft, ist der Anblik einer überwunde-
nen Schwürigkeit. Noch kan man unterscheiden die
Feinheit und Naivitaet des Witzes. Iene ist da, wenn
man auf kleine Unterschiede Achtung giebt und zeigt
Scharfsinnigkeit, hat aber lange nicht so viel be-
lustigendes, als ein naiver Einfall an sich, wel-
cher aus der Natur selbst, und ohne Mühe zu ent-
springen scheint. Er ist entweder grob oder fein,
je nachdem der Witz cultivirt ist. Der Witz der
Engländer ist mehr scharfsinnig als geschmakvoll.
Buttlers Hudibras, welchen Voltaire und Hume selbsten
für das witzigste Gedicht halten, kan zum Beyspiel
/~δRand_46_Z_1
/Alle unsre Beschäfti-
gungen müßen auf etwas
ihre Absicht gerichtet
haben, und es ist beßer
nichts als etwas leeres
zu thun, ob es gleich das
Gegentheil zu seyn schei-
net. So findet man mehr
Vergnügen wenn man
auf einmahl weit geht,
als wenn man eine kurze
Tour auf und nieder geht.
weil hier die Absicht alle
Augenblicke unterbro-
chen wird, wenn man gleich
beym Gehen keine andre
Absicht, als die Motion
haben sollte. Man hat
bemerkt, daß ein Schif-
fer, welcher auf seinem
Schiffe, wen es aufs Meer
ist, pflegt auf und nieder
zu gehen, wenn er ans Land
gekommen, fast niemahls
weiter als eine Schüfs-
länge prominirt. ~
|F_46'
/dienen. Es ist auch etwas beschwerlich zu
lesen, weil es sehr viele Kentniße voraus-
setzet. Beym Witz ist auch das Vergnügen des
Nachschmacks besonders, da nemlich der Ein-
fall zwar nicht sogleich verstanden werden
kann, aber doch nicht sehr versteckt ist, son-
dern sich ohne Erklärung auflößt, und ge-
wißen Beyfall gewinet. Nicht jedes Witzige
hat eine Beziehung aufs Lachen, sondern
es giebt auch ein ernsthafter Witz, welchen
man vorzüglich in Erfindungen, Hypothesen
und Auslegungen der Schrift wahrnimt. Eine
drollichte <launichte> Schreibart nennt man diejenige, die
Lachen hervorbringt, ohne eine Begierde es
thun zu wollen, sich merken zu laßen und
ganz gravitaetisch einhergeht. Zu einer
solchen incliniren die Engländer sehr.
Eine solche Gemüthsart die allen Dingen eine Ge-
stalt die ihrem Character angemeßen ist, zu
geben weiß, heißt die Laune, welche bald
lustig bald traurig ist, von denen die erste
unser Leben glüklich zu machen fähig wäre,
wenn wir dabey uns nur bestreben möchten,
in uns einen Grad von Verdienste zu legen.
|F_47
/ ≥ Vom Lachen. ≤
/Alle Menschen auch selbst die Hypochondris-
ten lachen gerne und fetten Leüten läßt es be-
sonders gut. Dahero man auch zu %lächerlichen Rollen in
der Comoedie gerne kurze und dicke Kerls zu nehmen
pflegt. Man ist auch bemüht bey der Tafel
alle seine Reden gerne so einzurichten, daß
sie ein Lachen hervorbringen sollen. Indeßen ist
es nicht leicht, etwas zu erfinden, was alle
und auch Vernünftige zum Lachen bewegt. So
viel bemerkt man, daß alles das, was Lachen
erregt, unerwartet kömt, und daß es unserm
Gemüthe eine ganz andre Richtung gebe, und
einen Contrast verursacht. zE so ist es unerwar-
tet obgleich nur in der ersten Vorstellung,
da jemandes Reflectionen über den Bau einer
Brücke darin bestand, daß ein großer Vor-
theil daraus entspringe, inden sie der Breite
des Flußes, nicht aber seiner Länge nach ge-
legt wäre. Es ist besonders wie bloße Ideen,
solche körperliche Bewegungen hervorbringen
können, und woher das Lachen ein Vergnügen ver-
ursachen kan, da doch die Ursache dazu, welche alle-
mahl das Ungereimte ist, dem Verstande eben
nicht sehr gefallen kan. Bey manchen Dingen
lächeln wir nur, welches ein Bestreben zu Lachen
ist, welches aber nicht zur Execution gebracht
werden kann.
|F_47'
/Noch unterscheiden wir das Auslachen vom ge-
wönlichen Lachen. Ienes ist hämisch und wer dazu
geneigt ist, zeigt eben keine gute Gemüths-
Art, dahero auch alle gutt artig gesinte
als dann nicht mitlachen, den da es auf
Unkosten eines andern geschieht enthält
es immer etwas affectirtes und tückisches
/Das Lachen wo ein jeder Antheil nehmen kan
ist das erlaubteste, sobald es aber das ge-
ringste moralische Gesetz übertri«f»tt ver-
liert es seinen Werth. Man hat bisher ge-
glaubt, daß die Ursache des Lachens vom
«vom» plötzlichen Anschauen einer Ungereimtheit
entlehnt sey, und daß das Vergnügen, wel-
ches es giebt, aus dem Bewustseyn, daß
man selbst von solchen Fehlern frey sey <entspränge>.
Man sieht aber leicht ein daß es nach die-
ser Meynung stets eine Schaden Freüde
seyn würde, welches sich doch nicht so ver-
hält. Wir können vielmehr sagen daß das
Lachen von Eindrücken unsers Gemüths her-
komme und dahin <auch wieder> zurückgehe, das mechanische
Wirkungen und Erschütterungen von ihm
die Ursache sind.
/~δRand_47'_Z_1
/Wenn aber jemand der durch-
gehends alle zu railliren pflegt
ins Gedränge kömt, oder wenn
ein Aufgeblasener ausge-
lacht wird, oder wenn jemand
eine lange ungereimte Rede
hersagt der er überhoben
seyn könte, läßt es sich
noch entschuldigen, weil es
gleichsam aus Wohlwollen
gegen das ganze %menschliche
Geschlecht geschieht; man
thuts aber nicht, wenn zB.
ein Candidat zum ersten
mahl predigt verstummt,
man pflegt dabey kalt zu
werden, weil man gleich-
sam mit ihm leidet. ~
|F_48-60
/δleer
|F_61
/ ≥ Vorbereitung zur Lehre des Geschmacks. ≤
/Der Philosoph, der mit Geschmack philo-
sophirt, leistet mehr, als der über den
Geschmack philosophirt. Das Principium
des Wohlgefallens und Mißfallens liegt
nicht bloß in der Erkentniß, %sondern
in der Vergleichung mit dem Ge-
fühl der Lust oder Unlust.
/Wir können Dinge nach allen ihren Ei-
genschaften erkennen und doch dabey indif-
ferent seyn, welches stets geschieht, wenn
der Verstand blos urtheilt, ohne Ver-
mischung mit der Sinlichkeit.
/Die Lust ist die Triebfeder der
Thätigkeit und der Begierden, die Unlust
das Gegentheil..
/In unsrer Thätigkeit und freyen
Willkühr beruht unser Leben.
/Was befördert das Gefühl %meines
Lebens ist angenehm.
|F_61'
/Was da gefällt in der Empfin-
dung ist angenehm, in der Erscheinung
ist schön, in Begriffen ist gut.
/Eine Erscheinung setzt eine Beur-
theilung voraus, von der Art wie er
«in die» gefällt.
/Die schöne Künste sind diejenigen
die nach Gesetzen der Erscheinung
ein Wohlgefallen erregen.
/Zu den angenehmen Künsten ge-
hören zE die Kochkunst.
/Der wahre Werth des Frauenzim-
mers beruht in zwo Stücken, 1; wenn
sie in der Kinderstube und 2, in der
Küche zu praesidiren weiß.
/Zur aestetischen Vollkommenheit
gehört Geschmack, Geist, Empfindung
und Urtheilskraft. In den Schriften
des Shakespear herrscht %vorzüglich Geist,
aber wenig Geschmack. Die Franzosen
|F_62
/viel Geschmack, aber wenig Geist. Die Englän-
der mehr Geist, und die Deütschen mehr Urteils-
kraft in ihren Schriften.
/Phisisch heißt Empfindung, die Verände-
rung in uns durch den Gegenstand. %@Doch\Durch@
eine Idee die wir womit verbinden, kan
eine unangenehme Empfindung in uns her-
vorbringen, welches reflectirende Em-
pfindungen sind. Durch Ideen können also
auch Empfindungen in uns hervorgebracht
werden. Wir können aber doch solche Ein-
drücke nicht approbiren. Iemehr man
denkt jemehr moderirt man das Gefühl.
/In den Schriften, wo man immer
auf das Gefühl nur zielt, rührt %gemei-
niglich von dem Mangel der Urteilskraft
der Verfaßers her zE Iacobi.
/Die Illusion des Gefühls besteht
darin, wenn man eine gefühlvolle
Sprache führt, aber der Gegenstand selbst nicht aufs Gefühl
geht, zE Klopstock.
/~δRand_62_Z_1
/Empfindungen können
alle in ihre Schriften
bringen. ~
|F_62'
/Die Urteilskraft hat den größten
Werth. Der schlechte und gute Gebrauch
des Verstandes beruht auf der Ur-
teilskraft. Die Idee des Zweckmäs-
sigen, ist die Urteilskraft. Wen die
%sinliche Vorstellung mit dieser Idee zu-
samenstimt, beruht auf der Urteilskraft.
Alles mißfällt, woraus keine Idee, was
die Sache seyn soll, herausgezogen
werden kan. Die %Zusammenstimmung einer Sache
mit eine Idee gefällt immer, wen auch selbst
die Gegenstände %scheüslich sind. Wenn
ich nach Gesetzen der Sinnlichkeit zu ei-
ner Idee geleitet werde, so ge-
fällt es. «Wan unsre Sinnlichkeit d¿»
Was wir erhaben nennen, würkt nicht
blos auf unsre Empfindung, sondern
auf den Verstand.
/Der Geschmack giebt nur einem
Dinge eine gefällige Form.
|F_63
/Wir können a priori keine Geschmacks-
lehren geben, sondern wir müßen Pro-
ducte deßelben vor uns haben. Die all-
gemeine Erklährungsgründe des Ge-
schmacks sind aber allerdings in der mensch-
lichen Natur gegründet. Es läßt sich daher
nur eine Critic, aber nicht eine Doctrin
des Geschmacks a priori geben.
/Der Satz: De gustu non est disputan-
dum, ist ein Grundsatz der Ungesel-
ligkeit, ja der Unwißenheit, und man
entzieht dadurch dem Verstande ein
großes Feld von Beurtheilungen und
Beobachtungen.
/Mode geht dem Gebrauche vorher.
Mode gefällt deshalb weil es durch
neüe Beyspiele angefangen hat zu ge-
fallen. Gebrauch ist was allgemein
«angenomi¿» angenommen ist. Die Poh-
|F_63'
/len haben daher keine besondre
Mode in Ansehung ihrer langen Klei-
der, sondern ein Gebrauch.
/Modisch kan man nicht in Grund-
sätzen seyn, aber gut ist es in Klei-
dern. Der wahre Geschmack ist
ernsthaft. Der Reitz bezieht sich
blos auf Empfindung. Die Schönheit
aber auf die %sinnliche Vollkommenheit.
/Der Verstand muß die Bedingun-
gen zeigen, in wie fern etwas nach
Gesetzen der Sinlichkeit gefallen
kann.
/δRest_leer
|F_64
/ ≥ Bedingungen des Geschmacks ≤
/Schonheit gefällt unmittelbar. Wir können sa-
gen, daß etwas mittelbar angenehm ist, als
ein Münzcabinet; auch daß etwas mittelbar
gut ist, aber es geht nicht an etwas mittel-
bar schön zu nennen. Denn die Schönheit beruht
auf das Urteil über die «S»Anschauung, und
die Anschauung ist etwas unmittelbares.
/Wenn die Schönheit sich mit dem Nutzen verei-
niget, so ist das Gefallen an derselben, desto
gründlicher und dauerhafter. Die reine Schön-
heit aber, die bloß für den Geschmack ist, und ein
gewißes reines Vergnügen gewährt, ist von
allem Nutzen leer. Es gefällt uns immer, wenn
wir unsre gesamte Thätigkeit in Lebhaftigkeit
setzen, aber wir empfinden auch ein appartes
Vergnügen daran nur eine Thätigkeit ins Spiel
zu versetzen, zE Bey der Mathematic.
/Wenn etwas im Geschmack ganz allein ge-
fallen soll, so muß man gar keine Rück-
sicht auf den Nutzen nehmen. Daher gefällt
uns eine emaille_Dose weit schöner, als eine
/~δRand_64_Z_1
/Die Leichtigkeit eines
Beweises ist nicht eine
logische sondern äste-
tische Vollkommenheit. ~
|F_64'
/silberne, obgleich die letztere von größern
Werth, aber der Geitz gleichsam aus derselben
hervorguckt. Procellain und Brabanter
Kanten, werden wegen Mangel des Nutzens
auch daher für sehr schön gehalten. Ganz an-
ders verhält es sich aber mit einer goldnen
Dose, weil man bey selbiger auf den
Werth deßelben gleichsam renuncirt.
/Der Nutzen ist ein Gegenstand der Refle-
xion. Der Geschmack aber ein Vorwurf
der Anschauung. Wir werden hernach be-
trachten, was die Schönheit, oder das Ver-
gnügen der Anschauung zur Vollkommenheit
des Menschen beyträgt.
/Gefühl und Geschmack sind sehr von einan-
der unterschieden. Vergnügen und Schmerz
werden nur vom Sinn begleitet, und wird
von allem demjenigen, was einen Eindruck
hervorbringt zuwege gebracht, hingegen
ist der Geschmack eine Vorstellung der
Sache, wie sie erscheinet, ein Wohlgefallen
so aus unserer eigenen Thätigkeit, Gegen-
einanderhaltung und Vergleichung entlehnt
ist.
/Bey dem Vergnügen, was aus dem Ge-
|F_65
/schmacke, und also aus der Anschauung entspringt,
sind wir wirksam und thätig. Beym Gefühl
aber sind wir leidend.
/Der Geschmack besteht nicht in dem Vergnü-
gen, den mir eine Sache macht. Ich kan ein
Haus schön nennen und doch Bedenken tragen
tragen, einen Groschen zu geben um es zu
sehen. Wenn ich ein häßliches Haus sehe, so macht
mir dies keinen Schmerz, ich kan herzlich drüber
lachen und mich divertiren. Beym Anschauen
fühl ich nichts, ich vergleiche es nur mit mei-
nem Gefühl ohne Eindrücke darauf gesche-
hen zu laßen, kurz Schönheit würkt nicht
aufs Empfindungsvermögen, ich bin also
nicht leidend dabey, ich recipire nur Vorstel-
lungen und Erscheinungen und vergleiche sie mit
dem Empfindungsvermögen. Einige Sinne
sind mehr fü«h»rs Gefühl andre für die Erschei-
nung.
/Gefühl kan man wohl haben, denn dazu ge-
hört nur Sinn. Aber Geschmack ist rar, denn
dazu gehört geübte Urteilskraft. Gefühl
hat zE der, welcher bey lebhaften Beschrei-
|F_65'
/bungen gleich gerührt wird. Zum Gefühl wird
bloß Reitzbarkeit erfordert. Reitze und Rührung
entspringen aus dem Gefühl. Schönheit und
Heßlichkeit aus Geschmack. Gefül kan
man üben, aber Geschmack muß man förm-
lich lernen, keiner besitzt ihn von Natur.
Alle Künste die viel aufs Gefühl arbeiten,
zerstören den Geschmack und gefühlvolle Per-
sohnen sind mehrentheils schmacklos. Der
Geschmack ist kalt und ruhig. Das Gefühl macht
mich aber zum Instrument, und gleichsam zum
Clavier, wo man bald hier bald da die Saiten
der Empfindungen zwickt, und wo ich ganz lei-
dend und ein Spiel der E«mpfindungen»<indrücke> bin.
Bey Geschmacksvolle Schriften, entsteht in
mir ein ruhiges Vergnügen.
/Wo wir uns aufs Gefuhl berufen, da
hört alle Gerichtsbarkeit des Verstands
auf, gemeiniglich thut man es, wenn man
eine Sache nicht versteht.
/In Ansehung des wirklichen Geschmacks
muß ich das Urteil über das was allgemein
gefällt aus der Erfahrung in Ansehung
des ideealischen Geschmacks kan man es
a priori fällen.
/~δRand_65'_Z_17
/Thoren muß man nur
durchs Gefühl bewegen,
und der größte Schaden ent-
steht daraus, wenn man
sich bey Untersuchungen
darauf berufet. ~
|F_66
/Wenn man aber möchte man einwenden, immer
ausspähen muß was allgemein gefällt, so
hat ja der Geschmack keine feste Regeln.
Er hat sie, und er ist gegründet in der Mensch-
heit, aber man kan nur durch Erfahrun-
gen darauf kommen.
/Der modische Geschmack ist kein Geschmack,
wer aus der Mode wählt, weil er sie für
das Principium des Schönen hält, der wählt
aus Eitelkeit nicht aus Geschmack. Der
Mann nach Geschmack richtet sich auch nach
der Mode, aber nach Principien des Ge-
schmacks, aber der Frauenzimmer Urteil
richtet sich nach der Mode.
/Der Geschmack zeigt eine Uebereinstimmung
der sinnlichen Beurtheilung an, es ist also
falsch daß man über den Geschmack nicht
disputiren könne, denn disputiren heißt
soviel als beweisen, daß mein Urteil
auch für andre gültig sey, und das Sprich-
wort, ein jeder hat seinen eigenen Geschmak,
ist so wohl ein Satz der Unwissenden,
als ein Principium der Ungeselligen.
|F_66'
/Der Geschmack zeigt an eine Ueberstimung
des Urteils über sinliche Gegenstände. Im
Geschmacke wen nichts im selbigen wäre
was allgemein gefällt, so gäbe es keinen.
Der Grundsatz der Ungeselligen ist,
Ein jeder genieße seine Vergnügungen <allein>,
den ein jeder hat seinen %besondern Geschmack.
In den Principien des Geschmacks ist
vieles empyrisch, aber die Gründe der
Beurtheilung, sind nicht aus Erfahrungen
geschöpft.
/Das GeschmacksUrteil wird begleitet,
durch den Verstand, daher hat es was all-
gemeingültiges, und beruhet auf das Ur-
teil der Sinlichkeit in der %menschlichen «Urteil» <Natur>.
/Wen man urtheilt über sein Gefühl, so
kan man %freylich nicht drüber streiten,
weil man keine seine Empfindungen ab-
<disputiren kan.>
/Menschen geben öfters vor, daß sie et-
was empfinden, ob es gleich ein Resul-
tat der Reflexion ist.
/Weil bey dem Gefühl «ube» und Empfin-
dungen, nicht über das Object %sondern
|F_67
/Subiect geurtheilt wird, so kan man nicht
drüber streiten.
/Wen aber jemand sagt etwas ist gut
und der andre böse, so muß einer von bey-
den unrecht haben, denn hier betrift es das <Obiect.>
Wen jemand sagt etwas schön, so betrift
es das Object, als ein Gegenstand %meine«s»r
%Sinlichkeit aber nicht meines Verstandes. Es sind
gewiße Principien der %Sinlichkeit allgemein
daher muß mein Urteil über die Schön-
heit wahr seyn.
/Was die Anschauung der %Sinlichkeit erleichtert
und erweitert, ist den subjectiven %Gesetzen
%der %Sinlichkeit die allen Menschen gleich «ist» <sind>, ge-
mäß, daher gefällt sie. zE Proportion.
/Die Ordnung der Dinge in der Zeit, nenne
ich Spiel. Das Spiel der Gestalten, ist
der Wechsel <der@ «¿¿¿» ¿¿¿ungen@> in der Zeit, welchen man
Tanz nennet, der Ton von einem Schall
unterscheidet sich darin, daß im erstern
ein gewißes Verhältniß ist, was im
Hören kann wahrgenommen werden, und sie
gefallen daher, weil sie die %sinliche %Be-
greiflichkeit erleichtert.
/~δRand_67_Z_16
/Unsre %sinlichen Anschauungen
sind entweder im Raume
nemlich die Figuren und Ge-
stalten der Dinge, oder in
der Zeit, nemlich das Spiel
der Veränderungen.
/Zweyerley gehört nur zur
%sinliche Anschauung, im Raume
Proportion der Theile und Eben-
maaß, und ihre Regelmäßig-
keit faßt Symmetrie und Eu-
rythmie in sich. ~
|F_67'
/Zum %sinlichen Wohlgefallen gehört Kentniß, daher
wird jemand etwas nicht gefallen, wen er et-
was beßeres gehört hat.
/Was die Thätigkeit meines Gemüths er-
leichtert, ist allgemein angenehm.
/Die alten Frauen haben das Unglück
daß sie immer mit jungen Mädchen %verglichen
%werden, %würden sie mit Männern %verglichen, so
%würden sie ganz %erträglich aussehen.
/Schöne Gegenstände. Schöne Vorstellungen
von Gegenständen sind unterschieden. Wir haben
schöne Erkentniße von Gegenständen, welche
zwar nicht schön seyn.
/Die subjectiven Gesetze des Verstandes «machen»
stimmen überein mit dem, was uns leicht macht
eine Sache zu verstehen. Bey aller Schönheit
des Gegenstandes muß man sich in Acht
nehmen selbige nicht mit dem Reitz zu ver-
mischen. Unser Urteil über das was gut
ordentlich, und vollkommen ist, ist stets kalt-
blütig.
/Was auf unsre Empfindung würkt ist
der Reitz, zE Züge der Sanfmuth, Delicatesse
der Höflichkeit.
/Der Reitz ist zwiefach
/~δRand_67'_Z_1
/Zu einer guten Music wird gleich-
falls zweyerley «erfordert» nem-
lich der Tact oder eine gleiche
Abmeßung der Zeit, kann aber
auch wenn viele Theile vereiniget
werden, eine Consonantz, oder ei-
ne Proportion der Thöne erfor-
dert. Es gefällt dieses weil
alles, was unsre Laune ver-
größert, diese Wirkung bey
uns hervorbringt.
/
/
/Mathematische Figuren
sind eben nicht schön, aber
die demonstrationen der
Eigenschaften derselben
können überaus schön seyn. ~
|F_68
/1, der grobe, körperlicher 2, der ideealische
Der Reitz kan entspringen, weil die Sache
neu ist, oder weil ich sie zuerst sehe, oder
«mit» mir auf irgend eine Art zugehört.
/Die Idee beym Lachen, ist eine unerwar-
tete Umkehrung, von dem was ich vorher
gesehen. Die Nerven des Körpers werden
bey den Vorstellungen unsrer Seele immer
mit bewegt. Unser Gewebe des ganzen
Körpers ist so verwickelt, daß auch die
stärksten Bewegungen, nicht auf alle Or-
gane des Körpers würken können.
/Das Wohlgefallen in der Anschauung
ist ganz kaltblütig. *1
/Eine gewiße Art von Leichtsinnigkeit bey
der Iugend findet bey der Tragoedie ein G«leich»<egen>-
gewicht und das Beklemmende ist in ihnen sehr
wirksam, daher finden sie mehr Vergnügungen <an selbige als an Lustspiele>
/Die logische Gesetze des Verstandes,
fordern bloß Wahrheit, Weitläüftigkeit
Gründlichkeit. Aber wenn es möglich <wäre> daß
die Aesthetic eine Doctrin werden könte,
so müßte selbige die subjectiven Gesetze un-
«sers» der Ausübung unsrer Kräfte vor-
tragen.
/~δRand_68_Z_5
/Die hysterische Zufälle
bringen bey den Weibern
eine Lachsucht öfters hervor.
/Das Lachen ist das
wahre Gegengewicht der
Milz.
/
/
/ *1 Die Vorsicht hat es daher
so eingerichtet, daß die
Ideen auf die Organe, und diese
zurückwirken, woraus auch
aller Reitz entspringt.
/
/
/
/
/Wenn das Gemüth reper-
cutirt wird so entspringt
daraus eine Erschütterung
im Zwergfell, welches da-
her entsteht, wenn das Ge-
müth auf eine Reihe <von> Ideen geführt wird, und
die Folge daraus eine ganz entgegen gesetzte ~
|F_68'
/Das Vergnügen was wir beym Lachen empfin-
den, entspringt nicht aus der Schonheit des
Gegenstandes, auch nicht aus der Eigenlie-
be, sondern aus der unerwarteten Um-
kehrung der Vorstellung der Sachen die
an sich selber uns nicht interessiren.
/Die Nerven werden nach den Vorstellun-
gen der Seele mit bewegt, kommen nun
die Vorstellungen in eine fremde ent-
gegengesetzte Richtung, so werden auch
die Nerven gleichsam gezwickt und be-
ben bis ins Zwergfell
/Das Lachen würkt nicht auf einen Ner-
ven stark, sondern auf alle, daher das
Vergnügen so da«s»raus entspringt das
größte und innigste ist.
/Wenn durch das Gemüth das Lachen
hervorgebracht wird so empfinden wir
Freüde, beym Zwicken aber nicht. Das er-
stere geht auf das Nervensystem,
das letztere geht aber nur auf die
Fasern.
/~δRand_68'_Z_1
/wieder unsrer %Erwartung
ist. ~
|F_69
/δleer
|F_69'
/Die Beschäftigungen unsers Gemüths mit schö-
nen Gegenstanden, oder auch Vorstellungen
derselben, verfeinert das Gemüth, die Cultur
des Geschmacks, hat einen Nutzen daß er den
Menschen dahinbringt, <zu wählen> was allgemein gefällt,
wodurch e«s»r zugleich gesellig wird.
/Die Mode ist das was anfängt allgemein
zu gefallen. In Grundsätzen modisch zu seyn,
ist einem Manne nicht anständig. In Genua wür-
de es die größte Schande vor eine Frau «zu»
seyn mit ihrem Manne zu gehn, sondern sie
läßt sich stets von einem Cavalier begleiten.
/Alle %Sinlichkeit hat das an sich, daß sie die Vernunft
gleichsam vorarbeitet, und ihr vieles erleichtert.
Die Vernunft ist anzusehen als eine Hofmeiste-
rin, wir mogen sie gerne entfernt von uns
sehen, um unsre Neigungen befriedigen zu
können, wir bedienen uns selbige mehr aus Noth-
wendigkeit, als aus Neigung.
/In jeder Sache konen wir sagen ist was
selbststandiges Schöne, Dinge die aber keine
Selbstständigkeit haben, als Moden, bey denen
versteht es sich, daß solche wegfällt. Ehe kan
ich nicht wißen, ob eine Sache schön ist, ehe ich
nicht weiß, was sie seyn soll.
|F_70
/Das Muster der Schönheit der Dinge in der
Natur, scheint
/Das materiale der Schönheit, muß von der
Schonheit <selbst> unterschieden werden, wenn ich die
Zusammenordnung der Farben in einer Blume be-
trachte, so betrift dieses die Schönheit <selbst>, wenn
ich aber bloß die Farbe betrachte, so geht die-
ses nur auf das materielle der Schönheit.
/Was der %wesentlichen Absicht eines Dinges
wiederstreitet, das wiederstreitet auch
der %wesentlichen Schönheit deßelben. Die Selbst-
standigkeit in der Erkentniß, ist die logi-
sche Vollkommenheit, sonst ist es nur der
Schaum der Schönheit. %Folglich kan eine Schönheit
@nie\nur\mir@ gefallen, wen der Verstand nicht die Grund-
lage davon ist, sonst wäre es als wen man
Farben haben wollte, ohne Dinge worauf
sie sich befinden.
/Die Lehre des Geschmacks kan keine Doc-
trin werden, sondern nur eine Critic.
Die Critic hat den Nutzen daß sie unsre Ur-
theilskraft schärft. Nach der Lehr der Critic
muß man die Producte nicht beurtheilen,
sondern die Regeln der Critic müßen abgezogen
werden, von den Producten des Geschmacks.
|F_70'
/«Der» Wenn «alle» unsre Urtheile des Verstan-
des sollen practisch werden, so müßen sie
sich doch bis zur Sinlichkeit herablaßen.
/Die Menschen müßen Geschmack haben, denn
das ganze tugendhafte Verhalten, stamt
gleichsam von selbigen her. zE der Wirth am
Tische hat %gemeiniglich die letzte Stelle am
selbigen, und bemühet sich einen jeden zu ver-
gnügen, welches doch immer eine Cultur
des Geschmacks, und der guten Gesinnungen ist.
/Indem der Geschmack den Menschen ver-
feinert, so wird er dadurch fähig, die
größte Schicklichkeit einzusehen.
/Bey aller Schönheit liegt zum Fundamente
die Schicklichkeit. Unser Geschmack ist
gleichsam ein Augenmaaß des Schicklichen.
Der Geschmack arbeitet gleichsam der Mo-
ralität vor, und benimt ihr das Störrische.
Der Geschmack ist ein Analogon der Voll-
kommenheit.
/Man kan alles lernen, und man muß
alles lernen, ja selbst die Tugend wie
Hume gegen Roußeau behauptet muß
gelernt werden. Auch der Geschmack
muß gelernt werden, aber durch Regeln
|F_71
/kan er nicht hervorgebracht werden, sie
gründen sich nur auf die Beobachtungen
deßen was gefällt. Es hat zE Leßing thea-
tralische Stücke nach allen Regeln gemacht,
die aber dennoch nicht ganz gefallen wollen,
folglich müßen die Regeln nicht ganz voll-
kommen seyn. Negative Regeln des Geschmacks
können leichter als positive gegeben werden.
/Zum Geschmack gehört gar nicht Rührung.
Das Rührende gehört zum Erhabenen, und
der Reitz zu Schönheit.
/δRest_leer
|F_71'
/ ≥ Von dem Mißfallen und Wohlgefallen ≤
/Was gefällt in der Erscheinung ist schön.
/---- im Begrif, ist gut.
/Die Anschauung eines Gegenstandes, ist nicht
bloß Empfindung.
/Alle Beurtheilungen der Gegenstände in An-
sehung des Wohlgefallens und Mißfallens nach
Gesetzen der Sinlichkeit haben auch all-
gemeine Gesetze. Aber bey dem Urteil
über das Angenehme und Unangenehme ver-
hält es sich ganz anders, denn es drückt nur
die Veränderung meines Zustandes aus,
und also hat es blos eine Beziehung auf mei-
ne Person.
/Alle Urtheile des Geschmacks sind all-
gemeingültig nach Gesetzen der Sinlichkeit.
Das Rührende, Reitzende gehört zur Empfin-
dung, und folglich das Urteil darüber
ist subiectiv, die Uebereinstimung hierin
ist bloß zufällig, zE daß alle Thiere
gerne Zucker eßen. Wie ich von einem
Gegenstande afficirt werden, hängt von der
Beschaffenheit meiner Nerven ab.
/~δRand_71'_Z_1
/Was in uns das Gefühl
des Lebens befördert
ist angenehm.
/Das Vergnügen der
Sinne ist nur %möglich daß
Eindrücke auf unsre Or-
gane geschehen, welche je
öfter sie wiederhohlet
werden, desto schwächer
sie werden.
/Wen mein Gemüth
in Thätigkeit versetzt
wird, so ist %zugleich das
ganze Nervensystem in
Bewegung, welches immer
inniger ist, als wenn sol-
ches durch äüßere Ur-
sachen geschieht. ~
|F_72
/Das Vergnügen aus der Music, entspringt
aus de«s»m Spiel unsrer Empfindungen. Ein
bloßer Schall hat nichts angenehmes, aber
eine Zusammensetzung des Schalls nehmlich
der Ton hat schon was angenehmes bey sich.
/Schön bleibt immer schön, ich mag davon gerührt
werden oder nicht, aber mit dem Erhabenen in
der Erscheinung verhält es sich ganz anders,
es kömt hier nur an ob ich schon dran gewöhnt
bin, oder nicht.
/Das Urteil über die Schönheit ist allge-
meingültig nach unsern Gesetzen der %Sinlichkeit
aber deshalb noch nicht für alle denkende
Wesen, aber das Urteil über das Gute, ist
bey jedem denkenden Wesen einerley.
/Dasjenige was nicht unter Regeln kan
gebracht werden, kan also auch nicht nach
allgemeinen Regeln beurtheilt werden, *1 zE
das Erhabene, %folglich ist das Urteil hierüber
nicht obiectiv gültig für andre, sondern bloß
zufällig die Uebereinstimung in denselben, denn
es ist stets subiectiv.
/~δRand_72_Z_16
/*1 denn Verhältniße sind
bloß Regeln fähig. ~
|F_72'
/Dem es an Geschmack an einer Art fehlt,
dem fehlt e«s»r %gemeiniglich %gänzlich *1
/zE Wir werden Persohnen finden, die keinen
Geschmack vor die Music haben, %gemeiniglich
haben solche auch keinen in Ansehung der
Schreibart. Aus der Kleidung, können wir
fast %gemeiniglich den Umgang schließen.
In seinem Geschmack finden wir %gemeiniglich
die Züge seines Caracters,
/Es giebt viele Dinge an der man die
Kunst bewundert, welches eben soviel
ist als die Rarität bewundern, Leüte
die an solche Seltenheiten Vergnügen
finden, haben %gemeiniglich gar keinen Ge-
schmack. zE das einer auf dem Hauptboës
wie auf einer Flöte spielt.
/Kostbarkeiten sind dem Geschmack ent-
gegen, %obgleich der Geschmack nicht ohne
%gänzlich Aufwand seyn kan. Das Spiel
zeigt gar nicht Geschmack an, sondern ist
nur ein Nothmittel wieder die lange
Weile. Das Spiel, ist ein Zustand der
Ruhe und der Beschäftigung, man ist bey
/~δRand_72'_Z_1
/*1 Unter Geschmack verste-
he ich hier, die Fähigkeit zu
wählen, was nothwendig je-
dermann gefällt ~
|F_73
/demselben sehr höflich, aber ein jeder sucht
sein eigen Interesse bis aufs höchste, es ist
also ein besondrer Auftritt, daß bey
demselben die Geselligkeit und der Eigen-
nutz hat können verbunden werden, es
bringt also eine große Mannigfaltigkeit
von Leidenschaften in uns hervor. Der
berühmte Sanctorius der sich stets
wog wenn er gegeßen oder geschlafen
hatte, fand, daß wenn er gespielt hatte,
er die mehresten Ausdünstungen erlitten
hatte.
/Die Schule des Geschmacks vor Männer
sind die Frauenzimmer, und vor die Frauen-
zimmer umgekehrt.
/ ≥ Der Geschmack verschiedener Nationen ≤
/In allen Nationen ist in Ansehung des
Geschmacks so was vermischtes und %ähnliches
nur die Franzosen allein nehmen sich hie-
von aus, sie haben ein großen Hang zum
Wechsel, welcher aber auch zum Geschmack
erfordert, wird, in ihren Manieren besitzen
sie was ganz besonders, die Tochter eines
/~δRand_73_Z_1
/In Gesellschaften ist es
sehr unterhaltend die
verschiedenen Nüancen des
Geschmacks zu beobachten.
/δZ_13
/Keine Gesellschaft ist %complett
wenn nicht Frauenzimmer da
sind, denn sie muß man als
Richterinnen des Schönen in der
Erscheinung ansehen. ~
|F_73'
/ganz gemeinen Mannes, ist fast gar nicht
von der Tochter eines Herzogs zu unterschei-
den, auch selbst findet dieses bey den Män-
nern statt, es ist besonders bey dieser
Nation daß sie die sittsamsten Ohren
haben, und es dennoch in ihren %Handlungen nicht
bemerkt <wird>, zE die junge Leüte besitzen die
größte Etourderie. Wenn sie älter wer-
den so sind die ungemein gut zur Conversa-
tion, denn sie behalten die %jugendliche Leichtig-
keit und Artigkeit.
/δRest_leer
|F_74
/Der Geschmack der Nationen zeigt %gemeiniglich
ihren Caracter an. zE bey den Spaniern das Prächti-
ge den Stolz. Bey den Geschmack der Franzosen
findet man nichts was Empfindung zeigt.
Sie wißen über alles eine leichte Verzierung
zu machen, wo aber das Herz kalt bey bleibt.
/Die Garten der Engländer übertrefen alle
übrige, den Geschmack der in selbigen herrscht
scheinen sie von den Chinesern zu haben.
/Unter allen asiatischen Völckern, scheinen
nur die Perser Geschmack zu haben. Sie sind
das was die Franzosen unter die Europäer.
Sind gute Dichter dem Scherz sehr ergeben, in
Ansehung der Religion aber so leichtsinnig
wie die Franzosen.
/Der Geschmack der Türken ist plump und gra-
vitätisch.
/Von den Indianern scheint es daß wir alle
Künste und Wißenschaften erhalten haben.
Aber den Geschmack in allen Künsten und Wis-
senschaften von den Griechen.
/Ie länger eine Nation im rohen Zustande ge-
wesen, je bilderreicher ist sie, welches aber
immer ein Zeichen weniger Einsichten ist.
|F_74'
/Vollkommen ist etwas in Beziehung auf
einen Zweck, oder es ist an und vor sich
selbst vollkommen.
/Es kan etwas gut seyn nach logischen
Regeln wenn es wahr ist, nach practischen
wenn es nützlich ist.
/Das Urteil über die Bonitaet der @Sachen@
welches der bloße gesunde Verstand fällt,
nennt man Sentiment. Die Franzosen besit-
zen viel Sentiment, aber nicht wie die
Engländer, eine solche tiefe und starke Beur-
theilungskraft.
/Menschen sind oft ganz gleichgültig gegen
das was sie für gut erkennen, und auch gegen
Personen die sie für gut erkennen. Das kömt
daher: es begleitet kein Gefühl die Urtheile der
reinen Vernunft über das was gut oder
böse ist. Wie das zugeht daß die Billigung des
Guten, und die Mißbilligung des Bösen mit
Gefühl begleitet wird, mag vielleicht daher
kommen, daß wir uns in die Person des guten
Menschen setzen, und dann die Billigung des
guten auf uns appliciren. Alles Vergnü-
gen am Menschen ist %körperlich behauptet Epicur.
/Ein Mann der moralisches Gefühl besitzt hat
Sentiment.
/~δRand_74'_Z_7
/Sentiment hat mehr Reitz
als Vernunft allein. Denn
die Sentiments_Urtheile wer-
den so gefällt, als wenn sie
durchs Gefühl gefällt würden. ~
|F_75
/Engländer haben eigentlich nicht Geschmack, aber
sie ein Analogon des Geschmacks und der «V¿¿»Sentiments.
Sie gehen immer auf die Bonitaet auf die Vollkom-
menheit, und das Zweckmäßige der %sinlichen Gegenstände.
Vollkommenheit und Schönheit sind %gewöhnlich verge-
sellschaftet. Franzosen suchen in allen Schrif-
ten nicht Gründlichkeit nicht Einsicht sondern
frappanten Witz. Mathematiker und experimental
Philosophen ausgenommen, sind alle französische
Schriften nur zum Vergnügen nicht zum Unterricht.
Englische Schriftsteller haben Genie. Genie
liefert den Stoff zum Erkenntniß, welches
sowohl im Verhältniß der Sinlichkeit, als
der Vernunft gefallen soll. Selbst solche
Schriften die witzig seyn sollen, haben bey den
Engländern nicht sowohl Geschmack als Erfin-
dungen. zE Popens Dunciade. Aber das %Ma-
nierliche das Gefällige vermißt man in selbigen.
Man könte das Sentiment der Engländer
hohen Geschmack nennen. Beym Geschmack
komts nicht darauf an, was die Sache werth
ist. Voltaire hat sehr vielen Geschmack, aber
kein Mensch wird aus ihm was lernen.
|F_75'
/ ≥ Vom Begehrungsvermögen. ≤
/Wir befinden uns sehr oft im Zustande,
da wir ganz und gar nichts begehren, gegen alles
pflegmatisch und gleichgültig sind. Es giebt
Charactere die ihr Leben so hinbringen, ohne
sich deßelben bewußt zu seyn. Es giebt hin-
gegen andre, die besonders den Reichen eigen
sind, welche stets voller Sehnsucht, unruhig
und voller Verdruß sind, ohne zu wißen was
sie begehren, sie sind alsdan in Grillen, und das
Frauenzimmer in solchen Zustande sagt man
hat Vapeurs. Einige sind schon so von Natur
daß sie sich an Einförmigkeit, andre an
Wechsel andre an Genuß gewöhnen. Es
ist immer eine Krankheit, wenn man sich wor-
nach sehnt, und nichts uns einfällt was uns
gefiele. Die desperatesten Selbstmorde, sind
Wirkungen dieses launichten sehnsuchtsvollen
Zustandes gewesen, da Menschen sich das Le-
ben genommen, weil ihre Fähigkeit zu genießen,
ohngeachtet alles Vermögens sich Genuß zu
verschaffen stumpf geworden. Eine solche Krank-
heit ist durch«s» nichts zu heilen, als durch Geschäf-
te die man aus Zwang thut. Das Lesen
füllt auf keine Art den leeren Raum aus
/~δRand_75'_Z_1
/Der Mangel des Ver-
standes ist Dumheit,
der Urteilskraft Un-
gereimtheit. Ein habituel-
ler Gedankenloser ist
ein Blödsinniger.
/Wahnwitz, ist eine
Verkehrtheit im Gebrau-
che der Vernunft nach
falschen Regeln. Völlig
gute Sinne können dabey
statt finden. So wie
beym Wahnsinn Vernunft.
/Aberwitz, ist eine Ver-
kehrtheit im Urteile des
Verstandes, wie ich mich
nemlich im gegenwärtigen
Falle ein Begrif vom Ge-
genstande mache. ~
|F_76
/wenn man nicht Absicht dabey hat. Wer sich selbst
Arbeiten auflegt, der arbeitet nichts, es ist occupa-
tio in otio. Keine andre Bemühung kan uns zufrieden
stellen, als eine %beschwerliche. Wer den Vormittag
gut angewandt hat, der wird den Nachmittag ver-
gnügt zu bringen. Der Mensch er mag studieren
wie er will, kan nicht vergnügt seyn wenn er nicht
zwanksmäßige Arbeit hat. Man wünsche sich nie
die Muße und Ruhe, wofern man sich nicht dabey
eine gezwungene Arbeit vorausbesorgt, sonst fällt
man in den verzehrenden Zustand der Grillen und
Sehnsucht.
/Das Begehren ist zwiefach
/1, das thätige, 2, das müßige, oder Wünsche da
wir sehen, daß wir nicht Kraft zu dem haben
was wir begehren.
/Das Romanenlesen flößt nicht nur Sehnsuchten
ein, sondern disponirt das Gemüth gar dazu. Man
%bildet sich aus selbigen glückliche Aussichten in eine
Welt, die nach unserm Willen geht, und von den Idee-
alen die man uns in selbigen vorstellt werden wir
so eingenommen, daß wir anstatt practische thätige
Begierden in uns zu erwecken, wir immer imaginaeren
Wünschen nachjagen. Gellert bläßt das Gemüth mit
solchen moralischen Dünsten und Sehnsuchten auf,
und bringt den Wahn bey, daß es schon genug sey,
wenn man nur solche Empfindungen hat, ohne
|F_76'
/thätiges Wohlwollen, ja er flößt nicht einmahl wahre
Empfindungen der Menschlichkeit ein, sondern macht
nur daß wir solchen Character bewundern. So hal-
ten wir uns durch den Wahn bethört, für gute
Menschen, wenn wir nur solche Wünsche oder auch
allenfalls Empfindungen haben. Es ist in der Re-
ligion der große Wahn, daß man glaubt die Fröm-
migkeit beruhe darin, wenn man wünscht, seüfzt
und sich nach Ehrfurcht sehnt; da der Gehorsam gegen
Gott doch darin besteht, wenn man seinen Geschöp-
fen zu dienen sucht, und seine Gesetze hält.
/Ich will nicht das Mittleiden der andern gegen
mich haben, nein waker soll das Herz eines je-
den gegen mich seyn, ein Redlicher helfe mir
aus Grundsätzen nicht aus Rührung. Man sey
nicht ein Spiel des Schicksahls andrer. Man
sinne darauf den Fremden zu helfen, kan man
nicht so kehre man sich ab. Wenn man selbstthä-
tig wohlthut das erhebt die Seele.
/Es giebt auch einen mußigen Willen, der sehr
hartnackig, so daß er unzufrieden mit der gan-
zen Welt ist. Leere Begierden sind die hef-
tigsten, derjenige ist viel zorniger der densel-
ben nicht ausschütten kan, als in deßen Vermö-
gen es ist. Wir müßen nichts begehren, was
wir nicht erreichen können, und keine Kräfte dazu
in uns finden.
/~δRand_76'_Z_ 4
/Man hält gute Wünsche für
guten Willen, da doch gute
Wünsche nur Verlangen nach
guten Willen ist. ~
|F_77
/Es giebt Begierden zu einem Guthe, daß
doch entbehrlich ist. Ein Mensch kan daher
zufrieden seyn, und dennoch noch viele Begierden
haben.
/Die Begierden laßen sich eintheilen
/1, in die intellectuale 2, in die sinnliche
/Die sinnliche Begierden in uns «@anf@»sind unwillkühr-
lich, obgleich die Handlungen aus diesen «I»Begierden
willkührlich seyn können. Der Instinct ist der
Grund einer Begierde, so vor der Kentniß des
Gegenstandes vorhergehet. zE Geschlechterliebe.
/Ein Antrieb ist nicht gleich eine Neigung. An
den Neigungen sind die Menschen öfters
Schuld obgleich nicht an den Instincten. Es
ist höchst schädlich Neigungen zu nähren. Ein
Mensch«en» wird fühllos genennt, wenn die Dinge
keinen Antrieb auf ihn haben. Triebe werden
nicht zur Neigung, als nur durch unsre Nachsicht
und Mangel des Wiederstandes. Auch zum Guten
muß man nicht Neigung haben, sondern stets
den Urteilen des %Verstandes folgen. Ueberhaupt
fliehe man Neigungen wie Feinde unsrer Frey-
heit. Die Menschen trauen sich in Ansehung der
Grundsätze wenig zu daher wünschen sie Neigungen *1
/~δRand_77_Z_5
/Sinliche Begierden entsprin-
gen aus dem Angenehmen
oder unangenehmen, intellec-
tuale aus der Vorstellung
des guten und bösen.
/Sinnliche Begierden heißen
Triebe. Hang ist keine %wirkliche
Begierde, sondern ein Grund
warum beym Menschen eine
Begierde entstehen kan.
Begierde nach einem Gegen-
stande den wir kennen heißt
Neigung, nach einen unbekanten
Instinct.
/δZ_22
/*1 Weil man die Thierheit am
Menschen für stärker hält, als
das intellectuale. ~
|F_77'
/Es ist kein böses wozu der Mensch durch Gele-
genheiten nicht könte verführt werden. Die
Menschen haben nicht eine Neigung zu allen
Bösen, sondern einen Hang. Der Hang ist
die Receptivitaet zu einer Begierde.
/Stimulus ist der Grund zu einer %sinlichen Begierde.
In ganz Nordamerika findet man eine sonder-
bahre Fühllosigkeit gegen alles, selbst der
Geschlechtertrieb ist daselbst sehr schwach
daher auch die wenige Bevölkerung in selbigen,
/Die Triebe urtheilen nicht, wer also sich
selbigen ganz überläßt, der ist den Thieren
ähnlich.
/Die Natur hatte die Erhaltung des Geschlechts
zur Hauptabsicht, daher hat Sie den Menschen
eine größere Liebe gegen ihren Kindern einge-
drückt, als gegen ihren Eltern. Helvetius
glaubt, daß die Großeltern deshalb ihre
Großkinder so sehr lieben, weil sie Feinde
ihrer Feinde sind.
/Durch vernünftige Bewegungsgründe
und nach Regeln der Vernunft, knüpfe man
sich an Dinge, aber nicht durch Neigung.
Neigung ist die Receptivitaet zu«m» @Schmerzen@.
|F_78
/Neigung kan keine Gründe zum Guten enthalten,
sondern der Verstand allein kan nur Gründe
enthalten, warum wir das Gute begehren. Weil
wir aber %sinliche Geschöpfe sind, so können durch Nei-
gungen unsre Reflexionen eine größere Stärke
erhalten.
/Wir können nicht allein handeln ohne alle Nei-
gung, sondern auch wieder unsre Neigungen, wo-
von der Grund in dem obern Vermögen liegt.
Alle Neigungen haben das Schädliche an sich,
daß sie die Macht der vernünftigen Bewe-
gungsgründe einschließen, und das Gemüth
unterjochen.
/δRest_leer
|F_78'-82: δleer
|F_83
/ ≥ Vom Genie ≤
/Zur Erlernung braucht man Fleiß, zur
Erfindung Genie. Zum Erlernen braucht
man Capacitaet, zum Erfinden Talente.
/Der Geschmack ist eine %sinliche %Beurtheilung
so nicht erlernt werden kan, und das Genie
die Hervorbringung von etwas so nicht
erlernt werden kan. Man kan also Ge-
schmack ohne Genie und umgekehrt haben.
Der Mangel des Genies kann durch den
größten Fleiß nicht ersetzt werden.
/δRest_leer
|F_83'
/Diejenige die die Temperamente nach dem Blut ein-
theilen wollen, irren sehr. Die herrschende Nei-
gungen und Complexion des Menschen, scheinen
mehr aus den festen als den flüßigen Theilen
des Menschen herzukommen.
/In der Religion wird ein Melancholischer
ein Hang zu Schwärmerey, der Pflegmatische
zum Aberglauben, der Sanguinische zur Freygeiste-
rey, der Cholerische zur Ortodoxie haben.
/
/Verschiedene französische Schriftsteller behaupten
daß ihre Frauenzimmer am mehresten zur Freünd-
schaft fähig werden. Von den Englander behaupt man
daß %wirkliche Kentniße, bis auf den gemeinen
Mann au«g»sgebreitet sind.
/Der Cholerische ist äußerst thätig, er mischt
sich daher in vielen Geschäften, und der gering-
ste Bewegungsgrund ist groß genug, ihn
in Thätigkeit zu setzen. In der Religion sehr
ortodox, in Gesellschaften bemüht er sich
<seinen> Verstand zu zeigen, und maßt sich welchen an
/Der Aberglaube ist eine sehr niedrige Unter-
würfigkeit, welcher aus der großen Neigung
zur Unthätigkeit entspringt.
/Fleiß mit Genie verbunden und Tiefsin treffen
/~δRand_83'_Z_6
/Die Schwärmerey dehnt
die Kräfte des Gemüths
über das Maaß der Natur
aus, sie hat was %ähnliches mit
der Blasphemie, welches
aus der großen %Vertraulichkeit
welches sie mit Gott zu haben
glauben, entspringt. ~
|F_84
/wir bey den Melancholischen an.
/Aber alles was das Schöne der Schreibart anbe-
trift, bey den Sanguinischen.
/Das pflegmatische in der Schreibart ist leb-
los, und verdient in keiner Absicht Lob.
/Die nordischen Nationen haben viel Pflegma,
woraus aber auch viel Gutes entspringt, zum
Beyspiel eine Sittsamkeit im Anstande.
/Es ist besonders, daß die englische Acteurs
viel «¿h¿»beßer Lustspiele als Trauerspiele vorstellen
können, <und> bey den Franzosen verhält es sich ganz
umgekehrt. Dies entspringt daher, daß ein Acteur
von dem nicht muß afficirt werden, was er vor-
stellen soll.
/Die Temperamente werden eingetheilt
/1, nach dem Gefühl, der %Melancholische und Sanguinische
/2, nach der Thätigkeit, der %Cholerische und Pflegmatische.
/Das melancholisch cholerisch Temperament findet
man in England, und bricht zu großen %Handlungen
aus
/Der «Sanguinisch» <melancholisch> %pflegmatische ist äußerst unthätig.
/Der sanguinisch Pflegmatische ist immer guts Muths, und
verträgt sich mit jedem Menschen, fühlt aber keine
Triebfeder zur Thätigkeit.
/~δRand_84_Z_1
/Die Proportion der Ge-
müthseigenschaften ma-
chen den innren Character
des Menschen. «ist». Und
er ist so verschieden,
als die Mannigfaltig-
keit der Proportion
der Gliedmaaßen.
/Die Vollkommenheit
des Menschen, in so fern
man sein Talent er-
wegt, besteht nicht in
der Größe, sondern
in der Proportion
der Gemüthskräfte ~
|F_84'
/Die Unvollkommenheit des Wiederspruchs
ist essentiel, des Mangels zufällig
/Die Urteilungskraft ist die Regie-
rung des Witzes. Daher kömts daß
einige wegen der Lebhaftigkeit ih-
res Witzes, in Verdacht wegen Man-
gel der Urteilskraft gerathen.
/Leüte die etwas tief einsehen
können, zeigen immer Langsamkeit, wel-
ches daher kömt, daß sie viel dazu
erfordern, um etwas zu verstehen.
/δRest_leer
|F_85
/δleer
|F_85'
/ ≥ Von der Physiognomie. ≤
/Die Menschen haben eine große Neigung
einen solchen zu sehen, der sich in irgend
einer Sache hervor gethan, es scheint daß
wir also mit unsern Augen gleichsam aus-
spähen wollen, die Züge in seinem Gesicht,
woraus wir seine Gesinnungen sicher erra-
then könten.
/Die Vorsehung hat aber verhindert, daß
«man» die Physionomie, nie zu einer bestim-
ten Kunst gelangen kan, ob sie gleich Mar-
ken in jedes Menschen Gesicht gelegt hat,
etwas von seinen Carakter urtheilen zu
können.
/Die Physionomie können wir uns bedienen
/1, zu sehen, in was vor einen Zustand sich
der Mensch gegenwärtig befindet, zE einer
kan sich freüdig anstellen, und man kan doch
das Gegentheil in ihm wahrnehmen, dieje-
nigen vom cholerischen Temperamente, sind
zu dieser Verstellung sehr aufgelegt,
dies scheint daher zu kommen weil er die Mus-
keln seines Körpers am mehrsten in sei-
ner Gewalt hat.
|F_86
/Sobald man eine Miene anehmen will, die
eine wahre Gesinnung ausdrücken soll, ist schwer
und leicht zu merken, «¿¿»den innern GemüthsCha-
racter aus dem Gesichte zu schließen, ist
nicht stets sicher.
/2, Die Complexion des Menschen zu erkennen.
/3, Das Naturell, ist schwer zu erkennen,
ob er biegsam, oder gelehrig ist, die Talen-
te will man aber erkenen können, zE ob er
verständig, drollig, oder Muth besitzt.
jedoch trift es öfters ein, was Homer von
Tersites sagt, er hat ein Gesicht vom Hun-
de, «od»aber ein Herz vom Hirschen. Der Muth
entspringt entweder aus der Stärke der
Fasern, und der Elasticität der Nerven des
Körpers, oder aus der Größe der Seele, welche
also auch bey den Schwächsten statt finden
kan, solcher Muth ist groß, den er entspringt
aus Vernunft. Der edle Stolz ist bescheiden,
er sieht aber darauf, daß ein andrer ihm
an seiner Würde keinen Abbruch thut.
/Die große Dumheit ist doch leicht zu errathen,
wen sie aber «über» <nicht> «d» unter dem Mittelmaaße
ist, nicht.
|F_86'
/Alle Affecten bringen Mienen hervor, die Mie-
nensprache ist die größte, und bey allen Volkern
gleich, und ein Hang zu Affecten bringt auch schon
Mienen hervor, zE das Trotzige. Spöttische.
/Es liegt in den Gesichtern also schon die Grund-
züge, die den Affect ausdrücken, wozu sie
innerlich einen Hang haben.
/Einige Leüte können keine Mienen machen
a«b»ndre hingegen wißen alle nachzumachen,
welche letztere auch jeden Caracter nach
Gelegenheit sich bedienen, es ist also in
ihnen nichts bestimtes.
/Ein Mensch der von Geburth her schon
zu etwas Neigungen hätte
/
/Die Miene äußert den Caracter, daß ist
seine Gesinnungen, die Gestalt ist aber
von der Miene ganz unterschieden, welches
der Ausdruck des Gesichts ist, man kan
aus selbiger, so %lächerlich wie es auch scheinen
mag, erkennen ob «er» einer auf dem Lande oder
in der Stadt gebohren und erzogen worden.
/Die Stände selbst geben eine andre
Miene, zE beym Schlächter, etwas trotziges
und rauhes, beym Schneider was bie«s»gsames.
|F_87
/In manchen seinen Naturell liegt schon was
plattes, und gemeinen Caracter, welches zE eine
plumpe Art in seiner Aufführung ist, wornach
sich denn auch seine Mienen bilden, welches man
<dan ein gemeines Gesicht nennt.>
/Da der Character das bloße Herz betrift,
so sieht man leicht ein, daß viele Feinheit
erfordert wird, aus den Mienen selbigen
zu erkennen.
/«von»In den Bücher die von der Physionomie «halten» <handeln>
und den Character aus den spitzen Kinn oder großen
Augen erkennen wollen, liegt immer etwas
wahres zum Grunde.
/Es ist eine sichre Bemerkung, daß derje-
nige welcher sonst nicht schielt, aber indem er
etwas erzählt schielt, beständig lügt.
/Der Mensch kan gebildet werden 1, durch
Education, seiner Complexion nach, welche darin
besteht daß er alles Uebel ertragen kan.
/2, durch Disciplin, sein Temperament.
/3, durch Information sein Naturell.
/4, durch Beyspiele sein Character.
/Einige Menschen, sind fähig die kleinsten Ver-
änderungen in ihrem Gemüthe wahrzunehmen,
und diese Feinheit ihrer Empfindsamkeit, kan
sich auf wohl bis auf andre erstrecken.
|F_87'
/Gewiße Schriftsteller wollen nicht allein
aus den Mienen, sondern auch aus den Bau
des Körpers «s»den Character des Menschen
erkennen, welches aber wohl nicht angeht, son-
dern lediglich auf die Complexion gehen kan.
Indeßen kan die Complexion zum Tempera-
ment Anlaß geben, zE ein großer Mensch
ist sanfmüthiger, und weniger auffahrend, als
ein kleiner Mensch.
/Aus der Kleidung des Menschen kan man
auch schon etwas urtheilen, zE. wie der Mensch
in Gesellschaft will aufgenommen seyn.
Die Richtigkeit des Geschmacks, kan man sehr
leicht aus den Kleidungen schließen.
/Der Gang eines cholerischen Menschen ist
%gemeiniglich stolz, eines pflegmatischen nachläßig
/δRest_leer
|F_88
/ ≥ Von den Character der Nationen. ≤
/Hume scheint nicht, die Verschiedenheit der Natio-
nal_Charactere annehmen zu wollen.
/Wen wir annehmen, daß die Blutmischung
die Reitzbarkeit unsrer Fiebern, in %verschiedenen
Climaten können verschieden seyn, so können auch
die Charactere wohl verschieden seyn. zE
der Character aller Amerikaner ist Unem-
pfindlichkeit, welche darin besteht, daß
sie sehr gleichgültig sind gegen alles dasjeni-
ge, was sich ihnen angenehm offerirt, und auch
gegen die größten Schmerzen, gegen Geschlechter-
neigung. E
/Die Africaner sind eine läppische Nation,
und sind just das Gegentheil von den Amerikanern.
/Die Ostindianer ganzer Character ist zu-
rückhaltend, und also nicht wie die eüropäische
Nation zum Ungestüm aufgelegt, ¿
/Alle Türken und Tartarn sind ein Volk, in
ihrem Aussehen ist was stolzes, und aufrührisches.
/Unsre Nation die Preüßen, sind so vermengt,
daß man keinen Character festsetzen kann,
indeßen will man doch die Falschheit ihr beylegen.
|F_88'-97'
/δleer
|F_98
/Mürrische und muthwillige Leüte fühlen den Verdruß,
den sie andern machen, zuerst selbst; Vorwürfe,
Scheltworte und Schmähungen sind bloß Ergießungen
ihres eignen gequälten Gemüths, und werden immer
wieder auf Ihre Qüelle zurück getrieben.
/ der
/δRest_leer
/δBlatt_1000: δohne_Paginierung:
/La raison fait toujours rentrer les hom-
mes en eux mêmes pour quelques moments
Die herschende Leidenschaft und les egaremens
du coeur, sind es eben, die den Charakter eines
Menschen auszeichnen und kennbar machen.
/δRest_leer
/δEnde_des_Kollegheftes