|F_1
/ ≥ Die Anthropologie
/
/vom
/HErrn Professor Immanuel Kant 1785
/ %den 1 Aug Mrongov. ≤
/
/
/δLage_A
|F_1'
/δleer
|F_2
/ ≥ Erstes Kapitel
/Einleitung in die Anthropologie ≤
/Es giebt 2erlei Arten zu studieren in der Schule %und in der
Welt. In der Schule lernt man scholastische %.Erkenntnisse die
für gelehrte %.von Profession gehören; im Umgange
mit der Welt aber populaire Erkentnisse die für die
ganze Welt gehören. -
/Wer nun die scholastischen %.Erkenntniße die man nur in der Schule
%und in gelehrten Schriften braucht zum Weltgebrauche anwenden
will ohne zu sehen ob sie interessiren oder %nicht ist ein
Pedant %und zwar in der Materie hat er aber wirklich
viel Kentniß %und weiß nur %nicht %sein Wißen verstandlich
vorzutragen sondern bloß in Schulgerechter Form
so ist er ein Pedant in der Manier
/Das Wort Pedant kommt urspringlich aus dem
Lateinischen her denn in Italien nannte man die Haus
Informatoren magistri pedanei. Hieraus wurde das
Italienische Wort Pedanto indem man magistrio weg
ließ und Pedanei in Pedanto verwandelte daher
nun das deutsche Wort Pedant. Diese Leute waren
denn vermuthlich aus ihren Studierstuben %nicht heraus zu be
kommen, brachten daher wenn sie im Umgange waren
nur ihre Schulkentniße an %und gaben daher Gelegenheit
daß man einen ieden, der %nicht im Umgange mit %Menschen sich zu
schicken wußte einen Pedanten nante. Ein Pedant
|F_2'
/kann von %seinen Kentnißen nur einen Schul Gebrauch machen,
weil er sie %nicht beßer anzuwenden weiß %und %.keinen andern
Gebrauch kennt.
/Schule ist die Anwerbung der %.Erkenntniß die man in der Welt
anwenden muß, denn die Schule zeigt uns die %Geschick-
lichkeit Kentniße zu erwerben aber %.keinen Gebrauch für
die Welt von demselben zu machen.
/Schulgerecht ist eine %.Erkenntniß wenn sie der Methode der Schule an
gemeßen ist %id %est wenn Gründlichkeit, Vollständigkeit, An
gemeßenheit %und %Deutlichkeit das Wesen einer %.Erkenntniß sind
Um%.von %.seiner %Geschicklichkeit %.Gebrauch für %.die Welt zu machen dazu ist
noch %.eine Kentniß nöthig welche man mehrentheils
durch den Umgang %und durch %.Erfahrung zu gebrauchen lern@t@
Diese Kentniß heißt %.WeltKenntniß %nicht die %.Kentniß der ganzen Natur
sondern des %Menschen. Denn auf den %Menschen bezieht sich doch iede
%.Wißenschaft %und wenn man alle unsre Zwecke zusammennimmt
so laufen sie doch auf den %Menschen hinaus.
/Man erwirbt Welt oder %.MenschenKentniß mehr aus %.Erfahrungen
als aus Vorschriften indeßen giebts doch einige
/Die %.Geschicklichkeit ist %.von Klugheit sehr unterschieden denn
die %.Geschicklichkeit ist eine %Fertigkeit im %.Gebrauch der Mittel in der
Natur. Die Klugheit aber ist eine %.Fertigkeit oder Kentniß
%.seine Absichten zu erreichen %und %von dieser %Geschicklichkeit %.Gebrauch zu ma
chen oder andre %Menschen zu %.seinen Absichten zu gebrauchen dazu
|F_3
/dazu muß ich mich aber deßen, was iedem verständlich
ist %und ieden interessirt bedienen. Iede %.pragmatische Anweisung
macht also klug. Die WeltKentniß gilt daher %nicht
auf die Kentniß der Natur %und auf die %.Geschicklichkeit sondern
im %eigentlichen %.Verstand auf Klugheit
/Man kann auf %.verschiedene Art zur %.Klugheit gelangen entweder
/1.) durch eigne Erfahrung aber diese ist theils zu spät theils
muß man sie durch %.seinen eigenen Schaden lernen oder
/2.) durch Beobachtungen anderer dieses ist das rathsamste oder
/3.) %durch Erlernung gewißer Vorschriften die uns zur Vorübung
dienen können %und die die %Erfahrung anderer Männer sind
/%.Verstandes_Erkenntniße sind practisch wenn man davon überhaupt Gebrauch
machen kann; pragmatisch aber wenn man sie in der Ge
sellschaft allgemein gebrauchen %und hier müßen sie 1 %.allgemein
verständlich seyn %und 2. auch ieden interessiren. Die Praxis
macht uns geschikt zu allen nur ersinnlichen Zwecken sie
mögen uns interessiren oder nicht - %.Klugheit ist aber sich
einen wirklichen Zwek zu bestimmen
/Die %Menschen %.Kenntniß überhaupt heißt mit einem andern Namen
Anthropologie.; sie ist aber wieder 2erlei entweder
/1 %.Anthropologia %.pragmatica wenn sie die %Menschen %.Kenntniß wie sie in der Gesellschaft
%.allgemein brauchbar ist betrachtet oder
/2. %.Anthropologia %.scholastica wenn man sie, mehr als eine Schulkentniß
betrachtet (abhandelt) die erstere ist die Anwendung der
letzteren in einer Gesellschaft.
|F_3'
/Eine %.Anthropologie %von der letztern Art hat Plattner in neuern
Zeiten herausgegeben welche die %.Beschaffenheit des Körpers
und der Seele z.E. die %.Ursache der %.EinbildungsKraft der Träume
%und so %weiter beschreibt aber mit dieser haben wir itzt nichts
zu thun sondern wollen nur die %Anthropologie pragmatisch
oder als eine WeltKentniß abhandeln %und so ist sie noch nie
abgehandelt worden. In der %.scholastischen %Anthropologie forsche ich den
%.Ursachen der %menschlichen Natur nach. In der %.pragmatischen sehe ich bloß auf
die %.Beschaffenheit %und suche sie anzuwenden. Die %.Anthropologie heißt
%.pragmatisch wenn sie %nicht zur %.Gelehrsamkeit sondern zur %.Klugheit
dient.
/Wenn man die %Anthropologie zum Umgange gebraucht so wirds
WeltKentniß. Wir könen sie täglich in Unterredungen
Geschäften %und in Ansehung unser selbst gebrauchen und sie
%durch neue Beobachtungen immer mehr illustriren. In
solchem Betracht nehmlich als WeltKentniß ist die %.Anthropologie
noch %von %.keinem abgehandelt worden %und HErr %Professor Kant hat
zuerst den Plan zu derselben gemacht %und sie in %.seinen Colle-
gien vorgetragen.
/Der Nutzen der Anthropologie ist mannigfaltig
/I. In Ansehung der Wißenschaften
/a In %Ansehung der Moral %und homiletischen Theologie
/Hiebey müßen wir folgendes zum Voraus schicken Es giebt
dreierlei Lehren
/1 Die Lehre der %.Geschicklichkeit welche man schon den Kindern
|F_4
/Kindern ertheilt und durch die man die Dinge lernt
wie sie sind
/2 die Lehre der Klugheit welche man erst bey zunehmen
der UrtheilsKraft lernt und die die %.Geschicklichkeit anwenden
lehret
/3 Die Lehre der %.Sittlichkeit welche auf alle Zwecke des %Menschen geht
und durch die man weise wird. Die Geschicklichkeit ist schola
stisch die %.Klugheit %.pragmatisch %und die %.Weisheit %moralisch
/Die %.Anthropologie ist %.pragmatisch dienet aber zur Moralischen %Kentniß
des %Menschen denn aus ihr muß man die BewegungsGründe
zur moral schöpfen und ohne sie wäre die moral schola
stisch und auf die Welt gar %nicht anwendbar %und derselben %nicht
angenehm. %.Anthropologie verhält sich: Moral = %.Raumliche %.Geometrie : Geodesie
/Auf solche weise schaft die Anthropologie der homileti
schen oder lehrenden Theologie sehr %.großen Nutzen.
/b. In Ansehung der Geschichte
/Die Geschichte ist zweyerlei
/1.) scholastisch wenn ich nur weiß was geschehen ist und
/2.) pragmatisch wenn ich die Privat Absichten des %Menschen und die
Publik Absichten des gemeinen Wesens untersuche.
/Die %.pragmatische Geschichte schaft %eigentlich einen Nutzen; denn wenn
ich die Geschichte nur scholastisch weiß, so nützt sie mir
eben so viel als ein Märchen oder ein Roman.
/Die Anthropologie ist nun zur pragmatischen Geschichte
unumgänglich nöthig. Denn wo wollen wir über
|F_4'
/über eine Geschichte r«a»<e>sonniren wenn wir nicht den %Menschen
kennen und aus %.seinen Neigungen und %.Leidenschaften die %.Ursachen
der %.Begebenheiten erklären können. Ia wir könen
ohne eine %.Anthropologie %nicht einmal den Entwurf zu
einer %.pragmatischen Geschichte machen.
/Ein ieder fodert itzt %von einer Geschichte daß sie %pragmatisch
sey aber es giebt doch äußerst wenige Geschichtbücher
die recht pragmatisch geschrieben sind. Denn da die Ver
faßer vieler GeschichtsBucher wenig %.MenschenKenntniß besitzen,
können sie %nicht einmal einen rechten %.Begriff von
einer %.pragmatischen Geschichte machen vielweniger sie
noch ausfuhren.
/Aber die %.Anthropologie wird auch wieder durch die Geschichte
erweitert %und mit neuen %.Bemerkungen erläutert. Denn
aus der Geschichte kann ich die Beyspiele nehmen
%und so sind beyde Wissenschaften wechselweise mit einander
verbunden
/2 In Ansehung des Umgangs
/1 Die %.Anthropologie bildet den %Menschen zum Umgange und ist eine
Vorübung zur erweiterten %Erkenntniß des %Menschen die man durch
Reisen erlangt. Es bilden zwar viele, wenn sie in gu
te Gesellschaften kommen ihren anfangs noch rohen Um
gang nach und nach aus. Aber viele haben auch wie
/der
|F_5
/wieder nicht Gelegenheit dazu und denn ist auch eine
Kentniß des %Menschen die ich durch den Umgang erlange
nur fluchtig und besteht bloß in Modekomplimenten
%und RedensArten. Sie hat %.keinen wahren Inhalt und interessirt
auch %nicht ieden daher sind die geschwätzigsten Leute oft
die leersten Köpfe
/2.) Aber eine solide Kentniß des %Menschen interessirt einen
ieden und giebt einen Stoff zur Unterhaltung selbst
fürs Frauenzimmer wie Chremes beim Terenz sagt.
ich bin ein %Mensch was %Menschen betrift geht auch mich an denn hiezu
findet sich ieder %Mensch im Stande es zu untersuchen alles abstra
cte gehört daher %nicht hieher was man nehmlich meist mit
%großer Mühe untersuchen muß aber es muß auch nicht ganz
vulgaer sein.
/3.) Sie lehrt «uns»auch uns selbst recht kennen. Die %Menschen Kentniß oder
Anthropologie ist iedem %Menschen nothig. Denn durch sie kann er
%.von %.seiner %.Geschicklichkeit rechten %.Gebrauch machen %und also vielen Nutzen
stiften aber auch sich vor vielen Ungemach bewahren.
/ ≥ Die Quellen der Anthropologie sind sSelbstBeobachtung
/Geschichte zum Theil auch Romane und Schauspiele ≤
/Von der Selbstbeobachtung und Geschichte haben wir schon
oben geredt. Romane und Schauspiele dienen auch zur
Anthropologie und geben öfters zu artigen Bemerkungen
Anlaß aber nur dem können sie nützen der schon selbst
etwas %.MenschenKenntniß hat und ein solcher kann sie auch nur
|F_5'
/nur verfertigen ia die darin mehr oder weniger
stekende %Menschen Kentniß ist auch das einzige Anlokende derselben.
Daher sind z.E. die Schauspiele des Sheakspears Meister
stüke weil er eine tiefe %.Erkenntniß des %Menschen hatte. Aber beyde
haben den Fehler %daß sie täuschen. Denn die Romane
erhitzen die Leidenschaften und stellen die %Menschheit in über
triebenen Zügen vor. Die Schauspiele müßen sogar
übertriebne Züge gebrauchen und wenn man sagt ein
Carricatur Gemälde seie dumm weil die in einigen Iah
ren geschehenen %.Begebenheit dann in einigen Stunden vor
gestellt werden; so muß man diesen Fehler der einem
sonst %unnatürlich scheinen würde durch ubertriebene Züge
die unsre %.EinbildungsKraft rege machen unsichtbar zu
machen suchen. Also ist die %.Anthropologie auch dem Romanen
und Comoedien Schreiber nöthig. Baumgartens empi
rische %.Psychologie ist wegen ihrer Ordnung der beste
Leitfaden %und bloß die Ordnung der Materien %und Capitel
wird in dieser %.Anthropologie beibehalten werden ob
gleich viele andre Betrachtungen einlaufen werden
indem %.sein Buch nur aufs scholastische geht.
/Nun ist noch %.eine %.Frage in %.Ansehung der Erlernung der %.Anthropologie aus
der %.Erfahrung übrig.
/%.Quaestio Ist es schwerer sich selbst oder die %Menschheit kennen zu lernen?
%.Responsio Beydes hat %.seine Schwürigkeiten. Indeßen ists doch leichter sich
selbst %und andre als die %Menschheit überhaupt kennen zu lernen
|F_6
/denn wenn ich mich selbst kennen lernen will, so darf
ich mich nur mit andern %Menschen vergleichen aber die %Menschheit
kann ich mit %.keinem andern vernünftigen Geschopf vergleichen
weil wir das einzige auf der Erde sind. Indeßen
haben beyde für sich auch ihre eigne Schwerigkeiten
/1. Sich selbst zu beobachten scheint zwar leicht zu sein
weil man sich immer bei der Hand hat %und sich %.seine Triebfe
dern bei ieder Handlung am besten bewußt ist
indeßen ists doch in der That schwer weil die Triebfe
dern der %Menschlichen Seele die Neigungen %und Leidenschaften ent
weder in <Action> %.Bewegung sind oder ruhen. Sind sie in Bewegung
so denkt man %nicht daran sie zu beobachten; ruhen sie
aber; so ist die %.Gelegenheit vorbei %und die %EringrungsKraft
auch schon etwas verloschen oder unvollständig. Um sich
selbst zu kennen gehört eine Reihe von Beobachtungen
und ist noch schwerer.
/2. Andre zu beobachten ist noch schwerer denn die %Menschen ver
heelen ihren wahren Character wenn sie merken daß
man sie beobachtet. und %.keiner will sich beobachten laßen
%und ie civilisirter der %Mensch ist desto mehr verstellt er
sich. Sie sind verderbt. Aber Kentniß der %Menschen
Gattung überhaupt ist das schwerste.
/δRest_leer
|F_6'
/ ≥ Zweites Capitel.
/Von der Untersuchung des Ichs ≤
/Unser %.Autor fängt hier mit der Untersuchung des Ichs *0
an und wir wollen ihm darinn folgen
/Der %Mensch hat unter allen vernünftigen Geschöpfen auf
dem Erdboden nur allein eine Vorstellung %.von %.seinem Ich oder
%.von %.seiner Person. Dieses macht ihn auch zum vernünftigen
Wesen. Die Thiere haben zwar Vorstellungen von
der Welt aber nicht %.von ihrem Ich daher sind sie auch
%.keine vernünftigen Wesen. Ganz %.kleine Kinder sprechen
von sich eher in der 3ten als in der ersten Person
Dieses komt daher weil sie so genant werden und weil
sie den Unterschied wenn man %.von sich und wenn man von
einem andern redet nicht faßen können. So wie ein
Kind %.von 2 Monathen mit den Augen bloß starr sieht %und
%.keinem Obiecte folgt, daher nicht sieht Aber in 2 Monathen sieht
e«r»s schon %ordentlich und dann fängt es auch an zu weinen
%und zu lachen Woher das komt ist so wie ienes dunkel.
Was unsre Person unser Ich bezeichnet zieht unsre gan
ze Aufmerksamkeit a«uf»n sich. Wenn wir ZE In einer
Gesellschaft bei einem Gespräche worauf wir gar
%nicht Acht geben unsren Nahmen plötzlich nennen höhren
so erwachen wir gleichsam als aus einem Traum
und unsre ganze %.Aufmerksamkeit wird dadurch rege
gemacht. Daher mags denn auch kommen daß die Mond
süchtigen oder NachtKletterer wie man erzählt %durch
die Benennung ihres Namens aus ihrem tiefen
/δZusatz_Z_11
/%nicht %durch Ich sondern sagen ihren Namen ~
/δRand_006'_Z_1
/*0 Es drückt aus die Beschauung %.seiner Selbst. Alle
Beweise die man %.von der Einsicht der See
le führt sind %nichts andres als %.Analysen des Ichs
Es liegt darin die Einfachheit %.unseres Selbst
/
/Es ist der vollkommenste Singularis
Es drückt meine Substantialitaet aus, denn
ich unterscheide %.das Ich als %.ein letztes Subiect was
weiter %.von %.keinem Dinge kann praedicirt werden
%und das selbst das %.Subject aller %.Praedicate ist. Es drukt
auch %.eine %vernünftige Substanz aus da man sich selbst
zum %.Gegenstand %.seiner Gedanken macht mit %Bewustsein.
/Es liegt auch in ihm die Personalitaet. Iedes Ge
schopf %das sich zum %.Gegenstand %.seiner Gedanken machen
kann, kann sich als %.einen Theil der Welt ansehen
das Leere der Schöpfung auszufüllen als ein
«Mit»Glied der %Schöpfung. Der MittelPunkt derselben
%und der Zwek. - Es ist %.das %.Fundament des %.Verstandes
%und der %.VernunftFahigkeit %und der ganzen Obern %.Erkenntniß
kraft denn alles dies beruht darauf, daß ich
mich selbst %und das was in mir vorgeht beob
achte %und beschaue. Man findt in dem Ich den
%.Begriff der Freiheit, das Bewustsein der %Selbst
thatigkeit denn das Ich ist %nicht %.eine äußere Sache
/Binnen 10 Iahren ist der %.Körper %von %anderer Materie
so wie ein Strom immer mit anderem
Wasser fließt doch ist das Ich unverän
derlich es ist untheilbar - Wenn mir alle
Glieder %.von Leibe abgesondert würden %und ich
kann nur noch das Ich sprechen so bin ich mir
noch %.keiner Veringerung bewußt Der %Mensch
hat %.gleichsam %.eine doppelte Personalitaet
/Das Ich als Seele %und das Ich als %Mensch. Das %.eigentliche
Ich ist was substantiales, einfaches und be
harrliches; das man im Gegentheil das
Ich als %Mensch als veränderlich ansieht man
sagt z B. Ich bin groß ich bin klein. In
%.Ansehung des %Körpers ist der %Mensch %.von den Thieren
wenig %unterschieden. Als Thier würde der %Mensch
%nicht das beste sein ohne %.Vernunft, Wir haben
%.keine Anschauung in der ganzen Welt ~
|F_7
/Traum %und wenn sie auf %.gefahrlichen Oerter heraufgeklet-
tert sind daher Gefahr nehmen herunter zu fallen
weil die Benennung unser Person die %.größte %.Aufmerksamkeit
bei uns erregt.
/Wenn ein %Mensch nur mit sich selbst zu thun hat, %und auf sich allein
nur alle %.Aufmerksamkeit richtet oder bey allen Gelegenheiten
Triebfedern %von sich selbst zu reden nimt, so heißt er
ein Egoist (der Conversation egoismus)
/*1 Ein moralischer Egoist schätzt %.seinen Werth am höchsten. Ein
Egoist im Umgange <aber> redet %und beschaftigt sich immer mit
%.seinem allerliebsten Ich. Der letztere besitzt eine gewiße
Eitelkeit %und %.sein Egoismus zeigt einen Mangel von
der Cultur Conduite %und %MenschenKentniß an.
/Ein ieder %Mensch hat eine Art %.von egoismus an sich indem er
zwar %nicht das Centrum der Welt zu sein glaubt aber
es doch wünscht.
/1 Wenn eine Person daher %.Gelegenheit findet %von sich selbst
zu reden; so hält sie den für klug der ihr dazu Anlaß
giebt. So erzählt Helvetius eine artige Geschichte %von einer
Dame: Als er in Paris war so kam er in eine
Gesellschaft in der sich eine Dame mit einem Manne
ziemlich lange unterredet. Nachher rühmte sie ihn
als einen Man %von %.großen Geist %und zu letzt zeigte es sich daß
er taub war %und sie also ganz allein gesprochen %und er ihr
immer %natürlicher weise das Iawort geredet hatte.
/δRand_007_Z_1
/als die Anschauungen %.seines Selbst. Alles
andre sind Erscheinungen. Das Ich ist die
bloße Seele. Es ist %.kein %Mensch der %nicht mit an
dern tauschen mögte mit Gesicht mit den
ganzen ganzen Leibe ia so gar mit %.denen
%.Eigenschaften der Seele; aber %.sein ganzes Ich entschlüßt
sich niemand zu %vertauschen. Es ist ein Wiederspruch ~
|F_7'
/2. Der %Mensch ist %.seinem Nächsten nicht günstig weil
einer gute Eigenschaften hat sondern weil er Gelegen
heit findet %.seine eigne guten Eigenschaften zu zeigen. Daher
gewinnt man dieienigen ofters lieb denen man Wohlthaten
erwiesen hat. Hieraus folgt %daß wir in einer Gesellschaft
am wenigsten von uns selbst sprechen müßen da ein
ieder anderer auch immer gern %von sich selbst sprechen will
daher zuletzt ieder %von sich selbst sprechen wollte und da%durch
zuletzt alle Gesellschaft zuletzt aufgehoben werden würde.
Diese Regung der Selbst Liebe muß man daher im
Zwang halten daß die Parteylichkeit von uns selbst
%nicht so sehr hervorrage. Ie feiner ein %Mensch ist desto mehr
giebt er des andern Egoismus nach und verleugnet
den Seinigen. Indeßen ist es doch sehr unterhaltend
zE. Montagnes Versuch ist ein sehr unterhaltendes Buch %und hat
ob es gleich schon 200 Iahr alt ist doch nichts %von %.seinem Ansehen
verloren. Das komt aber daher weil er bey den
mehresten Gelegenheiten auf sich selbst zu reden kömt
und dieses ist das unterhaltendste beim ganzen Buche
aber gar nicht fehlerhaft wie einige glauben. Denn wenn
man %von sich selbst spricht so redt man %von dem %Menschen %und
die Kentniß des %Menschen interessirt doch ieden
/Wenn man aber %von sich selbst spricht so muß man das
unterscheidende %von andern %Menschen %nicht @ausgnehmen@ Es sei denn
daß es besonders ist %und zur %.MenschenKenntniß nutzen kann. ZE der
|F_8
/der Magister Baehr hat ein Buch %von der Hypochondrie
geschrieben worin er alle besondre Grillen die er
in dem Paroxismo gehabt aufzeichnet.
/*1 Ein %Moralischer Egoist ist der sich so verblenden läßt daß er alles außer
sich gering schätzt. - Der %Mensch bekomt wol durch die sich beymessende
Selbstschätzung bei andern einen Werth die SelbstSchätzung muß
aber %nicht zuweit gehen daß sie %nicht als eine Attribution betrachtet
wird. Ieder %Mensch hat bei %.seiner %.Aufmerksamkeit sich selbst zum HauptZiel
Das Ich macht den Grund aller Zuneigung aus ZE. daher
komts auch daß man %nicht einer abgeschoßenen Kugel die
Schuld beymißt, wenn sie einen ums Leben bringt sondern
dem Ich, das sie abgeschoßen
/Viele Leute besonders Könige und Schriftsteller und Prediger
auf der Kanzel sprechen %von sich lieber Wir als Ich und zwar
aus Klugheit um den Schein des Egoismus zu meiden.
/Bei den Königen war es vor Alters ein Ausdruck
der Bescheidenheit denn wenn der König in %.seinen Schriften wir
schrieb, so schloß er immer die Landstande mit ein. Ietzt
aber ist es ein Begrif der Hoheit geworden. Bei einem
Autor ist es auch ein %.Begriff der %.Bescheidenheit denn er sieht
dann den Zuhöhrer oder Leser als %.seinen Gesellschafter an
Auf der Kanzel muß man auch wir aus Bescheidenheit
gebrauchen. Der %Plural im Anreden ist nur bei den Mor
genländern im Gebrauch und «ist auch» die Deutschen bey
denen dies sehr manigfaltig ist, haben sich den Umgang
da%durch sehr erschwert. Es soll eine Ehre anzeigen. In
%.keiner lebenden oder todten Sprache ist dieses anzutreffen
/δZusatz_Z_3/4
/Wir mißbilligen %etwas
wenn wir eine Sache im allgemeinen Verhaltniß für %unschicklich halten. ~
/δRand_008_Z_1
/{3- Bernd -3} ~
|F_8'
/sondern man sagt dafür Du. Er muß eigentlich
%.von %.einem abwesenden gebraucht werden Wenn es %von einem
Gegenwartigen Gebraucht wird; so ist es lächerlich
/Du Er Ihr %und Sie sind die Stuffen der Ehre bei den
Deutschen durch diese Hoflichkeiten haben sie ihren Um-
gang sehr beschwerlich gemacht.
/So gut ich Dinge außer mir betrachte; so gut kann ich
auch mich selbst betrachten. Die %.Gewohnheit sich selbst zu
beobachten ist %unnaturlich denn %.seine %.GemüthsKräfte werden da
durch gebunden und können %nicht %natürlich wirken.
/Die %.Aufmerksamkeit auf andre %.Gegenstand ist natürlicher.
/Ein beständiger Beobachter %.seiner selbst wird sich dadurch viel
mehr schaden als der tiefsinnigste Mathematiker er wird
zuletzt zum Schwärmer <mystiker> und %Phantasten.
/Der %Mensch hat weder allein %nicht genug Unterhaltung noch
findet er sich %nicht liebenswürdig genug, daß ihm die Be
obachtung %.seiner Selbst %unnatürlich ist; sondern die %.Ursache ist die
weil sie %.seinen Geist aufs äußerste ermudet %und zuletzt ver
wirt macht. Die Beobachtung andrer Gegenstände
dient uns also zur Erholung - die Beschaftigung des
%Philosophen mit Zergliederung der %.Begriffe ist auch schon
%unnatürlich aber er hat doch Obiecte die er durch %.seinen %.Verstand
denkt Sobald er aber ein Exempel findt so wird das Ge
müth gleich erleichtert. Daher muß sich der %Mensch im thätigen
/δZusatz_Z_14-15
/indem er sich selbst er
grüblen will %und in %.seinem Ge
müth nach verborgenen Schatzen gräbt. Solche Leute ermüden sich
%mit ihrem eigenen Selbst @wezen@ an sich wie am Schwerdt ~
/δRand_008'_Z_14
/Um glücklich zu sein muß man sich
Seiner Selbst vergeßen machen. ~
|F_9
/thätigen am wenigsten mit sich selbst sondern mit andern Ge
genständen beschäftigen und nur gelegentlich Blicke auf sich werfen
Ia die Natur hat gewollt daß wir uns oft mit Gedankenlosigkeit
beschäftigen sollen. Ein %Mensch der sich in einer Gesellschaft immer selbst
betrachtet ist entweder genirt verlegen weil er %.seine Eigenschaften
nicht genug zu zeigen glaubt oder affectirt weil er sie zu viel
oder zu sehr zu zeigen glaubt, weil er bei der Betrachtung zeigt
daß er sich selbst gefällt. Mit einem Wort affectirt ist ein %Mensch wenn
er sich bemüht einen schönen Anstand zu zeigen %und deswegen
%.seine Stellungen verdreht dies ist der Natur zuwieder %und genirt ist
iemand wenn er besorgt in einen schlechten Anstand zu
scheinen
/Der gar %nicht Acht auf sich giebt oder nicht Acht zu haben scheint
zeigt sich in einer %naturlichen Leichtigkeit die iederman gefällt
/Auf die Stellung des Leibes muß man aber Acht
geben oder man muß sich in der Iugend schon eine
%.Fertigkeit erworben haben. Ein affectirter %Mensch hört sich
selbst indem er auf den Ton %und die Wahl seiner
Worte Acht giebt
/Daher ist der %Mensch wenig cultivirt der immer auf sich
selbst Acht giebt
/Dieser Egoismus ist auch die %.Ursache der Hypochondrie indem
man denn immer auf sich selbst Acht giebt %und wovon
man hört daß es andern geschieht, auch glaubt %daß es ihm
selbst geschehe. Die Schwärmerei oder der Fanatismus
komen auch aus dieser Quelle her. Aus diesem allen
/δZusatz_Z_5/6
/aus Furcht wieder den guten Anstand zu verstoßen Er ist in %.seinem Betragen süchtern blöde und steif %und da%durch ver
fehlt er iust %.seinen Zwek. Dies ist ein Fehler
der Erziehung indem man das Kind
immer beschreit artig zu sein p welches
%ein delicater %Begriff ist %und es wird also %angstlich
schüchtern %und verliert alle Zuversicht
zu sich. %Artigkeit ist %eine %ganze Aufgabe der
Erziehung. %.Gesellschaft macht das mehrste
hiebei. Die %Englische Iugend wird gut gezogen~
/δZusatz_Z_8/9
/um in die Augen zu fallen ~
/δZusatz_Z_9-10
/%und %.seinen Ton so modulirt ~
/δZusatz_Z_12-3
/Ein %.Affectirter %Mensch verliert sehr viel in anderer Augen indem er sich %seinen Werth %durch äußern Schein zu er
schleichen sucht. Kein %.großer Mann kann affectiren @E s.@ redt wie aus Buch. Die SchreibArt in %.Schriften ist %.gleichsam %eine Galla
Kleidung wo man wie in %.Gesellschaft
%nicht %mit %.einem Schlafrok %und NachtMütze erscheinen
kan ~
/δZusatz_Z_13-4
/air degagée Naivitaet ~
/δLage_B
|F_9'
/ist zu schließen daß man sich dem Egoismus %nicht sehr über
laßen müße; es ist aber auch eine %.große Kunst nöthig die
sen Egoismus im Umgange zuruckzuhalten.
/Wir könen unser Bewußtseyn in ein subiectives %und obie
ctives eintheilen. Unser Bewußtsein ist subiectiv wenn
wir unsre Gedanken auf unsere existenz %und auf unsern
Verstand selbst richten; obiectiv wenn wir sie auf andre
%.Gegenstände wenden
/Das Obiective Bewußtsein ist zu allen Wißenschaften und
uns ganz %natürlich. Daher ist der %Mensch recht gesund der
%.seinen %Korper gar %nicht fühlt. Es ist also ein schlechter Rath wenn
man dem %Mensch anräth ihren SeelenZustand zu prüfen. Dieses
kann ich aber durch %.Aufmerksamkeit auf meine Handlungen
eben sowol erfahren. Deswegen hat Lavater nicht recht ge
than daß er ein Tagebuch %von Beobachtungen über sich selbst ge
schrieben hat. Dies hätte er sollen sein laßen und lieber ein
Tagebuch %.seiner Handlungen schreiben.
/%.Gedankenlosigkeit in Ansehung des Subiects ist für uns eine Er
hohlung. -
/Die Natur hat uns einen Trieb gegeben sich immer mit andern
Gegenständen zu beschaftigen damit wir bei einem %.Gegenstand %nicht all
zu lange still stehen möchten
/Wir gehen in %.Gesellschaft auf die Iagd p und in welcher Absicht?
|F_10
/Um sich zu zerstreuen. Nun zerstreut man sich auf
zweyerlei Art.
/1. Wenn man %.seine %Achtsamkeit %von sich selbst auf andre Gegen
stände richtet %und
/2 wieder umgekehrt wenn man %seine Achtsamkeit %von andern Gegen
ständen auf sich selbst richtet
/Die erstere Zerstreuung geschieht in Gesellschaften und ist uns
heilsam macht auch den %eigentlichen Nutzen der Gesellschaft
aus die 2te ist uns aber schädlich. Iene ist unsrer Seele an
genehm diese aber verdrüßlich %und schmerzhaft Iene dient
zur Stärkung unsre«s»r %.GemüthsKräfte %und zur Erhohlung diese
aber zur Schwächung derselben.
/Daher laßt einem auch die Beschäftigung und Beobachtung
%.seines Selbst unnatürlich. Man beobachtet sich selbst wie es einem
läßt wie man in den Sinnen andrer erscheint und da%durch wird
man entweder genirt oder affectirt
/Ein ieder %Mensch ist immer bereit sich zu verheelen und sich
auf der vortheilhaftesten Seite zu zeigen um dem äußern
Wohlstande gemäß sich zu betragen
/Wir handeln aber alsdenn auf eine %künstliche gezwungene
Weise %und %nicht %natürlich. Das %naturliche Betragen eines %Menschen wenn
man sich so zeigt wie man ist ohne auf den äußern Schein
Acht zu geben ist die Naivitaet. Naiv ist das was würklich
künstlich ist aber ganz natürlich vorgebracht zu werden
scheint %und wird. Daher gefallt es auch iedem weil es
natürlich ist und die wahre %Gesinnung eines %Menschen zeigt
die man doch so gern verheelen mag.
|F_10'
/ ≥ 3tes Capitel
/Von den Vorstellungen ≤
/Wir wenden uns itzt von dem subiectiven Bewußtsein
unsrer Selbst zu dem obiectiven Bewußtsein andrer
Gegenstände
/Wir haben von den Dingen %.entweder klare oder dunkle
Vorstellungen.
/Wir wollen hier die dunklen Vorstellungen ein wenig
betrachten. Ich bin mir meiner duncklen Vorstellung %nicht
bewußt woher weiß ich denn aber daß ich sie habe. Un
mittelbar weiß ich sie %nicht, indeßen kann ich aus ihren Wür
kungen schlüßen daß ich sie haben muß zE. die Luft kann ich
zwar %nicht sehen aber aus ihren Würkungen schließen daß
sie da sein muß. So erklärten schon zE. die Alten den Schim
mer der Milchstraße als das Licht einer Menge Sterne
ob sie gleich diese Sterne in Ermanglung der FernGläser
%nicht sehen konten.
/Die %MenschenSeele ist am meisten mit dunkeln Vorstellungen beschaftigt
%und diese sind auch der Grund zu den klaren %.Vorstellungen %und zu allen
Entdekungen %und Erfindungen. Sie spielen eine so %.große Rolle in
den Handlungen der %MenschenSeele daß wenn sich ein %Mensch aller die
ser %.Vorstellungen auf einmal bewußt werden könte, er
über den Vorrath derselben erstaunen möchte; allein
das Vermögen der Reproduction dieser Vorstellungen ist so
ein geschrankt daß sie nur einzeln %und bei %.gewißen %.Gelegenheiten an
den Tag kommen. Wenn wir einer Sache erinnern so ziehen
wir die dunkle %.Vorstellungen in der Sache hervor %und machen sie
/δZusatz_Z_17/8
/Ein Musiker würde ohne zu denken %.keine Harmonie he
raus bringen ~
|F_11
/sie klar daher kann ein Mann der viel gesehen %und gelesen hat
gar nichts erzählen %und wird stumm wenn man ihn dazu auffo
dert. Bringt man ihn aber auf eine Materie so weiß er gleich
davon zu erzählen. Dieses komt daher weil er eine solche
Menge dunkler %.Vorstellungen in %.seiner Sele hat daß er %.keine sogleich davon
wählen kann Es geht ihm so als wenn er vor dem Wald die
Bäume %nicht sehen könte. Man kann sich die %Menschen Seele als %.eine Karte
vorstellen deren illuminirten Theile die klaren, gewiße
besonders helle Theile die deutlichen %und die unilluminirten Theile
die dunkeln %.Vorstellungen bedeuten letzte nehmen den %.großten Platz ein
%und liegen auch den klaren zum Grunde machen %.die %.großte Menge %unsrer %.Erkenntniß aus.
/In der Analytischen Philosophie mache ich nur die dunklen
Vorstellungen in der Seele klar. Denn alle Satze der Philo
sophie sind iederman bekant aber nur in dunkeln %.Vorstellungen
die durch die %.Philosophie klar %und deutlich gemacht werden %daß er sich
derselben bewußt wird %und so zu sagen erinnert indem er
fühlt daß dieses dieselben Setze sind, deren er sich vorher auch
obgleich undeutlich bewußt war ZE. Wenn ich iemandem der %.kein
Rechtsgelehrter ist, vom Recht sage so wird er mir so weit zu
geben als es ihm scheint %daß er es vorher auch gewußt habe
wird das aber nicht für Recht halten, von dem er sich er-
innert daß es ihm auch so gedacht oder geahndet hat - Bei
den mehresten Erfindungen lagen vorher dunkle %.Vorstellungen zum
%Grunde. Die %Menschen %.Erkenntniße konen als %.eine %.große Karte %.angesehen wo nur wenige Punkte
illuminirt sind.
/Die Seele arbeitet also mehrentheils in dunkeln %.Vorstellungen %und es dauert
lange bis man sie zu klaren macht. Daher sagt Socrates
|F_11'
/recht: Ich bin %nicht der Lehrer meiner Zuhörer sondern nur
die Hebamme ihrer Gedanken. Denn wie eine Hebame bei
der Geburt eines Kindes es ans Licht ziehet; so zieht
auch der Philosoph die dunkeln %.«zu»Vorstellungen %.seiner Zuhörer ans Licht
%und macht sie klar. Hiebei ist 2erlei zu merken:
/$a$.) 1. der %Mensch ist oft ein Spiel dunkler Vorstellungen, indem
er wieder %.seine Absicht und wieder die Stimme der Vernunft sich
%von dunklen %.Vorstellungen zu einer Sache bringen oder zurukhalten
läßt. ZE Wenn ich über einen %.etwas %gefahrlichen Ort, etwa über
dem Waßer auf welchem ein Bret gelegt ist, herüber gehen
soll %und ich sehe auch viele Leute herüber gehen mein %.Verstand sagt
es mir auch %daß ich bei angewandter %.Behutsamkeit herüber
gehen kann ohne Gefahr; so werden sich doch %einige dunkle
%.Vorstellungen bei uns regen die uns verhindern herüberzugehen.
Ia viele die an solchen %gefahrlichen Ortern herabgefallen sind haben
auch solche dunkle %.Vorstellung gehabt als wenn sie immer schon he
runter fielen und da%durch haben sie zuletzt den Schwindel gekriegt
%und sind auch %.wirklich herunter gefallen. So furchtet auch mancher
den Tod ob ihm gleich %.sein Leben gar %nicht lieb ist.
/So trauren wir auch um %.einen Todten da uns doch unser
%.Verstand sagt %daß wir uns vielmehr darüber freuen sollten
weil er in ein gluklicheres Leben übergeht. Aber die dun
kle %.Vorstellung %von dem Aufenthalt im Grabe ist uns doch zuwie
der daher laßen sich auch viele Leute auf Bergen
unter Bäumen p begraben ob ihnen gleich ihr %.Verstand
sagt es sei einerlei wo ihr Körper liege. Aber
/δZusatz_Z_24
/%nicht im Feuchten, Sie denken sie kriegen den Schnupfen ~
|F_12
/Aber sie haben dunkle %.Vorstellungen daß es doch da <wohl> beßer sein
möchte als anderwärts gerade so als wenn er das angeneh
me auch noch im Tode schauen %und sich daran ergötzen könnte
Gleicherweise sucht ieder wenn er auch noch so arm sich we
nigstens zu einem ehrlichen Begräbniß Geld zu samlen.
/Ausdrücke die bei plattem Scherze gebraucht - verlieren da%durch ihre
Schönheit und Würde -
/Der besondre Geschmack der Liebe hängt nach Buffon davon
ab, %daß die erste Person die man sieht wenn man %.sein männlich
Alter erreicht wird unser Original. Ist eine andre ihr nun
etwas ähnlich; seys auch ein Fehler so setzt unsre Imagina
tion das ubrige zu, an dem Original in dunkeln %.Vorstellungen %und
die Person wird da%durch liebenswürdig ob sie es gleich %nicht ist.
/$b$., 2. Der %Mensch treibt auch im Gegenteil mit dunklen %.Vorstellungen sein
Spiel So ist ZE ieder Tropus %und iede Figur ein Umweg indem
man eine dunkle %.Vorstellung %plotzlich zur klaren macht %und darin
besteht das angenehme derselben. Ieder witzige Einfall muß
anfanglich dunkel sein und plötzlich sich aufklären sonst ist er wäß
richt. Die Natur hat %.gewisse Geheimniße die sie durch dunkle Vor
stellungen immer bedeckt haben will zE die %natürliche Bedürfniße
%und den Unterschied der Geschlechter. Diese scheinen unter der
Würde der %Menschen zu sein weil er darin mit den Thieren überein
komt. Daher reden wir %von diesen Dingen immer in dunkeln
Vorstellungen %und ie dunkler sie sind desto beßer %und angenehmer
sind sie; redet man aber davon so daß es ein ieder ohne die
/δZusatz_Z_7
/Der Geitzige sieht das Vergnügen hinter her. ~
|F_12'
/mindeste %.Zweideutigkeit einsieht; so wird dieses für Grobheit gehalten
Daher sieht man %daß der %Mensch so zu sagen eine Kunst zu verdunkeln
hat welche dunkle %.Vorstellungen desto angenehmer sind ie dunkler
sie sind %und ie plotzlicher sie klar werden.
/Es giebt itzt eine gedanken<geheimniß>volle Schreibart in welcher sich dunk
le %.Vorstellungen befinden das ist ein KunstGrif der Schriftsteller die
dem Publico die Meinung beibringen wollen es stecke @(hinter)@
<in> ihren Schriften viel %Weisheit verborgen. Denn die dunklen %Vorstellungen
haben das einmal an sich daß sie mehr zu enthalten scheinen
als sie würklich enthalten
/ ≥ 4tes Capitel
/Von der Vollkommenheit der Erkentniße besonders von der
/Wahrheit, Deutlichkeit, Nutzen, Größe %und Ordnung derselben ≤
/Die %Vollkommenheit einer %Erkenntniß kann auf dreierlei Art unterschieden werden
/a. In Ansehung des Obiects und da ist sie %.Wahrheit Größe und %.Deut
lichkeit Diese ist Logisch
/b. In Ansehung des Subiects da ist sie %Leichtigkeit, %Lebhaftigkeit %und Interesse
diese ist aesthetisch
/c. In Ansehung der Verknüpfung der %.Erkenntnisse unter einander da
ist sie %.Mannigfaltigkeit Ordnung %und Einheit.
/Die %.Wahrheit ist die %.größte %.Vollkommenheit der %.Erkenntnisse denn zu ieder %.Erkenntniß wird
zuerst erfodert daß sie wahr sei; ist sie dieses nicht so fehlt
ihr alles und sie ist gar %.keine %Erkenntniß. Aber sie ist nur die %.größte
%.Vollkommenheit für den %.Verstand %nicht aber für die Neigung. Diese be-
schaftigt sich lieber mit der Fabel als %mit der %Wahrheit. Daher
ist es nicht rathsam einem %Menschen die Wahrheit zu sagen weil
|F_13
/weil man %.seine Neigungen kränkt. Bei den Poetischen Vor
stellungen sind die %.Erkenntnisse unwahr aber %.kein Irrthum, denn
man weiß %daß sie unwahr sind.
/Irrthum und Unwißenheit sind der %.Wahrheit entgegen
gesetzt. %.Unwißenheit ist der %.Wahrheit privative entgegen
gesetzt %und ein bloßer Mangel der %Erkenntniß. Irrthum «ist»aber ist
der Wahrheit contrarie entgegengesetzt denn es ist %nicht ein bloßer
Mangel der %Erkenntniß und der %.Wahrheit sondern auch ein Hinderniß
derselben. Die %.Unwißenheit ist gleichsam ein leerer
Raum in der Seele der noch nicht mit %.Erkenntnißen angefüllt
ist. Der Irrthum aber ist ein Raum der %mit irrigen
%.Erkenntnißen angefüllt ist. Also ist der Irrthum viel schädlicher als
die Unwißenheit und auch viel schwerer als<2> diese zu<1> heben
Die Aufhebung der Irrthümer schaft einen negativen
Nutzen der viel %.größer als der positive Nutzen ist %und ohne den
dieser nicht einmal möglich ist. Es scheint also fast beßer
zu sein unwißend zu bleiben als sich in die Gefahr zu
irren begeben. Aber es scheint nur so denn wenn wir
um nie zu irren, auch niemals ein Urtheil wagen durften
so würden wir in träger %.Unwißenheit bleiben %und müßten
denn ganz allen %.Gebrauch unsres %.Verstandes auf heben %und wenn
wir denn bei unsern Urtheilen auch ofters irren so
cultivirt dieses doch unsern Verstand. Denn der Irthum
entspringt aus unüberlegter Activitaet die %.Unwißenheit
aber aus Inactivitaet. Ie aus gebreiteter die %.Erkenntnisse sind ie
mehr laufen wir Gefahr zu irren. Daher ist %.eine %.Geselschaft %von Gelehrten
|F_13'
/mehreren Irrthümern aus gesetzt als ein ganzes Dorf
voll Bauern (%.Wahrheiten bekommen erst durch ihre %Fruchtbarkeit
in der Anwendung durch ihre Größe %und durch ihr Interresse
Gewicht sonst sind sie unbedeutend)
/Ein mit %.Verstand auf die Gefahr des Irrthums gewagtes
Urtheil heißt ein Paradoxon. Die %.Franzosen lieben diese Urtheile
%und nennen es Hardiesse. Die Deutschen aber gehen damit behut
sam um. Ein Paradoxer Man läuft zwar Gefahr ausge
lacht zu werden aber er nutzt dadurch auch andern, indem er
dadurch aus einer ganz andern Seite die Sache betrachtet.
Die Paradoxen Urtheile sind so zu sagen wiedersinnisch weil
sie wieder den ersten Anschein der Sinne laufen. Der
das Paradoxe scheut ist feige zu urtheilen denn man läuft
in Ansehung der %.Wahrheit eben soviel Gefahr bei paradoxen
als bei alltaglichen Urtheilen ausgenommen %daß man bei diesen
des Beyfalls sichrer ist. Weil uns das paradoxe eine Er
weiterung unsrer %Erkenntniß zeigt so erfreut es uns %und ist uns
angenehm. Man muß aber %nicht immer paradox zu urtheilen
suchen sonst wird man ein Abentheurer in den Wißen
schaften ein solcher war Barkley Bischof zu St_Cloix
in Irrland. Alles Paradoxe giebt uns Eröfnung zu neuen
Aussichten. Es giebt auch Paradoxe Satze die wirklich wahr
sind z E der Satz des Copernikus %von dem Umlauf der Erde
um die Sonne.
/Das Populaere Criterium der %.Wahrheit in der Anthropologie
ist die Beystimmung andrer %Menschen %und ist %.vom Logischen sehr unterschieden
|F_14
/Um andrer Beyfall buhlen ist Eitelkeit, aber es ist für
uns doch wichtig %und wir sind deßen bedürftig.
/Wir haben alle einen %von der Natur uns eingepflanzten Trieb
unsre Urtheile andern bekant zu machen sollten wir uns
auch Schande %und Verdruß dadurch zuziehen und unser Wissen
scheint für uns nur insofern einen Werth zu haben als
wir es andern mittheilen das ist aber in der Absicht ge
schehen, damit %nicht unsre Urtheile wenn sie in uns verschlossen
blieben und falsch wären uns immer im Irrthum stecken
ließen %und damit ein %Mensch %.Gelegenheit hatte %.seine %.Kentnisse durch
die Urtheile andrer zu erweitern. Daher beruft man
sich in einigen %.Wißenschaften auf andre %.Männer die derselben %Meinung
sind besonders in der Iurisprudence weil es da eine solche
%Mannigfaltigkeit %von Rechtsfallen giebt %daß einige schwer von
einander zu unterscheiden sind %und man also zur Bekraftigung
%.seiner Meinung sich auf andre beruft.
/Man hat zu manchen Zeiten die %.Frage aufgeworfen: Ob man
%nicht in manchen Fallen Irrthümer begünstigen könne um
Nutzen daraus zu ziehen? %und dieses behaupten wirklich die Jesuiten
Allein es ist in %.keinem Fall zu läßig. Denn der Nutzen der Irrthü
mer ist nur zufallig %und kann bald aufhören %und ist auch alle
mal viel zu klein gegen den Schaden den sie anrichten
/Ein Erleuchtetes ZeitAlter ist dasienige in welchem die Aus
breitung der %.Wahrheit %.kein Hinderniß findet, wenn gleich die %.Wißenschaften
in denselben noch %nicht sehr hoch gestiegen sind. Ein erleuchtetes
/δZusatz_Z_23
/man nach %deutlichen
%.Begriffen frägt ~
|F_14'
/ZeitAlter ist wo man mit eigenen Augen sieht verblende
tes aber wo man so zu sagen unmundig ist. Unser
ZeitAlter kann man einigermaßen dahin rechnen indeßen
ist der Religions %und RegierungsZwang noch %nicht aufgeho
ben. Bey dem itzigen %.Zustand %Europas aber da %.ein ieder
Monarch %und ieder Staat %.große stehende Armeen hat kön
ten sie wol eine allgemeine GewißensFreyheit
erlauben weil sie %nichts zu befurchten haben. Ein erleuchte
ter oder heller Kopf ist derienige, der die %Erkenntniß klar
%und deutlich einsieht sie aber darum %nicht eben immer andern
leicht %und faßlich machen kann. Denn dieses können oft die
hellsten Kopfe am wenigsten. Einige Schriftsteller lieben
dunkle Schreibart, damit ihre %.Erkenntniße %von vielen Inhalt scheinen
möchten. Dies nent man der <Auctor> giebt Winke. Man
muß aber diesen Winken «aber» nichts trauen weil öfters
nichts darhinter stekt %und es ofters ein Kunstgrif des %.Verfaßers
ist %.seine %.Unwißenheit zu bemänteln
/Die %Eigentliche Größe der %.Erkenntniß beruht auf der %Weitläuftigkeit
der Anwendung %nicht auf der Menge derselben. Alle
Polyhistors haben ein vastes %.Erkenntniß
/Die %Deutlichkeit der %.Erkenntniß ist %.entweder
/«$a$»1 scholastisch in der die Arbeit %und das Verfahren wo
durch die %Deutlichkeit hervorgebracht wird einleuchten
muß %und 2 die populaere %Deutlichkeit in der gerade das Ge
gentheil geschehen %und die Arbeit gar %nicht hervorleuchten
muß. Diese macht %daß %eine %.Erkenntniß die an sich schwer ist gar %.keine
/δZusatz_Z_9-10
/%und sich auch %keinem andern uberläßt ~
/δZusatz_Z_17-8
/Ein %Mensch der wie es der %.Romische Praetor p
immer fragt non liquet ist auf %.einem guten Wege der %.Aufklärung ~
|F_15
/keine Mühe zu kosten scheint und leicht begreiflich wird
dieses ist ein %.großes Kunststuck eines Schriftstellers %und Voltaire
hat darin viel eigenthümliches.
/Zur Deutlichkeit einer %.Erkenntniß wird Ordnung erfodert. Die
Ordnung muß man in allen Dingen beobachten %und sie
ist auch iedem angenehm. Wenn bei der %Deutlichkeit Ordnung ist
%und diese doch %nicht hervorleuchtet so ist sie angenehm. Die Deutschen
suchen %durch Ordnung deutlich zu sein aber sie laßen sie darin
hervorleuchten daher paßt das nicht Aber die %.Franzosen haben das.
Einer Seits lieben wir %Ordnung anderseits aber scheuen wir
sie ihrer Regeln wegen. Daher komt der Ausdruk
angenehme %.Nachlaßigkeit wenn es %.keine Mühe zu sein scheint
%und die Regeln der Ordnung %nicht hervorleuchten. ZE in einem
Garten ist eine %Nachlaßigkeit der Ordnung welche die Natur
nachahmet angenehmer als strenge uberall hervorleucht
tende Ordnung.
/Eine iede %.Erkenntniß hat den Nutzen daß sie unsern %.Verstand cultivirt
%und unsre %.Kenntniße erweitert. Sie hat aber auch ihre besondern
Nutzen den wir %entweder früh oder spät einsehen lernen
wenn sie uns gleich anfangs unnütz zu sein scheint
/Der Practische Werth der %Erkenntniß ist derienige der uns in den
Stand setzt unsre Vortheile auszuüben
/Der Aesthetsche Werth einer %Erkenntniß ist die Unterhaltung zE
Gutgeschriebne Romane Gedichte %und der %gleichen unterhalten uns
solange als wir darin lesen. Selbst die Schlupfrigen Ge
dichte haben einen moralischen Nutzen. Denn iemehr ich das
|F_15'
/das feine in den Handlungen ansehen lerne %und %nicht bloß
an dem groben Genuß Geschmak finden desto mehr ist
das Gemüth zum Einfluß der %.moralischen Gründe fähig. In sol
chen Gedichten aber wird das feine %und reizende der Liebe
%nicht das thierische Bedürfniß abgehandelt %folglich p
/Bei %einigen %Erkenntnißen findet der Logische %und Aesthetsche Werth zusammen
statt. So sagt Horatz: Pariter in modo, fortiter in re
Gefällig in der Manier %und wichtig im Inhalt. Dieses nennt
man auch hypostatisch selbstandig %und ienes emphatisch.
/Die Einkleidung, die %.Mannigfaltigkeit ist das unterhaltenste
bei der %Erkenntniß. Die Einheit im Mannigfaltigen ist das schwer
ste aber zu gleich ein wichtiger Zwek aller %unsrer %Erkenntniß.
/
/
/
/
/ ≥ 5tes Capitel
/Von der Sinnlichkeit ≤
/Dazu gehören %nicht nur die Sinne sondern auch die untern
Krafte der Seele kurz alles was uns %unwillkuhrlich zu einer
Sache hinzieht. Sie wird dem Verstand entgegen gesetzt Zu %Be
griffen gehört %Verstand; zur Anschauung %und Empfindung %Sinnlichkeit
Man tadelt einen %Menschen wenn man sagt er sei sinlich. Wir
halten das für niedrig was beherrscht wird obzwar eben
so unentbehrlich %nicht als das herrschende der %Verstand ist edler
aber %nicht höher. Man giebt der %Sinlichkeit 2erlei Schuld.
/$a$ daß sie den Verstand betrüge
/$b$ daß sie ihn verdunckle %und verwirre.
/Wir wollen itzt eine Apologie für sie halten %und sie %von
%diesen Verbrechen zu befreyen suchen. obgleich %.keine Panegerie
|F_16
/Die Sinnlichkeit betrügt %nicht den Verstand nicht darum weil sie
%nicht falsch urtheilet sondern weil sie gar %nicht urtheilet. Der
Verstand hat sich also selbst die Schuld beyzumeßen wenn er
falsch urtheilet.
/Wir können weder bloßen Verstand noch bloße Sinnlichkeit
haben. Denn %durch bloße Sinnlichkeit können wir gar nicht
urtheilen durch bloßen %.Verstand «aber» könten wir zwar ur
theilen aber es würden lauter Hirngespinste sein daher
muß beides mit einander verbunden werden.
/Man kann überhaupt das Vermögen des %Menschen in ein sinn
liches %und in ein intellektuelles eintheilen. Sinnlich ist alles
das was zur Modification des Subiects gehört; intellectuel
was aufs Obiect geht. Wenn ich eine Rede nach den Wirkun
gen derselben bey mir betrachte; so ist sie für mich sinnlich
intellectuel aber wenn ich auf ihre Eigenschaften sehe
Das sinnliche Gefühl beruht auf dem Bewußtsein der
Modification unsres Zustandes; das intellectuelle auf der
Kentniß der Gegenstande. Alle Arten %von Metaphern sind sinnliche
%Vorstellungen. Sinnliche Lust ist wenn mein %.Zustand afficirt wird; %.intellektuelle
daß ich der Veränderung meines %Zustandes bewußt bin. Sinliche Begier
de entsteht aus stimulis; intellectuelle aus «Begr»Motiven. Die %Sinlichkeit
soll den %.Verstand verwirren das thut er aber selbst wenn er
zu viel %.Begriffe zusammennimmt ohne sie gehorig %von einander abzu
sondern. %Sinnlichkeit verdunkelt auch nicht den %.Verstand denn sie macht
ihn im Gegentheil noch klärer weil sie ihm die Beyspiele
giebt. Die %.Sinnlichkeit macht die Klarheit der Anschauung der
/δZusatz_Z_3-5
/Es ist bloß den %.Begehungs %und Unterlaßungs Fehlern des %Verstandes zuzuschreiben %und Mangel der %.Aufmerksamkeit
Das schöne %.Geschlecht ist %vorzüglich sinnlich %und Kinder auch. Jene
haben %nicht so viel Geschik im %Bildhauerkunst p ~
/δZusatz_Z_10-11
/Den sie lie
fert die Materialien p ~
|F_16'
/%.Verstand aber die Klarheit der %.Begriffe Die %.Klarheit der Anschauung
ist nun doch wol %.größer als die %Klarheit der %Begriffe.
/Man tadelt einige als abstracte Köpfe weil sie %.keine Beyspiele
aus der %.Sinnlichkeit nehmen; dagegen nent man andre die die
%.Sinnlichkeit statt des %.Verstandes brauchen seichte Köpfe. Beyde gehen
zu weit weil sie %nicht Verstand %und %.Sinnlichkeit gehörig mit einander
verbinden. Wenn die %.Sinnlichkeit ein Spiel ist, so kann sie etwas @dem@
%.Verstand hinderlich sein und ihn stören; aber sie nützt dem %.Verstand %unendlich
mehr. Der %Verstand giebt %.Begriffe Die %Sinlichkeit aber die Anschau
ung. Sie giebt die Beyspiele %und realisirt dadurch die Begriffe %daß
sie deutlich werden. Daher fodern wir %von iedem %daß er die
Sache sinlich vorstellen <versinnlichen> soll. Hätten wir %nicht %Sinlichkeit so würde unser
%.Verstand gar nichts %von Dingen erkennen weil er dann %.keinen Gegen
stand hätte. Ia wir könten fast eher des %.Verstandes als der %Sin
lichkeit entbehren. Denn hatten wir nur bloße %.Sinlichkeit so wä
ren wir zwar nicht %Menschen aber doch Thiere. Hätten wir aber blo
ßen %.Verstand denn könnten wir gar nichts %Menschen noch Thiere sein
Also ist die %.Sinnlichkeit wirklich uns nützlicher als der %.Verstand
/Warum hat er denn aber einen höhern Rang? Weil
er regiert %und Regeln giebt daher muß ihm alles unter
geordnet sein ZE der Gelehrte hat in der %.MenschenGesellschaft einen
höhern Rang als der Bauer obgleich dieser nutzlicher ist.
/Weil die Eindrücke der %Sinlichkeit %.größer als des %.Verstandes sind so ge
schieht es daß sie es ihm bisweilen, wenn sie im Spiel ist
es schwer«er» macht sich bewußt zu sein, was er thut. Dieses
/δZusatz_Z_2-3
/der %.Sinnlichkeit Män
gel zuschreiben als
wenn das noch Rukbbleibsel %von SundenFall waren ist ein Wahn. ~
|F_17
/Dieses ersetzt sie ihm aber reichlich indem sie ihm Stoff zu
%.seinen Betrachtungen giebt und dadurch %.seine %.Begriffe klärer macht
Wollen wir daher daß sie unsern %.Verstand %nicht hindre so dür
fen wir nur ein Beyspiel aus ihr nehmen, und sie da%durch
mit in unser Interesse ziehen; so wird dieser alle andre
%.Begriffe aus der %.Sinlichkeit abhalten
/Die %.Gewohnheit der %.Begriffe ist für den %.Verstand ein %.großer Vor
theil indem dan die %.Begriffe ungeruffen wieder kommen
Aber die %.Angewohnheit ist die %.großes Hinderniß für den %MenschenVer
stand. Die einmal angewöhnten falschen %.Begriffe wieder-
holen immer dasselbe Spiel der %Sinlichkeit %und lassen daher
dem %.Verstand gar %.keinen andern Gang nehmen ZE Wenn ein
Prediger auf der Kanzel %von der Wo«h»llust in einem gu
ten %.Verstand als einem %.großen Grade der %.SelbstZufriedenheit
redet so werden %.seine Zuhörer es doch %nicht einleuchtend %und ge
«n»nug<2> verstandlich<1> finden weil sie immer die ihnen an
gewohnten %.Begriffe %von einer thierischen Wollust damit ver-
knüpfen werden. In solchem Fall muß man denn
auch durch ein Beyspiel aus der %Sinnlichkeit sie mit in %.sein
Interresse zu ziehen suchen. Das %.großte Uebel aber welches
die %.Sinlichkeit macht ist dieses daß sie uns wieder unsre
Willkühr öfters dahin zieht wohin der %.Verstand %nicht wollte
Hierin verdient sie würklich Tadel und dies ist auch die %.Ursache
warum die Alten so sehr wieder sie geschrien haben.
/Denn die %.größte %.Vollkommenheit des %Menschen ist die nach Willkühr zu handeln
/δZusatz_Z_6-7
/Sie kann %.allgemeine %.Begriffe gleichsam
vereinzelnen. Nun giebts doch aber auch Fälle zE %Metaphysik wo mans ohne Nachteil %der %Gründlichkeit %nicht in concreto darstellen
kann %und hierin gingen viele Alten in %.Ansehung
der Popularitaet zu weit. ~
/δLage_C
|F_17'
/zu können, %.seine %.Erkenntniß auf einen %.Gegenstand zu richten %und
wieder davon abzuwenden. Das ist auch die erste Be
dingung aller Regeln und Vorschriften die ich halten %und
ausüben soll; denn wenn diese fehlt; so bin ich auch %nicht
im Stande mich nach Regeln zu richten. -
/Wir müßen daher immer dafür sorgen die %.Ge
müthsKräfte in unsrer Gewalt zu haben und dieses muß
schon in der frühen Jugend geschehen. Wir müßen also
die %Sinnlichkeit nicht herrschen laßen sondern sie %durch den
Verstand discipliniren, daß wir sie gebrauchen können
wenn %und wie es unserm Verstand zuträglich ist. Denn hat
die %Sinnlichkeit die %.Oberhand so gehts uns so als denienigen
Republicken in die die Anarchie sich einschleicht.
/Im Gegentheil müßen wir sie %nicht schwächen sondern
sie scharfen %und cultiviren nur muß der %.Verstand immer
über sie Herr bleiben. Diese %Sinlichkeit nun zu beherr
schen ist die erste %und %.größte %.Vollkommenheit die man aber
noch leider wenig ausgearbeitet hat.
/In unsrer %Sinnlichkeit ist der %.Verstand die Richtschnur %und die
%Sinnlichkeit die bewegende Kraft wie Pope mit Recht sagt
Ohne %.Sinlichkeit waren die %.Begriffe des %.Verstandes %von %.keiner Bedeutung
denn sie hatten %.keinen %.Gegenstand auf den sie könten ange
wandt werden. Sie ist also ein Instrument des %.Verstandes
Ein ieder %.Begriff des %.Verstandes hat daher so hell er auch immer
sein mag doch %nicht so viel Stärke als ein %.Begriff aus
der Sinnlichkeit %und diese reitzen auch eher den Willen
als die %.Begriffe des %.Verstandes den der %.Verstand geht nur auf
|F_18
/Obiecte die %Sinlichkeit aber bloß aufs Subiect d.i. auf uns selbst
daher interressirt sie uns auch mehr als der %.Verstand
/Ein ieder %Mensch hat bald %.einen %.größern bald %.einen schwächern Grad der
%Sinnlichkeit. Dieses kann man bald für %.einen Nutzen bald für
einen Schaden ansehen. Weil die %Sinnlichkeit dem %.Verstand
hinderlich ist; so kann ihm ein %.großer Grad derselben sehr schaden
Weil sie aber auf der andern Seite dem %.Verstand auch uberaus
nützlich ist, so kann sie ihm *1 wieder auch sehr nützen. Und so gehts
auch dem der %.einen %.schwachen %.Grad der %Sinlichkeit hat
/Bei dem %weiblichen %.Geschlecht ist das Spiel der %.Sinlichkeit viel lebhafter
als bei dem männlichen. Daher werden sie über Dinge viel eher
alterirt %und außer sich %.gebracht als %.Männer Sie mögen gern alles in Bei
spielen %und Fabeln vorgestellt haben. In ihren Begierden sind sie auch
sehr sinnlich.
/Musiker, Gärtner, Köche, Baumeister, Redner, Dichter, Mahler p
sind die Virtuosen der %.Sinlichkeit
/In der Kindheit hat man %nicht %.einen großen %.Grad der %Sinlichkeit als nachher
sondern der %.Verstand ist alsden schwacher %und daher die %.Sinnlichkeit
nach %.proportion %.großer - Im Alter ist unser %.Verstand %nicht %.größer als in der Ju
gend sondern die %Sinlichkeit schwacher p daher ist der %.Verstand dann
in Ansehung der %Sinlichkeit %.groß die %.BeurtheilungsKraft wächst zwar
%mit den Jahren %und ist im Alter stark. aber sie hilft %nichts zur Unter
drükung der %Sinnlichkeit, sondern daß man im Alter der %Sinlichkeit
beßer als in der Iugend wiederstehen kann,
/Unter allen %.orientalischen Völkern findet die %Sinnlichkeit der %Erkenntniß sehr statt
denn sie reden dort alles unter Bildern und haben %.keine solche gei
stische %und abstracte Wörter als wir das zeigt aber %.eine %.schwache Cul
tur ihres Geistes an, denn darinn kommen sie dem ersten %Menschen gleich
die auch %.eine %BilderSchrift hatten.
/δRand_018_Z_8
/*1 (ihm d.h. dem Menschen) ~
|F_18'
/Meiners macht hiebei die artige %.Bemerkung daß die %.SchreibArt in
Versen eher als die in %Prosa %.gewesen %und daß man anfangs alle %.Wissenschaften
ia gar die %Philosophie in Versen gelehrt habe Das komt nun aber
daher, daß die ersten %Menschen immer in lauter Bildern sprachen %und
für %abstracte «W»Begriffe noch %.keine Wörter hatten, weil sie im %gemeinen Leben
%nicht vorkommen. Zu dieser %.BilderSchrift nun ist der Vers @nur\nun@ angeme
ßen und %durch das SylbenMaaß wird die %.EinbildungsKraft noch mehr
unterhalten. So sangen Orpheus %und andre die erste %Philosophie in Versen
Heraclit fieng zuerst an in Prosa zu sprechen daher war er auch
den Griechen unverständlich weil er %.keine Wörter zur Ausdruk abs
tracter %Begriffe, %finden konte. Sobald man aber anfing durch %.Begriffe zu
sprechen so wurde die Prosa eingefuhrt. So bedienten sich hernach
Parmenides Anaximander %und Pythagoras zu ihrer Philosophie schon
der Prosa. Die hierauf die %Philosophie unter den %.Griechen empor kam so haben
sie ihre %.Sprache %mit einer Menge %.abstracter %.Begriffe bereichert. Die Roemer
fiengen später an %Philosophie @%und@ andre %.Wißenschaften zu treiben, brachten es darin
auch %nicht so hoch als die Griechen. Daher haben sie %.keine so %.große Menge
%von %.abstracten Wörtern in ihrer Sprache.
/Aus diesem kurzen Abriß %von der Geschichte der %menschlichen Sprachen kann
man sehen, daß die %.Orientalischen Volker noch %.eine %.KinderSprache der %Menschheit
haben %und %daß die Abendlandischen schon weit eher %von der %Sinlichkeit abge
gangen und sich zu den %.VerstandesBegriffen erhoben haben. Daher wa
re es lächerlich, daß wir, die wir %.eine männlichere %Sprache, haben
diese %mit der %.Kindersprache der %.Orientalischen Volker Vertauschen %und unter
lauter Bildern zu reden auch anfangen sollten, wie uns %einige
Schriftsteller aufs dringenste dazu anmahnen.
|F_19
/ ≥ Cap. 6.
/Von dem Gebrauch der sinnlichen Vorstellungen
/Von der Leichtigkeit und Schwürigkeit ≤
/Die Handlungen wobei wir unsre Vorstellungen %und Kräfte
willkührlich brauchen sind %.entweder leicht oder schwer
/Eine %Handlung ist schwer wenn ein %.großer Theil unserer Kräfte an
gewandt werden muß, um sie zu stande zu bringen und
leicht wenn ich sie %mit einem geringen Theil meiner Krafte
ausübe.
/In Ansehung der %.Verschiedenheit des Vermögens und der %.Kräfte
eines %Menschen ist auch die Leichtigkeit und Schwere bei iedem unter
schieden. Daher ist einem das leicht was dem andern schwer
fällt. Alles Leichte %und Schwere ist daher also vergleichungsweise
mit den Kraften des subiects leicht oder schwer
/Das schwere ist vom beschwerlichen unterschieden ienes geht
auf das Vermögen dieses auf die Lust 1 Joh 5 v 3 sagt %Christus
Meine Gebote sind %nicht schwer das sollte heißen, beschwerlich, denn
schwer sind die Pflichten wohl aber %nicht beschwerlich %nicht %mit unnü
zen Ceremonien und Plakereyen <vexation> verbunden als die Judische.
Woher ist denn aber das schwere unangenehm; weil wir da
%.einen %.großen Theil unserer Kräfte auf %.einen %.Gegenstand richten müßen
dadurch unsre Kräfte erschöpfen und sie nicht auf andre Gegen
stände anwenden könen. Weil wir im Gegentheil bei
dem Leichten unsre %.Aufmerksamkeit und Kräfte auch auf andre Gegen
stände richten könen; so gefällt es uns.
/Wenn aber das schwere ein Versuch sein soll den Grad «oder»
unsrer Krafte %und %Erkenntniß zu zeigen so wird es uns angenehm
die %Schwürigkeit einer Sache ist %.entweder innerlich, wenn der %@Grund\Grad@
da%von selbst in der Sache liegt *1 oder äußerlich wenn äußre Um
stände die Ausübung einer Sache hindern.
/δZusatz_Z_9
/Wenn und also noch %.ein %.großer Ueberschuß %von meinen %.Kräften behalte zE
wenn ein Kind von 9 Jahren einen Stein 33 %Pfund aufheben soll so fallt es ihm schwer
aber ein Arbeitsmann %nicht den er behalt noch %.einen
%.großen Ueberschuß %.seiner %Kräfte. Was verglichen mit
dem Vermögen der meisten schwer ist
nent man an %und für sich schwer ~
/δRand_019_Z_29
/*1 %und der Zwek oder das Wahre Gehalt
derselben %von größter %.Wichtigkeit ist ~
|F_19'
/Was leicht ist kann doch beschwerlich werden, %.entweder wenn
man sehr viele leichte Sachen zu thun hat, oder wenn es uns
unnöthig %und leer zu sein scheint %und wir dazu %.keine Lust haben.
Die vielen Complimente und Visiten, die man bei Erlan
gung eines Amts oder %.einer höhern Stuffe des Glüks ab
zulegen hat auch sonst im Umgange gewöhnlich und ihn
dadurch sehr lästig machen. Das sind lauter Vexationen
und unnöthige Dinge. Dafür giebt man sich lieber
Mühe etwas schweres aber auch wichtiges zu thun
/Der sich nur %.einen %.kleinen Zwek bei einer Sache vorstellt dem
scheint alles leicht. Wer sich aber %.einen %.großen Zwek bei ieder
Sache vorsetzt dem wird iede Sache schwer. ZE. der sich
bei der Erziehung eines Kindes nur GedachtnißSachen
ihm einzuprägen vorsetzt dem scheint sie leicht. (Es scheint
die %Menschen haben diese Vexationen darum erdacht um %.einem das er
langte Gluk erst recht sauer zu machen) Es ist %keine Kunst
etwas leichtes zu thun aber %.etwas %.schweres leicht zu machen ist
ein %.großes Kunststük. Schwere Lasten macht man vermittelst
%.gewißer Maschinen leicht. %.schwere %.Erkenntniß aber vermittelst %.gewißer
Lehrmethoden. %Schwierigkeit zu zeigen ist %nicht charlatanerie
/Wenn ich schwere %.Erkenntniße gegen Leichte vertausche %und sie da%durch
leicht vorstelle; so übe ich %.einen Betrug. Denn da gebe ich das
leichte statt des schweren, aber auch das seichte statt des
gründlichen. Viele Schriftsteller machen auf solche Art
ihre %.Erkenntniße leicht, indem sie nur die Oberfläche derselben
berühren und da%durch seicht werden. So war Voltaire und
hat die %Philosophie des Newton dadurch leicht gemacht das er
/δZusatz_Z_14-16
/zE der Pennalismus auf Universitaeten. Promoviren Heirathen. So auch in
der Religion das Fasten wie bei den %.Mohamedanern die 5 %.großen Geb@o\e@te ie
%vernunftiger ein %Mensch ist desto sauer wird es ihm ~
/δZusatz_Z_32
/(%.Advocaten pflegen oft die Richter da%durch zu übertölpeln wenn sie einen
Satz voraus schicken den sie für aus gemacht halten %und sagen es ist ausgemacht
er versteht sich von selbst.) ~
/δRand_019'_Z_1
/%.Eine Sache die andern Mühe kostet %.ver
ursacht mir auch %.Mühe %und Beängstigung. Sehe ich ie
manden %.eine Last ziehen so ist mir der Anblik be
schwerlich. Selbst, wenn ich zu Gast bin %und es ist
ein %.großer Umlauf %und Zurüstungen so ist mir die
ses %nicht lieb. Es müssen %.die Gäste, wenn in der %.Gesellschaft alles
angenehm sein soll %.gleichsam wie %von ohngefähr
bedient werden. ~
/δZ_13
/Das so genannte Hänseln bei den Kaufleuten
gehört auch dazu: Hansae bedeutet Handels %und
Hans - Kaufman daher HanseStädte ~
|F_20
/daß er alles schwere weggelaßen das ist aber Charla-
tanerie. Algarotti schrieb auch newtonsche %Philosophie für die Da-
men und dem ists hierin beßer geglükt. Des Voltairs Steken
Pferd ist die Toleranz aber das ist auch an sich %.eine leichte Sache
das schwere leicht zu machen hat nur wenigen geglükt ZE
dem Fontenelle wovon %.seine Gespräche %von mehr als einer Welt
von Bode mit Noten herausgegeben ein Beweis abgiebt.)
/Man muß daher das %schwere in einer %.Erkenntniß zeigen um solche
seichte Kopfe abzuschreken.
/Ein %Mensch der alles für leicht helt ist leichtsinnig der aber im Gegen
theil alles für %schwer ist peinlich. Ein leichtsinniger %Mensch ver-
spricht oft vieles %und hälts hernach nicht dieses kommt aber
%nicht daher weil er uns betrügen will, sondern weil er
die Sache wirklich für leicht hält %und ihre %Schwierigkeit %nicht ein
sieht noch überdenkt. Man muß also %.einem solchen %nicht viel trauen
dagegen kann man %.einem peinlichen eher trauen, denn die
ser überdenkt die innre %und äußere %Schwierigkeit einer
Sache %und verspricht %nicht eher als bis er sie gewiß leisten
kann. Solche Leute aber unternehmen auch gar %nichts son
dern rathen immer iedem %Menschen davon ab. Ein peinlicher
%Mensch sieht bei einer ieden Sache immer zuerst auf die %Schwü
rigkeit ein leichtsinniger aber immer auf die %Leichtigkeit.
/Die alles für leicht halten sind oft sehr schwache Köpfe denn ihr
%.Begriff accomodirt sich der Kraft ihres Vermögens. Sie kön
nen nie die %Wichtigkeit einsehen. Der peinliche setzt theils ein
zu %.großes Mißtrauen in %.seine %.Kräfte theils besorgt er Hinderniße oder
sieht auch welche. Wer oft Hinderniße bei Ausführung leicht
scheinender Sachen gefunden hat wird dadurch peinlich. <Der Sangui-
nische ist iederzeit leichtsinnig der melancholichus aber peinlich>
Das Sanguinische Temperament ist in diesem Betracht an %und
für sich selbst glüklicher, das %.melancholische dem Staate nüzlicher
/δZusatz_Z_9
/%.und Genies werden eben um der %.Schwierigkeit willen %.die %.Wißenschaft umarmen
%Schwürigkeit zeigen ist gut *1 ~
/δRand_020_Z_1
/*1 Jeder %Mensch hat %.eine %.gewiße Manier wie er %.eine
Sache die ihm %.vorkommt zuerst ansieht. Es ist daher
sehr nöthig Anfängern die %Schwürigkeit einer
%.Wißenschaft strenger herzuzählen %und Gellert hat vielen
Schaden gethan da er - %.Frauenzimmer glaubend
macht sie könten über %Gründe der Moral p urtheilen. ~
|F_20'
/Was einem leicht läßt gefällt den Zuschauern und dieses
ist das bekante air degagée wozu das Naturell am meisten
thut. Wem alles schwer läßt der ist steif. Der Umgang
ist als %.eine Unterhaltung %und als %.ein Spiel anzusehen daher muß
%.keine %Peinlichkeit und affectirtes Wesen darin angetroffen werden
weil er sonst das Ansehen einer Arbeit haben möchte
%und das air degagée ist also da %von %.großem Nutzen. Es ist darum
vortreflich weil es %einen %.Großen Einfluß auf andre %Menschen hat,
welche glauben sie könen es gleich «an»auch machen %und daher
Wohlgefallen «an sich» an der Sache und daher auch an dem
%Menschen empfinden, der es an sich hat.
/Eine Arbeit die nur kurze Zeit dauert aber viele %.Kraft
erfodert, nent man %.eine schwere; wenn sie aber anhal
tend ist iedoch nur wenige %.Kraft erfodert so heißt sie eine
ämpsige Arbeit.
/Das schwere ist %.entweder darauf gesetzt daß die Bemühung an
haltend sei %und dan erfodert es %Aempsigkeit, Fleiß oder 2
daß Anstrengung dabei sein muß, wenn sie auch anhaltend ist.
Wenn man schwere Dinge zu arbeiten hat so sucht man ihrer
bald loß zu werden %und arbeitet dann mit allen Kräften.
Hat man aber leichte Dinge zu verrichten so arbeitet man
lieber langsamer %und anhaltender.
/Man sagt also mit Recht: Ein fauler arbeitet sich <zu> «i»Tode, weil
er gern der Arbeit los sein will %und daher so schwer
arbeitet, daß es %.seine %.Kraft übersteigt. Dieses ist ein Character
der Preußen, daß sie gern schwer arbeiten mögen,
hingegen die ins Land %.gekommenen Salzburger %und andre fremde
arbeiten lieber weniger %und anhaltender.
|F_21
/Indeßen ist die ämsige Arbeit langweilig und beschwerlich.
Ein Fauler arbeitet darum schwer um hernach desto länger
ausruhen zu können. Denn er hält %.eine seltnere aber lan
gre Ruhe für beßer als %.eine öftere und kurze. Es ist aber un
serm Körper zuträglicher, wenn Arbeit %und Ruhe öfters %mit
einander abwechseln. %und Ruhe ohne abwechselnde Arbeit ist
ein Unding denn dadurch bekomt man Langeweile.
/Der Cholerische wählt immer manigfaltige der phlegmatische ämsige
der melancholische schwere und der Sanguinische leichte und
lange Arbeit. Die %.Gewohnheit macht alles leicht unsre %.Kräfte
wachsen dadurch %und der Unmuth in einer Sache %nimmt %immer
@m@ehr ab. Jemehr wir Lasten haben oder tragen desto starker
werden wir auch. Indeßen geht dieses aber %nicht bis ins Un
endliche fort denn sonst könten wir wer weiß %nicht was tra
gen lernen; sondern unsre %.Kräfte wachsen nur bis auf ein
%.gewißes Alter. Haben wir dieses erreicht so fangen unsre
Kräfte wieder an abzunehmen, ie alter wir werden.
Durch %.Gewohnheit wird man geübt, nicht mehr so viel
%.Aufmerksamkeit auf %.eine Sache zu wenden «und» das macht sie
leicht. Wie dies zugeht gehört in die speculative %.Philosophie
Dinge die nach einer «h»gewißen %.Gewohnheit ausgeübt wer
den, sind doch %von der Art, daß sie %nicht ganz %.vollkommen geschehen
%.Moralische Handlungen muß man nie aus %.Gewohnheit thun
die Angewohnheit müssen wir sorgfältig %von der %.Ge
wohnheit unterscheiden. Denn die erstere macht es uns %.nothwendig
etwas zu thun, und man macht sich dadurch %von Dingen abhän
gig. So kann man sich ZE Wörter %und Flüche angewöhnen die
einem immer vors Maul kommen und hernach schwer wieder
abzugewöhnen sind: Man kann sich selbst Empfindungen ange
|F_21'
/angewohnen. Wie den Tobak, BrandWein ia selbst Gift
ZE die Türken das Opium. Dieses sind Schmerzen %und man
kann sie sich doch angewöhnen indem %durch die öftere Wie
derholung die %.Aufmerksamkeit immer weniger darauf gerichtet
%und es uns gleichgültig und zuletzt gar angenehm wird.
/Man muß sich daher %nicht das geringste ia so gar %nicht einmal
%etwas Gutes angewöhnen, weil man sonst das immer
thut, ohne zu erwägen ob es sich an diesem Ort und
unter diesen Umständen schike oder nicht.
/ ≥ Caput 7.
/Von der Attention und Abstraction. ≤
/Wir können unsre %.Vorstellungen klar machen und auch wieder ver
dunkeln. Jenes heißt attendiren dieses abstrahiren.
/Alle attention ist %.entweder positiv oder negativ.
/Sie ist positiv wenn ich meine Gedancken worauf richte %und
sie klar mache d.i bis auf das Bewustsein meiner Vorstel
lungen starke; negativ aber, wenn ich meine Gedanken
wovon abwende %und das Bewußtsein meiner %.Vorstellung davon
schwäche. Nun ist dieses letztere abstraction hier ist der Zwek
bloß negativ. Demnach ist die Abstraction ein bloß negati
ver Gebrauch der Attention - denn wenn ich meine Gedan
ken wovon abwende so muß ich sie auf %.einen andern %.Ge
genstand richten und wir müßen eben sowol Kraft an
wenden, %.etwas %von uns abzuhalten als auszurichten. Es
bleibt also bei der Abstraction dieselbe Attention, nur die
Obiecte werden verandert. Abstraction ist noch viel
schwerer als Attention denn wenn ich worauf attendire
so folge ich der %Sinnlichkeit %und dem %natürlichen Hange meines Ge
müths sich immer mit Obiecten zu beschäftigen. Abstrahire
ich aber so komt mir immer die %Sinlichkeit in den Weg.
/δRand_021'_Z_1
/Die %Menschen thun sich ofters Schaden
wenn sie zu wenig %und andre wenn sie zu viel
abstrahiren. So sieht man %daß %Menschen im Affect %.von
allen andern Neigungen %.abstrahiren %und nur die %eine nähren
Andre %.abstrahiren im Unglük zu viel, indem sie alles
Gute was um sie ist ihrer Betrachtung ent-
ziehen. Man hat auch wieder in %.gewißen Fällen
zu viel %.Attention mancher kann nicht den geringsten Spaß ver
tragen ~
|F_22
/Daher sind Wissenschaften bei denen viel zu abstrahiren
ist viel schwerer als bei denen zu attendiren ist. Ich kann %nicht %auf
%.eine Vorstellung attendiren ohne von der andern zu abstrahi
ren, oder sie dunkel zu machen. Daher ist abstraction und
Attention immer verbunden. Ich kann auf zweifache Art
Vorstellungen klar machen
/1. Wenn ich diese Vorstellungen zu einem so hohen Grade der
Klarheit erhebe als nur möglich. Das thut die Attention
/2.) Wenn ich rundherum allen andern %.Vorstellungen so viel Klarheit
entziehe, daß sie ganz verdunkelt werden, und nur die eine
bleibt. Das ist Abstrak«t»zion. Abstraction ist nicht Mangel der
%.Aufmerksamkeit, ihr Zwek ist bloß negativ - Sie ist %.eine %Thätigkeit
indem sie andre %.Vorstellungen abhalte daß ihre Eindrücke %nicht auf
mein Bewußtsein würken - Alle Attention und Abstraction
kann willkührlich und unwillkührlich sein. Die willkührliche
Abstraction und Attention macht das Princip der SelbstBeher
schung aus *1 - Unwillkührlich abstrahirt ein %Mensch, wenn er alle
Ideen, die ihm durch den Kopf lauffen, zurückstößt, %und an einer
so hängt, daß er sie %nicht laßen kann. Sie ist %.ein grausames
Hinderniß zu denken. Die unwillkührliche Abstraction hällt
lange nach, obgleich dieser Nothfall in dunkeln Vorstellungen
besteht. Der %Mensch ist übel dran dem sie anhängt, denn sie schwächt
sehr die Kräfte. Das beste Mittel dagegen ist die Gesellschaft
der Zustand der Gedankenlosen Abstraction ist eine Gedanken
losigkeit. Empirische Leute abstrahiren %nicht genung ZE von
gewißen Nebendingen um aufs Principale zu attendiren
Man muß in den Mitteln der Ausführung abstrahiren
wenn man %.einen Plan macht. Speculative Köpfe abstrahiren
zu viel Sie denken gar %nicht wie die Sache in Concreto sind sondern
sie betrachten sie nur in abstracto. Viele %Menschen werden un
/δZusatz_Z_16
/Die %.große %Vollkommenheit des %Menschen besteht. darin daß er alle %Thatigkeit in %.seiner Gewalt hat. Der ist der gluklich
ste der %.seine %.Abstraction %und %.Attention beliebig %regiren kann
%daß man %durch die Abkehrung der Gedancken
selbst den gegenwärtigen Schmerz sehr
mäßigen kann zeigt die Erfahrung. %Ein auf der
Folter liegender Mißethater konte da%durch
daß er starr auf %.ein gegenüberhangendes
Bild sah lange alle Schmerzen verbeissen
aber kaum hatte man ihm, weil man
es bemerkte die Augen verbunden so
gestand er gleich alles. Der %Mensch sucht biswei
len zE wenn er schlafen will %und %nicht kann
sich %.seine %.Zustand %.vergeßen zu machen. Das beste Mittel
- alles vermischt durch einander lauffen zu
lassen %und %nichts lauffen zu laßen. - ~
/δZusatz_Z_18/19
/So sind Hypochondrische nur im gesunden
%Zustand hat der %Mensch Gewalt uber diese Thorheiten. ~
|F_22'
/unglücklich, wenn sie zuwenig, viele wenn sie zuviel abstrahiren
ZE. Wenn iemand heyrathen will und alle Tugenden bei einem
Frauenzimmer, über die verdammten PockenNarben aber nicht
wegkommen kann; so abstrahirt er zu wenig. Ein %Mensch dem
die Schönheit des Mädchens anständig ist, weil er Hörner befürch
tet, abstrahirt zu viel. Ihr Unglük kommt daher, daß sie %nicht
nach Wilkühr abstrahiren können. Die lästigen Gedanken aus
dem Sinn zu schlagen %und angenehme an deren Stelle zu setzen
ist das höchste LebensGlük. Die Stoiker schärften das %«z»vorzüglich ein
und hatten es auch vorzüglich in ihrer Gewalt. Es scheint daß iede
Abweichung %von der Regel unwillkührlich die %Menschen auf %.einen Ge
genstand heftet ZE Wenn iemand fällt, werden die Augen
unwillkührlich auf die Stelle gezogen. Mit %.Wörtern attendiren %und
abstrahiren haben die Wörter dissipirt und Distrahiren
eine ähnliche Bedeutung. Man dissipiren oder zerstreut sich
wenn man %.seine %.Aufmerksamkeit auf %nichts besonderes heftet sondern
sich mit manigfaltigen %.Gegenständen flüchtig beschaftigt. Dies ge
schieht in der Gesellschaft. Es ist der angestrengten Arbeit
entgegen, und dient, wenn es auf dißelbe folgt, zur Erholung
durch diese Dissipirung wird uns die vorher getriebene
Sache, wenn wir zu ihr hernach wieder zurückkehren ganz neu
%und in einem «@geneh¿¿ neu@ und in einem» andern GesichtsPunkt
erscheinen - Oft dissipirt man sich auch, um des %Gegenstandes
los zu werden ZE Bei Kumer, UnglücksFällen p. Man muß
sich darin %von Jugend auf üben und wenn man das in %.seiner Gewalt
hat so ist man <sehr> glücklich. %.Wahnsinigkeit entsteht oft daher wenn
man auf %.einen %.Gegenstand lange Zeit immer %.seine %.Aufmerksamkeit
richtet. Ist man unwillkührlich zerstreut so ist man distrahirt
|F_23
/(distrait, absent) So sind die Melancholiker Es läßt aber
gar %nicht in Gesellschaften %und ist tadelhaft. ZE Wenn ich ieman
den anrede %und er hört mich nicht und denkt an was anders -
FrauensPersonen sind selten zerstreut und weniger als Mans
Personen. Gelehrte die sich sehr beschäftigen sind auch oft
unwillkührlich zerstreut ZE Newton wurde %von %.seinem Freund
besucht, dieser kam in %.sein Speise Zimmer %und wie er da zuge
dekte Schusseln mit Eßen find aß er das darin %.befindliche
auf um den Newton zu probiren - Newton kam herun
ter dieser bat ihn, mit ihm spaziren zu gehen Er bewillig
te es wollte aber vorhero eßen Als er aber in den
Schüsseln nichts fand; so dachte er, er hätte schon gegessen
schämte sich %.seiner Vergeßenheit %und sagte zu %.seinem Freund: Wir
Gelehrte sind doch sehr vergeßsam. - Dies ist eine todte
Zerstreuung woraus man sich schwer finden kan.
/ ≥ Capitel 8.
/Von den Sinnen insbesondere. ≤
/Der Sinn ist das wodurch wir uns einen Gegenstand als
gegenwartig vorstellen oder das Vermögen der Vorstellun
gen, insofern %durch sie die Gegenwart des %.Gegenstandes bewirkt
wird. Die Sinne sind entweder äußere, oder «der» innere
Sine, oder die EinbildungsKraft, diese ist eine anschauliche Vor
stellung, die ohne Gegenwart des %.Gegenstandes bewirkt wird. Es
giebt nicht mehr %.Erkenntniß durch die %Sinnlichkeit als die, daß nur <%entweder> der %.Ge
genstand gegenwärtig sei oder %nicht - In allen unsern sinnlichen Vor
stellungen sind a.) die Materie, die Eindrücke die die %.Gegenstände auf
uns machen b.) die Form, die Verbindung derselben diese ist
die Art wie der %.Gegenstand in einem Raume bestimmt wird
die Eindrücke bestehen darinn wie etwas auf mich wirkt. Die
EinbildungsKraft hat in ihrer Gewalt uns die Form der «Din»
|F_23'
/Dinge vorzustellen aber weit weniger die Eindrüke; - sie ver
fälscht sie vielmehr. So stellen wir uns ZE im Traum die Form
der Dinge ganz richtig ihre Farben aber in der Dämmerung vor
Die äußern Sinne fodern stets Eindrücke die %.EinbildungsKraft
aber nicht. Die Sine erfodern immer %.einen %.Gegenstand Sie sind
/a.) äußerliche für den Körper wodurch ich die obiecte erkene
/b.) innere: d.i. die EinbildungsKraft, wo%durch mein eigner Zustand
afficirt wird. Bei den erstern wird zuerst unser Körper;
bei den letztern erst unser «Körper» Inneres und dann unser
Körper afficirt.
/Die äußere Sinne sind 1. Der Sinn der vitalen Empfindung 2 die
Sinne der OrganEmpfindung - bei dem ersten finde ich mich ganz
afficirt, bei den andern nur %.ein oder dem andern Organ %durch den
vitalen Sinn wird das ganze NerwenSystem erschüttert wie
ZE Beim Grausen, das sowol durch Ideen als äußere %Gegenstände er
regt wird - den vitalen Sinn können wir sensum vagum die an
dern sensus fixos nenen. Durch den vitalen Sinn empfinde ich
mein ganzes Leben. Diese OrganSinne sind wieder zweierlei
/$a$.) Obiective Sinne die uns mehr die %.Gegenstände als die Art wie
wir %von ihnen afficirt werden vorstellen und
/$b$.) Subiective - die uns mehr die Art, wie uns die %.Objecte afficiren
als die %.Gegenstände selbst vorstellen.
/Zu der erstern Gattung gehören der Sinn des Gesichts, Gehörs,
Gefuhls, die mehr obiectiv als subiectiv sind - zu der andern
der Geschmack der Geruch
/A.) Das Gefühl ist zweierlei a. das Gefühl der Lust oder Unlust
und b. die Empfindung eines %.Gegenstandes durch die Berührung.
Das Gefühl ist der gröbste Sinn %und kömt dem «su»obiectiven am nächsten
E«s»r ist auch der getreueste Sinn. Es ist das sicherste %und erste Mittel den
%.Gegenstand kennen zu lernen. Denn ohne das Gefühl %und bloß durch
das Gesicht würden wir die Gegenstände %nicht für Substanzen sondern
für gemachte Figuren halten. Wenn ich im HohlSpiegel eine
umgekehrte Rose stelle; so sehe ich eine in der Luft schwe
|F_24
/schweben. Ob dies nun wirklich eine Rose sei, kann ich nur %durch
das Gefühl ausmachen. Dieser Sinn giebt uns wol die Elemente
unserer %.Erkenntniß aber %.keine neue Begriffe. Er liegt vorzüglich in
den FingerSpitzen. Die Berührung geschieht nur auf der Ober
fläche - Der Sinn ist ein immediater Sinn durch ihn erkennen
wir die Substanz
/B.) Der Sinn des Gehörs. Bei dem Hören wirkt der %Gegenstand nicht
unmittelbar sondern erst durch die Luft auf mich %und ich wirke gar
nicht auf ihn. Er ist der Sinn der am besten zur Mittheilung der Ge
danken geschickt ist, noch weit wichtiger als der Sinn des Gesichts
weil wir ohne ihn %.keine Vorstellungen und Ideen bekommen können
der Sinn des Gesichts ist %.überhaupt unter allen Sinnen der entbehrlich
ste - Wir fühlen ob was rauh oder glatt ist. Blinde können da%durch
so gar Farben unterscheiden So ist ihnen blau am glattesten, weiß
rauher, schwarz noch rauher. Das Gehör stellt uns %nicht die Gestalt
eines %.Gegenstandes vor sondern nur daß überhaupt ein %Object dasei - das
Gehör ist das geschwindeste Mittel %.seine Gedanken auf einmal vielen Per
sonen vorzustellen oder mitzutheilen. Der Schall ist vorüberge
hend und zeigt %.keine Obiecte an, daher kann er am besten zum willkühr
lichen Zeichen der Obiecte genommen werden. Das Schreiben ist so wie
das Denken ein unmittelbares Hören Er Beschäftiget sich vorzüglich mit
obiecten doch aber auch mit unserm eigenen Zustande. Es ist ein
dringend %und theilt sich mit dem Gefühl des ganzen Lebens. Daß die
Musique uns so rührt kommt daher: Bei ieder Bewegung sind die
Bebungen der Töne alle gleichzeitig %und das macht %.große Erschütterung
in den Nerven %und %.größere als bei einer ungleichzeitigen Bewegung
so verursacht ein %ordentlicher Marsch einer Armee über eine
Brücke von Pontons, daß diese sich %von einander trennen - welches
in einem %unordentlicher Herübergange %nicht geschieht daher geschieht die
ses letztere immer %von einer Armee.
|F_24'
/«3»C. Der Sinn des Gesichts. Hier empfinden wir die %Gegenstände %durch
das Licht. Daher ist die Sphaere des Gesichts die größte, weil man
%.eine größere Menge auf einmal überschauen kann als sonst bei
einem Sinn. Die Eindrücke des Gehörs %und des Gesichts verzerren
sich %nicht und vermischen sich %nicht unter einander. Man kann nehmlich
im Spielen %und Reden gut unterscheiden wen Fehler gemacht
werden Der Sinn des Gesichts ist mehr obiectiv als subiectiv. Denn man
kann %nicht etwas ansehen ohne es zu beobachten (Beim Sehen em
pfindet man gar %nicht %.seinen eigenen Zustand. Nur nach langem Sehen
wird das Gesicht unmerklich ermüdet.) Das Gesicht hat eine
besondere Freiheit. Wie man zE etwas sieht wofür man
einen Ekel hat so kann man %.sein Gesicht davon wegwenden.
Hingegen beim Gehör gilt das nicht. Die %.Unterhaltung des Gesichts
ist die edelste weil man Freiheit dabei hat. Man kan einen
%.Gegenstand lang betrachten und wenn man ihn genung betrach
tet hat, kann man sich wegwenden. Jemehr Vergnügen
einer %von aufgedrungenen Empfindungen hat desto un@w\r@ich
tiger ist sein Geschmack. In Ansehung der Gestalt hat
das Gesicht mit dem Gefühl eine %Aehnlichkeit. Man glaubt daß
die Strahlen nicht %.von dem Obiect in unser Auge sondern von
dem Auge in andre Obiecte gehen. Dieses komt daher
weil es uns scheint als wenn Strahlen aus dem Auge auf
das Obiect fallen. Daher der Glaube des gemeinen Mannes
daß die so genanten Hexen schon durch ihre Ansehen schaden
kön<t>en. Daher betet man in Spanien in den Kirchen, daß
%Gott sie für bösen Augen bewahren möge %und Virgil sagt
auch: nescio qui oculis teneris mihi fascinet agnos.
In Ansehung der Farben hat das Gesicht ein ähnliches
mit dem Gehör und zwar in Absicht der Töne oder
die Farben müssen eben solche Harmonie als die Töne
haben wenn sie gefallen «w»sollen. ZE Wenn iemand einen
|F_25
/Wenn iemand einen blauen Rok und %.eine blaue Weste hat
so würde das nicht abstechen wol aber eine gelbe Weste un
ter blauem Rok nicht aber %.eine blaue West unterm gel
ben Rok. Im ersten Fall würde daraus im Auge eine grü
ne Farbe entstehen im letztern %.eine schmutzige gelbe Farbe
(das Auge scheint also nach der Mischung der Farben zu
urtheilen). Das ist so wie die Harmonie <in> de«r»n Tönen. Man
bemerkt auch, daß manchen den das gelbe kleidet, klei
det nicht das Blaue und manche sehen in %.gewißen Farben
ordentlich schlimm aus; woher das komme ist nicht recht aus
gemacht. Junge Leute kleiden helle Farben. Die %.eine frische
Farbe haben, bekommen dadurch noch mehr Röthe und die bleich
aussehen werden durch helle Farben noch bleicher Es giebt ge
wiße zufällige Farben ZE Wenn man ein roth Papier lange in
der Sonne betrachtet und gleich darauf ein weißes nimmt so
sieht man es für grün an. Denn im weißen sind alle Haupt
Farben, nehmlich gelb roth und blau vermischt. Nun ist die ro
the Farbe ausgelöscht. Aus gelber und blauer Farbe aber wird
grün. Nimmt man ein gelbes und darauf %.ein weißes «so
sieht man», so sieht man das letztere für violet an. Denn
roth %und blau giebt violet. Nimmt man blaues und darauf weißes
Papier so sieht das letztere orangegelb aus.
/Es giebt Leute die beim Gehör gar %nicht afficirt werden auch
die Töne %nicht unterscheiden können %und so hat man auch kürzlich
%.eine Familie entdekt die gar %.keine Farben unterscheiden und
denen alles wie Licht und Schall vorkam.
/
/Die Sinne die mehr subiectiv als obiectiv sind, sind Geruch und
Geschmack. Es sind beide Arten %.von Empfindungen mittelbar
vermittelst der Salze. Der Geruch vermittelst der flüch
tigen Salze d.i. solcher die %durch die Luft aufgelöst und uns
zugeführt werden. Der Geschmack vermittelst der feinen Salze
/δLage_D.
|F_25'
/1.) Der Geruch. Wenn viel Geruch zusammen ist so weiß
man %nicht, was man riecht, zu unterscheiden ZE Wenn man
in einem Garten auf einmal viele Blumen riecht. Der
Geruch %und Geschmack haben das unterschiedene von den
Eindrüken des Gehörs und Gesichts diese letztere geschehen
vermittelst gerader Linien. Der Geruch und Geschmack
wirkt %nicht in geraden Linien sondern in krummen %und im ganzen
Raume (daher vermengen sich die %.verschiedenen Gerüche.)
/Kommen viele Gerüche zusammen so riechts anfangs nach was
hernach nach nichts. (Im Dunkeln können wir lange %nicht so viel
schmeken, als wenn wir sehen und wir können %nicht Rind %vom
Schöpsen_Fleisch unterscheiden. So schmekt auch %nicht der Tobak
im Finstern.) Auch nur %vom bloßen Schmeken kann man schon
satt werden. So kann ich wenn ich verschiedene Weine schme
ke und auch gleich ausspeye doch zuletzt benebelt werden.
Der Geruch wirkt in der Weite der Geschmak durch un
mittelbare Berührung indem er vermittelst der Salze
die %Feuchtigkeit aus der Zunge zieht. Die vorigen obiectiven
Empfindungen des Gefühls, Gehörs und Gesichts sind Sinne
der Wahrnehmung. Diese subiectiven aber sind Sinne des
Genußes. Denn durch beide genieße ich wirklich etwas
der Geruch sättigt wirklich daher kommts, daß uns vor
wiedrigem Geruch ekelt und wir uns gar darüber erbre
chen, welches letztere doch allemal %.eine genoßene *1 «Scheise» <Speise>
voraussetzt. Diese beiden Sine sind daher viel eindringen
der. Der Sin des Geruchs geht mehr«entheils»<mals> in den Vital
Sinn über, als der - des Geschmaks, denn %durch den Geruch entsteht
mehr Ekel als durch den Geschmak. (der Sin des Geruchs
verursacht unter allen übrigen Sinnen die größte vitale Emp
/δRand_25'_Z_24
/*1 Speise ~
|F_26
/Empfindung. Ein langer und durch dringender Geruch ist
schedlich besonders %von Blumen %und das %vorzüglich des Abends wenn sie
%.keine Sone mehr bescheint. Der Geruch wirkt so stark auf die
Lebens Geister daß er uns in Ohnmacht bringen auch wieder
daraus erweken kann. Man muß sich daher vor allen
stark riechenden Sachen bewahren. Den ie feiner die vita
le %.Empfindungen sind desto schadlicher sind sie denn sie schwächen
unsern Körper.) Die Sinne werden %.entweder %durch mechanische
oder chemisch«e» Einfl«u»üße afficirt, diese sind eindringender.
Denn die ersten afficiren gleichsam nur die Oberfläche
/Einige Sinne kann man %gesellschaftliche Sinne nenen als das
Gesicht und besonders das Gehör. Diese bei schon erwach
senen Jahren zu verlieren ist daher für den %Menschen sehr em
pfindlich.
/ ≥ Nun noch einige allgemeine Bemerkungen über die Sinne. ≤
/Wenn der Vital_Sinn sehr stark bei einem %Menschen ist; so ist der
%Mensch sehr unglüklich. Es muß daher der Fond des Wohlbe
findens bei einem %Menschen immer gleich sein. Er kann zwar
zuweilen %.einen Zusatz dazu thun; wenn dieser aber zu groß
ist; so erfolgt Ueberspannung des VitalSinns und aus dieser
oft wiederhohlten Ermattung ein übler %.Zustand des %Menschen.
Empfindung ist für die %Menschen sehr gut, aber %Reitzbarkeit er
mattet die Nerven. Wenn iemand durch den Anblik einer
schönen Gegend entzükt wird; so folgt gleich darauf Schwer
Muth denn %.sein Geist ist denn zu sehr ermattet. Aus der Ermattung
entsteht zu große %Reitzbarkeit. Stumpfer Sinn ist derienige
der zwar empfindet aber %nicht sehr oder gar %nicht davon
afficirt wird. Diesen haben die Mannspersonen. Die Frau
enspersonen haben dagegen zu %.große %Reitzbarkeit, daher thun
sie bei iedem kleinen Schreken auch einen lauten Schrey
«dies letztere lehrt sie die Natur %und es ist ihnen wirklich heilsam»
|F_26'
/dies letztere lehrt sie die Natur %und es ist ihnen wirklich
heilsam. Denn da%durch werden sie %von ihrer Angst entledigt
%und auf %.einen andern %.Gegenstand nehmlich auf ihr Geschrei gelenkt.
Feinheit des Geschmaks und reitzbarer Reitz sind selten
beisammen.
/Wer gleich so sehr von einer Sache gereitzt wird, kann nie
recht unpartheyisch davon urtheilen.
/Einige Sinne lehren wenig, sondern afficiren viel
mehr und die mehr lehren affiziren wieder weniger
ZE Eine Mahlzeit afficirt mehr als ein Gemälde, lehrt
aber weniger. Denn iemehr wir aufs %subiect Acht haben
desto mehr werden wir %vom Obiect abgezogen %und doch
gewährt uns bloß die Erkentniß des Obiects, Kentniße
Gewiße Sinne sind sehr undankbar So sagt man: der
Sin des Geruchs sei uns mehr zur Straffe als zur Wohl
that gegeben, denn wir empfinden dadurch mehr unan
genehme als angenehme Gerüche. Aber der Geruch ist
auch %eigentlich dazu %nicht bestimmt sondern, um die uns %schadlichen
Sachen schon %von weitem zu erkenen - Feinheit der Sinne
zum Urtheil ist sehr zu unterscheiden %von der %Zärtlichkeit der
Sinne oder dem Antheil den wir an Dingen nehmen
Der Wilde hat gewiß weit stärkere %und feinere Sinne
als wir, denn er kann zE Feuer in einer sehr weiten
Entfernung riechen, ia er soll so gar die Fußstapfen
%.seiner Feinde erkennen könen. Aber so %zärtlich %und reitzbar sind
%.seine Sinne %nicht wie des %.Europäers denn er kann die unange
nehmsten Sachen riechen ohne %.großes MißVergnügen da
rüber zu empfinden. Wilde empfinden nur bei eßbaren
Dingen %.einen Geruch (daher gefiel %.einem Indianischen Sachem in Paris
|F_27
/die Garküche am besten) So ist auch Kindern der Geruch
ziemlich gleichgultig. Der Geruch scheint uns vorzüglich dazu
gegeben zu sein um die faule Luft zu unterscheiden
weil diese das Blut corrumpirt - dient unser Geschmack
aber auch zum Nutzen oder bloß zum Ergötzen? Vorzuglich
zum erstern, denn wenn man den Schlund betrachtet, so ist
dieser lange Canal bis zum Magen mit einerlei Drüsen
angefüllt diese - werden @nun@ nach %.Beschaffenheit der genom
menen Speisen %und nach %.Beschaffenheit der Verdauung mit Säften
angefüllt, die %.entweder im nöthigen Maaße oder überflüßig da
sind %und corrumpirt <gefunden> werden. Sind diese corrumpirt so komt
dieses %von den genoßenen Speisen her. Süße Sachen machen
viel Säure und füllen die Drüsen damit an. Alkalinsche
Sachen machen viel Alcala. Nach %.Beschaffenheit dieser Sache verlangt
nun der Geschmak gemeinhin. Sind die Drüsen mit zu vieler
Säure angefüllt; so verlangt er alcalinsche Sachen als Stokfisch
Sind sie mit zu viel Alcali angefüllt; so mag er gern
süße oder saure Sachen. %.Ueberhaupt hat der Magen eines
ieden %Menschen entweder zuviel Säure oder zuviel Alcali
/Der Geschmak lehrt uns also immer, was uns gut ist,
genießen. Der Geschmak kostet am meisten unter
allen Sinnen - Im Trinken ist er gesellschaftlich - die sü
ßen Sachen schmeken hernach dem Schlunde %nicht, die sauren
aber geben %.einen guten Nachschmak. %.Mannigfaltigkeit %von Speisen
ist dem Magen zuträglicher; da er %.eine %Mannigfaltigkeit %.von Säften
braucht. Von mannigfaltigen Speisen kann man auch mehr essen
als %von einerley - Bei den Patienten ist es %.ein Zeichen der Ge
sundheit, wenn sie Appetit bekommen, %und diesen muß man be
friedigen. Einige Speisen sind besonders nahrhaft indem sie zur
Zubereitung manigfaltiger Säfte dienen. ZE Zuker, Brot welches
wol fast alle Thiere genießen.
|F_27'
/ ≥ Von den Mitteln
/Vorstellungen klarer oder deut«licher» <klar> zu machen. ≤
/Unsre Vorstellungen werden gehoben
/1.) durch den Contrast oder die Abstechung
/2. die %Neuigkeit und
/3. durch Wechsel
/1. Durch die Abstechung Eine Vorstellung %von einem
%.Gegenstand mit ihrem Wiederspiel an einem andern %Ge
genstand ist Abstechung. Das Gegentheil von einer Sache
giebt ein Wiederspiel an einer andern Sache und das
ist ein Contrast zE Wenn man aus Westphalen, wo
es die gröste %.Unreinigkeit giebt, nach Holland wo wieder
die %.große %.Reinigkeit ist komt; so macht es einen Contrast
Oder wenn man am goldenen Service Ueberbleibsel
%von Eßen kleben sieht. so ist das ein contrast. So richtete zE
Cabelus als er, da er am französischen Hofe zu den hochsten Ehren
stellen gekommen war, an einem CourTage mit %.einen schwar
zen Rok erschien, die Augen aller Hofleute auf sich
der Contrast hebt also %.eine Vorstellung %und macht, daß man
mehr %.seine %.Aufmerksamkeit aufs Obiect richte
/2. Die Neuheit. Wenn wir eine Sache zum ersten mal er
blicken oder vernehmen; so ist sie uns viel angenehmer
als wenn wir sie zum 2ten Mal erbliken oder vernehmen
Die %Neuigkeit ist gleichsam ein neuer Erwerb %und dieser ist
iederzeit angenehm. Man frägt hier %nicht ob es wirklich
wahr sei sondern man sucht sich %.von der Wahrheit zu
überreden und die %.Wahrheit davon auf alle mögliche
Weise zu zeigen. Was wir schon als was altes an
sehen, davon ist die Vorstellung weil es uns schon
|F_28
/bekannt und wir deßen gewohnt sind, sehr geschwächt
Wenn man eine %Neuigkeit schon vorher andern auspo
saunt so machen sich andre davon %.eine so %.große Erwar
tung in ihrer EinbildungsKraft, daß die Sache selbst
nie die Erwartung erreicht. Weil der andre also
getäuscht wird; so stellt er sich die Sache schlechter vor
als sie ist. Daher thut man keinem einen Gefallen,
wenn man ihn in einer Gesellschaft in die er zum er
sten mal kommen soll, vorher sehr erhebt. Dadurch
macht man den Leuten %.große Erwartungen, sie mer
ken auf die geringste Kleinigkeiten deßelben %und vielleicht
bemerken sie da %nicht etwas das dem unsrigen Ideal
wiederspricht. Sagen wir aber nichts von einem sol
chen und er tritt in die Gesellschaft zum erstenmal
hinein so wird er, wenn er %.ein irgend geschickter und
artiger Man ist durch den Reitz der Neuheit so sehr
gewinnen, daß ihn die Gesellschaft, da sie das gar %nicht er
wartete oder vermuthete für viel artiger oder
geschickter halten wird als er ist.
/3.) Der Wechsel. ist das auf einander folgende Sein
oder Nichtsein. Es muß %.Unterbrechung sein daher kann
niemand Ruhe lang ertragen %und sie ist eine Last wen
sie %nicht durch Arbeit abgewechselt wird. Die Ruhe ist sozu
sagen eine Null in der Arbeit. Alle %.Vorstellungen sind
des Morgens weit lebhafter, welches daher kommt weil
ich eine Weile dieser Vorstellungen beraubt «ab»war
durch diesen Wechsel entsteht die %Lebhaftigkeit. Ein un
unterbrochener Genuß erwekt Ueberdruß und wer
nie hungrig gewesen ist, dem kann nie das Eßen recht
|F_28'
/schmeken - Von diesem Wechsel entspringt die
%Annehmlichkeit der Reisen. Das En«¿»de an den Dingen
macht hier durch den Wechsel die großte %Annehm
lichkeit. So zE. Wenn die SchlußVerse eines Gedichts
von vorzüglicher Güte und Schönheit sein so gefällt
oft dieser Verse wegen das ganze Gedicht, das oft
ziemlich mittelmäßig sein kann. Daher kommt es, daß
vorzüglich angenehme %und launigte Schwenken mit dem
die Unterhaltung einer Gesellschaft aufhört uns noch
lange nachher gefallen, %und uns daher die ganze ge
wesene Unterhaltung als angenehm vorstellen und
gleichsam wie Töne lange nachhallen: - daher auch
das vortheilhafte Urtheil, das %vorzügliche Gefallen %und
der Eindruck an einer Predigt oder Rede, die einen
schönen Schluß hat. Und alles daher, weil auf
das Ende %.eine Beraubung erfolgt und daraus also
ein Wechsel entsteht. Er ist wie %.eine schwere
Farbe auf dem alle Farben lebhafter %und heller er
scheinen - Auf solche Art halten wir das Leben eines
%Menschen für durchgängig gut und fromm, wenn er in %.seinen
letzten LebensTagen %.eine fromme Handlung ausgeübt
hat. - Und wenn iemand am Ende %.seines Lebens ein Un
glük wiederfährt so hällt man ihn unglüklicher
als wenn ihm diese Unglük vorher begegnet und er zuletzt
glüklich gewesen wäre.
/So wie wir nun bis weilen nöthig haben unsere
Empfindungen zu beleben; so haben wir auch zuweilen
|F_29
/wieder nöthig unsre Empfindungen wieder stumpf
zu machen oder zu schwächen. Das erste Mittel hiezu
ist %.seine %.Aufmerksamkeit von den Empfindungen ab zu lenken
%und auf etwas anderes zu wenden. Das ist also %.eine Diuersion
die ich <mit> den Empfindungen mache
/Die Stärke der Empfindungen zu schwächen dient der
Rausch, der durch den Trunk und narkotische Sachen ver
ursacht wird. %Eigentlich schwächt er %nicht die Empfindungen
sondern das Empfindungs_Vermögen. Liebe zum Trunk
ist sehr %von verschoffener Neigung zu %.unterscheiden wer die
se besitzt ist ein häßlicher %Mensch der zu allen Lastern fähig
ist. Dieses Betrinken ist aber unter gesitteten Personen
sehr aus der Mode gekommen, wenigstens sieht man
den %.Zustand der %Menschen darin sie %.vollkommen berauscht sind äußerst
selten. Die Wirkung davon ist daß der %.Zustand der Be
rauschung %von iedem unangenehmen die Aufmerksam
keit abzieht, und gesprächig macht. - Alle wilde Nationen
Lieben den Berauschungs_%Zustand sehr. Es gehört wahrer
%.Wiederstand %.entweder der %.Vernunft oder Religion dazu, diesen
%.Zustand wenn man so viel %.Gelegenheit dazu hat zu vermei
den. Es muß daher doch dieser %.Zustand - für die Sinne
eine %.große %.Annehmlichkeit haben. Sie haben zu dem Ende
vielerlei besondre Getränke. Die %.Africaner haben ReisBier
die %.Amerikaner die Wurzel Manioc die ihre Weiber auf eine
ekelhafte Art kauen %und da%durch der Wurzel den giftigen
Saft entziehen, den sie auch ausspeien in ein Gefäß
worauf es denn %von dem Speichel gährt %und daraus Bier
wird. Die Korjaeken kaufen %.eine Art %.von FliegenSchwäm
men sehr theuer welches ein %wirkliches Gift bei sich führt
%und wo%durch sie sich fast bis zum Unsinn berauschen. Die Türken
|F_29'
/brauchen fast täglich opium und auch hier pflegt der
gemeine Mann Porsch ins Bier zu legen, welches auch %.eine
betäubende %.Kraft hat. So sagt Bayle %von Augustin
daß er %Gott gebethen, er wolle ihn doch des Morgens vor
crapula bewahren wenn er den Tag vorher Wein ge
trunken. Wie diese Berauschung auf die Nerven
wirke gehört für den Arz. Der %Zustand des Gemüths aber
dabei, den wir hier betrachten wollen, gehört für die
%Anthropologie. Es scheint daß die %Menschen eine %.außerordentliche Art
%von Zwang empfinden in der %Gesellschaft eine bestandige
%.Aufmerksamkeit auf sich zu haben. Um sich nun dieses
Zwangs zu entledigen, dieser %.Aufmerksamkeit auf %.Anständigkeit
sich zu überheben, %und so ganz offenherzig alles was einem
durch den Kopf läuft, laut zu sagen; betrinkt man sich
daher entsteht %Offenherzigkeit und %Gesprachigkeit weil nie
mand auf den andern aufpaßt %und der andre sich also
%nicht zurückhalten darf. Deswegen leidet man auch in Trink
Gesellschaften niemals, daß einer nüchtern ist, denn
das würde die andern in die %Nothwendigkeit versetzen
auf sich Acht zu haben, aber das wollen sie @«<%nicht>» erst\meist@ nicht
Leute die außer %.Umständen der Gesundheit, sich so sehr vor
dem Trunk scheuen, scheinen %nicht recht offenherzig zu sein
Leute die hingegen gern in Gesellschaften trinken haben
%nichts zu verbergen. Der Trunk scheint %eigentlich nur für die
Gesellschaften zu sein; denn sich auf %.seine eigene Hand zu be
sauffen, «scheint» <ist> ganz närrisch «zu sein» denn da habe ich keinen
Zweck, in der Gesellschaft habe ich doch den, um mich ganz
offenherzig zu unterhalten. Der BrandWein ist so
|F_30
/ein eigenes Gesöffe, denn er berauscht bald, in Gesell
schaft sucht man sich allmählig zu berauschen. Der Brand
Wein macht mißtrauisch %und zurückhaltend der Wein hinge
gen offenherzig und gesprächig -
/Das war der Trunk %von der guten Seite betrachtet, indem
er dazu dient, um die %Menschen offenherzig gegen einander
zu machen. Auch dem vernünftigsten Mann laufen sehr
oft allerhand ungereimte Dinge durch den Kopf, die er
also laut zu sagen unterdrücken muß. Man will so gern
einmal dieses Zwanges frei sein und daher betrinkt
man sich - Ferner bewirkt er auch das Gute, daß er
%.einen Muth «%und» kühne und %.große Entschlüßungen auszuführen, giebt
Von den alten Deutschen sagt man: Sie faßten ihre Rath
schläge beim Trunk %und überlegten sie des Morgens bei Ver
nunft. Da sie %.eine kriegerische Nation waren so war es nöthig
daß sie es so thaten um ihre %Herzhaftigkeit noch mehr zu
beleben - Seneca sagt %von jungen Cato: virtus eius
incaluit mero - Es scheint gemeinhin eine Gewohnheit
%.großer %und thätiger Männer gewesen zu sein, daß sie den
Wein lieben, indem dieser ihnen mehr Feuer %und %Thatigkeit
giebt. Den Nördlichen Landern ist der Trunk %und die Be
rauschung weit %.unschädlicher als den sudlichen, ia es scheint
ihnen zuweilen ein hitziges Getranke mit Maaß genom
men, zur %.Gesundheit zu dienen. In den %südlichen Landern
hingegen ZE in OberAegypten pflegen die Leute vom
Rausch oft rasend zu werden.
/Einige Nationen lieben den Trunk %vorzüglich ZE die Türken
ob ihnen gleich das WeinTrinken verboten ist. Die Grie
chen halten es gar für %.einen Ruhm sehr zu trinken oder
|F_30'
/oder viel vertragen zu können %und dies zeigt auch
immer %.eine %.gewiße Starke des Körpers an.
/Die Liebe zum Trunk scheint unter den gesitteten %.Europäern
ziemlich nach gelaßen zu haben %und zwar 1. Wegen der
Verbeßerung der Moral in diesem Jahrhundert %und 2 we
gen der mit Frauenzimmer itzt vermischten Gesellschaften
die doch %nicht %mittrinken könen.
/Jemehr aber diese Polirung fort geht, desto weniger
werden die %gesellschaftlichen Tugenden. Indeßen man so
verfeinert scheinen will, fällt die %Offenherzigkeit %und
wahre Freundschaft weg, denn da andre %durch den Zu
stand der %.Nüchternheit viel verborgen zu haben scheinen
so wird man auch zurükhaltend - doch ists gut daß
der %.Zustand der %.Versoffenheit nachgelaßen hat, wo
man %.kein Gastmahl für ächt hielt, als an dem sich die
Gäste alle waker besoffen haben.
/ ≥ Vom Betruge und Schein der Sinne ≤
/Bei unsern Empfindungen reflectiren wir ohne
Bewußtsein. Der Betrug %und Schein bei den Empfin
dungen ist %nicht auf die Rechnung der Sinne zu schieben,
denn diese urtheilen gar %nicht - da die reflexion das
ist was da macht, daß uns die Sinne zu betrügen
scheinen; der %.Verstand aber reflectirt; so ist die Schuld
wann er betrogen wird lediglich auf ihn selbst zu schie
ben. Bei diesem Blendwerk der Sinne müßen wir
Illusion und Betrug sorgfaltig %von einander unterschei
den. Bei der Illusion wollen wir oft %nicht die Wahrheit
«%nicht» wissen. Bei dem Betrug aber wollen wir sie zwar
wißen, kenen sie aber %nicht allemal.
|F_31
/Die %.Gegenstände der Sinne führen uns immer auf reflexion
wobei wir urtheilen wollen. Wenn ich nun finde, daß
das Urtheil irrig ist, der Schein seiner %.Wahrheit aber doch
immer bleibt, ob wir gleich %vom Gegentheil überzeugt
sind, so ist das Illusion. Wenn zE eine Hand in einem
Gemälde über das Gemälde selbst hervorzuragen
scheint, so ist das eine Illusion denn wir wißen
daß die Hand %nicht hervorragt, und können uns davon ganz
leicht uberzeugen und doch scheint es uns immer daß
sie hervorragt. Illusion wollen wir oft, Betrug
nie; iene gefällt daher dieser %nicht Ein Betrug ist ein
irriges Urtheil wobei sobald ich es entdeke auch %sogleich
aller Schein wegfällt. Jemehr wir durch die Illusion
bei der Sache gezwungen werden sie zu glauben
desto mehr gefällt uns das - So ist ein guter Anstand
ein Schein von einer innern Würde. Ob ich nun
gleich weiß daß dieser %Mensch viele %.Thorheiten hat, so ge
fällt mir %.sein Anstand doch %und scheint mir da%durch doch
ein würdiger %Mensch zu sein. Jemehr die %Menschen den Schein
%.naturlich mache«t»n desto näher «gerath» <grenzt> er an Betrug
Der Schein der %Höflichkeit und Freundschaft ist Politesse
aber %.kein Betrug. Den er gefällt und ob man gleich weiß
daß es bloße leere Complimente sind; so bleibt der
Schein doch, daß <sie> wirklich etwas anzeigen - In einem
%Menschen geschieht Illusion %und Betrug auf manigfaltige
Weise %und wir thun gut, wenn wir gewiße über
listende Neigungen kennen zu lernen suchen. Der
%.Verstand wird sonst irre geführt und betrogen. Der
|F_31'
/Der %.Verstand kann diese Verführung nicht überwinden
Er muß sich also gewißer GegenMittel bedienen
Wir können uns in Gesellschaften als Schauspieler
betrachten. Jeder zeigt da %.seine beste Seite, Anstand p
Aber durch diese Art %von Schauspiel, durch diesen Schein
von %.Hoflichkeit wird der %Mensch doch endlich disponirt, wahre
%.Hoflichkeit anzunehmen - daher muß man %nicht immer auf Betrug
angelegt sein. Denn man wird durch diese Uebung so
weit gebracht, daß aus diesem Schein oft Wahrheit wird
Es ist daher %nicht gut hinter falschem Schein zu grüblen
denn der Schein ist doch schon ein Schritt zur Wahrheit
%und wenn noch der Schein wegfiele, so bliebe uns
sehr oft gar %nichts ubrig. Der Schein des Guten macht
oft daß wir das Gute selbst liebgewinnen. Sittsamkeit
ist ein äußerer Schein von völliger Renunciation auf an
derer Vortheile. Diese Mäßigung ist fast immer Schein;
aber indem es ist; so arbeitet man doch daran schon
%und Gewohnheit kann es zur %Wirklichkeit bringen. Wenn
man so sehr hinter dem Schein grüblen wollte; so fiele
endlich alles Wohlgefallen an der %.MenschenGesellschaft weg,
%und man wird dadurch ein Misanthrop; so wie ein
%Mensch dadurch daß er den Tugenden der Frauenzimmer zu
sehr nachgrübelt ein Mis«a»ogyn wird - Wir müssen
also nicht zu tief hinter diese Gardine blicken; sonst wer
den wir mit vielem MißBehagen von da zurükkehren
Wir wollen lieber sagen wie Schwift sagt: Vive
la bagatelle; es lebe auch der Schein. -
/Wie vortreflich würden also die Regenten handeln
wenn sie ihren Unterthanen bloß den Schein von Freiheit
|F_32
/ließen. Denn dann glaubten die Unterthanen sie wä
ren wirklich frei. Und dieser Schein %von Freiheit veredelt sehr
das Gemüth. Viele freie Staaten plagen %und scheren ihre
Bürger mehr als andre Souverains aber sie haben da%durch
einen Schein %von Freiheit und dadurch glauben sie glüklich
zu sein und sind es auch. Die %.Freiheit einer Wahl die aber
im bloßen Schein besteht, nent man Ho«s»p<s>ons Wahl
dieses war ein berühmter Roßtäuscher in London
der immer sehr viel Pferde im Stall zu vermiethen hatte
Wenn man nun zu dem Ende hinkam und ein Pferd
wollte; so sagte er: es sei müde, ein anderes es sei
krank, ein 3tes habe sich den Fuß <einge> vertreten p Zuletzt
bleibe keins übrig, bei den er %nicht was einzuwenden
hatte, als das, was an der linken Seite des Stalles
stand - Er ließ also die freie Wahl %und doch hatte man
%.keine %.freie Wahl, sondern bloßen Schein davon. Daher ist
ienes Sprichwort entstanden.
/Der Schein giebt dem Menschen ein gewißes Wohlbefin
den und das besondere - er bringt das hervor was die
Wahrheit hervorbringt. Der Schein den die Complimente
haben, hat was angenehmes, obgleich niemand die Wahr
heit deßelben glaubt. - Er zeigt 1. Cultur an 2 ist er ein
Mittel Gemüther zu gewinnen, bis er endlich realitaet
wird. - In betracht der weltbürgerlichen Regierung
ist der Schein nothwendig %und auch eingewebt. In der Natur
giebts Gewächse die mehr Schein als Nutzen haben, und
es ist da aus gemacht; iemehr Schein desto weniger Nutzen
et vice versa zE die Tulpe und KornAehre. In Schulgerechter
Behauptung aber ist der Schein %nicht zu dulden - den äußern
Schein müßen wir also in Ermangelung der Wahrheit an
nehmen. Selbst unsere Kleider haben %.einen Schein, denn sie
verbergen unsre wahre Gestalt - Wir müßen uns daher
|F_32'
/in einem guten Schein darstellen sonst werden wir
bald alle %.Annehmlichkeit verlieren. Wenn wir aber uns
selbst examiniren so müßen wir allen Schein
wegwischen. Nur zu oft betrügt der %Mensch sich selbst in
Beurtheilung %.seiner %und anderer; denn wenn er nur den
Schein eines guten Herzens sieht; so glaubt er schon, er
ist %.wirklich ein gutes Herz.
/ ≥ Von den Principalen und adhaerirenden Vorstellungen ≤
/Eine perceptio complexa ist wo %.eine PrincipalVorstellung
%von neben %.Vorstellungen begleitet wird, daß zuletzt die HauptVor
stellung da%durch ganzlich absorbirt wird.
/Zu einer ieden %.Vorstellung gehört also das Principale und das
adhaerirende derselben. Bei der Redekunst wird gemei
niglich das erstere dem letztern vorgezogen. Wenn Cicero
redete; so rühmte das Volk den schönen Stil die Antithesen
Wenn aber Demosthenes sprach so sagte das Volk man müß
te zu den Waffen greifen. Das macht Cicero vernachläßigte
die principale und brachte bloß adhaerirende Vorstellungen
auf die Bahn. Demosthenes aber schärfte mehr die Principal
%.Vorstellungen ein. In KanzelReden wo der %Mensch mehr zum Thun
%und %nicht zum Bewundern gebracht werden soll ist also des Demo
sthenes Stil vorzuziehen - die Adhaerenz der %.Vorstellung muß
bloß ein vehiculum sein das principale derselben zu beleben
es leichter vorzubringen %und eindringlicher zu machen. - Aber
man muß das Adhaerens %nicht dem Principalen vorziehen das
allein treiben das geschieht aber öfters. - Man macht den
Witz %und die Thorheit zum Principalen den %.Verstand aber zum Ad
haerens daher sagt Rabener ganz recht: Gesunde Vernunft
%und Verstand ist wie ein Gericht Rind und Schöpsen fleisch und gehört
nur für den Tisch des gemeinen Mannes aber ein Ragout
%von Thorheit mit einer Sauce von Witz gehört nur für %.eine kai
serliche Tafel. Die Vergrößerung der Vorstellung ist oftermals
/ sehr
/δRand_32'_Z_8
/Man glaube %nicht %daß %.Personen die nach dem Eßen
%heilige Lieder singen dies immer aus Andacht
thun. Die Modulation gefällt ihnen %und %überhaupt
singen alle Leute gerne. %.Anständigkeit
ist oft %.eine bloße Begleiterin der Tugend %und oft
liebt man dies mehr als die %.Tugend selbst oder
diese um iener willen. %.Frauenzimmer sind beson
de«s»rs so geartet %daß sie mehr auf %.die %adhaerirende Aus
staffirung - sehen - Miltons Frau zE.
/Es geschieht oft %daß wir %.unsere %.Empfindungen da wir %.von
einigen Dingen stark %von andern ganz gerin
ge afficirt werden %nicht erklären könen. Oft
können wir uns %nicht überzeugen wenn gleich die
ganze Welt überzeugt wäre. Die %.Parthei
lichkeit für %.das %.Geschlecht p Ohne Adhaerenz ist ie
de %.Vorstellung troken ~
/δZusatz_Z_11/12
/zE bei einer %grammatischen Regel
fallt oft %.ein die drohende
Miene des Schulmeisters oder die Schläge ~
|F_33
/sehr nützlich und nothwendig - denn die Wirkungen derselben
schreibt man der Principal_%.Vorstellung «bei» <zu> und diese werden da%durch
erhaben und lebhafter gemacht. Aber Mißbrauch ists wenn man
die adhaerenten %Vorstellungen so hervorstechen läßt, daß die PrincipalVor
stellung dadurch ganz verdunkelt wird und man von der Auf
merksamkeit auf dieselbe ganz abgezogen wird.
/Von der Täuschung des innern Sinnes. - Hier empfindet das
Gemüth %.seinen eigenen Zustand selbst. Aber da können wir uns
täuschen, wenn wir von dem, was in unserm Gemuth entsteht
die %.Ursache %nicht wissen, und dann glauben, daß etwas anderes auf
unsern Zustand wirkt. So hat man Poeten als begeistert an
gesehen, daß eine unbekannte Kraft ihnen das eingegeben habe
der Dichter weiß selbst gar nicht, wie ihm auf einmal soet
was einfällt und ein andermal bei der großten Mühe nicht.
Er glaubt also er habe <m>«@¿¿@»aschienenmäßig gehandelt. Das ist
Laune, wenn einen ein unwillkührlicher GemüthsZustand uber
fällt - Ein %Mensch wird oft, wenn er <tief> meditirt so in Unordnung
gerathen, daß ihm Gedancken durch den Kopf laufen, die er sich
gar %nicht erklären kann, wie sie hergekommen sind. Weil sie nun
%.keine Ursache davon in sich entdeken können; so suchen sies in an
dern Dingen. Aus dieser Täuschung sind alle die Schwärme
reyen der Fanatiker %von innern Empfindungen eines %göttlichen Lichts
ZE der Schuster Boehm. Das sind Theosophen und besonders ists
daß sich solche %Menschen zu verstehen glauben, ob sie sich gleich %nicht im ge-
ringsten verstehen. In der Philosophie kommt man oft auch der
Schwärmerei nahe ZE Wenn man sich das moralische Gefühl als
etwas besonderes in der Seele vorstellt wie Hutcheson thut.
/Nun kommen wir zu der EinbildungsKraft oder das Vermögen
der EinbildungsKraft ohne Gegenwart des %Gegenstandes. Sie ist geschik
ter die Formen des %.Gegenstandes als die %.Empfindung vorzustellen ZE die
Form einer besetzten Tafel kann ich immer vorstellen aber den
dabei gehabten Geschmak und Vergnügen %nicht so recht Es ist nur
eine Art von Empfindungen nehmlich der Ton, der sich in der
%.EinbildungsKraft gut renoviren laßt. Unsre Einbildungen können
/δLage_E
|F_33'
/können %nichts erschaffen und zwar %.keine %.Empfindungen in uns hervorbrin
gen die wir noch nie gehabt habe aber neue Formen kan
sie erschaffen. Ein Blindgeborner kan sich das Licht und Finster
niß %nicht vorstellen. Unsre Einbildung ist reproductiv wenn sie uns
%.einen %.Gegenstand anschaulich macht; den wir schon vorher wahrgenommen
haben. Productiv wenn sie uns %.einen %.Gegenstand vormalt, der in
unsern Sinnen gegenwärtig ist. Das letztere zeigt sich besonders
bei Dichtern, Mahlern p Sie sind bei dem %Menschen verschieden
Beide Arten %von EinbildungsKraft sind %willkührlich oder unwill
kührlich
/1. das reproductive ist unwillkührlich. Es giebt %.gewiße Eindrucke
deren man nie los werden kann. Diesen sind besonders
Hypochondrische Personen und überhaupt solche, die zart Ge
fuhl haben, sehr unterworfen.
/Die %.EinbildungsKraft geht bei uns unwillkührlich in einem
unaufhörlichen Laufe fort ohne daß wir was dabei thun
können, als der Imagination eine andre Richtung zu geben
Jeder %Mensch beschaftigt sich in einsamen Augenblicken mit Luft
Schlößern. Indeßen ist es wahr, daß wir uns mit %.gewißen
Obiecten am liebsten dabei beschaftigen. Aber da bringen
wir auch die %.Einbildungs<Kraft> bloß in den Gang; hernach
geht sie unwillkührlich fort. So scheint im Traum die Ein
bildungs%.Kraft imer zu würken, denn wen man aufwacht so
findt man sich %von vielen närrischen Bildern umringt
/Wir müssen aber suchen die EinbildungsKraft imer so
weit in unserer Gewalt zu haben, daß wir ihr andre
Richtung geben auch aufhören können. Sonst sind wir im Zu
stande der Distraction - die %willkührliche EinbildungsKraft
heist imagination. die %unwillkührliche Phantasie. Wir treiben
mit der phantasie oft unser Spiel, indem wir sie absichtlich
dirigiren; aber sie treibt mit uns auch ihr Spiel, indem sie
uns %unwillkührlich zu Ideen hinreißt - das ist besonders bey
|F_34
/bei Schmerz über erlittenen %.großen Verlust da leidt man %.keine Trost
Gründe indem man sich darüber ärgert, daß %.ein anderer glaubt
man könne sich so leicht %vom Schmerz abziehen. Man sieht also, daß
es %.Thorheit ist sich mit Sorgen fürs künftige über Dinge, die man
%nicht in %.seiner Gewalt hat, zu quälen; aber man kann sich doch %nicht abrei
sten. Es ist daher sehr nützlich und nothwendig sich so zu gewohnen
daß man die %.EinbildungsKraft vollig in %.seiner Gewalt hat. Probirt
man das ofters ihr Einhalt zu thun so wird sie zuletzt immer
le«k»nksamer. Manche glauben Genies zu sein, wenn sie eine
regellose %EinbildungsKraft haben, aber daß laßt so als wen man
auf %.einem stolpernden Pferde ritte In Schriften muß die %.Imagination alle
zeit. nach Regeln eingerichtet sein. Des Abends ist die Imagination
%.starker als des Morgens; denn des Morgens beschäftigen sich mehr
meine Sinne da sie so lang geruht haben; des Abends sind
sie schon ermüdet daher denkt man da an den Tod %und
%Ewigkeit p. Manche lieben das so daß sie daher gern der
Nacht aufbleiben aber da%durch wird das Gemüth sehr abge
nützet und der %.Verstand ist auch schon müde - Die Hypochon
dristen mögen daher auch gern des Nachts aufbleiben
/Die Phantasie wird durch sehr unbedeutende Dinge unterhalten
wenn sie nur einigen Stoff zu Bildern geben ZE %das CaminFeuer
erregt %durch die %.verschiedenen Gestalten ein sanfte %.Bewegung des Gemuths %und giebt
demselben immer neuen Stoff So der Tobak mit den verschiedenen
unbestimmten Gestalten des Rauchs. Soll man so im finstern rau
chen so schmekts immer %nicht, und die %Annehmlichkeit des Tobaks komt
daher, weil er unserer %.Imagination Nahrung giebt. So dienen auch der
%.Imagination weite Aussichten, wo ich<1> %nichts<5> bestimmtes<6> denken<7> «kann» über<2> die<3>
%.Gegenstände<4> %und<8> meine «%.Imagination» %.Phantasie daher schwärmen kann wie
man will. Leute die %nicht music %.Verständig sind können bei einer sanften
Musique beßer sich %mit %.Objecten beschäftigen Wie das zugehe, daß man
bei Beschäftigung mit unbedeutenden Dingen %.seine %.Aufmerksamkeit
desto beßer scharfen kann. ist unerklärlich. So hat Euler %.seine beste
|F_34'
/Erfindungen beim Spielen der Kinder erfunden. Beim Spinroken
ist gut zu studiren denn die %.gleiche %.Bewegung erhällt das Gemüth in
einer gleichen Spannung. Die Einbildung verschönert sehr das ver
gangene %und zukünftige. Daher kommts daß man die Kinder
Jahre so angenehm findet wenn sie ver«laufen»flossen sind. Aber wenn
man bedenkt so sind sie wirklich %beschwerlicher als die itzigen In der
Jugend ist man im Zwang das Gemüth ist %durch den Stachel der
%.Thatigkeit bald hier bald da gespannt %und unsre Begierden sind den un
gezähmt %und machen uns unruhig. Bei mehreren Jahren ist man
ruhiger. Aber man vergißt die %.Unannehmlichkeit %und erinnert sich
bloß der genoßenen %Annehmlichkeit. So gehts den Schweitzern %mit
ihrem Heimweh. - Es ist besonders, daß Nationen wo der Luxus
sehr herrscht %.kein Heimweh haben; aber ie ärmer die Nation
desto mehr Heimweh ist. - Einbildung wird öfters so stark, als wenn
der %.Gegenstand gegenwärtig wäre und hat auch eben die Wir
kung zE Wenn man sich %.eine %.große Gefahr vorstellt %von %.einer Höhe in
%.einen Abgrund zu fallen - die Phantasie die vor der Gegenwart
vorher geht, schwächt sehr die Empfindung die man hernach
bei der Gegenwart hat. Eine gelesene Comoedie wird bei
der %.Vorstellung %nicht sehr gefallen. - Daher hat man Gärte so ange
legt, daß man %nicht alles auf einmal sieht, sondern immer un
erwartete Sachen. - Die %.Imagination richtet sich nach den Neigungen
Hat man Haß so zeigt sie alles %von der gehäßigsten Seite. Wenn
zE ein Delinquent zum Tode gebracht wird; so sieht er meh
rentheils nach dem Urtheil der %Menschen sehr tükisch aus das kommt daher
weil wir mehrentheils wißen, daß er %.ein %.Lasterhafter ist. Lava
ter erkannte gut die Gesichter, wenn er die Personen kannte
kurz %.ein ieder glaubt das zu sehen wovon ihm der Kopf voll ist
Bei der Imagination ist die productive auch willkührlich und un
willkührlich - man muß Gedanken %nicht reproduciren, die mit
einigen dem andern wiedrigen %.Vorstellung %Aehnlichkeit haben; sonst
|F_35
/wird er sie reproduciren nach dem Gesetz der Association
/Die %.Franzosen sagen: Man muß in dem Hause des Gehangenen %nicht
%von Stricken reden. Wenn einer Rhabarber mit Coffee eingenom
men hat, so wird einem beim Coffee hernach der Gedanken an
Rhabarber immer vorkommen. Das ist gut Mittel Coffee abzu
gewohnen. Auch opposita reproduciren sich da sie verwandt
sind, indem %durch eines Setzung das andre aufgehoben wird
ZE die Sorgen des Alters bringen auf die Freuden der %Jugend
Versöhnte Freunde denken mehr an ihre Feindschaft als entzwei
te %Freunde an ihre vorige Freundschaft «das letztere komt daher
weil»
/Die %.Imagination wird erregt %durch Mienen. Ich stelle mir dieselben
Affecte vor, die der andre durch Mienen ausdrückt - beson
ders ist, wenn einer dem andern der im Affect ist, allerhand Mie
nen macht; so macht sie der Zuschauer unvermerkt nach - Wenn
einer auf der %.Straße fällt so machen alle Zuschauer %.ein %Bewegung sich
aufrecht zu erhalten, als wenn sie auch fallen wollten. Wenn mir
gähnt so gähnt oft der andre gezwungen %mit. Das sind Arten
%von Convulsivischen %.Bewegungen %und %von diesen ist es bekant, daß sie sich un
willkührlich mittheilen. -
/Die %.EinbildungsKraft kann sehr schädlich sein. - Sie verschönert den %.Ge
genstand meiner Liebe und solche Liebe ist sehr schlim auszurotten
%durch %.Abwesenheit wird sie noch mehr gestärkt. Das Laster %thun
wir darum, weil die %.EinbildungsKraft es uns verschönert und
%.einen falschen Reitz zu der Sache hinzufügt. Will man also
glüklich %und %.tugendhaft sein so muß man der %.EinbildungsKraft nie den
Zügel schießen laßen. Er muß sich der %.EinbildungsKraft bloß zum
Nutzen %und Vergnügen bedienen. Die %.EinbildungsKraft scheint unter un
sern %.GemüthsKräften die zu sein, die sich am wenigsten zähmen
läßt, %Einen %.Phantasten nent man den, der in %.seinen %.Phantasien schwärmt
|F_35'
/%und deßen %.Phantasie zügelloß ist. %.Regellosigkeit der %.EinbildungsKraft ist weit
ärger als %Zügellosigkeit derselben. Das erste findet bei allen
%.orientalischen Volkern statt, indem bei ihnen alles auf Bilder Spiel be
ruht %und so weit diese reichen, auch ihre %.Begriffe reichen, wo sie
aber mangeln auch ihre %.Begriffe mangeln. %.EinbildungsKraft ist «s» die
Dienerin %von allen andern Kräften %von %.Verstand Witz p
/Denn sie giebt dem %.Gebrauch des %.Verstandes %und der %.Vernunft die Anschau
ungen, die ihren %.Begriffen eine Bedeutung geben. Die %.Einbildungs
Kraft kann uns gleichsam aus dieser Welt entzüken %und in eine
andre versetzen. Wenn sie ihr Spiel ämsiglich treibt so
hört man %nichts, sieht man %nichts %und so kann man sich auch den
Schmerz vertreiben und Vergnügen verschaffen. Sie ist die
%.nothwendigste unter allen unsern Kräften denn sie schaft uns
zE in %.Ansehung des %.Verstandes ein Bild auf das unsre abstra
cte %.Begriffe in concreto angewandt werden können. Die
%.EinbildungsKraft aber ersetzt uns %nicht den Mangel der Sinne. Denn
wenn zE iemand %von Jugend auf blind %.gewesen; so wird er <1> %nicht
<nicht><6> %durch die %.phantasie<3> Bilder<4>, die nur das Auge erblickt,<5>, sich<2> vor
stellen<7> können. Wenn aber iemand %.sein Gesicht gehabt hat
%und es hernach verliert so wird er sich Bilder genug machen
können. Denn die %.Phantasie ist weit reicher als das ganze Feld
der %.Anschauungen zwar %nicht an Materialien aber doch an Formen
die %.Phantasie ist unser gute Genius aber auch unser böser Daemon
Sie ist die Quelle unser entzükendsten Freuden aber auch der
bittersten Leiden. So ist zE das Vergnügen eines Geitzigen
über %.sein Geld blos das Vergnügen %.seiner %.Phantasie %und alle %.seine qualenden
Sorgen sind bloß %.Wirkungen %.seiner %.Phantasie Die Phantasie erstrekt sich bis zum
Grabe denn die %Menschen sind sehr besorgt, daß ihr %Körper nach dem Tod
an einem guten, bequemen %und sichern Ort liege. Hatten
wir %.keine %.Phantasie so werden wir %.eine Menge %von Vergnügen entbehren
müßen. Da wir %nicht immer sinnliche Freuden genießen
|F_36
/können so dienen die %.Imagination %Freuden zur Ausfüllung %müßiger
Stunden. In dieser Absicht dienen Romane, Geschichten, Reise
%.Beschreibungen bei deren Lesung immer unsre %.Imagination %mitspielt, indem
sie uns immer an die Oerter %und in die Lage selbst versetzt
/
/Wer sich mit der Idee %vom Guten in der %.Phantasie habituell be
schaftigt ist ein Phantast. Denn wer bis zur Leidenschaft %von
der Idee eines %.vollkommen Guten so eingenommen ist, daß er
sich vergißt, daß dieses %eine bloße Idee sei und glaubt sie könne
wirklich realisirt werden der ist ein solcher Phantast in
guten oder Enthusiast. So hat man Enthusiasten der Va
terlandsliebe, der %.Freundschaft p.
/Der aber %.von %.seinen Ideen so eingenommen wird, daß sie regel
loß werden, heist ein Träumer. Beim Enthusiasten ist die
%.EinbildungsKraft wol zügellos d i ohne Schranken aber %nicht regellos
Beim Träumer ist die %.EinbildungsKraft regellos. Die %EinbildungsKraft ist
wenn sie %.unwillkuhrlich ist Phantasie %und diese allein ist zügellos
%und regellos - der geistige %.Vorstellungen die bloß im %.Verstand sind sich
anschaulich darstellt %und darstellen will ist ein Schwärmer. Die
auf ieden Schritt Geister sehen Bisconarii - Die %.EinbildungsKraft
bildet alle %.Vorstellungen aus dem Stoffe, den uns die Sinne darbieten
Daher sie auch den Namen hat.
/ ≥ Vom Witz und UrtheilsKraft. ≤
/Diejenige %.Vorstellung die die %.Vorstellungen der %.EinbildungsKraft dem %.Verstand
zur Bearbeitung darbringt heißt die Kraft zu vergleichen
diese ist doppelt 1.) die %.Kraft die %.Vorstellungen zu vergleichen diese heißt Witz
/2.) - - - zu verknüpfen - %UrtheilsKraft
/Wo beide zusammen sind, das ist Scharfsinn. %.UrtheilsKraft hat %.einen
negativen Nutzen. Sie dient nehmlich zur Unterscheidung einer
%.Erkenntniß %.von einer andern und also zur Abhaltung %.von Irrthümern
Witz hat %.einen positiven Nutzen und zwar den um unsere
/δZusatz_Z_12
/Enthusiasten der Freyheit 1793.~
|F_36'
/um unsre %.Erkenntniße zu erweitern %und ihnen %.eine erweiterte
Anwendung zu geben.
/Daraus kann man schon abnehmen, daß der Witz beliebt
%UrtheilsKraft aber es %nicht sein wird; weil diese einschränkt
iene erweitert. Der Witz belebt das Gemüth durch %.Annehm
lichkeit die %.UrtheilsKraft vergnügt es durch %.Gründlichkeit
/Witz ist flüchtig. %.UrtheilsKraft langsam %und ernsthaft; iene ver
gnügt, diese erwirbt Achtung
/Witz ist ein Attribut der Jugend. %UrtheilsKraft - des reifen Alters
der wählt also unglucklich der die Poesie zu %.seinem Haupt_Metier
macht den der Witz verschwindet mit dem Alter %und %mit diesem
auch %.seine Kunst, die Schönheit %.seiner «Person» Poesie - Eine %Erkenntniß des
%.Verstandes insofern in ihr Witz hervorsticht, sinnreich - in sofern
in ihr %.UrtheilsKraft hervorleuchtet scharfsinnig. Witz ist die Quelle
der Einfälle und «B»<b>on Mots %.UrtheilsKraft aber gebiert Einsichten
Einfalle sind ungesuchte Gedanken %und wenn diese witzig sind nennt
man sie glüklich. Die Einsichten aber sind vorbereitete Gedan
ken, die durch Fleiß erworben werden müßen. Der Witz
geht das Secundarium %.UrtheilsKraft aber das Principale oder
die Nahrung für den %.Verstand an. Es ist gewiß ein Contingent
über seinen Vortrag neben dem Principalen auch das secunda
rium den Witz zu verbreiten
/Bon Mots sind Früchte des Witzes %und werden %durch das Spiel der
%.EinbildungsKraft hervorgebracht. Sie müßen abwechselnd sein
die Bon Mots Jagd ist eine ekle Beschäftigung - der
seinen Witz bliken laßt heißt ein Witzling. Der mit seiner Urtheils
Kraft parade macht ist ein Klügling. Der letzte ist der
ekelhafteste %von beiden. Denn da die %UrtheilsKraft was %.ernsthaftes
ist so ist es unausstehlich, damit spielen zu sehen.
/Der Wiz gebiert Mode oder %.einen %.Gegenstand der Nachahmung um
des neuen willen. Moden sind daher witzig, weil sie
%durch die %.Vorstellung der Neuigkeit vergnügen. Daher hört
|F_37
/Möde auf, Mode zu sein, so bald sie ein Gebrauch wird.
Den Gebrauch ist %.ein %.Gegenstand der Nachahmung um des Alters
willen. Gebrauch findet man bei den Engländern und Deutschen
Mode mehr bei den Franzosen - Eine Nation kleidet eine
%GemüthsFähigkeit mehr als die andre zE die %Franzosen kleidet
der Witz die «Fr»Deutschen %und %Engländer mehr die %.UrtheilsKraft
/Der Witzige ist frei im Urtheilen, daher heißen %.seine Urtheile
auch hardi, weil er sich schon um einer %.kleinen %.Aehnlichkeit
willen zum Urtheilen entschlüßt. Der %UrtheilsKraft besitzt ist
behutsam im Urtheilen darf aber daher auch nicht <leicht> %.sein Urtheil
zuruknehmen. Das Genie wägt und urtheilt geschwind
muß also auch oft %.sein Urtheil zuruknehmen. Cromwell oder
Vielmehr der witzige Schwift sagt: die %Behutsamkeit ist eine
Bürgermeister Tugend. Witz ist populaer. %UrtheilsKraft aber
hat immer was scholastisches. Der Witz ist scha«l»al wenn er %nichts
%von %.Verstand hat. %.UrtheilsKraft ist grüblerisch wenn sie %nichts %von Witz %nichts
also für die Sinne hat.
/Der Witz belebt die %Gesellschaft der Mangel aber an %UrtheilsKraft
darin macht sie abgeschmakt. Da der Witz dann schaal ist
wen er %nichts %von %.Verstand in sich enthält; so sind auch alle Wortspiele
Schaal weil sie auch %nichts %von %Verstand in sich enthalten.
/Die %.Franzosen haben 2 Wörter sot %und fat die bei uns fast
für einerlei gebraucht werden %und da man sot %durch %.einen Geken
fou %durch %.einen Narren ubersetzt aber das erste heißt %ein iunger
%und das 2te ein beiahrter Narr. Kaestner erklärt es in An
sehung der Deutschen so: sot ist der, der um Witz %und Lebens
Art zu «reisen» <lernen> nach Paris reißt, fatt der mit Materialien
der %.Narrheiten %von da zurükkomt. Man nennt einen Witz lau
nigt wo %.eine %nicht gemeine Gemüths_%.Disposition zum Grunde liegt
Gemeinhin hat iemand %.eine characteristische Gemüths_dis
position, d«er»ie aber %durch %Umstände oft verükt %und selten in
%.seiner Lage bleibt. Der launigte Witz beruht auf einer
|F_37'
/Original_Disposition des Gemüths, und man findet ihn unter den
%.Engländern und zwar daher, weil der Hof daselbst den Ton %nicht angiebt
die durchtriebene Laune ist ein ganz eigenthümliches Stük einiger %.Personen
Schwift hatte solche: ZE er hielt einst in der Kirche vor dem Par
lament %.eine Rede (welches allemal geschieht ehe das Parlament %.seine Sit
zungen erofnet) Er sprach %von den Vorzügen den des %.Verstandes und
Reichthums p und als er endlich auf den - des %.Verstand kam sagte
er «endlich» da wol in dieser Hochansehnlichen Versamlung %.keiner darauf
Anspruch machen wird; so schließe ich p
/Ein leichter Witz ist der, welcher dem %.Verstand bei Hervorbringung
wenig Mühe kostet. Den hat vorzüglich Schwift. Tiefgedachten
Witz findet man besonders in Youngs %und Popes Schriften Wenn man
sich in der Rede wiederspricht; so nennen das die Engländer Boull
ZE wenn man sagt. Ich gieng mit einem ganz allein spatzieren. Die
Deutschen thun das oft. Populaerer Witz ist Witz im VolksTon wozu
vornehmlich Sprich Wörter gehören. Sprich Wörter ist die Sprache und
Weisheit des Pöbels und cultivirte %.Personen bedienen sich deßen %nicht, denn es
zeigt einen leeren Kopf an und Mangel selbst zu denken, wenn man
die Gedanken anderer hervorkramt. Sentenzen sind gelehrte SprichWör
ter und sie hervorzubringen und zwar oft ist auch Fehler - %.SprichWörter
ist besondere Manier eine sonst ganz gemeine %Erkenntniß etwas concis
oder allegorisch auszudrüken. Sentenzen gehen schon zuweilen über ge
meine %Erkenntniße hinaus. Sprich Wörter sind gut den National_Character eines
Volks kennen zu lernen. Zu Erfindung und zu Wißenschaften gehört
Witz aber es muß noch %.Wahrheit dazu kommen. Manche %.große Männer haben
ihren gedachten Ruhm oft bloß %durch ihren Witz erhalten. Denn der
Witz zeigt was neues und das blendet %und gefällt. Besonders kann
man bei der Erklärung der Alten %nicht mehr hinter den rechten %.Verstand
kommen, und da hat also der Witz freies Spiel. Manche %.Gelehrsamkeit
ist daher bloß Belustigung des Witzes. Witz dient zu Entwürfen %.Urtheils
|F_38
/%.UrtheilsKraft zur Ausfuhrung. Colbert sagte: Er belohne alle Proiekte
denn wenn unter 100 bloß %.eines gelingt so sind sie schon alle bezahlt. Der Pro
jektenmacher ist oft zur Ausfuhrung %nicht tauglich. Denn zum ersten gehört
Lebhaftigkeit, Leichtigkeit; zur Ausfuhrung %.Empsigkeit Gedult - Es giebt
Nationen, die mehr Ausfuhrungen machen als Plane machen können ZE die Deu
tschen. Der Witz scheitert oft an der Ausfuhrung, daher muß die %.UrtheilsKraft
hinzukommen. Witz mit Naivitaet gefällt. Wenn aber Kunst hervorleuchtet
so mißfälts. Der Witz ist ein Spiel muß also nicht mühsam sein. Dies ist die %.UrtheilsKraft
Bei Witz erholt sich das Gemüth. Bei der %.UrtheilsKraft wird das Gemuth zwar
gestarkt aber auch ermüdet. %.Aehnlichkeiten sind leicht gefunden besonders bei leb
hafter %.EinbildungsKraft Und das kommt daher weil unserm %.Verstand an
Gattung und Arten, die auf Verwandschaft beruhen gelegen ist. Die %.Ur
theilsKraft aber ist schwer, weil man da die kleinsten %.Unterschiede wahrnehmen
muß. Denn da muß ich die Aufmerksamkeit auf %.einen Punkt heften und da%durch
werden wir gefeßelt und das ist beschwerlich. Es ist als wenn man ganz
unbeweglich stehen wollte. Daher komts, daß wie Tschirnhausen ver
sichert ein %Mensch wen er sich hinlegt %und in einer ganz %unbeweglichen Stellung
%.eine Weile erhält, davon über %und über zu schwitzen anfängt.
/Aber wenn ich meine %.Aufmerksamkeit auf manigfaltige %.Gegenstände richte so
belebt das das Gemüth. Das Spiel des Witzes gefällt uns wol sehr
aber wenn es am Ende ist, sind wir doch %nicht damit zufrieden. Der %.Verstand
sucht sich vom ganzen und Manigfaltigen %.eine Idee zu machen. Kann er
das %nicht so ist er unzufrieden. So ist es auch in einer Gesellschaft. Wenn
da die Gespräche %nicht zusammenhängend geführt werden sondern allerhand
durch einander geredt wird; so sind wir, wenn wir aus der %.Gesellschaft
kommen ganz confus und wie betrunken und die %.Gesellschaft gefallt uns
nicht denn im Gemüthe bleibt uns nichts als ein blindes Getön. Eine Gesel
schaft muß so sein wie einer %von Platos Freunden %von %.seinem Gastmal sagte
daß es ihn %nicht allein da«s»mals vergnügt habe, als er genoß sondern
auch noch allezeit vergnügte so oft er daran dächte.
/Ein Engländer wollte mit einem andern ins Tollhaus gehen der andre
aber sprach in Lloyds Coffee_Hause an. Dieser sah ein so groß Gewühl
%von %Menschen %und sagte zu %.seinem Camerade laßt uns gehen Ich sehe daß die tollen
/δRand_038_27
/(Geton) ~
|F_38'
/%Menschen itzt loßgelaßen sind. Er glaubte es wäre das %.Tollhaus
/Sowol im Witz als %.UrtheilsKraft findet subtilitaet statt; aber sie
schikt sich doch beßer zu der %.UrtheilsKraft denn sie ist schwer. Lie
be zur Subtilitaet ist micrologie. In der %.UrtheilsKraft schickt sie
sich beßer. Die Gesetze der Römer sind so micrologisch %und beru
hen auf den kleinsten %.Unterschieden daher sind sie die %.Ursache vieler
Chicane. Wenn der Witz urtheilt so urtheilt er en gros
%und %nicht en detail - %Madame Jaffrin die %.ein Bureau d Esprit
d.i eine %Zusammenkunft schöner Geister hielt sagte man muß
über den %Menschen %nicht en detail sondern en gros urtheilen - aber
denn urtheile ich gar %nichts %von %.einer Sache. In %.LeichenPredigten ist es
ofters gut und auch nothig en gros zu urtheilen. - Recensio
nen urtheilen oft en gros Witz und %.UrtheilsKraft dienen
zur Verbindung der EinbildungsKraft mit dem %Verstand. Der Witz
bringt die EinbildungsKraft dem %.Verstand nahe; sofern der Ver
stand aufs %.allgemeine geht - die %.UrtheilsKraft muß sehen ob das was
man sich einbildet in concreto anwendbar ist. Um die %allgemeinen %Begriffe
anwenden zu können gehört %.UrtheilsKraft Man nent alle Hand
lungen des Witzes Spiel %und das Spiel %und der Witz sind «fremde»<fade>
wenn er falsche %Aehnlichkeit hervorbringt %und dan ist er sehr ekel
haft. Dieser fade Witz besteht in Wortspielen Zu einer
Zeit war es in %.Frankreich sehr mode. So sagte ein Bedienter
beim Kanzler von Frankreich als er auf ihn eine Suppe goß: Sum
mum jus, summa iniuria. Beim Kanzler war das witzig. Man
findet öfters was witziges an einem andern, wenn der andre
gar %nicht daran denkt, was witziges hervorzubringen ZE als Ludwich_der_XIV
zu Ehren an einer Brüke über die er mußte eine EhrenPfor
te war errichtet worden, an der ein Engel eine Krone in der Hand
haltend war; so sagte ein Gasconier Man weiß %nicht ob er ihm die Krone
giebt oder abnimmt das klingt witzig und ieder Mann lobte das
sehr. Man bringt den Witz an beim Neken und er findt statt wenn
er fein ist und der andre replicirt. Ist das letztere nicht so ist es be
leidigend. Witz ist das vorzuglichste der Belustigung in der %.Gesellschaft
|F_39
/Witz ist das wesentlichste der Satyre. Sie ist schalkhaft und durch
trieben, wenn man die Sache zu loben scheint und ganz ernsthaft
redt %und so einfaltig dabei aussieht, daß man nicht glaubt, er denke
darauf. Solche Satyre hat besonders Schwift. Die %.Franzosen sind voll Witz
aber originale Witzlinge sind unter den Engländern besonders
zE Swift besonders das Mährchen von der Tonne und Antilon
gin und Buttler in %.seinem Hudibras %von welchem Hume sagt, daß in
keinem Buche was ie geschrieben worden so viel %.Gelehrsamkeit steke als in
diesem und das ist auch wahr. Es ist %.eine Satyre auf die damalige
ReligionsSchwärmerei. Es ist %.ein Pendant %von Don Quixotte
/
/Einige Exempel %von Butlers Witz sind zE Sein irrender Ritter sagt
einmal zu einem: er wolle ihn zu %.einem Perpendicel machen
nachdem alle Schneider Ellen in England rectificirt werden sollen
das erste heist er wolle ihn aufhängen das andre bezieht sich dar%auf
daß man zu der Zeit in %.England die Länge der Schwingung eines
Perpendikels bei ieder Sekunde zu einem %.allgemeinen Maaß machen
wollte, weil das doch beständig «lang» <einerlei> bleiben möchte - So sagt
Ralph der StallMeister dieses Ritters: die GemüthsKrankheiten
«sind» der %Menschen sind so wie die GerichtsHöfe, die bisweilen Gericht
halten zuweilen feriren. Mein Gewißen hält itzt Vacanz und läßt
%.keinen vor sich kommen - Als einst der Ritter in Gefahr war so
rieth ihm Ralph zur «Pf»Flucht und bewies ihm aus Gründen, daß
die Flucht was rühmliches, nehmlich: da die Römer dem, der
einen Bürger rettete, eine Krone versprochen hatten; so ver
diente er wenn er flöhe %.eine Krone, indem er %.einem Bürger nehm
lich sich das Leben rettete. Ferner wenn er flöhe; so würden
die andern ihm nachlaufen %und er würde überall eher sein p
Was überzeugt einen von der Wahrheit %und Güte einer Sache?
200 %Pfund %.Sterling %und was überzeugt einen wieder %vom Gegentheil. 200 %Pfund %Sterling mehr.
Die Stärke des Witzes besteht darin, daß man ganz unerwarte
te Sache vorbringt. Es ist zu einem Magazin %von Sentenzen dienlich
Ein 3ter %.Engländer heißt Sterne den viele nachgeahmt und nach
geäfft haben. Macht Witz gluklich oder %nicht? Ungluklich Butler
starb %von HungersNoth obgleich Carl_II %.seine Schriften sehr gefielen der
|F_39'
/der ihn aber zu unterstützen vergaß. Sterne verkürzte
%.sein Leben durch die öftern Gesellschaften, wo er hingerißen
wurde. Swift wurde zuletzt närrisch vermuthlich weil
er sich zu sehr angestrengt hatte - das kömmt daher weil sie
da die %.UrtheilsKraft vernachläßigten. Der Witz muß bloß Vehi
culum und %.UrtheilsKraft wie Realitaet sein. Der %.keinen Witz hat
ist ein stumpfer Kopf. Der %.keine %.UrtheilsKraft hat Dummkopf bloße
Ignoranz ist %.keine Dummheit. Eigentlich ist bloß der dumm, der
wenn man ihm eine Regel giebt sie nicht anzuwenden weiß
Bediente sind dumm wenn sie die Regel bloß nach dem Buch
staben nehmen. Die Rußen sind oft ohne %.UrtheilsKraft wenn
die Newa befroren ist; so wird %.eine Canone gelößt um
es den Leuten anzuzeigen. Wenn nun einer %von dem gegen
seitigen Ufer herüber komt %und es wird die Canone eben
gelößt so wird er gezwungen wieder herüber zu gehen.
Wer practische %.UrtheilsKraft hat ist gescheut und das wird man auch
durch Schaden. Gewitzzicht ist der, der %durch anderer Betrug ge
scheut wird. Ein %Mensch der iung ist und nicht viel %.UrtheilsKraft hat
muß man oft prellen. Der Mangel im %Verstand ist Einfalt
und ist %von Dummheit unterschieden. So giebts Volker, die nur
bis 5 zahlen können ZE am Amazonen Strom. Man sagt
ein %Mensch komt %durch %.seine Dummheit fort das komt daher, weil der
Dumme %.keinen eifersüchtig macht %keinen übersehen kann und daher
wird er unter %Menschen gelitten. Der mehr Einsicht %und %Verstand sehen
läßt macht andre eifersüchtig. Der Dumme sieht auch %nicht ein
wie viel er bedarf; daher fängt er alles mit %Dreistigkeit an
und das hilft schon viel zum Gelingen %und mit der Zeit er
wirbt er sich auch %.eine <mittelmäßige> %kleine %Geschicklichkeit. Der Einsichtsvolle
aber sieht die %.Größe %.seiner Pflichten ein %und thut alles schüchtern
Mäzenaten sind stets Ignoranten gewesen zwar Liebhaber
aber %nicht Kenner der %Gelehrsamkeit. Colbert war einer der
|F_40
/der %.größten %.Mecenaten aber dabei %.kein Gelehrter. In einem
Staat wird unter %.einem gelehrten Kenner der Wißenschaften %.keine
%.Gelehrsamkeit blühen aber wol unter %.einem Ungelehrten %und %.einem Liebhaber
denn ein ungelehrter schätzt die Gelehrten Ein gelehrter selbst
aber richt alles nach %.seinen Kentnißen ein
/Man sieht wol ein, daß man %ein schwach Gedächtniß habe, aber
nie daß man dumm sei - Denn dazu gehört selbst UrtheilsKraft %und %.Verstand
um den Grad derselben bei sich einzusehen.
/Der Mangel der %.UrtheilsKraft %mit Witz ist Albernheit ohne Witz
Dummheit. Der erstere besitzt ist %nicht recht gescheut; der die 2te ist
dumm. Ein %Mensch ist ertraglicher wenn er dumm als wen er %nicht ge
scheut oder albern ist. Diese Wörter aber sind im gemeinen
Leben da%.von %nicht gebräuchlich, denn sie führen %.einen Wiederwillen
oder Groll bei sich, da sie doch bloß Gebrechen anzeigen
Wenn %.ein %Mensch dumm ist und sich dabei doch %.Klugheit zu haben einbildt
so hat man gegen diesen %.seinen Hochmuth Wiederwillen und dann
nent man ihn %eigentlich dumm - Man nent Leute Pinsel das
kommt daher weil der welcher auf die %.Buchstaben so viel %.Pein
lichkeit verwendet, %und daher leichte Dinge so langsam macht
%.einen Mangel an %.UrtheilsKraft anzeigt - Mangel an %.UrtheilsKraft @%allein@
ist Einfalt. Gescheut sein kommt %durch %.Erfahrung her %nicht %durch Capacitaet %und
%Verstand. Daher leidet man eher, wenn einer auf %.einen sagt: der
sei %nicht gescheut als wenn er sagt: er sei %nicht klug. Denn bei dem
letztern sagt man dem andern, daß es ihn an %Fähigkeit fehlt
bei dem erstern daß er sie %nicht gebraucht hat. %Ehrlichkeit und Dumm
heit verwechselt %und verbindet man sehr - Das kömt daher
weil %Menschen, wenn sie einiges Uebergewicht %von Klugheit über an
dere haben es gleich zum Bösen brauchen. Wer aber %.kein Talent
hat, vor dem ist man sicher, daß er was Böses thun würde
Indeßen will es sich %.kein %Mensch sagen laßen, daß er %.keine %Fahigkeit zum
Bösen habe. Darauf zielen viele SprichWörter ZE Er
|F_40'
/Er wird das Vaterland nicht verrathen. Er ist %.kein HexenMei
ster. Georgi erzählt %.von den Tungusen, daß sie sehr ehrlich
sind, aber er setzt hinzu, wenn sie ie lügen wollen so brin
gen sie so ungereimtes Zeug hervor, daß man lachen muß
denn sind sie aber bloß darum ehrlich weil sie %.kein Talent zum Ge
gentheil haben. Der Betrüger ist %nicht immer klüger als der Be
trogene. Dieser übersteht ienen oft, aber er argwohnt, wenn
er nach Grundsätzen der %MenschenLiebe handelt, %nichts böses Und entdekt
er einmal den Betrüger so wird er gewiß von ihm %nicht mehr be
trogen werden. Der Betrüger ist oft dummer als der Betro
gene Auch die klügsten Köpfe können oft betrogen werden
zE als Aba<e>lard %mit einem Abbe in einer Kutsche fuhr so sagte
dieser: Mein HErr da fliegt ein Ochs. Wo? Wo? sagte
Abaelard. Darauf dieser: das hätte ich doch %nicht gedacht, daß
ein so gelehrter %Mensch sowas glauben sollte. Abaelard stuzte
erwiederte aber. Ich glaubte eher daß %.ein Ochs fl«ü»<ie>gen als daß
%.ein %Geistlicher lügen konte. Es ist daher sehr unrecht wenn
man einen ehrlichen Mann für dumm halt.
/
/ ≥ Vom Gedächtniß ≤
/%.EinbildungsKraft ist productiv und reproductiv - Hier reden wir
%von der %.reproductiven %EinbildungsKraft wo eine %.Vorstellung nach den Gesetzen der
Association reproducirt wird das ist auch bei den Hunden, die sich wo
sie einmal Mittag bekommen haben bei den Leuten zum Mittage
gleich wieder einfinden. %Durch das Gesetz der Association werden %entweder
dem Instinkte nach %ähnliche Ideen oder Ideen die oft mit den gegenwär
tigen verknüpft gewesen sind, hervorgebracht. Das Vermögen sich
%.seiner reproductiven %.EinbildungsKraft willkührlich zu bedienen -
/Es wird voraus gesetzt ein Magasin der %.EinbildungsKraft wo alle gehabten Vor
stellungen sich im Dunkeln befinden %und %nicht erlöschen. Wie das mag
zugehen können wir %nicht einsehen. Das Gedächtniß ist wie ein Archiva
rius. Ein Gedächtniß kann kunstmäßig eingerichtet «s»werden, wenn
man alle %.Vorstellungen in %.gewißen Fächer Wißenschaften wo sie hingehören
hinbringt das ist memoria localis. Beim Gedächtniß sind die Vor
|F_41
/Vorzüge 1. leicht zu faßen 2 lange zu behalten 3 sich bald zu
erinnern. Von diesen 3en hat der %Mensch nur immer eins. Der
leicht was faßt pflegt es %nicht lang zu behalten. Das sind die Wi
tzige Personen. Der langsam was faßt behält es lang; so
gehts den Phlegmatikern der lang «be»was behält weiß sich deßen
so bald zu erinnern. Iudicioese Personen faßen langsam
behalten es auch lange. Ein Gedächtniß ist unsicher untreu
wenn man sich statt dieser Sache %.einer andern errinnert - das
ist ein %.großer Fehler, dem wir bloß da%durch abhelfen können, daß
wir unser Urtheil suspendiren - Iudicioese Leute haben mehren
theils ein sichres Gedächtniß. Gedächtniß und Witz heißen gluklich
%.UrtheilsKraft nicht. Denn dazu kann ich Anstalt machen sie zu üben %und
da%durch zu vergrößern. Wenn man das Gedächtniß sehr anstrengt
so schwächt man es sich. Man muß daher sehr behutsam
darin sein. Das Gedächtniß ist %.eine Natur Gabe %und darum heißts
Gluk. Die %.UrtheilsKraft ist Verdienst. Das Gedächtniß schätzt man ge
ring besonders wenn mans nur in %.kleinem %.Grade besitzt. Aber %.Wißenschaften
laßen sich ohne Gedächtniß gar %nicht erlernen %und der %Verstand <selbst> kan
ohne Gedächtniß <%nicht> bestehen. «Den» das Gedächtniß ist das Magazin
%.von Materialien zum Denken.
/Memoriren ist %.entweder mechanisch durch öftere Wiederholung oder
methodisch. Das erstere macht die Basis aus %und ist %nicht zu vermeiden
%und ist also das beste Mittel %etwas lange zu behalten. Es ist nothig
bei einer langen Reihe %.von Namen. Die Religions %.Wahrheiten müssen
%nicht %.mechanisch erlernt werden. Denn fallen die gelernte Formeln weg
so fällt auch der Sinn davon weg. - Wo es bloß auf Namen
ankomt ist der Mechanismus gut. - Wo es aber auf Aufklärung
der %.Begriffe ankomt, nicht. Das %.methodische Memoriren ist ingenioese
oder iudicioese. Brino hat in %.seiner BilderHistorie eine Art
%von ingenioesem Memoriren das aber lacherlich ist zE Um Erasmus
sich zu errinnern mahlt er %.eine Maus weil eras mus doch
/ den
/δLage_F
|F_41'
/doch den Namen ausmacht. Oder er sagt Man soll an Muß
denken als: Er aß Muß. Um uns den Julius Caesar zu
erinnern mahlt er eine Eule %und %.einen Käse hin. Um des
Capitels %.Uberschrift de haerediis suis et legitimis, ins
Gedächtniß zurükzuruffen hat er %einen Kasten %mit Vorhänge
Schlößern, eine Sau %und eine Wägschaale gemahlt. Das inge
nioese Memoriren ist ohne %.UrtheilsKraft %und zeigt bloß zufallige
%.Aehnlichkeit vernachläßiget daher die %.UrtheilsKraft auch ists %schadlich
Es schaft auch ein trugliches Gedächtniß %und belästigt es mehr
als daß es daßelbe erleichtert. Das Iudicioese Memoriren
zeigt die Anwendung der Sachen durch Beispiele p Man
glaubt Personen von viel %.UrtheilsKraft haben wenig Gedächt
niß und umgekehrt. Etwas wahres kann sein. Manches %Menschen
Gedächtniß ist bloß mechanisch %und so ist gemeiniglich das vasteste
Gedachtniß. Hiebei wird also das Iudicium gar nicht cultivirt
sondern vernachlaßigt. Wenn aber %.ein %Mensch %.ein gut Gedachtniß
hat so kann er dadurch den Mangel an %.UrtheilsKraft %und %Verstand be
mänteln indem er anderer %.Verstand %und %.UrtheilsKraft %durch aus geschü
tete Sentenzen hervorbringt; doch muß er zur %.Anwendung dieser %.Sentenzen
%.UrtheilsKraft haben, sonst wird es ungereimt werden. Die
Alten sagten: tot scimus quot memoria tenemus. Einer
der Alten sagt auch: die Bücher haben das Gedächtniß zu Grund
gerichtet da wir itzt aufschreiben könen oder Bücher haben
wo wir alles finden so belästigen wir unser Gedächtniß
%nicht damit. Und schreibt man das auf so ist man froh %und es ist
%.einem als wenn %.einem %.große Last abgenommen wäre. Wir müßen
daher wenig aufzeichnen %und bei vielem es zu behalten sich
vornehmen; da%durch werden wir es wirklich behalten
Denn das Gedachtniß ist wie ein Magnet der immer durch
neue Auflegung %von Gewicht in %.seiner %.Kraft gestärkt wird
|F_42
/(Oft haben die Leute die %nicht schreiben könen ein wunderba
res Gedächtniß denn da üben sie ihr %.Gedächtniß indem sie
alles was sie lesen zu behalten suchen und das Schreiben
bespart das Gedächtniß.) - Wir müßen %nicht lesen in
der Absicht es künftig zu vergeßen. Denn da%durch bekommen
wir %.einen Hang zur %Vergeßenheit. Die Romanen sind sol
che Schriften. Sie stiften mehr Schaden als Nutzen
denn sie reitzen die Nerwen und zwicken unser
Herz unaufhörlich, daß es laulich und zuletzt mit allem
unzufrieden wird und denn haben sie auch den Nachtheil
daß man sie gar %nicht in der Absicht ließt sie zu behalten
sondern sich bloß zu amusiren. Man wendt daher
auch wenig %.Aufmerksamkeit darauf und behalt daher daraus
nichts. Daher kömts daß man hernach wenn man andere
Bücher ließt auch so wenig %.Aufmerksamkeit darauf wendt
%und alles vergißt. Wallisius %.einer der %.großen %.Mathematiker %vorigen %Saeculi
war in %.seiner Jugend gefährlich krank %gewesen Als er sich
aber %.langsam erholte gab man ihm wahrend der Zeit Re
chnungen zu lesen die ihm auch gefielen, da er wenig
%.Aufmerksamkeit %darauf wenden dürfte Aber als er hernach wie
der andere Schriften laß so merkte er, daß er alles was
er las vergäße Er zwang sich daher %mit vieler Mühe
aus einer Zahl %von 10 Ziffern das %Quadrat herauszuziehen bis er
sich dann wieder %.sein Gedächtniß so stärkte, daß er das
Gelesene behielt. Gemeine Leute haben %ein untreues
%.Gedächtniß daher lügen sie oft ohne eben den Vorsatz zu
haben. Sie halten es %nicht für so wichtig ob sie es ganz genau
erzählen oder so was zusetzen. Daher muß %kein SchriftSteller
%Erzahlungen %.gemeiner Leute leicht trauen. Dawieder hat Pont
|F_42'
/Pontoppidan gefehlt indem er %von den Kraben so viel
schrieb %und es für %Gewisheit aus gab. Sich besinnen ist %.eine
%.Handlung wo%durch wir uns das %.Gedächtniß erläutern. Der sich
errinert ohne sich vorher zu besinnen hat ein behen
des Gedachtniß. Entsinnen ist, wenn ich erst sehe ob ich
auch «w»das weiß. Beim besinnen weiß ich daß ich es ge
wiß gewußt habe. Es giebt portenta des Gedacht
nisses als Pionis Bischof zu Mirandola der 2000 @%Namen@
die man ihm vorsagte %augenblicklich zu wiederholen
im Stande war. Julius Caesar Scaliger, Augustus
Pollicianus waren auch solche - der %.größte aber %unter ihnen
ist Maliabechi beim Herzog %von Florenz Bibliothecar
Er war %.ein armer Junge der weder lesen noch %.schreiben
konte. Er war bei %.einem Gartner %und da schlepte er sich
alle gedruckte %und %.geschriebene Bucher zu samen %und versuchte auf
alle %mögliche Weise sie zu verstehen als er sich darüber immer
beschaftigte %und den Leuten, die %von Gärtner was kaufen
kamen %nicht gehorig aufwartete so jug ihn der Gärtner
weg %und %.ein Buchdrucker, der ihn %von %.seiner %.großen Neigung zu Schriften
kante nahm ihn in die Lehre. Er ließ ihn lesen lernen
%und sobald er das konte, laß er alle Bücher in der Buch
%Handlung %und was er auch las das konnte er auswendig
da%durch wurde er in kurzer Zeit der %.größte Polyhistor %.seiner Zeit
%und wenn Gelehrte %.eine Stelle aus %.einem Buche haben wollten so %schrie
ben sie nur an Maliabechi, der ihnen gleich aus wen
dig die ganze Stelle auch wo sie stand bis auf die Paginam
zu sagen wußte er lebte im vorigen Saeculo. Alle die
%.großen Polyhistors die %.ein vastes Gedächtniß - in andern %Wißenschaften auch
wenig gethan. %.Sanguiniker haben %.ein behendes %und munteres
|F_43
/%.Phlegmatiker ein %.langsames %und %.dauerhaftes (tenax) Cholerische ein
treues aber %nicht leicht faßendes %.Gedächtniß (non capax) %.Me
lancholiker ein vastes %und treues %.Gedächtniß
/ ≥ Vom Dichtungs Vermoegen ≤
/Der Autor redet itzt vom DichtungsVermögen. %Ordentlich
sollten die %.GemüthsKräfte in die auf gegenwärtige Zeit
d.i. Sinne, auf Vergangene ist %.EinbildungsKraft Gedachtniß, %und auf
künftige Zeit d.i. Praevision eingetheilt werden.
/Man kann sie auch eintheilen 1 in die wo die %.Objecte gege
ben werden als Sinne, %.EinbildungsKraft 2 in die die die %.Objecte
selbst schaffen d.i. das Dichtungsvermögen. Wir könen
uns zwar %.keine Materialien schaffen machen aber wir könen
sie auf sehr %.vielfältige Art modificiren %und sie auf %allerhand Art
zusammensetzen. Die Natur muß uns beim Dichten Stoff
geben; die %.DichtungsKraft schaft uns neue Form, da sie zu
den sinlichen Vorstellungen was zusetzt oder was abnimt zE die
%Götter der Indianer sind solche Ungeheuer der %.EinbildungsKraft
/Einer hat 10 Köpfe die so gestelt sind, daß nur «%auf» oben
auf der Spitze zu stehen komt %und %unendlich viele Kronen
/Der %eigentliche Dichter muß nur solche Dinge dichten die in
der Welt %wirklich statt finden könen. Der %Philosoph aber dich
tet auch Dingen die bei der itzigen Einrichtung der Natur
in der Welt %nicht statt finden könen.
/Dichten ist %eigentlich %.EinbildungsKraft denn da bildet man sich %etwas
ein was %nicht ist. DichtungsVermögen ist %.productive %.EinbildungsKraft
aber bloß %willkuhrlich %und %nicht %unwillkuhrlich. Zum Dichten gehört
Erfinden indem man da %eine neue %.Erkenntniß hervorbringt. Erfin
den %und entdeken ist %verschieden. Das erste, ist das zuerst
hervorbringen deßen Dasein noch %nicht war das letztere
/δZusatz_Z_12
/(daher kan man die %.EinbildungsKraft %nicht schopferisch %nennen) ~
|F_43'
/ist aber %.etwas zu erst «entdeken» antreffen was schon
aber vorher existirte ZE das SchießPulver ist %nicht in Deutsch
land erfunden sondern entdekt. Denn 50 Jahr vor dem
%.Barthold Schwarz schoßen die Mohren auf die Spanier
da sie Algesiras belagerten, %mit Pulver %und Canonen
In China ist es schon viel eher erfunden worden
/Schwarz hat vielleicht das Pulver bekomen und durch Che
mie %.seine %.Eigenschaften entdekt - Etwas ausfindig machen, ist etwas
was bekant, das verborgen ist zum «v»Vorschein bringen
ZE das Phoenicische Alphabeth hat Bartelemy aus den
vielen in Malta befindlichen Inschriften und in Spanien be
findlichen Mützen die phoenizisch sind, zusammengesetzt und also
ausfindig gemacht. Aus sinnen ist Erfindung der Mittel
einen %.gewißen Zwek zu stande zu bringen. Man sinnet Com
pendia aus - So hat Savary seine Feuer Maschine erf
funden, wodurch %.einen Keßel Waßer eine Menge Pumpen
bewegt werden, wodurch ganz London mit %.Waßer versehen
wird. Aber er brauchte noch 2 %Menschen dazu und nun sann
er 23 Jahr darauf um den einen %Menschen wegzuschaffen, wel
ches ihm zuletzt auch glükte. Er@d@enken ist sich %.etwas Fingiren
Ausdenken ist vom Erdenken da%durch unterschieden, daß es auf
%.einen %.gewißen Zwek gerichtet ist
/Dichten ist willkührlich die %.EinbildungsKraft bestimmen um theils
neue %.Erkenntniße zu ersinnen, theils bloß zu belustigen. Ein
Projecteur hat durch %.seine Planmacherey zur Absicht eini
ge Zweke zu erreichen. Im strikten %.Verstand ist der ein
Dichter, der neue Vorstellungen hervorbringt, %nicht um
die %.Gegenstände %wirklich zu machen (das thut der Project
macher) sondern um mit %.seiner EinbildungsKraft zu spielen
|F_44
/und sich damit zu belustigen. Aber dieses Spiel der %.Ein
bildungsKraft muß harmonisch mit dem %.Verstand sein, sonst kann
es %nicht belustigen ZE der Jäger hat, wenn er die Töne
der Thiere durch eine Pfeiffe nachahmt die Absicht diese
Thiere hervorzulokken %und sie zu schüßen. Der sich aber
was vorspielt hat bloß die Absicht sich zu vergnügen
/Die %Dichtkunst und %.Beredsamkeit heißen schöne Wißenschaften.
Man unterscheidet schöne Künste und schöne %.Wißenschaften Aber
das ist falsch denn diese sind %eigentlich auch schöne Künste,
weil sie nicht Regeln a priori haben. Critic des Geschmaks,
die kann bloß schöne %.Wißenschaft heißen - %.Beredsamkeit ist das
Geschäft des %.Verstandes, welches durch die %.EinbildungsKraft beleuchtet
wird. DichtKunst ist Beschaftigung mit der %Sinnlichkeit, die
durch den %Verstand geordnet wird. Hier ordnet die %Sin
lichkeit dort der %.Verstand den Zwek. Indeßen muß es bei
einer Rede scheinen, daß die EinbildungsKraft ein freies
Spiel habe. Bei %.einer DichtKunst hingegen muß der %.Verstand
hervorscheinen. Die Poesie hintergeht %nicht wenn sie Ide
ale vorstellt denn ihre Absicht ist %nicht auf den %Verstand sondern
auf die Belustigung gerichtet %und bei der Poesie will
ich auch hintergangen sein. Bei der %.Beredsamkeit
will man den %.Verstand einnehmen durch den Schein,
die %.EinbildungsKraft giebt; das mißfällt aber, wenn ich
das bemerke - Beredtheit, %.Beredsamkeit %und Wohl
redenheit sind unterschieden. %Redseeligkeit ist wenn ich
immer weg rede, ohne darnach zu fragen ob der
andere Inter«r»esse daran hat oder %nicht - Aber das hält
man für Schwachheit. Beredtheit hält man schon
für %Geschicklichkeit %und lehret sie den Kindern daß
|F_44'
/daß man nähmlich bei wenigen Gedanken viel
Worte machen kann - Baco %.von Verulam hatte
den Fehler. %.Beredsamkeit ist wirklich die Kunst
zu überreden schwarz zu weiß zu machen durch
Hülfe der %.EinbildungsKraft Cicero bedient sich solcher %Bered
samkeit %und Quinti«l»lian giebt auch an einigen Orten dazu An
leitung. Solche %.Beredsamkeit aber kann zu Irrthümern
führen %und daher ist sie unerlaubt. %.Wohlredenheit besteht
in der An<ge>meßenheit des Ausdrucks %mit dem Obiect %und
dan mit der Person des Redners %und Zuhörers, welches
letztere %eigentlich %Wohlanständigkeit ist. %Beredsamkeit hat
bloß zu der Zeit geblüht, wenn die Staaten in dem größ
ten Luxus %und Lastern waren %und zu ihrem Untergange
sich neigten. Nur in einer Democratie blüht %Beredsamkeit
wo alles unordentlich ist und das Volk Recht spricht, wel
ches durch die Blendwerke der %Beredsamkeit %nicht durch
schauen kann. Im englischen %und französischen Parlamen
te ist %Beredsamkeit noch gebräuchlich. Im %.Französischen Parla
ment halten die Advocaten vor Gericht lange Re
den. Als %.ein solcher auch einmal redete so rief ihn der
Praesident des Parlaments Harley zu sich %und sagte ihm:
Sie haben auch lauter schwache Argumente %und so gar
einige Sophistische angebracht. Er antwortete: Eins
ist für diesen das andere für ienen. Als es hierauf zum
votiren kam gewan der Advocat %und der Praesident sagte
zu ihm: Mein HErr ihre Pakete sind alle richtig an den
rechten Mann gekommen - Auf Kanzeln ist %.Beredsamkeit höchst
schädlich. LobReden auf regierende HErren können nie wahr sein
|F_45
/Der %.Orientalische Stil hat bloß Spiel der %.EinbildungsKraft vor sich
wo %.kein %.Verstand mitwirkt. Der ist also sehr zu tadeln
der die %Orientalischen Dichter als Muster empfohlen haben
will. Die Rede Kunst scheint bloß den %.Verstand unter
halten zu wollen %und unterhält auch zugleich die %.Sinnlichkeit
Die Dichtkunst scheint %nichts mehr als die %Sinlichkeit unter
halten zu wollen und beschäftigt doch auch zugleich den
%.Verstand Die %.Beredsamkeit scheint ein schweres Geschäfte
zu sein und ist doch <«am Ende»> ein Spiel. Die Dichtkunst scheint ein
Spiel zu sein %und ist doch am Ende ein Geschäfte - Der
Redner kann betrügen der Dichter nicht. Wenn der
erste die %Sinlichkeit irregemacht auf Kosten des %Verstandes so
leistet er weniger als er versprochen hat Vom Poe
ten will ich nur Unterhaltung; ob die Sache aber
wahr sei oder %nicht darum bekümmere ich mich nicht
Wenn «man» der Dichter noch über die Unterhaltung
meinem %.Verstand Nahrung gewährt (wie dies der Fall
bei allen guten Dichtern ist); so leistet er mehr als
er versprochen hat. Die Dichtkunst giebt mir %.ein @rei
nes@ Vergnügen. Wenn die RedeKunst auch %nicht immer be
trügt so erregt <wekt> sie doch immer Verdacht gegen sich %und ge
gen ieden der sie besitzt indem er sich doch verfuhren
laßen kann sie einmal zum Schaden anzuwenden
/Massillon <hatte> durch %.eine Rede übers jüngste Gericht %.seine Zuhö
rer so gerührt, daß sie aufstanden %und schluchzten; aber
wurden sie auch alle dadurch gebeßert. Die RedeKunst ist auch
in Gerichtshöfen äußerst schädlich die Advocaten suchen
da den Richter unvermerkt auf ihre %.schwache Seite anzugreifen
|F_45'
/und ihn so durch List zu gewinnen. Moleon gab Causes
selectes des Pitt<a>wale heraus, die wegen der «guten» be
sondern RechtsHändel zwar gut zu lesen sind, aber sehr
viele verführerische %.Beredsamkeit haben. Man könte auch eine
%.Beredsamkeit der Aerzte verfertigen, die man von den Markt
schreiern ablernen könte, welche deßwegen auch so %.großes
Zutrauen haben. Warum ist Poesie angenehmer als Rede
Kunst, weil iene von der %.Sinnlichkeit zum %.Verstand diese aber
vom %.Verstand zur %Sinlichkeit geht. Waller hatte %.ein Gedicht
auf den Donner gemacht, %und da auf Cromweln mit %.großen
%.LobesErhebungen alludirt %und verfertigte als Carl_II auf den
Tron kam auf diesen auch %.ein Gedicht Als er es überreich
te %und dieser sagte daß es %nicht so feurig als das auf Cromweln
wäre; so sagte Waller: Wir Dichter sind glüklicher
in der Fabel als in der %Wahrheit. Das ist auch wahr. Den
bei der %.Wahrheit kann der Poet auch %nicht dichten sondern
muß ihr treu bleiben. Daher ist alles Malen der Natur
der Poeten nie sehr %vortreflich aus geschlagen ZE Brockes ir
disches «Paradies» Vergnügen in %Gott welches wol auch
viel Gutes hat. %und Hallers Gedicht auf die Alpen
welches doch getadelt ist %und wie ich glaube deßwegen
Aber Miltons Paradies das Leben der Arcadischen
Schäfer. Man kann ohne SylbenMaaß %und Reime dichten
das ist poetische Prosa. Warum gefällt aber das Sylben
Maaß? weil es ein Tackt ein Gesang ist %und dieser die
%.EinbildungsKraft immer gleich stark %und im Gang erhält
|F_46
/Ein Tackt der Sprache ohne poetischen Gang kann
man nennen prosaische Poësie und dies mißfällt sehr
den das Sylben Maaß ist hier ohne alle Absicht. Ein
schlechtes Gedicht mißfält wei«l»t mehr als %.eine schlechte Rede
vielleicht darum, weil man bei einem schlechten
Gedicht immer in %.seiner %.Erwartung getäuscht wird. Der Reim
ist auch ein Wohlklang aber nur im «a»Occident. Er ist von
den %.Nordischen %.Volkern zu erst im Occident verbreitet %und ist
itzt unentbehrlich denn wir haben %.keine Prosodie<2> %ordentliche<1>, son
dern können die mehrsten Wörter %willkührlich gebrau
chen. Daher dient der Reim um unsern Versen
mehr Zusammenhang zu geben. Der Reim hilft auch dem
Gedächtniß - daher Gefällt ein SinnGedicht in Versen
beßer als in Prosa, weil man es leichter des Reims
wegen behalten kann. Aber lahme Reime zu machen
ist %nicht erlaubt - Es ist besonders, daß %.ein Reim in einer
Rede sehr mißfällt. Die Poeten haben Licentiam poeticam
daß sie neuen Wörter erfinden. Hardye Ausdruke brauchen
können. Man erlaubt sie ihnen um sie für den Zwang
den ihnen das SylbenMaaß anthut, zu entschädigen aber
nur zu dem Zwek um die Sprache wirklich zu erreichen
aber %nicht zu verhunzen. Klophstok hat darin den Fehler
daß er die Sprache gewaltig verdreht, aber dichte
rische Gabe hatte er %nicht denn er redt mehrentheils die Sprache
des Erstaunten oder erschrokenen %und erregt %durch die
Sympathie Bewunderung statt daß er wie Milton
%durch das Mahlen der Obiecte %.Bewunderung erregen sollte
/Wo Klopstok %nicht %.Bewunderung %durch Affecten erregt; da schlüßt
|F_46'
/es sich genau an Milton an. Die Poetische Sprache
ist daher eher als die Prosa gewesen weil iene
mehr auf %Sinnlichkeit geht als diese %und die gemeinen %Menschen doch
bloß für %.Sinnlichkeit %empfindlich waren. Daher trug
Orpheus auch die %Philosophie in Versen vor. Das Poetische
Feuer verliert man im Alter wie %.eine schöne ihre
Schönheit. Voltaire hatte es noch im Alter - Die
Jugend liebt gern halsbrechende %und Affecten erre
gende Stüke, das Alter was comisches das kommt daher
1 Weil die Jugend gern ihre %.Kraft probiren mag
%und daher auch an allem Anstrengen der Kräfte Wohl
gefallen hat %und 2.) Weil bei der Jugend der Eindruk
den ihr die Affecte andrer machen bald verfliegt
Bei den Alten daher, weil sie wißen, %daß die Affecten
%nicht in der That so stark in der Welt erregt werden
oder wenigstens gar %nicht lange dauern %und weil wenn
sie solche Affekten angesehen haben, der Eindruk bei
ihnen fest bleibt %und ihnen hernach Unmuth ver
ursachet. Daher suchen sie lieber Comische Stuke. ¿
/Rest_leer
|F_47
/ ≥ Vom Träumen. ≤
/Das Dichten im Schlaf ist unwillkührlich das %muß hier
aber heißen %.EinbildungsKraft die %.productive %.EinbildungsKraft nehmlich von
der kann man sagen, daß sie schwärmt wenn wir
im Traum dichten, oder daß sie dichtet. Die EinbildungsKraft
ist stets geschäftig %und mehrentheils unwillkuhrlich. Bei ie
der Arbeit wirkt unsre %.EinbildungsKraft im Stillen fort %und sie
ist für uns %.eine %.große Wohlthat, indem sie uns den Ekel
der Monotonie die wir %durch die gegenwärtige Welt
%und die %.Einförmigkeit derselben und der Begebenheiten in der
selben verhindern, da wir uns nach Belieben Welten
schaffen können. Im Schlafen werden wir durch die
Sinne %nicht gestört; daher ist die %.EinbildungsKraft stärker. Man träumt
dann, wenn man sich bewußt ist der Wirkungen
der %.EinbildungsKraft in der Nacht. Einige %Menschen geben vor nie
Träume zu haben. Aber ein ieder %Mensch träumt
wenn er aber erst schläft so weiß er es nicht
%und wenn des Morgens ihm %nicht was ähnliches mit dem
Träumen begegnet; so kann man sich deßen %nicht
errinnern. Das kann man auch daher ersehen
daß wenn man in der Nacht plotzlich aufwacht einem
allerlei Bilder einfallen, die man kurz vor dem
Wachen gedacht haben %muß. Wozu nützen aber
die Träume? Wir haben allerlei mechanische %.Bewegungen
die %unwillkuhrlich sind zE Athemholen, Lachen wo%durch das Zwerg
fell erschüttert wird. Die Träume dienen dazu, daß
|F_47'
/daß durch die %.Heftigkeit der %.EinbildungsKraft, durch die Affecten
der %Korper %und das ganze Leben erschüttert wird. Wenn wir
%.von %.einem Traum erwachen; so sind wir auch desto fri
scher. Die Thiere haben auch die Wirkung %von den Träu
men. Es giebt Träume von besonderer Art wo man
sich in %.einen ganz andern Zustand versetzt sieht. Es giebt
auch Träume die sehr allgemein sind. Sehr ängstliche
%und zusammenhängende Träume machen %.einen den %.folgenden Tag
heiter. Es ist besonders daß im Schlafen wir in einem
Traum so viel Zeit in so kurzer Zeit %durchlaufen. Wir
laufen aber die %.Begebenheiten alle %durch sondern unser Gemüth
thut nur so %.große Springe. Wir laufen in unsern
Träumen manches %durch überspringen da vieles ZE Wenn
wir im Traume %.ein Gedicht lesen so scheints uns so
schön %.gewesen zu sein %und wenn wir im Wachen hernach ein
solches machen wollen so können wirs %nicht Aber das
komt daher, daß wir im Traum %nicht ein Gedicht
%von Wort zu Wort lesen sondern nur den Anfang %und das
Ende eines Verses, daß %.ein %.Zusammenhang doch heraus kom
me und das übrige überspringen Wir. Es ist gerade
so als wenn wir %.ein gedruktes Gedicht so kurz ubersehen
Im Traume denkt man sich %.eine ganz eigne Welt %und
Sachen an die man im Wachen nie gedacht hat. Daher
hatte der %.Griechische Kaiser unrecht, der als er hörte
daß iemanden geträumt hatte, %daß er ihn ermordete, die
sen zu sich rief %und ihm sagte: Du hättest das %nicht geträumt
|F_48
/wenn du %nicht im Wachen daran gedacht hettest %und ihm daher
den Kopf abschlagen ließ.
/
/Die Productive %.EinbildungsKraft hat 3 Phoenomena wenn
sie unwillkührlich ist. 1.) das Träumen 2.) die Phan
tasterey 3 die Verrüktheit. Bei allen ist die %.EinbildungsKraft
%.unwillkührlich; %und wir sagen %und glauben, daß wir %nichts denken
wenn unsre Einbildungen %.unwillkuhrlich sind - Noch %von Träumen
Die Bilder im Traume erscheinen uns alle im Schimmer
wie beim Nordlichte. Die Träume haben den Nu
tzen, daß sie unsern %.Körper der dann fast ganz unthätig
ist, %durch die erregten Affeckten des Gemüths %von Zeit zu
Zeit agitiren das ist %.eine Motion die %durch den Geist agitirt
wird und diese ist weit nützlicher %und wirkt mehr
als die Motion die durch den %Korper erregt wird
das Gespräch %mit guten Freunden bewegt unsre
Lunge wol %nicht viel aber agitirt da%durch auf unser Leben
weit mehr als %.eine %körperliche Bewegung. Alle %körperliche
%.Bewegungen für Leute die daran %nicht gewohnt sind %und es %nicht
nothig haben zE Holzhaker ist für sie ganz ohne Nutzen
weil sich ihr Geist dabei %nicht vergnügen kann
/Das Spatzieren gehen ermattet oft mehr als es starkt
Man soll die %.Transpiration befördern aber diese ist %.entweder <eine> %.unmerkliche
Ausdünstung oder Schweiß. Letzteres ist ungesund. Wenn
man daher so stark geht, daß man schwitzt so ist aller Nutzen
verloren. Sanctorius ein Arzt in Italien der die Me
dicinam Staticam den %Menschen in %.verschiedenen Zuständen zu wiegen
aufbrachte wog einmal iemand der Karten gespielt
|F_48'
/«der»hatte und er fand %.seine %unmerkliche Ausdünstung sehr groß
Sanctorius fand nur %daß die %unmerkliche Ausdünstung %.einen er
heitere die verhinderte Ausdünstung aber das Gegentheil
bewirke
/Ein Träumer im Wachen ist ein Phantast. Ein %Mensch der %durch
die %Lebhaftigkeit %.seiner %.EinbildungsKraft verleitet wird, %.einen Gegen
stand der %.EinbildungsKraft für wirklich zu halten. Glaubt
der Phantast, daß %.seine %.EinbildungsKraft %von den Sinnen herkomme
so ist er ein wahnsinniger (delirus) wenn diese %.Einbildung
habituell ist.
/Der phantast schaft nicht neue Dinge sondern stellt
sich die Bilder der Sinne anders vor als sie sind der
Wahnsinnige schaft sich in %.seiner %.EinbildungsKraft %.Gegenstände die
er vorher in den Sinnen %nicht gehabt hatte. Daß Phy
siognomen oft Phantasten sind, sieht man daraus %daß
sie falsch urtheilen, wenn sie %.einen %Menschen %nicht kennen. Lavater
urtheilte aus den Gesichtszügen eines ihm zugeschikten
Gemäldes von %.einem %.gewißen Pikkerot, daß er eine
hämische Miene habe; da dieser doch %.ein %.großer Mörder
war, der bloß aus Geitz da er selbst Vermögen hatte
viele %Menschen umbrachte Er war in Hannover. Wenn
sie vorher wißen, was es vor %.ein Mann war so
bilden sie sich @aus\uns@ ein in %.seinen Gesichtszügen alles das zu fin
den - Aber %nicht iedes Gesicht zeichnet die %.Beschaffenheit der
Seele. Newton war ein Man mit einem todten stillen
Auge %und %.einem Gesicht %von Simplicitaet und Einfalt. Die Verlieb
ten sind auch Phantasten. Lieben ist recht aber sich ver
|F_49
/verlieben ist thörigt und der der sich einmal ver
liebt hat wird es immer bedauren. Die Poeten kön
nen von einer Schönen nie beßer dichten als wen
sie allein sind. Petrarcha als er dem Pabst %.sein Meister
stuk die Laura überreichte, welche er so prächtig
und auch mitleidig geschildert hatte, daß der Pabst
ihm sagte: Er wollte ihm zu der Person verhelfen
sagte %.Petrarcha zu ihm: er wollte sie %nicht weil %.sein Gedicht
sonst sehr an Pracht verlieren würde. Es giebt
Phantasten in der Moral. Alle practische Ideen können
in dem größten Grad %von Vollkommenheit gedacht werden
und dazu muß die %.EinbildungsKraft %mit wirken. Wenn ich nur
ein Original zE %von Freundschaft denke %und dann so nahe als mög
lich zu kommen suche ist recht; aber der die %Menschen flieht weil
sie %nicht alle %.vollkommene Freunde unter einander sind ist ein Phan
tast. Ganz %.vollkommene Freundschaft so daß einer dem andern alle
%.seine Fehler %und Mangel gesteht %und so zu sagen %.sein ganzes Herz
entdekt, würde in der Welt %nicht lange dauren. Wir
müssen immer etwas zurukhaltend sein - Phantasten
in GrundSatzen sind Enthusiasten. Es giebt Enthusiasten
des Patriotismus p Aber solchen gehts allemahl %nicht gut
denn wenn sie ihr ganz Vermögen fürs Vaterland auf
geopfert haben %und zuletzt ungluklich sind so wird sich
das Vaterland nicht um sie bekümmern. Ein ieder
sagt und verwendet ihn ans ganze Publicum. Woraus
besteht denn aber das %.Publicum? William Dyck %ein reicher
Kaufmann war auch ein solcher enthusiastischer Patriot daß
/δLage_G
|F_49'
/daß er dem Vaterlande 60000 %Pfund Sterling zum Kriege
vorschoß. Als er hernach %.sein übriges Vermögen im Handel
verloren hatte %und Schulden machte, mußte er im Ge
fängniß darben und die ganze Nation, der er %.sein Geld ge
liehen hatte gab ihm dafür 1000 %Pfund %.Sterling zwar zurück das kon
te ihm aber %nichts helfen er mußte im Gefängniß sterben
Jetzt wird der Enthusiasmus so gerühmt aber man muß
GrundSätze %nicht mit Affect sondern mit kalter Vernunft
anschauen. Der Autor vermischt den %.Enthusiamus mit de«r»n
Schwärmer«ei»n oder Visioneur. Der Visioneur glaubt
inere Anschauung daß er die %.Gegenstände %.seiner %.Einbil
dungsKraft wirklich in sich empfindet. Der Enthusiast
ist noch eher zu beßern als der Schwärmer. Der Visi
oneur glaubt Gemeinschaft mit %Gott, Offenbahrung ZE. Liebe
ist praktisch, wenn ich wie es in der Bibel steht, %Gottes
Gebote recht thue, Liebe ist physisch, wenn ich %Gott wirklich
zu genießen %und da%durch %.Seeligkeit zu empfinden glaube
sie heißt auch mystisch und ist Schwärmerisch. Solche Visioneurs
hats besonders unter den Frauenzimmer gegeben ZE An
toinette de Molignon glaubte %.eine unmittelbare %gottliche Offenbahrung
gehabt zu haben auch die Antoinette de Bouvignon.
Wenn man %.eine solche Schwarmerei affectirt; so ist das
phantasterei. Ist man aber wirklich ein solcher Schwär
mer; so ist man viel dem Wahnsinnigen einerlei. Es
ist besonders, daß itzt wieder viele solche schwärmerische
Schriften zum Vorschein kommen z.E das Buch %von Wahrheit
%und Irrthum.
/Ein Träumer in Wachen kann aufgewekt werden. Ein
Wahnsinniger aber kann %nicht erwekt werden man
|F_50
/mag mit ihm machen, was man will. Es sind
viele Arten %von %.GemüthsKranckheiten erblich aber der Wahn
sinn ist es nicht sondern wie %.eine %.Krankheit der Wahn
Witz der im Vernünfteln besteht, ist wol erblich der
Wahnsinnige glaubt er sehe etwas und das läßt er
sich %nicht ausreden. - Es sind Völker, die die Wahnwi
tzigen für Propheten gehalten haben. Die Türken
halten die Wahnwitzigen für heilig; denn sie glauben
des Wahnsinnigen Seele sei im Himmel %und itzt rede
ein anderer Geist aus ihm
/ ≥ 7. Vom Vorhersehen ≤
/Die ganze %.ErkenntnisKraft ist in Ansehung der Zeit 1. die Er
«r»in«g»<n>erung in Ansehung des vergangenen 2. Die
Empfindung %durch Sinne in Ansehung des gegenwärtigen
%und 3. die Praevision oder Vorhersehung. Die %Einbildungs
Kraft kann eingetheilt werden in 1 die Er«r»inn«g»erung
2 in die Praevision 3 In das Bezeichnungs Vermögen
Uns das vergangene er«r»innern zu könen oder %.ein
Gedächtniß zu haben möchten wir gern denn das giebt
uns %.einen Nachschmak welcher uns aber doch %nicht sehr inte«r»
ressirt; aber das künftige zu wißen giebt uns %.einen Vor
schmak, der uns Begierde zu der Sache erwekt
/Wir haben das Vermögen vorher zu sehen sehr spar
sam %und wir haben die %.große Begierde es zu besitzen
das künftige der Natur sofern es nach ihren Gesetzen
geschieht können wir wol %durch die Astronomie voraus
sehen. Aber das künftige auf Erden so fern es %von %Menschlichen
Einflüßen abhängt, %.davon können wir %nichts als vermuthen
|F_50'
/und öfters auch das nicht und das inter«r»eßirt uns
am meisten. Die Türken halten von der Astronomie
nur insofern viel, als sie ihnen AusKunft von
den %menschlichen Schiksalen geben kann. Daher ist alle
Astronomie, die wir haben, bei ihnen %nicht Achtung
Der Groß Sultan schikte einmal %.einen Gesandten an
%.einen %.großen König in Europa und gab dem Gesandten unter
andern auch den geheimen Auftr«ä»ag«e» den König doch
zu fragen durch welches Mittel er doch die %glüklichen
Tage wo er so viele Bataillen gewonnen auskal
kulirt hätte. Wir thun alles in Absicht aufs kunfti
ge daher inter«r»essirt uns auch das Kunftige am
meisten. Ja wenn das künftige soweit entfernt ist
daß es uns gar %nichts nützen möchte so inter«r»essirt
es uns doch. Wenn wir %von %.Astronomie hören daß über
140000 Jahren das ganze Jahr Tag und Nacht gleich
sein und %.ein immerwährender Fruhling sein werde
/
/Zur Praevision gehören 1. Ahndung 2 Traumdeu
terey 3.) die geheime Bedeutung %.gewißer Zahlen 4 die
Weißagung aus den Gesichtszügen 5. aus der Con-
stellation der Gestirne 6, die Chiromantie «6»7. die
Weißagungen aus der Bewegung der Thiere %und ihren
Eingeweide 8. das Loos p
/1 Ahndung ist %nicht da wir deutlich wißen was bevor
steht sondern da uns %.eine Warnung vor %.einem Unglük
oder %.eine Hofnung zu etwas bevorsteht ohne zu wißen
|F_51
/was es für ein Glük oder Unglük sey. Wir kön
nen %.keinen Grund anführen, daß Ahndungen möglich sein
auch %.keinen Grund anführen wozu es uns nützen sollte. Kann
ich daraus wißen was geschehen werde; so kann ich der
Sache vorbeugen und dan ist die Ahndung falsch. Ahndung
ist Furcht oder Hofnung %durch %.eine dunkle %.Vorstellung %von Gefahr oder
Gluk. Es sind bloß mißgedeutete Indispositionen des
Gemüths die wir %nicht als %Wirkungen - %von etwas Gegen
wärtigem zE %.von Blähungen, Verstopfungen uns vor
stellen sondern als Bedeutungen %von etwas künftigem
Es ahndet %.einem verliebten besonders dem Frauenzimmer Aber
wenn ihre Ahndungen %nicht erfüllt werden; so ver
geßen sie sie. Werden sie aber erfüllt so behälten
sie sie. Sie wißen also %nichts als erfüllte Ahndungen
sich zu er«r»innern und daher glauben sie daß Ahndun
gen %wirklich was anzeigen
/2.) Traumdeutungen. Die wildesten %.Volker besonders
die Nordamerikanischen glauben %daß Träume Oracula sind
%und das kommt daher weil unsre Träume oft so zusam
menhängend sind, daß wir uns %nicht vorstellen können, wie
wir sie haben sollten machen können. Indeßen ist es doch
wirklich lächerlich zu glauben, %daß wir daß in der Nacht
beim Schwärmen der Phantasie werden empfinden könen
was wir doch im Tage bei der %.größten Anstrengung
des Geistes %nicht «emp»<er>finden können Es reißte iemand in
Asien herum, hörte bei den Weibern die Träume
und was darauf geschehen war und sammlete darauf ein
TraumBuch. Die Traumdeuter sagen mehrentheils
das Gegentheil vom Traum. Einige Träume werden
|F_51'
/auch erfüllt, wenn sie aus physischen %.Ursachen entspringen
ZE Wenn die Galle des Nachts ins Blut überläuft %und
ich denn %natürlicher Weise %.einen angstlichen Traum habe
zE daß mich Hunde anbellen; so stehe ich des Morgens
mit Grillen auf %und wer Grillen hat bekomt leicht
Händel - Leute träumen oft daß sie sterben wer
den %und es geschieht das kann daher kommen, daß der
%.Körper in der Nacht, wo er ruht, %.seinen %.Zustand %und auch %.sein Ge
brechen mehr fühlt als am Tage. Die Vorhersehung
ist unserer Thätigkeit. Der gemeine Mann frägt
nur nach dem, was ihn inter«r»essirt also frägt er
besonders nach dem Erfolg %und kümmert sich %nicht um
die %Ursache. Wißbegierde zu Dingen, die uns %nicht inte
ressiren ist Curioesitaet. Diese hat der gemeine
Mann. Wenn zE ein Nordlicht ist frägt der %.gemeine
Mann %nicht, wo es %.herkommt sondern was es zu bedeuten
hat. D.i. was es für Folgen haben werde Die Vor
hersehung ist mehrentheils aus Furcht entstanden. Es ist
nur denn %natürlich wenn ich es %wirklich in meiner
Gewalt habe %und also aus dem Nutzen deßelben Nu
tzen heben kann. Die Meinung %.von %.einem absoluten
Verhängniß ist mehrentheils auch die %.Ursache des
Hanges der %Menschen zum Zukünftigen - So setzen schon
die Ahndungen %.ein Fatum voraus, indem sie uns
kein bestimmtes Unglück vorhersagen, wir also das
Unglük nicht verhuten könen. - Die Träume sind
auch unbestimmt. Alle alte Prophezeyungen %und
Orakel sind immer zweideutig gewesen. Setzte
|F_52
/Setzte man %.ein Schicksal voraus; so ware %.keine Vor
hersehung möglich - Daher die Türken die sehr auf
Praevisionen halten, haben auch die Lehre %vom Fato.
/Als Mohamed einmal geschlagen wurde und da
den Kern so bei ihm sich befindenden Arabischen Adels
verloren hatte; so sagte er zum Ueberest; nach
dem Rathschluß %Gottes waren diese heute schon
zum Sterben bestimt; nun sind sie doch rühmlich
für %.eine gute Sache Gestorben und werden belohnt
da sie sonst doch auf dem Bette hätten sterben
müßen - Sorglos ist der, der nach dem künftigen
%nicht frägt, wenn es auch in %.seiner Gewalt ist. So sind
die Caraiben, welche noch in geringer Menge in Do-
minique %und etwas häufiger in Guiana angetroffen werden
der Caraibe verkauft des Morgens %.seine HängeMatte und
wenn er des Abends schlafen gehen will so wundert
er sich wo sie geblieben - Sorgenfrei ist wenn man
auf das Künftige %nicht denkt, daß in unserer Gewalt
%nicht steht - Vorsorge ist wenn ich das künftige vorher
sehe, was in meiner Gewalt steht; Sorge wenn
ich das Künftige vorhersehe, was %nicht in meiner Ge
walt steht - Man muß sich %nicht kindisch fürchten aber
auch %nicht kindisch hoffen das letztere scheint wol angenehm
zu sein aber es giebt %.einen wanckelmüthigen Zustand
Wer weder Kindisch hoft noch fürchtet ist in %.einem vesten
Zustand. -
/Wahrsagung geht aufs Vergangene, Gegenwartige
und Zukünftige %und auf Dinge die gar %nicht %durch %naturliche Mittel
|F_52'
/erklärt werden können - Ferner gehört auch zu den
Arten von Vorhersehung die Astrologia i@u\n@diciaria. Wahr
sagerey aus der Constellation der Gestirne. Sie ist schon
aus Europa verbannt, in Asien aber herrscht sie noch
sehr, besonders unter den Türken. -
/So giebts auch Chiromanthie, Pyromanthie p - auch eine
Deutung aus den Zügen des Gesichts, welche der ge
heime Rath %von Brenkendorf %und der Ministre %von Ilgen
zu %.Friedrich_I in Preußen Zeit, zu wißen vorgaben.
/Man wählt zu Wahrsagern %gemeiniglich unwißende Per
sonen, als Zigeuner, alte Weiber p Die Auspices
%und Augures unter den Roemern waren dumme Leute
und doch ist %.kein damaliger Schriftsteller ganz %von dem
Glauben an sie frei - In der Syrischen Wüste wur
de %.ein Spanier der %von Goa kam ausgeplündert
Als aber die Araber sahen, daß er sehr stotterte
%und dabei %.allerhand Grimaßen machte so hielten sie
ihn für verrükt %und also für %.einen heiligen Sie brach
ten ihn darauf nach Aleppo zum Französischen Con
sul - Den Dichtern wird zuweilen die Weißa
gungsGabe zugeschrieben %und sie schreibens sich auch
wol selbst zu besonders wenn sie in Begeisterung
sind. Es mag ihnen wol so vorkommen, daß sie dann
wirklich begeistert gewesen sind, indem sie %nicht zu aller
Zeit sich so machen können Mantis war bey den
Griechen der Wahrsager, der aber bloß unver
|F_53
/unverständliche Worte sprach, welche ein anderer
immer auslegte - daher komt Chiromantica, Hydro
mantica p Weißagen ist, wenn ich was Künftiges
bloß vorhersage, was aus dem Gegenwärtigen gar
%nicht erklärt werden kann. Die Weißagung geht auch
gemeiniglich auf ein ganzes Zeitalter und %nicht bloß
auf einzelne Personen. Geht sie auf die Beßerung
des Zeitalters; so heißt sie Prophezeyung
/ ≥ 8. Vom BezeichnungsVermögen ≤
/Dies ist das Vermögen %.Vorstellungen hervorzubringen, die Mittel
zur Hervorbringung anderer %.Vorstellungen sind - diese heißen
Zeichen %und sind %entweder begleitende oder stellvertretende. Erste
re heißen Worte letztere Bilder Die Zeichen sind %natürlich
als Mienen und willkührlich als Worte. Zeichen sind
%.entweder Zeichen der %.Erkenntniß oder der Sachen. Die ersteren <sind>
Zeichen der Empfindung oder der Begriffe. Die Zeichen
der %.Empfindung bestehen entweder im Laut oder in Ge
bärden. Alle diese sind bey allen %Menschen einerley. Die
Zeichen der Sachen sind %.entweder unmittelbar oder %durch
Bezeichnung des Zeichens %das %ist «un»mittelbar Wir be
zeichnen die Wilde durch Worte. Wir bezeichnen die
Sache auch durch Malen derselben, durch Bilder die
natürlich sichtbar sind. Die %.Canadische Wilden können %nicht
schreiben und daher malen sie die Sache hin. Daher
heißen manche Nationen der Füchsche, Bären p und die
%Menschen haben auch lauter Namen %von Sachen. Wenn
sie nun die %Nation der Fuchse benenen wollen so malen
sie %.einen Fuchs. Wenn man Sachen die %nicht sinnlich sind
|F_53'
/%durch %.ein Analogon aus der %.Sinlichkeit ausdrükt; so ist das
%.ein Symbolum e gr Wenn die Egypter eine Schlange malen
die sich in ihren Schwanz biß um da%durch das Jahr anzu
deuten. Denn wo sich das Jahr endigt da fängt sichs
wieder an Man hat endlich auch %willkuhrliche Zeichen
von Sachen die gar %.keinen Zusammenhang mit den Sachen
haben. Daher sind die Aegypter Gottheiten im Tem
pel zu Heliopolis wahrscheinlich Wapen der Städte
in Aegypten gewesen, mit der Zeit wurden sie für
%Götter gehalten. So mögen aus dem Mangel der
SchreibKunst vieler Bilder dienst entstanden. Die Ochsen
%und Schafe sind die nutzlichsten Thiere, daher gaben
diese Symbola der %Gottheiten in den alten Zeiten ab
So wurde der Moloch mit einem OchsenKopf ge
mahlt der Apis unter %.einem Stier vorgestellt. Hernach
hielt man diese Zeichen für die Sache selbst
Selbst ihre Könige mahlen die %.Aegypter mit RindsKoe
pfen So halten auch die Indianer das Rindvieh für
ein besonderes Geschenk %Gottes und daher für heilig
Es sind Zeichen, die auf %.eine Zeit gehen und zwar
auf die vergangene rememoralina, auf die ge
genwärtige signa demonstrativa und auf die künftige
pro_gnostica die erstere sind %.eine Sache die wir
zum Andenken haben. Der Arzt weiß und schließt aus
der %.Vorstellung des Gesichts daß der Kranke sterben wer
de (facies hypocratica) Barometer sind progno
stica. Es giebt Zeichen die wir für was an sich
bedeutendes nehmen. Dazu gehören besonders die
|F_54
/Die Zahlen ZE die Zahl 10 ist so gerade daher vielleicht
weil wir 10 Finger haben %und weil zum Zählen ganz voll
kommen ist Einige %Volker zahlen nur bis 5 andre nur bis 3
So auch ein Dutzend vielleicht %von den 12 ThierKreisen,
Monaten Wir finden schon bei den alten Gothen daß
sie «schon» in ihren Gerichten immer 12 %.Personen hatten So
auch die Jury in %England besteht aus 12 Personen. -
Man hat sich so gewahlt, daß man glaubt wenn %nicht
ein Dutzend ist so ist es %nicht vollständig - Daher kömt auch
wol der Aberglaube daß %von 13 %.Personen die zu Gaste sind
einer sterben werde der %nicht allein in %Deutschland sondern
auch in Italien ist. Daher komts daß Leute so lange
samlen bis sie %.eine volle Zahl haben. Philo sagt beim
Marquis d'Argentean. Die Zahl 7 ist darum %nicht so vor
treflich weil 7 Tage in der Woche und 7 Planeten sind; son
dern die 7 Tage in der Woche und die 7 Planeten sind da
rum, weil die Zahl 7 so herrlich ist So sind auch nach den
Zahlen oft historische Sachen geordnet worden ZE die 7
Konige bey den Roemern Romulus bedeutet Gewalt %und Numa
Gesetz und wer weiß haben diese Konige einmal existirt
Daher auch der annus climacterius das %.große Stuffen Jahr
das aus der Multiplicirung der 7 die bei den Aegyptern so
heilig war und aus der Zahl 9 welches bei Tartarn
und Gothen heilig war, entsteht, und woraus den 63 «ent»
heraus komt, welches Jahr die wenigsten Leute die daran
kommen überleben. So halten auch die Chineser die Zahl 9 für
etwas besonderes %und der Kaiser halt daher %nicht mehr %und %nicht weniger
als 9999 Schiffe das klingt auch so pathetisch wenn man es
ausspricht. Bei dem allen läufts darauf hinaus, daß wir
|F_54'
/daß wir die Sachen die die genanten Zahlen bezeichnen
für %.vollkommen halten weil die Zahlen eine gewiße
%.vollkommene Harmonie haben.
/ ≥ 9 Vom Obern Erkentnis-Vermoegen ≤
/Bisher haben wir vom Untern %.Erkenntniß«Vermögen»Kräften
oder denen geredet die uns Materialien unserer Vorstel
lung herbei schaffen. Das Obere %.ErkenntnißVermögen ist das Ver
mogen zu denken und ist 3fach %.Verstand %.UrtheilsKraft und Vernunft
Ihr Unterschied ist fein aber wichtig. %.Verstand ist das Ver
mögen der Regeln. %.UrtheilsKraft - sie anzuwenden. Vernunft ist das
Vermögen aus eigenen Principien Regeln zu machen, sich %allgemeine
Regeln selbst zu schaffen Zum denken, faßen, begreifen gehört
%.Verstand es anzuwenden gehört %.UrtheilsKraft %und selbst zu denken
gehört %.Vernunft *1 Zur %.Geschicklichkeit gehört %.Verstand zur %.Klugheit %.Urtheils
Kraft %und zur %.Weißheit %Vernunft. So muß der FeldHerr Vernunft
die UnterBefehlsHaber aber %.Verstand und %.UrtheilsKraft der
gemeine aber %.Verstand oder bloß mechanism haben
/UrtheilsKraft kann %nicht erlernt werden und
wenn sie fehlt auch %nicht ersetzt werden.
/Man kann sie bloß üben aber nicht er
lernen Denn da mußte man Regeln der An
wendung haben diese aber müßten wieder
neue Regeln haben da ihre Anwendung %.Urtheils
Kraft immer voraus setzt und das würde so
ins %unendliche fortgehen. %.Verstand kann man wenn er
mangelt %durch %.Belesenheit ziemlich ersetzen. Die Iuristen
brauchen %vorzüglich %.UrtheilsKraft denn es konnen wenig casus in ter
minis %und mehr casus discretivi d.i. wenig Fälle die dem Buchstaben
nach und mehr die dem Sinne nach bloß im Gesetze stehen. Wenn
iemand die Theorie auch noch so inne hat; so kann ihm
doch die praxis fehlen %und fehlt im Anfange sehr oft bis man
erst seine UrtheilsKraft geübt hat. Indeßen ist die
/δRand_054'_Z_14
/*1 %Geschicklichkeit besteht im Wißen und Konen
und wird erlernt. %.Klugheit ist die Manier
%.seine Geschicklichkeit an den Mann zu bringen. %Ge
schicklichkeit findet man öfter als Klugheit
%.Geschicklichkeit braucht man bei Sachen Klug
heit bei %Menschen, bei Dingen die ich %nicht in mei
ner Gewalt habe sie nach meinen Ab
sichten zu lenken. Weisheit ist der letzte
Zweck, die Absicht warum man das thut
Die %.Frauenzimmer haben das %nicht. Sie haben wol
allerlei Absichten %und wißen sie auch auszu
führen aber sie wißen sie %nicht gut zu wählen
%durch %.Verstand erwerben wir %.Begriffe durch %.Ur
theilsKraft machen wir sie brauchbar %und
%durch %.Vernunft erweitern wir sie. ~
|F_55
/δLücke δ4_Zeilen
/Beim obern %.ErkenntnißVermögen erkenne ich durch %.allgemeine %.Begriffe
und dadurch ists vom untern Vermögen unterschieden
%.Vernunft fehlt uns oft. - Man denkt aber oft, ohne sich
der %.Principien des Denkens bewußt zu sein. Wenn iemand
sich %.allgemeine Regel ausfindig macht; so muß er die %Principien
des Denkens wißen. Regel ohne %.UrtheilsKraft hilft nichts
In einer %offentlichen Rede bedarf man %.keiner %.UrtheilsKraft aber in
Gesprächen und Gesellschaften. Ein %Mensch kann bei vieler %.Ge
lehrsamkeit sehr dumm sein. Man mißt vieles der
%.Empfindung bei, was zum %.Verstand gehört und umgekehrt ZE
Wenn unwißende %von %.etwas urtheilen; so beruffen
sie sich auf %.ein inneres Gefühl. Das gilt aber bloß bei
%.Empfindungen und %nicht %.VerstandesErkenntnißen Moral Urtheile sind Urtheile
des Verstandes und nicht der Empfindung Wäre
das so durfte man gar nicht urtheilen sondern <nur> empfin
den. Der %.Verstand kann speculativ sein sich bloß mit
dem Denken beschaftigen; oder praktisch die Regel als
ein Mittel zur Anwendung zu erfinden und zu benutzen die
ser ist thatig und beruht auf Erfahrungen. Der speculative bedarf
%.keiner %Erfahrung. Man sagt: der %.Verstand kommt nicht vor Jahren. Das
geht aber %eigentlich auf %UrtheilsKraft. Denn Regeln des %.Verstandes
kann man schon früh erlernen.
/Der gemeine Verstand communis, non vulgaris, der
gemeinschaftlich mit aller %Menschen Verstand zusammen urtheilt,
/δLage_H
|F_55'
/heißt auch gesunder Verstand. Ein ieder %Mensch ist mit %.seinem Ver
stande zufrieden. Denn er gebraucht zum Maaßstabe deßelben
%.seinen eigenen %.Verstand und da wird das gemeßene dem Maaß
immer gleich sein. - Zum Maaßstabe dient das Mittelmaaß
des %.Verstand aller %Menschen, das wir aber nicht bestimmen können
Ein behender %.Verstand ist seicht. So ist der %.Franzose der bloß auf die
Oberfläche geht. Weil er bald was faßt so begnügt er sich
damit. Der Betrüger ist %nicht immer klüger als der Betrogene
Dieser kann der klügste Mann sein er argwohnt bloß %nichts
Böses. Die Neger haben ein Sprichwort: Sie könen ihre
HErren leicht einsehen. Ihre Herren sie aber gar %nicht
Das komt daher weil ihre Herren sich gar %.keine Mühe geben
sie zu erforschen. Der ehrliche ist %.kein DummKopf er hat gesun
den %Verstand. Unerfahrenheit kann oft %.einen Schein %.von %Ehrlichkeit ge
ben, wenn man nehmlich da die %.KunstGriffe beim Betrügen
nicht versteht - Bosheit und Dummheit ist oft verbunden aber
Rechtschaffenheit und Dummheit gar nicht. %.Ehrlichkeit läßt sich noch bei
Dummheit denken aber %Redlichkeit d i %.Ehrlichkeit aus Grundsätzen gar
nicht %und dies kann nur ein vernünftiger Mann haben. %Menschen
haben viel %.Verstand und doch wenig %Vernunft. Einige könen gut
im Kleinen grüblen aber ihre %.Begriffe %nicht ausbreiten. Eingeschrank
te Köpfe könen einzelne Materien gut ausdenken aber das
Ganze %nicht zusammensetzen. Sie haben vielleicht feine aber %nicht
erweiterte Begriffe ZE Lessings TheaterStüke sind an
sich sehr schön haben aber doch %nicht den Zusammenhang des
Ganzen. Die %.Vernunft ist ein höherer %.Verstand, der dem %.Verstand
wieder Regeln giebt. Um die %.Vernunft zu excoliren %muß
|F_56
/{2- dessen ist die Theorie doch nothwendiger als die «Theorie» Praxis,
denn sie liegt dieser zum Grunde. Urtheilskraft ohne Verstand
oder Kenntniß der Regeln ist nichts; aber Verstand ohne Urtheilskraft
kann doch bestehen, obgleich was fehlt. - Es ist also thörigt,
wenn die Praktiker die Theoretiker heruntermachen. Sie be-
denken nicht, daß sie ihre Erkenntnisse von dem Theoretiker schöpfen. -
Vernunft ist Vermögen der Erkentniß der Prinzipien aus denen der Verstand
seine Regeln ableitet. Sie ist die höchste Gemüthsfähigkeit des Menschen.
Vernunft kann man auch nicht lernen. Wer Wissenschaft lernt, ohne
die Prinzipien zu kennen; der kann sie hernach wol andren lehren,
aber bloß so, wie sie sie gelernt haben. Erweitern und erwe
gen können sie es nicht. Die Rußen haben, wie es heißt, zwar
viel Lust alles zu lernen, aber wenige Lehrerfähigkeit haben.-
*1 Ein Mensch ist bornirt <eingeschränkt>, der nicht selbstandig sondern nach den «Prinzipi»
Vorschriften die er gelernt hat, urtheilt: - Die Mannigfaltig-
keit der Gesetze kömmt davon her, daß sie immer bey verschie-
denen Fällen gegeben wurden, aber man dachte nicht den Prinzipien
der Gesetze nach. Hätte man die Prinzipien festgesetzt, so
würden viel Gesetze überflüßig @fehlen\seyn@ - Das Syste-
matische unserer %.Erkenntniß beruht auf der Vernunft, und macht
unsere %.Erkenntniß fest und sicher, und erhebt sie über die gemei
ne Erkenntniß. - Ein Schüler wird und kann seinen Lehrer
übertreffen, wenn er die Prinzipien der Gedanken weis. -
Ein Mensch ist von erweiterten Begriffen, wenn er nach
eigenen Prinzipien urtheilt, und von erweiterten Gesinnungen, wenn
er nicht bloß sein Vaterland %sondern die ganze Menschheit liebt, wenn
er andre Religionen auch erträglich findet. - Er ist dem bornir-
ten entgegen gesetzt. - «Toleranz» Beim Volk kann seine Be-
/ griffe
/δRand_056_Z_14
/{1- *1 Die Iuristen sind bornirt. Sie halten die Ge
setze für Orakel. Vernünfteln ist aus Dingen
Folgen ziehen deren %.Principien man %nicht weiß das ist
leicht. %.Vernunft ist Gesetzgeber, %.Verstand lehrt Ge
setze %und %.UrtheilsKraft wendet sie an. %.Vernunft giebt
nur Gesetze der DenkungsArt. %Philosophie ist lehre die
%.Vernunft zu excoliren. Sie ist Gesetzgebung. %Mathematic
%und Physic sind %.VernunftKunste -1} ~
|F_56'
/griffe erweitern oder erregen. Toleranz entspringt
aus schon erweiterten Begriffen. Gelehrsamkeit vermehrt
erweitert aber nicht die Begriffe. - Verstand hebt Unwissenheit
auf, Urtheilskraft den Irrthum, Vernunft die Quelle der
Unwissenheit und des Irrthums. - Die Vernunft ist Gesetzge-
ber, denn die lehrt uns aber nicht Gedanken, %sondern Denken. Das
@ist\sind\nicht@ Materialien %sondern Formalien. - Durch das viele Lernen
der Gedanken andrer verliert man seine eigenen Gedanken.
/Das Unvermögen sich seines Verstandes ohne Leitung eines
andern zu bedienen, «oft»ist Unmündigkeit. Sie ist erstlich
in Ansehung der Jahre in der Kindheit. Wir sind im %natürlichen
Leben eher «¿¿¿» mündig; im %bürgerlichen Leben aber ist alles
künstlicher, daher werden wir da später mündig. Es giebt
eine Unmündigkeit des Geschlechts, nämlich des Frauenzimmers.
Endlich ist eine Unmündigkeit der Krankheit oder des %.natürlichen
Unvermögens. Das ist eine Blödsinnigkeit. - Die %Menschen
aber sind sonst in andern Stücken unmündig, ob mans gleich nicht
merkt, denn es ist allgemein. Hier haben sich die Gelehrten oft
zu Vormündern der %Menschen aufgeworfen. Der Theologe, Jurist
Mediziner u.s.w. befehlen «bloß» oft ohne den Grund ihres
Befehlens zu sagen. - Den %Menschen behagts auch treflich, sich an-
drer Fürsorge zu überlassen, seine Seele dem Prediger, und
seinen Körper dem Arzt. Es ist ihnen zu mühsam, sich ihrer
Vernunft zu bedienen. Sie sind daher oft von Herrschsüchtigen
beherrscht worden. Lord Bolingbroke sagt daher, eine Menge
%Menschen ist immer ein Pöbel, «¿¿» über die einer herrscht -
Wenn der Regent die Unterthanen unmündig macht; so
sind sie unwillig. Dänemark «ist» <hat> daher nicht gut gethan -2}
|F_57
/{1- muß man immer die Principien
aufsuchen. Das %.Vernunft Talent ist
speculativ und practisch. Logic und
Metaphysic cultiviren beydes
%.Verstand hat doch noch mit %.Gegenständen der
Sinne zu thun. %.Vernunft aber bloß mit
dem %Verstand. Was nur in einzelnen
Fällen möglich und wirklich ist, kann ich
nicht zum Princip annehmen
/
/Viele Leute sind Zeitlebens un
mündig. Ihr %.Verstand schickt sich %nicht zu den
Geschäften des Lebens. Wir haben
ein %.gewißes Maaß von Jahren, indem
wir ohne Leitung anderer nichts thun
können, weil wir noch %.keine %.Erfahrung haben
und den Betrug der Welt %nicht ke
kennen. Frauenzimmer kommen eher
zu ihrem %.Verstand als Männer. Dem
ohngeachtet sind sie im %bürgerlichen Leben
doch ZeitLebens unmündig und haben
immer Curatoren. Gelehrte sind in
%Burgerlichen Angelegenheiten oft un
mündig das kann ihnen aber zu
keiner Unehre gereichen.
|F_57'
/Ein %Professor in Halle war beim
Schreiben Es entstand im Hause Feuer
Man lief zu ihm, er aber antwor
tete verdrüßlich: Habe ich euch nicht
gesagt daß das für meine Frau
gehört. Alle ErbKonigreiche wer
den beßer regiert als Wahl Koenigrei
che denn hier ist das Volk unmündig und
läßt sich deßwegen %nicht so gut regie
ren. -1}
/Rest_leer
|F_58
/{2- daß es die Kleiderordnung eingeführt hat. Smith im Buch
vom Nationalcharakter sagt eben dies. - Pauw in rechercher
sur les americains sagt; es ist eine unglükselige «Folge»
Vergleichung eines Fürsten mit einem Vater, wo die Unterthanen un-
mündige Kinder sind, denen er geben kann was er will. -
Es ist besonders, daß diejenigen, die unmündig gemacht werden, auch
«würdig» wirklich unmündig werden, und dann wenden ihre Un-
terdrücker vor, daß sie sich nur ihrer Freyheit nicht bedienen könnten,
und sie also noch ferner Sklaven machen mußten. - Das ist
bey der Leibeigenschaft, die besonders in Curland und Liefland
sehr groß ist. - Aber wenn man ihn erst befreyen wird,
so wird er wol seine Kräfte gebrauchen lernen. Eben so wie
ein Gebundener nicht gehen kann, so lange er gebunden ist, wenn er
aber losgelassen wird, so ist er doch vermögend, zu gehen. -
Eine andre unglückliche Vergleichung ist die des Geistlichen mit einem
Hirten, wo seine Untergebenen als das liebe Vieh anzusehen sind.
Die Unmündigkeit des zweyten Geschlechts ist «in sei» in öffentlichen
Angelegenheiten, in den häuslichen Angelegenheiten ist aber mehrentheils
der Mann unmündig. Das gilt aber nur in Europa, denn
in den andern Welttheilen sind die Weiber «¿»in der größesten
Verachtung und Unterwirfigkeit bey den Männern. -
Man muß sich immer prüfen, ob man und in welchen Stücken
man unmündig sey.
/ ≥ Von den Unvollkommenheiten des Gemüths ≤
/Wir können unterscheiden Gemüthskrankheit und Gemüths
gebrechlichkeit. Mit der letztern kommt man auf die Welt.
Anders ist Gemüthskrankheit, welche entweder den Zustand oder
/ die
|F_58'
/die Beschaffenheit des Gemüths betrift. - Das erste ist das
Phantasiren im Fieber, welches aber eigentlich eine körperliche Krank-
heit ist. - Es ist aber auch die Frage, ob der wirkliche Wahn-
sinn nicht auch von leiblicher Krankheit herrühre. - Rousseau
war einer der größten Sonderlinge, indem er ein Erzmisanthrop
war, dabey aber ein großes Genie hatte. Nach seinem Tode fand man
aber in seinem Kopfe eine Menge Wasser. Vielleicht kann
das die Ursache seiner Sonderbarkeit seyn. - So auch Swift, welcher
vor seinem Ende in einen dummen Wahnsinn gerieth, und in deßen
Kopf man auch Wasser fand. -
/Die %eigentliche Gemüthskrankheit «gehört der» betrift bloß den Zustand
des Gemüths, «und» den «die» verkehrten Gebrauch der Kräfte, wenn sie
gleich an sich gut sind. Zur Gemüthskrankheit gehört Hypochon-
drie, von der Seite des Gemüths betrachtet, Melancholie. - -
@Das@ möchte der Arzt vielleicht helfen können, aber man hat noch kein
sicheres Mittel wider die Nervenkrankheiten. - Der Hypochondrist
muß sich seiner Natur überlassen, @sonst Diät@, niemals länger im
Bett seyn als er schläft, sein Geist ist unfrey, keine stärkende Sachen
essen ZE Wein, denn die reizen @den@ zwar, aber schwächen auch da-
durch, und erregen uns mehr Appetit, als uns dienlich ist. - Die
Arzeneyen schwächen immer den Körper; denn sie setzen ihn nicht in
den vorigen, %sondern in einen andern Zustand. - Der Hypochondrist bil-
det sich ein allerley Krankheiten zu haben, liest medizinische Bücher
gern, und bey ihm wechselt Bekümmerniß mit Fröhlichkeit und
öfters mit ausgelassener Freude ab. -
/Ein gestörtes Gemüth ist schwer zu definiren, und von einem al-
bernen und Thoren zu unterscheiden. Denn es ist spezifisch unter-
schieden. Eine Blödsinnigkeit «mit»ist ein Gemüthsgebrechen, und ist
/δRand_058'Z_17
/152 ~
/δZ_27
/{1- %.Blodsinnigkeit %und Einfalt ist Mangel an %.Verstand Es ist
Mangel der %.Fahigkeit %.sein Urtheil nach andern zu
prüfen ob man gleich dem Probierstein glaubt
Die Cretins im Walliserlande Leute mit %.großen
Kröpfen sind blödsinnig. -1} ~
|F_59
/vom Gestörten zu unterscheiden. Der Gestörte handelt wider die @Regel@, und
betrift nicht den Mangel %sondern den unrechten Gebrauch der Gemüthskräfte,
sofern er habituell ist. Der Blödsinnige aber ist in seinem Gemüthe ge-
lähmt; er kann «gar» seine Gemüthskräfte wenig gebrauchen; er hat
eine angeborne Dummheit. - Die Ärzte können nicht den Zustand
eines Gesunden bestimmen; denn sie sehen wol, wenn alle thierischen
Funkzionen regelmäßig vorgehen. Aber wir wissen doch nicht, ob
je ein Mensch so gesund ist, daß ihm nichts das geringste fehlt. -
So schlimm ist auch die Gestörtheit zu charakterisiren. - Ein Mensch
hat gesunden Verstand, wenn er sein Urtheil mit andern vergleicht
und sein Urtheil objektiv giltig ist. Der Gestörte aber hat weder
Vermögen noch Trieb, sein Urtheil mit andrer Menschen Urtheil zu ver-
gleichen, %sondern glaubt, daß alles «es wirklich» was er denkt, wirklich
ist. - Zur Gestörtheit gehört: Wahnsinn, Wahnwitz, und A-
berwitz. - Der Wahnsinn ist innerlich, wenn sie «etwas» ein in-
nerliches Licht <zu> sehen glauben, oder «d» äußerlich. «Sch» Jenes ist Schwär-
merey, dieses Geisterseherey. - Der Wahnsinnige frägt im
Urtheil der Sinne nach andern gar nicht, wir aber geben im Urtheil
der Sinne «einem» dem Beyfall andrer einen entscheidenden Werth. -
Er ist in Grillen. - Der Wahnsinn ist %eigentlich ein falscher Sinn.
Wenn der Wahnsinnige Zweifeln wird; so wird er ein
bloßer Phantast seyn. - Der Wahnwitz beruht nicht
auf dem Urtheil der Sinne, %sondern des Verstandes. - Wahn
ist ein Schein, eine Vorstellung wovon der Grund im Subject liegt,
welchen wir aber im Object halten. - Bey den Wahnwitzigen
ist eine Hypothese zum Grunde, welche eingebildet ist. Nach dieser
richtet sich der Verstand, und er ist ordentlich klug und witzig. -
Er sieht was, und das legt er nach seinem Wahn so aus, und läßt sich
/ davon
/δRand_059_Z_3
/{1- Gemüthe
/Z_11
/Der Gestörte ist wie besoffen. Er hört %nicht auf an
dere. Wenn wir sprechen, so attendiren wir
immer darauf obs andre hören. Wer daher
laut zu sich selbst spricht ohne daß iemand da
bei ist %mit dem ists auch wol %nicht mehr recht richtig.
/Z_24
/Er schließt aus falschen Gründen richtig und wahr.
Der Aberwitzige aber schließt aus wahren
Gründen falsch. Er gebraucht richtige Regel
verkehrt. -1} ~
|F_59'
/davon gar nicht abzubringen ist. - Er ist ein Egoist der Urtheils
Kraft, so wie der Wahnsinnige ein Egoist der Sinnlichkeit. - Es
giebt vielerley Gattungen von Wahnwitz. - Man glaubt, er ent
stehe mehrentheils aus Hochmuth und Liebe. - Aber er scheint angeboren
und angeerbt zu seyn; nur war dies und jenes Veranlassung, daß
sein Wahnwitz völlig ausbrach. Das ist auch das Object, womit
er sich in seiner Narrheit immer beschäftigt. Man sagt, jener
war schon in seiner Jugend immer hochmüthig. Aber da war er
schon in einem kleinen Grade närrisch. - Man glaubt, daß
man durch «Über» zu großes Studiren toll werden könne. -
Aber durch zu große Anstrengung der Kräfte werden diese geschwächt
aber nicht überspannt. - Das späte Aufsitzen @bey Nachten@ und Beschäfti-
gung mit Materien, die unauflösbar sind, sind schon Würkungen
der verborgenen Narrheit. - Man sagt, der die Linie paßirt
«beym Wahnwitzigen ist Verst» werde wahnwitzig. Aber das zeigt
schon einen Grad von Narrheit an, daß sich einer einfallen läßt, nach
Ostindien zu gehen, womit er @%doch@ nichts zu thun hat. - Beym
Wahnwitzigen ist Verstand und Vernunft richtig, nur auf einen unrichtigen
Grund gebaut. - Beym Aberwitze aber legt der Mensch nicht allein
den Wahn zum Grunde, aber er kann auch was richtiges zum
Grund liegen; aber sein Verstand urtheilt nicht nach Regeln. -
So sind alle theoretischen Schriften des Boehm: Sie scheinen ver-
nünftig zu seyn, sinds aber nicht. Die Kabbala, oder durch Zahlen
was heraus zu bringen, und Theurgie, oder Kunst Geister zu zuhören,
und sich derselben zu seinem Urtheil zu bedienen. Das sind Wahnwitz.
Solches scheint hin und wieder wieder aufzukommen. zE Des err@eurs@
/ «und» et -2}
|F_60
/{1- Destinée ist eine ganz %unveranderliche %Noth
wendigkeit die ganz brutal ist wo es gehen
muß so wie es geht %.weiter -1}
/Rest_leer
|F_60'
/δleer
|F_61
/{2- de la vérite, und Les rapports, qui existent entre le Dieu,
homme, et le monde, zwei Bücher voller Schwärmerey %und Un-
verstand. - Gestörtheit im Affekt ist Tollheit. - Man sagt
Menschen hätten Grillen oder Raptus, wenn sie unversehens in eine ganz
widerwärtige Gemüthsdisposizion gerathen. Sie sind läunisch, wie
die Hunde. - Das sind Leute, die einen unbändigen Affekt
haben, und das ist mit der Tollheit sehr nahe verwandt. -
Es giebt Fehler des Verstandes, Urtheilskraft und Vernunft, die nicht
zur Gestörtheit gehören, aber doch Mengel sind. Als Thorheit,
Albernheit, Narrheit. - Die Menschen schweifen alle von der Regel
der Vernunft aus, und es kann sich oft keiner von Thorheit frey spre-
chen. Thorheit ist Abweichung von der Regel der Vernunft durch die
Verführung der Neigungen. - Jeder hat sein Steckenpferd, wozu
er Neigung hat, und wovon er sich nicht abbringen läßt. - Das muß
man ihm aber schon lassen. -
/Thor ist der, welcher unverständig ist, die Dinge nach ihrem Wahren
Werth zu schätzen. - Da setze ich in ein Spiel die größte
Wichtigkeit. - Der Thor kan beliebt seyn; der Narr
ist uns immer ein Gegenstand des Hasses; denn Narrheit führt den Be-
grif von Hochmuth bey sich. Ein Narr ist der, welcher von seinem
eigenen Werth «von» eine große Meinung hat. Der Narr zieht das
Böse dem Guten vor. - Narrheit ist Gegenstand des beissenden Spottes.
Narrheit ist ein der Schätzung anderer nachtheiliger Wahn seiner eige-
nen Vorzüge. Ein jeder der Gesellschaft nachtheiliger Wahn, ist Narr-
heit. Dazu gehört auch Hochmuth. - So hält man auch den
Geiz für eine Narrheit, aber bloß der habsüchtige Geiz,
nicht der karge Geiz, welcher bloß eine Thorheit ist. -
Ein habsüchtiger Geizige begeht eine Menge von Narrheiten.
|F_61'
/Wenn ich etwas <was> bloß ein Mittel ist, für einen Zweck
selber halte so ist es «sel» ein Wahn. Das ist aber beym Geitz. -
So giebts auch einen Ehrenwahn. - Es wäre gut, wenn man
ein Laster zur Narrheit machte, denn 1, wenn man spottet, so de-
müthigt man den andern, durch ernsthafte Wiederlegung aber mache ich
ihn noch wichtig. 2, wenn ich lache, so ist das besser, als wenn ich
ihm meinen bitteren Haß zeige. Dieses letztere verleitet zur Mi-
santhropie, und ist eine Gemüthsdisposizion, woran kein anderer
Theil nehmen kann. Durch Verlachung mache ich ein Laster doch menschlich
durch Haß aber teuflisch. - Man macht ein Laster lächerlich, wenn
man zeigt, daß man «h»dadurch gerade das Gegentheil von seinem Zwek
bewirkt. - So gilt das vom Hochmuth; denn der Hochmüthige macht
daß die andern Menschen ihn verachten, nicht daß sie ihn ehren. - Narrheit
ist Mißbrauch von Gedächtnißsachen, wenn es mit Eigendünkel ver-
bunden ist. - Die Narrheit bedarf noch Cultur. - - -
/Ein Gek ist der jedermann glaubt, und ein Laffe, der von je-
dermann betrogen werden kann. - Man nennt mehrentheils
alte Leute Gecken, und junge Leute Laffen. - Ein Gek ist
auch, der sich überall zum Besten halten läßt. - Gescheut wird
jemand durch viele Erfahrungen. - Abgewitzt ist man, wenn
man durch Erfahrungen nicht allein geschikt geworden ist, «¿»seinen Schaden
abzuwenden, %sondern noch andre auch zu überlisten. -
/Man hat blödsinnige Kinder aber nie gestörte Kinder.
Bey den letztern liegt der Keim von Verrüktheit, wenn sie hernach
verrükt werden, schon im Kind, und wenn der Verstand
entwickelt wird, so bricht auch diese aus. - <Grimm> Grib der Anmer-
kungen eines Reisenden durch Deutschland, England Frankreich geschrieben hat,
hat die Menschen in ihren Gemüthskrankheiten, und in ihren Fehlern
des Herzens, d.i. in den Nervenhospitälern und Gefängnissen -2} beobachtet
/δRand_061'_Z_2
/Einige lächerliche Beyspiele von Geiz
sind folgende: Ein Prediger hielt
einmal eine recht gute Predigt von
dem Werth des Allmosengebens. Ein Freund
eines Geizhalses wollte «dies» ihm
diese Predigt recht anwendbar machen,
dieser aber antwortete ihm: Es ist eine
herrliche Sache ums Allmosengeben, so daß
ich nächstens selbst um welche bitten werde.
Ein anderer hörte eine schöne Predigt
von der Schändlichkeit des Wucherns. Er
ging sogleich zum Priester und bat ihn
sie noch einmal zu halten. Dieser der
ihn kannte, antwortete ihm, daß er die
Sache schon ganz aus einander gesetzt hätte.
Ja, sagte der Wuchrer, es ist hier aber
in der Strasse noch ein Wucherer, vielleicht
möchte sich der bekehren, und ich nur der
einzige in der Straße seyn. - Ein
Geiziger vermachte an ein Hospital
1000_fl. Ehe er noch starb, ward das Geld
reduzirt. Gleich ließ er den Vorsteher
des Hospitals ruffen, und sagte ihm: Wenn
er das Legatum in reduzirtem Gelde
haben wollte; so wollte er es ihm gleich
auszahlen, wo nicht; so müßte er es zu-
rüknehmen. - Der Vorsteher gieng natür
licher weise den Vorschlag ein. «¿¿» ~
|F_62
/beobachtet und da vielerlei Bemerkungen gemacht ZE daß in den
Gefangnißen mehrentheils starke %.Personen %.gewesen sind. Die unter Gelehrten
so sehr gebräuchliche %.Hypochondrie kann man einigermaßen hieher rech
nen. Sie scheint sich %vorzüglich mit dem vielen Gebrauch der warmen
Geträncke und der Stimulirenden Sachen ZE des Tobaks ihre Wir
kung zu äußern. Die %Hypochondrie komt %nicht sowol %vom Studiren als %vom %un
ordentlichen Studiren her, von dem Uebergange aus dem Nichtsthun
auf %.eine plötzlich überspannte und höchst angestrengte Arbeit. Wenn
man %.gewiße %.mechanische Mittel braucht die %.GeistesKräfte aufzuheitern zE das
späte Coffee trincken. Man kann hieher auch alle die Empfindung
anstrengender Schriften rechnen %und %überhaupt alle reitzende %und stimu
lirende Dinge. Man kann wol nicht sagen, daß das Sitzen der Haupt
Grund der %.Hypochondrie sei; sonst müßten alle Schuster %und Schneider
Hypochondristen sein. - Das Sitzen mit der Anstrengung des Den
kens aber kann viel dazu beitragen. Die Structur des %Körpers
trägt vieles zur %.Hypochondrie bei ohnerachtet die Hauptquelle derselben
regellose %.EinbildungsKraft ist. Rousseau war ein erstaunlicher Hypo
chondrist welches man aus %.seinen SelbstGesprächen auf einsamen
SpazierGängen sehen kann.
/ ≥ Vom Talent 20 ≤
/Man unterscheidet Kopf Talent und Genie, Das Karakteristi
sche des %Menschen im %.ErkenntnißVermögen heißt Kopf im %.BegehrungsVermögen
Herz. Kopf ist dem Pinsel entgegengesetzt. Unter dem Kopf
denkt man sich das %.Vermögen selbst zu denken %und hieher gehört der
gesunde %Verstand und das %.Vermögen %und der Besitz einer richtigen %.<Be>UrtheilungsKraft
Es kann ihm die Kenntniß der Regel selbst fehlen, aber er weiß
ohne diese Theorie praktisch zu üben.
/Talent ist %.eine %Fahigkeit insofern sie als %.ErkentnisKraft in Anwendung einer
%.gewissen Art %.vom Obiect betrachtet wird. Es beruht beim Talent %nicht
sowol auf dem Grad als auf der Proportion.
|F_62'
/Es kann %.ein %Mensch bei einem %kleinen Grade Witz und %.großer %.UrtheilsKraft %ein %vernünftiger
Mann sein; hätte er aber bei demselben %.Grade %.UrtheilsKraft %einen noch %.größeren Grad
Witz so möchte er faseln. Daher muß man alle Talente %gemein
schaftlich zu cultiviren suchen damit %.eine %.Proportion bleibe. Die %Disproportion in den
Talenten sticht hervor %und macht monstroes. Soll man das aufzuheben
suchen? In %.Ansehung der %Menschen ia. In %.Ansehung d«es»er Ge«schlecht»<sellschaft>? Nein denn da
ist das auffallende angenehm %und dient zur Abwechselung.
/Der Schül«l»er bedarf Naturell zu lernen der Lehrer Talent der
Erfinder Genie. Der Schüler braucht nur zu lernen %und zu behalten
der Lehrer muß schon wißen das gelernte zu lehren und auf die
faßlichste Art wieder beizubringen. Viele Lehrer sind Schüler
%das %ist sie lehren bloß so wie sie gelernt haben - Sie müßen
aber %nicht bloß den Buchstaben der %.Wißenschaft wie er in Büchern
steht sondern auch den Geist der %.Wißenschaft die %Principien derselben
einzusehen suchen - dieses letztere muß der Lehrer mehr
wißen %.um sein %.Wißen nach der %.Beschaffenheit der Subiecte zu formen
wie es die Umstände erfodern.
/Die Talente sind %.verschieden es giebt ein critisches, historisches, philo
logisches, philosophisches, %.mathematisches %und %.mechanisches Talent p Wer in
einem Talent %vorzüglich ist darf es %.deßwegen %nicht in allen sein
/Denn die %ErkentnißArten dabei sind %verschieden. Der von allen Talenten
%.einen %.großen Grad besitzt ist %.ein %.allgemeiner Kopf. Ein Geist der Oberfläche
der %von allem die Titel %nicht aber den Inhalt weiß scheint
oft %.ein %allgemeiner %.Kopf zu sein ists aber %nicht so ZE die Franzosen.
/Den Geist der %.Allgemeinheit kann ieder der sich auf %eine %Wißenschaft legt <bald erlangen ->
/Man muß die %.Wißenschaft nach %.allgemeinen Zweken einsehen, wie alles
mit %.einem %.HauptZweke zusammenhängt. Das ist %.ein architectonisches Talent %und
der %.Ursprung der Systeme. Hat die Natur dem %Menschen die Neigun
gen die er zu einer Kunst hat gegeben? - Man hat ia
Neigungen von Natur aber man kann sich auch vieles
einbilden, von Natur zu haben. Uns gefallt oft bloß
|F_63
/Uns gefallt oft bloß des äußern wegen %.eine %.Wißenschaft ohne
das wir das Innere kennen. Fontenelle war einer der
allgemeinsten Köpfe. Er konte alles angenehm machen %und
leicht. Ein Italiener behauptete eine Metempsychosis des Talents
und wollte das daraus beweisen daß «man» an dem Tage
als Michael Angelo %.ein %.großer Mann starb Gallilaeus a Gallilaeis
geboren ward %und wie dieser starb Newton geboren ward
Aber das ist %.ein bloßes Spiel des Witzes denn die Seele war
ia beim Newton schon «als er» im Mutterleibe «wa» der Autor
sagt der Mangel des Talents köne durch Uebung ersetzt
werden. Was leicht scheint ist dem %Verfasser auch %nicht immer
leicht gewesen So sagt Rousseau die Stuke die von ihm be
sonders schön sind haben ihm auch besonders viel Fleiß gekostet
Leibnitz wird für %.einen %.allgemeinen Kopf gehalten Aber %eigentlich
scheint Leonardo d'Avi«¿¿»nci ein solcher gewesen zu sein
Er war der Stifter einer MalerSchule in Italien war
%.groß in allen Künsten, hatte Kenntniße in ieder %Wißenschaft %und be
saß sich ganz selbst. Er war Maler, Dichter, Bildhauer
Musiker schön %von Wuchs, redlich p
/Ja da er schon sterben wollte %und hörte daß der Konig
ihn zu besuchen kame so ermannte er sich %daß er fast
gar %nicht schwach zu sein schien. Das historische Talent erfodert
Gedächtniß. Ein Critisches %.Talent erfodert Kentniß der Regeln
der Logic %.Aesthetik %und %.eine gute %.UrtheilsKraft Daher ist der %.kein
Critiker der wol das schöne empfindet aber %.keinen Grund
außer %.seiner %.Empfindung angeben kann. Die %.Gewohnheit ersetzt durch Uebung
den Mangel des Talents %und besteht in %.einem habitus - Aber
es ist doch gleich %von dem Natur Talent unterschieden
/Das %.Natur Talent das %durch %.keinen Fleiß %und %durch %.keine Uebung kann er
worben werden ist Genie. Es ist %nicht sowol im Grad als
in der Qualitaet %vom Talent unterschieden. Es ist die Originali
taet des Talents.
/δZusatz_Z_8/9
/bloß der erste war %ein Genie ~
/δLage_J
|F_63'
/ ≥ Vom Genie. 21 ≤
/Genie komt her vom Genius eigenthümlicher Geist. Inge
nium legten die Alten allen bei %und verstanden darun
ter %natürliche %.Beschaffenheit %und Anlage eines Dinges. Es giebt Fahig
keiten die man durch Fleiß erlangen kann was aber da%durch
%nicht bewirkt werden kann sondern bloß %von der «natur»<eigenthüm>
lichen NaturAnlage herkömmt ist Genie So hat man Genies
der %EinbildungsKraft. Denn alle Producte des Geschmaks
könen nicht nach Regeln hervorgebracht werden; son
dern nach einer iedem eigenthümlichen Anlage des
Gemüths. In den deutschen Werken findet oft statt viel
Fleiß aber %nicht viel Genie. - Daher kann man das nicht ler
nen sondern dazu gehört Genie. Durch Fleiß wird man
ein Gedicht zwar fehlerfrei machen aber %nicht %eigentlich
dichten - Die Alten nanten das Genius weil sie es
fur Eingebung hielten und glaubten %daß es %von %.einem eigen
thumlichen Geiste eines andern herkäme Die Poeten
glaubten selbst oft Begeisterung, weil ihnen zu weilen
so was einfiel was ihnen hernach niemals mehr
in den Sinn kamm wenn sie sich gleich so sehr darum
bemüheten. Genie ist originalitaet des Talents.
/Alles was original ist, ist darum %nicht nachahmungswür
dig Es kann %.ein Original der %.Narrheit sein eine Origina
litaet des unrichtigen %.Gebrauch der %.Kraft - Das Genie ahmt
nicht Regeln nach sondern bringt Producte vor die selbst
wieder Regeln sind. Es ist %.Freiheit «der Re» vom Zwange der Regel
dadurch daß man selbst neue hervorbringt, die aber nach
ahmungs werth sein müßen. Wenn ich aus bekanten Regeln
andre herausziehe; so ist das Talent aber nicht Genie. ZE
So sind die %Erfindungen in der %.Mathematik %und %Philosophie p Die Regeln des Genies
|F_64
/müßen fruchtbar sein. In der Sprache muß man den Re-
geln folgen. Das Genie giebt neue Regel. So war Michael
Angelo ein Genie; indem er die Peters_Kirche in Rom nach einer
ganz neuen %.Erfindung baute, welche hernach ein Muster für alle
Zeiten geworden ist. - Sachen des Genies sind, die nicht nach
Regeln gelernt werden %.Mathematik %und %.Philosophie sind %nicht Sachen des Genies
Die Mathematik kann erlernt werden. So war Newton zwar
ein %Mensch %von %.großem Talent aber %nicht %von Genie, wie er selbst sagte Er
hatte %.sein Buch Principia philosophiae naturalis %durch 20 iährigen Fleiß
zu wege gebracht. Aber Genie ist %nicht %.ein <sehr> %.großes Talent sondern ein
originelles Talent - Genie kann man weder lernen noch %durch
%.eigenen Fleiß zu stande «zu» bringen; sondern es beruht auf der
besondern NaturAnlage. Sachen des Genies sind die, die auf
die %.EinbildungsKraft in Beziehung auf den Geschmak gehen
Geschmak richtet sich %nicht nach Regeln a priori ich kann
meinen Geschmak gar %nicht rechtfertigen. Geschmak ist so
die Proportion der GemüthsKräfte Beim Geschmak urtheilt
%nicht mein Geschmak sondern meine Empfindung. Der Erler
ner muß Naturell, der Lehrer Talent. Der Erfinder in
%.Ansehung des Geschmaks muß Genie haben. Jetzt nent man, aus
Mißbrauch, alle Talente Genies - Den Genies ist eine
Freiheit vom Zwange der Regel erlaubt. Poesie ist Sache
des Genies daher licentia poetica - %.Beredsamkeit %nicht so sehr
aber regellos kan %.ein Genie auch nicht sein. Die Ge
nies machen sich frei %von Regeln indem ihre Producte
selbst Regel werden. Er ist so zu sagen ein privile
girter Kopf. Dem Genie und Aufkommen deßelben ist der
mechanism der Unterweisung %durch imitationes Ciceronianas
regelmäßige Ausarbeitung %.von Briefen, Versen p %und %durch den
mechanism der Regierung, wenn der %.Vernunft %und den %.Verstand
Schranken gesetzt werden, zuwi«e»der. Das Genie muß %nicht un
terdrükt sondern cultivirt werden - %Durch den Mechanism
auf Schulen wird der Schüler so dran gewöhnt daß er
|F_64'
/er ohne Regeln gar %nicht fort kommen kann. Mann
sollte daher die Knaben %nicht in der %.Beredsamkeit unter
weisen; sondern gute Dichter %und Redner lesen laßen.
Die Imitationes sind %nicht Nachahmungen, denn dazu gehört
viel Geist eines Mannes völlig gleich zu kommen
%und also wirklich eben solch Genie sondern es ist Nachäffung.
So ist auch Mechanism im CivilStande sehr schedlich
denn da sind die %Menschen lauter Maschinen, %und zufalligen Feh
lern kann %nicht abgeholfen werden weil %.keine SelbstDen
ker da sind. *1 virtuosen sind halsstarrig %und haben vie
le Leidenschaften ZE zum Trunk pp
/Im SoldatenWesen ist der %.Mechanism sehr %nützlich; denn da
wirkt %.eine ganze Armee wie %.eine einzige %.große Maschine
%und hier komt eben die Stärke der Armeen her. Die
%.orientalischen Völker sind tapfer genung, nur sie stehen %nicht un
ter %.einem %.Mechanism %und dieser hängt von einer Disciplin ab
/Genies sind läunisch %und dependiren %.von ihren Launen. Sie
können %nicht immer dichten sondern zu %.gewißen Zeiten. Indeßen
sind die Genies wol %nicht so läunisch als die Virtuosen *2
diese sind Künstler in der Ausführung iene in der
Erfindung. - Dem Genie kann man entgegensetzen
%.einen mechanischen Kopf. Das Genie macht Epochen, in
deßen ist der %.mechanische Kopf doch nützlicher indem er
regelmäßige Ordnung macht. Ein %.mechanischer Kopf ist all
täglich. *3 Genie scheint %.eine Art %.von Disproportion in der
%.ErkentnißKraft zum Grunde zu haben. Die Genies der %.Einbildungs
Kraft haben mehrentheils bizarres Ansehen sind krüppe
licht p *4 Genies aber ist immer glänzender Obzwar
Genies %.Freiheit %von Regeln haben; so muß man «@¿¿@»deswegen
%nicht alle Regeln verspotten. Es giebt GenieAffen
welche daher da%durch anfiengen, daß sie die Regel über
|F_65
/überschritten, bei andern den Gedanken erregen
wollten daß sie Genies wären und so %von hinten an
fingen. GenieAffen suchen Originalitaet ohne Nachah
mungs%würdigkeit. Das ist noch %nicht Genie der gute Ein
fälle hat, denn diese können %nicht Regel sein Das Genie ist
mehrentheils roh als Shakespear es fehlt ihm Politur
auch Homer der Virtuose polirt das aus so ist «¿¿»Ver
gil. Zum Genie gehören %.EinbildungsKraft %UrtheilsKraft Geist
%und Geschmak gleich wie zu %.einem Gemälde Ausdruk, Zeich
nung (Richtigkeit) Composition (Feinheit) %und Colorit (ge
hörige Mischung der Farben) gehören. -
/Mangel der %.UrtheilsKraft offendirt mehr als Mangel der
EinbildungsKraft. %.Klugheit ist %.«¿»@P\R@einlichkeit %und scheint daher %nicht zum Genie
zu gehören aber viele %.Waghälsigkeiten auch %nicht, also das Mit
tel %Zwekmäßigkeit. Beim Geist muß %.Einheit des Princips sein
damit die %.GemüthsKräfte harmonisch bewegt werden
Der %.EinbildungsKraft ist die Creation des Genies zuzuschreiben
Geist ist %.EinbildungsKraft mit %.Verstand verbunden. %.UrtheilsKraft aber
mit %Sinnlichkeit verbunden ist Geschmack. Das Wort
Geist braucht man oft um %.etwas belebtes anzuzeigen
Was macht aber das belebende? - Es belebt etwas
was die %.EinbildungsKraft in %.Bewegung setzt. Dieses ist die Thätigste
%.GemüthsKraft «und auch die ¿» auch<3> «d» die<1> andern<2> Stoff zur
%.Thatigkeit giebt. Beim Geist muß aber auch %.ein %.Begriff sein
%denn es kan %nichts gefallen wobei %nicht %.Verstand im Spiel ist.
Beim Genie ist %.Fundament Geist zu haben. Zum Geschmak ge
hört aus dem gegebenen «%etwas neues» zu wählen %nicht %etwas neues
zu erfinden. Daher kann %.ein Genie wenig Geschmak %und
|F_65'
/%und %.einer %.von vielem Geschmak wenig Genie haben. Zum Genie
wird wol %.ein Geschmak <erfordert>; es ist aber %nichts %wesentliches; sondern
gehört zur Vollendung. Zeitalter des wahren Geschmaks
sind auch %.ZeitAlter der Aufklärung %und reifen %UrtheilsKraft. Geschmak
kommt erst aus langer %Erfahrung. Er ist %Behutsamkeit in der Wahl
deßen was gefällt. Er schränkt die %Kühnheit des Genies ein.
Wo daher der gute Geschmak herrscht sind auch weni
ger Genies ZE in %.England mehr als - %Frankreich Genies
/Ist das %.Product des Genies dem Geschmak %nicht gemäß so wird
er verachtet %und abgewiesen
/Beim %.Genie muß %die %.EinbildungsKraft %nicht gefeßelt sein %und doch müßen
es %nicht %.bloße Chimaeren sein Da ist %.eine feine %kleine Gränze
Das Genie gränzt daher sehr nahe %von %Dollheit.
/Genie schießt %.entweder die Wurzel, %id %est %.UrtheilsKraft; das ist bei
den Deutschen; oder in die Krone, das ist %.EinbildungsKraft, dies findet
bei %.Italienern statt, oder in %.die Blüthe %id %est Geschmak, bei den Franzosen
oder in die Frucht bei %.Engländern Geist Diese haben %.einen tiefen
Zentnerschweren Witz. %Italiener lieben Pracht - %.Franzosen Gesetz
Geber des Geschmaks - In den %.Englischen %.Producten des Witzes ist
alle mahl viel %.Verstand verborgen so wie in allen ihren Schriften
Die %eigentliche %Beschaffenheit des Genies hat besonders Gerhard
zu entdeken gesucht - Es ist die %.Frage ob die Natur zu dem
wozu sie %.einen Hang gegeben hat auch Talent gegeben.
/Das kann man %nicht sicher schlüßen. Zwar ists wahr %daß ein
wahres Genie sich auch ofters früh zeigt. Der %durch Natur
Anlage mehr hat als andre %durch Fleiß nennen die %.Franzosen
Eleve de la nature. Die Kosten zu den Canaelen
des Lord Bridgewald den einzigen in Europa hat %.ein
%.gewißer Brindley alles ausgerechnet. Ingenia prae
cocia früh kluge Kinder sind %.keine Genies sterben ent
|F_66
/%.entweder frühzeitig oder sind hernach %.gewöhnliche %Menschen - Solche waren
Pascal, Heinicke, Barattier, %.Ingenia %Praecocia sind bloße
Natur Spiele die bald vergehen. Sie leben auch %nicht lange
als Barttier ward im 12 Jahr %.Doctor %und im 18 starb er Die
%.großen Männer haben in der Jugend %nicht %außerordentliches gezeigt als
Clavius %.ein %.großer %.Mathematiker wurde in der Jugend %.seiner %Un
fähigkeit wegen zum Grobschmidt gegeben. Die %Ingenia %praecocia
sind auch ofters Autodidacti das sind Naturalisten in
den %.Wißenschaften %und sind mehrentheils in der Schweitz weil man
da frei <ist>. Es ist doch aber %.eine %.Unterweisung beßer. Denn sonst
hat man immer %.kein richtiges Fundament. So war Pascal
der %.verschiedene Sätze des Euclides erfand %und ihnen eigene Namen
gab. Die %.Langsamkeit beweist %nicht Mangel des Talents
sondern ist vielmehr %.eine langsame Vorbereitung
/Gigantische Gelehrsamkeit ist cyclopisch einäugig wenn
sie bloß im historischen Wißen besteht. %und das andere Auge
die %.Vernunft, Philosophie, fehlt. Vaste %.Gelehrsamkeit zeigt zuweilen
%.ein Genie an aber sie muß regulirt werden sonst ists
bloß Chaos ohne Leben %.Historisches Wißen macht aufgeblasen
%Philosophie demüthigt. -
/Sachen des Genies könen zum Nachtheil der Nation oft ge
reichen %und Verachtung gegen Fleiß %und mühsame Wißenschaften her
vorbringen. Eine %.große «Menge»Erfindung zieht nun %.eine
Menge Köpfe nach sich die ihn nach ahmen, %und %.ein %.großes Genie
schlägt %.eine Menge %ähnlicher Köpfe nieder die es %nicht wagen <wagen>
auch hervor<zu>treten. Daher kommt die %.Seltenheit des Genies
|F_66'
/
/ ≥ Zweiter «Theil» Abschnitt des %.Theils
/Vom Gefühl der Lust oder Unlust. ≤
/Dies wird interreßanter sein als das vorige da
es auf unser Wohlgefallen geht. Aber es ist desto schwe
rer %deutliche %.Begriffe %.davon zu geben. Gefühl der Lust oder
Unlust ist %.entweder subiectiv, wenn wir es an uns selbst
%und obiectiv wenn wirs am %.Gegenstand empfinden. Das Wohl
gefallen an meinem %.Zustand selbst ist das Vergnügen
%und was mich vergnügt ist angenehm. Das Wohlgefallen
am Obiect ist %.entweder %durch die Sinne %id %est Schöne oder %durch den
%.Verstand %id %est das Gute Das Wohlgefallen am Obiect ist Wohl
gefallen der Beurtheilung; am subiect Wohlgefallen
der %Empfindung. Also ist das Wohlgefallen dreierlei:
angenehm, schön %und gut. Das angenehme ist das
was dem PrivatSinn gefällt das schöne was %.allgemein
gefällt bei«¿¿»des aber gefällt sinnlich - - Das Gute
hingegen ist was nach Regeln des %.Verstandes gefällt. Daher kann
ich nur sagen: mir «ist»sei %etwas angenehm. Beim Schönen
glauben %und fordern wir %daß es auch anderen gefällt. Daher
streiten wir uns über das schöne. Das angenehme ver
gnügt; das Schöne gefällt %eigentlich; das Gute wird
gebilligt.
/1. Das Angenehme hiernach trachtet iedermann %und
die Idee %von ununterbrochener %Annehmlichkeit des Le
bens nent er %Glükseeligkeit - Iede %Unannehmlichkeit
oder Schmerz nöthigt uns aus unsern<1> Zustand<3> gegenwärtigen<2>
heraus zu gehen %und das ist die Definition davon. Die %.Emp
findung aber die uns bewegt den %.Zustand in dem wir
|F_67
/sind immer zu verlängern ist %Annehmlichkeit Vergnügen
Wir suchen ieden Augenblik %und werden getrieben aus
dem %Zustand worinn wir sind herauszugehen; daher scheint
es %daß wir unaufhörlich Schmerz haben - Man sagt, man sei
recht vergnügt gewesen, wenn die Zeit <recht> geschwind verlaufen
Wenn wir also alle Augenblike immer unsern Zustand verändern
so vergnügen wir uns. Vergnügen scheint daher aus der Auf
hebung des Schmerzes zu bestehen %und Schmerz scheint %eigentlich bei
uns zu herrschen. Der <%Italienische> Graf Veri sagt unter andern
die schönen Kunste %und %.Wißenschaften sind Mittel wieder die nahmenlo
sen Schmerzen der langen Weile. Hätten wir immer Vergnü
gen; so würde uns das %nichts nützen, denn wir würden uns un
sers Lebens %nicht bewußt sein. Beim Schmerz fühlen wir %eigentlich un
ser Dasein. Langeweile ist %unaufhörlicher Namenloser Schmerz
Gefuhlvolle Personen haben es oft. Die Vergnügungen sind phy
sische %und idealische. Je mehr der %Mensch die letztern in %seiner Gewalt hat
desto mehr Mittel hat er den Schmerz zu heben aber desto mehr
bedarf er auch derselben. Der Schmerz ist %ein Uebel aber die
Erin«g»erung daran ist uns %.lächerlich oder gleichgültig; an ein
%.moralisches Uebel errinert man sich wieder mit Uebel. Wir
möchten %nicht gern unter den Bedingungen wieder leben, als wir
schon in der %Kindheit gehabt haben denn wir sind %mit unserm
%.Zustand nie zufrieden %und wollen immer in einen andern über
gehen Die Wilden werden %nicht %.von Vergnügen sondern %.von Schmerz zur
%.Thätigkeit getrieben, nehmlich %.vom Hunger - Arbeit ist Schmerz der
aber wenn er uns gelingt, %durch %.ein neues Vergnügen ge
hoben wird. Eine angenehme Beschäftigung in der Muße
ist Unterhaltung. Eine %beschwerliche Beschäftigung wovon der
Zwek angenehm ist ist Arbeit. Warum suchen wir bei der Ta
fel Gesellschaft? Nicht darum weil %durch die %.verschiedenen Materien
/δZusatz_Z_8-10
/(Meiners hat %.seine Schrift %von der Natur des %Vergnügens
übersezt)~
/δRand_067_Z_15
/{3- (Die Vergnügungen sind phy-
sische und idealische) -3}~
|F_67'
/%von denen gesprochen wird wir immer aus %.einem %.Zustand in den
andern gebracht werden. Wäre unsre Zeit die wir recht
vergnügt zu sein glaubten %wirklich voll Vergnügen %.gewesen so
würden wir es bedauren daß sie %nicht länger gedauert hat. Wir
freuen uns aber immer im Gegentheil %daß die Zeit so ge
schwind verlaufen ist. Das zeigt daß wir uns immer be
mühen die Zeit so vielmehr %durch zulaufen Das hat aber immer
den Nutzen Schmerz ist itzt immer bey uns die Seele der %Thätigkeit
Würden wir %nicht %von %derselben aus %.einem %Zustand in den andern getrieben
so würden wir immer in %.einem %Zustand bleiben %und %nichts thun. Freilich hat
ten wir zur %Thätigkeit auch so bewogen werden können
%daß wir aus Voraussehung eines künftigen %.großen Vergnügens
aus unserm %Zustand herausgehen Aber die %.Vorsehung hat einmal
den Schmerz zum Stachel unsrer %Thätigkeit bestimmt. Roma
ne haben da%durch für uns immer mehr %anzugliches ie mehr
Gluk %und UnglücksFälle darin abwechseln. Sie können daher auch
%nicht das eheliche Leben beschreiben, weil dan die darin vorkom
mende %Gleichförmigkeit mißfallen würde Daher hat auch %.keiner das
Glük der Ehe ie schildern können sondern haben sie die Ge
schichte so weit fortgeführt; so haben sie dan %.einen Eheteufel da
zwischen gebracht. Beim %Menschen findet %kein %continuirliches Vergnügen statt
sondern Schmerz und Vergnügen müßen immer abwechseln.
Der %Mensch arbeitet daher welches an sich Schmerz ist aber ihm her
nach das Beste und reinste Vergnügen verschaft - Ar
beitet man %nicht so bekommt man Lange weile. Der Schmerz
macht die Zeit lang denn da fühlen wir unser ganzes Dasein
zE bei einer chirurgischen Operation - Die Dissonanzen sind
Schmerzen dienen aber dazu das Vergnügen bei dem Harmonischen
desto mehr zu heben. So besteht das angenehme beim Tobak
darin, daß da Schmerz %und Vergnügen immer abwechseln %und «%durch» der
vorher gehende Schmerz <durch> das Vergnügen immer gehoben wird. Was
die %Menschen bis zur %.Leidenschaft lieben ist %ein Schmerz der immer %durch %.ein %.Vergnügen aufgehoben
|F_68
/hoben wird. Aus langeweile haben sich manche umgebracht
zE Lord Mordeaux in Paris erschoß sich %und hinterließ
%.einen Zettel worinnen stand: Eßen Trinken auf Balle und Comoe
dien gehen Maitressen carressiren p sind das die %.Vergnügen dieser
Welt alle? so will ich denn in %.eine andern Welt neue suchen
Daher sagten die %.Franzosen die %Engländer erschießen sich um sich die Zeit
zu verpaßiren - Um sich die lange Weile zu vertreiben, sucht
man zu arbeiten - Selbst das Spiel zE %mit Karten warum
ist es angenehm warum wird es zu der heftigsten %.Leidenschaft
die alle andre Neigungen ausrottet - Das Interesse was da
bei ist wegen des zu besorgenden Verlustes und die Abwech
selung des Verlustes und Gewinstes also %.Abwechselung des Ver
gnügens %und Schmerzes sind die %.Ursachen %daß es gefällt. Das Spiel
cultivirt auch es macht uns gleichmüthig gewöhnt uns unsere
Affekten zurükzuhalten %und kan so auf die Moralitaet Einfluß
haben - Beim Schmerz wird die Zeit lang beim Vergnügen
kurz. Wir fühlen daher die Dauer unsres Lebens mehr @im@ Schmerz
Vergnügen macht uns die Dauer unsres Lebens vergeßen.
Vergnügen ist das Gefühl %.von der Beförderung des Lebens
Schmerz ist das Gefühl %von der Hinderniß des Lebens (Vergnü
gen ist kein Gefühl %von Leben denn dieses fuhle ich beim
Schmerz eben so gut %und noch weit beßer. Es ist auch %nicht bloße
Beförderung des Lebens dies sind Artzeneien welche aber
%.kein Vergnügen machen weil sie unmerklich sind. Es haben
einige behauptet der Grad des Schmerzens «s»richte sich nach dem
Grad der Hinderniß das ist aber falsch zE bei Zahnschmerzen. Das
Vergnügen ist %.kein %.positiver Genuß wo etwas zum Gefühl unsres
%Zustandes hinzukomt sondern bloß negativ und besteht in der Auf
hebung des Schmerzens. Das Leben hat %.ein %.gewißes Maaß über
|F_68'
/das es %nicht geht d. i. die Gesundheit. Nun aber würde ein
%continuirliches «Leben»Vergnügen das Leben ins unendliche stei
gern, %und so wenns über das Maaß gienge, wieder schwä
chen daher muß immer Schmerz vorhergehen der die %.Ge
sundheit aufhebt und das %.Vergnügen besteht dann in der Auf
hebung dieser Hinderniß und Beförderung des Lebens
zur Gesundheit) Es kann daher ein %.großes Hinderniß des
Lebens sein das wir aber %nicht fühlen und dann ists kein
Schmerz zE eine faulende Lunge - Das Gefühl kann
%.groß und die %.Beförderung oder Hinderniß klein sein. Die %.Größe
des %.Vergnügens oder %.Schmerzes beruht auf der %.Größe des Ge
fühls das Leben an sich selbst kann man %nicht fuhlen sondern
bloß die %.Beforderung oder Hinderniß deßelben. Der Gesunde
ist daher der, der %nichts fühlt %und so wird sich nie ein %Mensch recht
gesund finden. In %.Ansehung des %.Vergnügens hat unser Leben
wenig Werth denn der empfundene Schmerz hält ihm
die Wage - der Werth unsres Lebens besteht bloß
in dem Guten was wir gethan haben. Und bei
allen unzahligen Schmerzen wünschen wir doch das Leben
Zufriedenheit aus Genuß wäre positiv aus Gemächlich
keit negativ, die erstere haben wir %nicht in der Welt
aber wenn wir mit unsern %.Handlungen %und %mit uns selbst zu
frieden sind und das entsteht aus Bewußtsein guter Hand
lungen, dann sind wir hier glüklich
/Alle unsre %.Glükseeligkeit ist comparativ nach dem die
Dinge die uns Schmerz verursachen bei iedem %Menschen bei
iedem Volke verschieden sind. -
|F_69
/Voltaire sagt: Hofnung und Schlaf sind 2 Dinge die
zur Beförderung unseres Lebens abzweken. Wir sehen
hieraus, daß in der Arbeit hier unsre beste %Glukseeligkeit beste
he. Es ist besonders %daß uns die Zeit, die uns wahrend der
selben kurz %.vorkommt hernach lange erscheint %und %daß uns die Zeit
die uns so lang sie währte, lang vorkam, hernach kurz er
scheint das komt aber daher, daß Arbeit die Zeit am solide
sten erfüllt %und da%durch %.zugleich verkürzt %und weil sie die Zeit so sehr
ausfüllt so %.erscheint sie uns hernach lang weil wir uns viel
aus derselben erinnern können, hingegen scheint uns %.eine Zeit wo
wir %nichts gethan haben %und die uns deßwegen lang geworden
ist hernach kurz gewesen zu sein indem wir sie uns als eine
leere Zeit vorstellen %und uns %nichts aus derselben zu erinnern wißen
Gleichgültig ist der der %durch %nichts afficirt wird, gleichmüthig ist
der %durch %nichts in %.Bewegung gesetzt wird. Unser Gemüth ist bewegt
wenn es %nicht im Stande ist, den ganzen Werth %.seines %.Zustandes zu schätzen
Gleichgültig ist der, den %nichts vergnügt %und schmerzt. Gleichmü
thig ist aber der, der weder Freude noch %.Traurigkeit empfin
det - Freude und %.Traurigkeit bestehen %nicht bloß in Empfindungen
sondern auch in reflexionen dieses haben %nicht die Thiere ob sie
wol Vergnügen %und Schmerz haben. %.Gleichgültigkeit komt aus
Temperament. %.Gleichmüthigkeit aber aus Grundsätzen. Das erste
ist %nicht zu loben und vielmehr %.eine %.Leblosigkeit der %nicht gleichmüthig
ist schätzt %sein Vergnügen so hoch, daß er glaubt es mache ihn
allein höchst glüklich oder %unglüklich Man sagt daher auf %.einen solchen
er freue sich kindisch %und traure weibisch - Spieler sind oft ganz
gleichmüthig aber das scheint oft bloß zu sein denn es geht
/δLage_K
|F_69'
/ihnen wol so @z@ welcher zu %.einem der sich über %.seine anscheinende
%Gleichmüthigkeit wunderte sagte: Der Teufel hat dabei doch
%nichts verloren denn ich habe desto mehr innerlich geflucht. -
Um gleichmüthig zu sein darf man nur betrachten %daß
in unserm Leben %nichts wichtig sei als bloß %.unser Wohlverhalten
Der Gleichmuth ist ein läunischer Charakter entgegen gesetzt
welcher %nicht von Grundsätzen sondern nur %von Einflüßen theils
des Körpers theils anderer Umstände abhängt. - Der
Gleichmüthige hat %.ein immer frölich Herz %und das ist die Wohl
lust die Epicur anrühmt. - Um sich %Gleichmüthigkeit zu ver
schaffen, muß man %.sein Herz %nicht so an Dinge hängen die %nicht in
unsrer Gewalt sind (%und das ist alles außer unserer Moralitaet
%und das sustine %und abstine der Stoiker ausüben lernen. %.Gleich
müthigkeit ist die %.Vestigkeit unserer Gemüths_disposition
Läunische Gemüths_Disposition ist %von gar %.keiner %Vestigkeit sondern so
schwankend wie ein Rohr das ist ein elender Zustand. (Laune
ist zu %.unterscheiden %vom launigten welches das originale Scherzen ist das
in der GemüthsArt %.eines %Menschen liegt.) Man kan Vergnugen ge
nießen aber alle müßen so sein, %daß wir sie ohne Unmuth
entbehren können dann sind wir Meister %von unserem Ge
fuhl %und was ist vortreflicher? Durch Cultur könen wir uns
Gleichmuth erwerben. Durch %.Wißenschaft legen wir bei uns %einen
%innerlichen Fond an mit dem wir uns selbst ganz vergnügen
%und unterhalten können ohne andere Dinge außer uns nöthig zu
haben. Empfind«lich»samkeit ist auch dem Gleichmüthigen ange
meßen und ist das Vermögen angenehmes und unange
nehmes «zu» empfinden «und» zu können. %.Empfindlichkeit ist der
Zustand wo man %von ieder %.Empfindung leicht hingerißen wird
Diese letztere ist Schwäche die erstere ist Starke. Denn die
erstere braucht man, um für andere das was sie ver
|F_70
/gnügen soll, wählen zu könen - Solche %.Empfindlichkeit ist
itzt sehr Mode geworden (bei der %.Empfindlichkeit schaft man
sich statt vernünftiger reflexionen lauter Ideale. %.Empfind
samkeit kömmt %nicht aus den Sinnen sondern aus %.Begriffen. - Wir müßen
uns in unsern %.Handlungen %nicht nach %.Empfindungen richten denn diese geben
%.keine bestimmte Regel, %und täuschen uns immer. So auch beim Moralischen
Gefühl Empfindelei könte man auch %.Empfindseeligkeit nennen
so wie %.Redseeligkeit Verzärtelt ist der, der alle Eindrücke
gleich fühlt.) Mit %.einem Armen mitweinen %und ihm %nicht helfen ist Kin
derei. Denn fürs erste werden dadurch statt eines Ungluklichen
zwei fürs 2te bilden sich solche Leute hernach ein da%durch gute
%.Handlungen gethan zu haben. Zuerst muß man %.seine Pflichten erfüllen
%und %.seine %Schuldigkeit bezahlen hernach kann man an Großmuth denken
Immer zum Lachen %und Fröhlichkeit disponirt zu sein ist %nichts auch immer
traurig sein noch weniger. Aber %.eine gute heitre Laune, das
wichtige für wichtig %und %.Kleinigkeiten auch für %nichts zu halten das ist
die rechte Gemüthsdisposition die dem %menschlichen Herz angemeßen ist
Die gute Laune muß sich selbst beym Tadel übers Laster
äußern. Dieser besteht %.entweder in Verabscheuung oder in Spott
das erste selbst setzt uns in %.eine wi«e»drige GemüthsDisposition
das letztere aber erhält uns selbst die gute Laune %und ist auch wirk
samer; denn %durch Verabscheuung wird die Sache doch noch als
wichtig vorgestellt, indem ich das Unwürdige %nicht haßen wer
de %und man wird da%durch oft verführt auch %.Personen zu haßen. %Durch den
Spott aber mache ich das Laster ganz unwichtig - So ist auch
%.Frömmigkeit in guter Laune die beste. Der %Menschen Natur ist Gravitaet wie
es scheint %nicht angemeßen %und ergiebt sie sich nur zwangsweise
|F_70'
/denn aus Neigung spielt er bloß. Der mit sich selbst stets
zu frieden ist mit dem werden auch andre zufrieden sein; denn
sie haben %von ihm %nichts zu fürchten. Aber %von %.Ungluklichen hat man %seines
Neides wegen zu fürchten. %.Etwas sich zu Gemüthe ziehen ist
%von dem, %.etwas zu Herzen Herzen nehmen, unterschieden Das erste ge
<schieht> @«schicht»@, wenn ich %.etwas als %.einen %wesentlichen Abgang %.von meiner Gluksee
ligkeit ansehe, ohne es zu einer Triebfeder zu meinen %.Handlungen
zu machen. Das ist der Natur zu wi«e»der. Denn sie hat uns den
Schmerz gegeben daß er %.ein Stachel zu unserer %.Thatigkeit sey
Etwas zu Herzen nehmen aber ist %nicht unanständig. Wir müßen
da %.etwas insofern %und so stark empfinden als es nothig ist
um %.Triebfeder «um»zu %.unseren %.Handlungen zu werden. Selbst un
sere @%.eigenen@ %.Bedurfniße müßen wir uns %nicht zu Gemuthe ziehen son
dern bloß zu Herzen nehmen, Bloß zu büßen %und %nichts
zu beßern ist %nichts. Das Vergangene könen wir %nicht aufheben
aber das künftige wol (was nehmlich unsre %willkührlichen Hand
lungen betrift) Daher müßen wir auch bloß auf das
künftige sehen - Man glaubt wenn man es sich lange zu Ge
müthe zieht; so werde der Eindruk da%durch unverlöschlich %und
da%durch beständig Triebfeder werden. Aber schon das ist falsch
den vielmehr ein lange lästig gewordener Gedanke
wird, wie auch Tetens in %.seiner Bestimmung des %Menschen sagt, einem
hernach gehäßig - Wir müßen %.unser Vergnügen immer
zu steigern suchen. Bei unsern Vergnügungen haben wir
immer andre im prospect. Daher müßen wir in der
Jugend %nicht alles %mögliche %.Vergnügen zu genießen suchen damit wir
im Alter was übrig haben. Denn nach dem Ende beurtheilen
wir alles. Geht es uns am Ende gut; so scheint uns unser gan
|F_71
/ganzes Leben glüklich zu sein; und geht es uns schlecht; so scheint
es uns im ganzen Leben schlecht %.gewesen zu sein. Das %.Vergnügen im Nach-
schmak ist dauerhafter als im Vorschmak. Die Natur hat das so
weise geordnet. Die %.Enthaltsamkeit ist daher %nicht als Tugend bloß sondern
auch als %.Klugheit anzupreisen. Vergnügen dienen %.entweder zu unsrer
Cultur oder %nicht Die erste sind dauerhafte %Vergnügen. Jemehr ich sie ge
nieße destomehr werde ich derselben fähiger Die %.Vergnügen die %nicht zur
Cultur sondern bloß zum Genuß dienen, machen uns immer stumpfer
%und weniger derselben fähig. Zu den Cultivirenden %.Vergnügen gehören beson
ders <%Gesellschaft> mit Frauenzimmern wo %vorzüglich der Witz gebildet wird
2 ferner die %.Wißenschaften 3. der luxus oder «der»ein %.entbehrlicher
Aufwand mit Geschmak. Der Luxus geht auf die Qualitaet
luxuries Schwelgerey auf die Quantitaet der Dinge die Polen
haben noch Luxuries - Luxus gehört für ein cultivirtes
Zeitalter. Hume sagt Luxus ist die %.Annehmlichkeit die Weich
lich macht Daher haben die Engländer %.keinen Luxus denn sie reiten
fahren p. Aber der Luxus kann uns weichlich auch hart machen
Er herrscht in %.gewißen Zeitaltern. In vorigen Zeiten waren Luxu
ries. So wurde als anno 1400 der Orden der %.Mäßigkeit gestiftet
wurde wo das Gesetz war, daß Ritter in 2 Jahren sich %nicht besaufen
sollten, ihnen bloß erlaubt 17 Becher Wein auszutrinken - So schrank
te Carl_IV die Hochzeiten auf 10 Tische und an iedem 10 Personen
ein. Ein %.Gegenstand kann uns angenehm sein und doch das Vergnügen
an dem %.Gegenstand mißfallen; denn wir urtheilen (Hier machen %Sinnlichkeit
und Verstand den Contrast) über unser Vergnügen durch %.ein noch
höheres Vergnügen. So giebts bittere Freuden. Im Gegentheil kann
uns etwas unangenehm sein, was uns doch gefällt. So zE der Schmerz
über eine geliebte Person gefällt uns weil die Liebe doch etwas
edles ist. Solche betrubte die aus Großmuth trauern wollen sich %nicht trösten
|F_71'
/laßen denn es scheint ihnen Pflicht zu sein darüber zu
trauren. Das sind süße Schmerzen: Diese entstehen wenn
der Schmerz etwas edles zum Gegenstande hat. Hierauf grün
det sich auch das Wort Buße welches eine Abtragung von
Strafe fürs Verbrechen ist Es ist die innere Selbstpeinigung
Der %Verstand billigt %.diese %.Strafe und daher übt sie der %Mensch aus.
Sie schaft aber nicht den mindesten Vortheil. Das %.Vergnügen @aber@
kann außer der Empfindung noch dem %.Verstand gefallen. So
macht dem %Menschen %.sein Geschmak viel %.Vergnügen aber daß er den Ge
schmak hat darüber vergnügt er sich auch noch. Der %Mensch findet
ein Wohlgefallen %daß er iemandem wohlthut Er %.vergnügt sich aber
auch darüber daß er wohlthun kann und die Neigung dazu hat
das erste entspringt aus Sympathie das andre aus Maximen
So ist auch beim Schmerz %.etwas was uns noch <überdem> mißfällt. So beim
Neid dazu scheinen wir viel Anlage %von der Natur zu haben.
So sagt Richefocaul: Es ist bei dem Ungluk %.unsrer besten
Freunde %.etwas was uns %nicht ganz mißfällt - denn bei dem Zuwachs
andrer %.Vollkommenheit leidet unsre Eigenliebe; daher sehen wir
gern %daß sie gedemüthigt werden Der Neid ist uns schmerzlich %und
wir können ihn %nicht billigen. - Neid, SchadenFreude, %.Un
dankbarkeit sind die 3 teuflischen Laster weil sie gar %.keinen Nutzen
haben - Vermögen vergnügt uns vielmehr wenn wir es
selbst erworben haben; das ist eine neue Quelle des Ver
gnügens für den %Verstand. Beim Schmerz den wir uns selbst zu
gezogen haben fühlen wir eben so vielmehr ZE beim Spiel bin
ich %nicht so %empfindlich wenn ich %durch das Schiksal als wenn ich %durch meine
eigne Schuld verliere. Jenes war ein individueller Vorfall
dieser aber der %.eine %.allgemeine %.Ursache künftiges Verlustes sein kann
|F_72
/und wenn wir etwas versehen haben und die %.schadliche Folge
bleibt auch mit so sind wir doch über den Fehler %mißvergnügt.
So bei %.moralischen Handlungen. - Wenn wir einer %.großen Gefahr
entgangen sind so komt uns doch noch <immer> ein Schauder an
Was ist beßer schuldig oder unschuldig leiden? Beim letztern
Falle gebe ich doch noch immer meinen Handlungen Beyfall
hingegen werde ich d«och»abey entrüstet %und in Wuth gesetzt. Durch
Bewußtsein der Schuld aber werde ich niedergeschlagen
den schuldigen beschämt sein Schmerz. %.Vergnügen wird durch
die Vergleichung mit anderer Schmerz, Schmerz durch Ver
gleichung mit anderer %.Vergnügen vergrößert (Hume rechnet
zur Armut %nicht schlecht Eßen und Trinken sondern schlecht
gekleidet zu sein und %nicht unter %.Gesellschaft gehen zu könen)
So fuhlt man am warmen Ofen die %.Annehmlichkeit deßelben
mehr wenn draußen ein Sturm wütet oder schlecht Wetter
ist. Daher muß man bei %.einem betrübten %nicht mit heiterer Miene
kommen denn er will lieber daß der ganze Himmel um ihn trau
re und das tröstet ihn. Der Schmerz wird erleichtert wenn
wir wißen daß wir leicht %.einen noch höheren Verlust hatten
erleiden könen - Schmerz ist blos %Empfindung. %Traurigkeit wenn
ich mich für unglüklich halte. Es ist %.ein Urtheil über den «gan
zen» Werth meines <ganzen> %Zustandes. Schmerz aber bloß %.eine partiale Empfin
dung - Ein Mann %von Grundsatzen kann nie ungluklich sein
Schmerz kann er wol empfinden aber %nicht Traurigkeit. Diese
ist %.ein neuer Schmerz der daher entsteht daß man fühlt sein
Schmerz überwiege sein ganzes Vergnügen
/Wir empfinden mittelbar oder unmittelbar Lust oder Unlust
das mittelbare gefällt mir selbst nicht sondern nur der Zwek
|F_72'
/Wir betrachten also das unmittelbare Vergnügen. Die
ses ist entweder angenehm schön, gut oder unangenehm, häß
lich, böse Das angenehme gefällt in der Empfindung %und zur
%.Unterscheidung deßelben gehoren bloß Sinne oder das Gefühl
zur %.Unterscheidung des Schönen aber %.UrtheilsKraft und %.UrtheilsKraft
in Ansehung des Schönen ist Geschmak. Zur Unterscheidung
des Guten gehört Vernunft <%.Verstand %.Urtheil> Sentiment. Was mir ange
nehm ist hat für mich Reitz. Das angenehme gefällt nur
mir das Schöne aber muß für iedermann gelten denn es
beruht auf dem Obiect. Daher sagt Winkelmann:
Die Männer haben bloß wahre %.Schönheit die Weiber
aber %nicht. Sie haben nur für die Männer einen Reitz.
Ein Frauenzimmer wird das andre %nicht für so schön halten.
Bei der %.Schönheit müßen alle Empfindungen nach Proportion
in Regeln sein; es muß %.keine Disharmonie statt finden
daher ist das %.kein Geschmak wenn man sich mit Gold δLücke
/Der Geschmak hat %.allgemeine %.Gültigkeit daher giebts nur %.einen
Der für %.seinen PrivatSinn wählen kann hat Appetit; der aber
für den %.allgemeinen Sinn wahlt hat Geschmak. Beim Geschmak
gefällt uns etwas, weil es cultivirt Er %.vergrößert unser Ver
mögen solches Wohlgefallen zu empfinden<, %das> %.Vergnügen des Genusses
<den> Nutzen des %.Vergnügens und das Vermögen deßelben immer mehr
ab. Alle %.Gegenstände des %Geschmaks sind gesellig Sie können von
vielen ohne %daß einer was voraus hat empfunden werden
Es sind nur 2 Sinne Gehör und Gesicht die %.Gegenstände des Geschmaks
gewähren Es können sehr viele %Menschen ein Gemählde ansehen ohne
daß das was verliert. Music kann auch so von vie
len gehört werden. Diese %.Vergnügen %durch diese Sinne laßen sich der %.Ge
sellschaft mittheilen darum sind sie gesellig. Aber ihre Vergnügungen
|F_73
/drängen sich andern %nicht auf. Geruch läßt sich auch mittheilen
drängt sich aber auf daher ist er %nicht gesellig - Geschmak ist
also das Vermögen %.gesellschaftlich zu wählen. Die Regeln des
Geschmaks muß man aus der %.Erfahrung bestätigen sonst ist man
ungewiß ob man sie gleich schon vorher wißen kann. Sie
leiden auch Ausnahmen denn sie sind aus der %.Erfahrung entlehnt. Ueber
den Geschmak läßt sich immer disputiren demonstriren kann man
ihn %nicht Der Geschmak wird allgemeiner ie cultivirter die
Nation wird. Die %.Schriften der Alten haben Geschmak denn sie haben
sich schon so lang in Ruhm erhalten. Der Geschmak ist bloß
für die %Gesellschaft. Ein %.großes Mittel der %gesellschaftlichen Unterhaltung
ist die Mahlzeit. Zur geselligen Mahlzeit «ist»gehört Geschmak
daher hat man auch dies Vermögen %Gesellschaftlich zu wahlen
Geschmak genant. Das Schöne führt eine %.Annehmlichkeit bei sich;
aber darum ist es %nicht schön sondern weil es %.allgemein gefällt. Ge
schmaksUrtheil ist %von GeschmaksNeigung zu unterscheiden. Das letzte
re ist das Interreße welches ich an dem Geschmak nehme. Ich wer
de wenn ich auf einer wüsten Insel bin zwar dies oder
ienes schön finden aber ich werde %.kein Interreße daran
finden. Das Nüzliche wird das Schöne überwiegen. Die
GeschmaksNeigung wächst nach dem Maaße der Neigung zu
%Geselligkeit. Daher haben die Franzosen die %.große Neigung zum Ge
schmak. %Geseeligkeit ist gut aber %.gesellschaftliche Neigung %nicht. Man
muß immer der %.Gesellschaft entbehren könen. Für den Sinn gehört
Wohlleben %und der Hang dazu heißt luxus. Wohlleben mit
Geschmak gehört für die %.UrtheilsKraft und der Hang dazu ist luxus
Wohlleben ist Menge angenehmer Empfindungen die das Maaß
unserer Bedürfniße übersteigt Luxus ist gut indem da%durch die
|F_73'
/Künste in Flor gebracht werden. Bei der Luxuries ist
die Menge der Mittel gar %nicht angemeßen dem Zweke
Es ist alles im Uebermaaße. Wir veredlen also durch
den Luxus unsre Natur und werden also dadurch «naher»
der Moralitaet näher gebracht. Man sagt %daß man Appe
tit habe aber %nicht daß man Geschmak habe denn dieser be
ruht auf dem Beyfall anderer und ist eine Ehre. Der
Vornehme Stand kann %nicht ein Muster des Geschmaks sein
auch %nicht die Mode sondern %.Gesellschaft ist Muster des Geschmaks Man
muß daher in %.verschiedene %.Gesellschaften gehen. -
/Man kann Geschmak %.Urtheil haben, %und %nicht GeschmaksNeigung die
se ist Eitelkeit. (Sie beruht auf der %gesellschaftlichen Neigung
daher haben ungesellige %.keinen Geschmak und geschmaklose sind
ungesellig. Der Geschmak zieht das Schöne dem %nützlichen vor
Sieht man aber dabei auf %.einen andern Vortheil so hat man %.keine
GeschmaksNeigung. Hier überwiegt die Neigung zum Schönen
die Neigung zum %Nützlichen und Guten. Die herrschende Geschmaks
%Neigung eines Volks ist %.sein luxus das ist der erste Schritt zum
Verderben aber noch %nicht Verderben denn das Schöne läßt sich
auch mit dem %nützlichen und Guten vereinbaren Das ist geläu
terter Geschmak. Indeßen können die %Menschen das Maaß %nicht beobachten
sondern laßen das Schöne praevaliren Verdrängt er die
%Nutzlichkeit so ist er schadlich. Das Schöne muß %nicht Bedürfniß sein
sondern entbehrlich Das bloß %nüzliche ist %nicht schön und %.das was aus
Geschmak gewählt ist, ist bloß schön %nicht nützlich. Der Lu
xus befordert %.die Industrie denn da sind mehr Bedurfniße
Er hat %.Eitelkeit zur Triebfeder aber man muß es %nicht zum
Muster haben. %.Verschwendung welche krank macht ist wieder den
Geschmak. Genuß des Lebens mit Geschmak ist Wohlleben %und
die %.Angemeßenheit des Wohllebens zur %.Ges«e»elligkeit gute Lebens
/Art
|F_74
/Schmaus ist %von Gastmahl unterschieden. Jenes ist Anzahl %von
fremden Personen ohne %.gesellschaftliche Unterredung. Sind
ihrer gar zu viel so ist es ein Gelag. Bei %.einem Gastmahl
ist %.eine Anzahl %von bekanten Personen die %.eine %.Gesellschaft ausmachen
Luxus ist %.eine %.Vergrößerung des Geschmaks in der Qualitaet. Sparsam
keit gehört zum Geschmak und wenn sie zur Erreichung deßelben
vollkommen ist; so ists eben guter Geschmak Macht der Luxus
weichlich so ist er verderblich. Nimmt der Aufwand aufs %entbehrliche
zu; so verarmen einzelne %.Personen aber der Staat %nicht denn es
giebt wieder vielen Händen Arbeit. Wachsen %unsre Bedurfniße,
so wächst %.unser %.Vergnügen aber auch %MißVergnügen. Die %Gluksee
ligkeit %.unseres Lebens hängt daher %nicht %vom Geschmak ab aber die Cultur
wol Er bringt Künste %und %.Wißenschaft hervor weil die mit zum %Ent
behrlichen gehören <%und> zum Theil«s» selbst %.Gegenstand des Geschmaks sind. So cul
tivirt er. Weil aber auch da%durch die groben Neigungen gemäßigt
werden die der Cultur entgegen sind, wir Wohlanstand
lernen uns bei andern beliebt zu machen %und daher zur Gesell
schaft tauglicher werden; so civilisirt er. Wir werden
da%durch zum %gesellschaftlichen Umgange %und Vergnügungen immer fähiger
Jetzt fängt die Welt schon an civilisirt zu werden. Das Saufen
in %.Gesellschaften hat schon aufgehört das Duelliren hört <wird> auch schon
auf <an> «ab» Der Geschmak macht zwar %nicht moralisirt, bereitet doch
aber dazu vor. Der %Mensch verliert die %.Rohigkeit wird idealischer
%Annehmlichkeit zu genießen immer fahiger daher auch idealisirter
Triebfedern zur Tugend «immer» fahiger Man irt oft wenn
man glaubt %daß Laster der Religion wegen aufhören Es ge
schieht oft bloß des Geschmaks wegen δLückeristen in der Moral
eifern wieder den Geschmak als Verzärtelung Aber bei %.einem rohen %Menschen können
wir %.keine Tugend hervorbringen daher muß er schon vorbereitet sein
|F_74'
/und verfeinert, sonst fuhlt er %nicht Idealische Gründe. Mängel
des Geschmaks sind auch %.Ursache daß wichtige Tugenden %nicht gewe
sen sind.)
/Wir genießen etwas doppelt wenn wir sehen daß es an
dern gefällt %und daß wir ein guter Gesellschafter sind. So ist ein
Garten mehr für die %.Gesellschaft als %.ein Wald denn es ist da mehr
Ordnung daher führt man die Gesellschaften lieber in den
Garten als in den Wald weil iener %durch die %.Ordnung %eine %.Gesellschaft
mehr zusammenhällt Es ist ein %verdienstliches Talent und gereicht
zur Ehre Es hat daher die %Eitelkeit viel Antheil daran
/Es giebt GeschmaksAffen - Wenn der Beyfall %nicht auf die
Natur der Sache sondern auf %.einem conventionellen Beyfall be
ruht - Solches ist eine Mode - diese geht bloß auf die
Manier %nicht auf den Zwek der Sache. Sie ist %.ein %Gegenstand der
Nachahmung sofern sie aber erst anhebt. Den ein %.Gegenstand
der Nachahmung der schon lange gedauert hat ist Gebrauch
Moden sind %.Kleinigkeiten darum kann man sie mitmachen um
%nicht ein Sonderling zu scheinen %und in %.Kleinigkeiten was wichti
ges zu setzen Die Mode giebt uns so zu sagen %.eine Uniform
%und macht uns da%durch gesellig Doch ganze %Einformigkeit in Trachten
wie in Schweden ist wieder unausstehlich - die %.Flatterhaf
tigkeit in den Moden immer der erste zu sein ist Eitelkeit
Diese ist der Werth den man in die Dinge setzt bloß um
der %.allgemeinen Beistimmung willen - In den Moden mit Ver
stand wahlen zu wollen ist auch %nichts Es läßt %nicht in solchen
%Kleinigkeiten %.Verstand zeigen zu wollen - Es ist doch einerlei ob
das Kleid so geschnitten ist oder anders. Es ist besonders
daß wir uns durch die Mode so gewöhnen, daß wir alles
außer derselben %lacherlich finden und wenn das %lacherliche Mode wird
|F_75
/so finden wir es <hernach> schön. So finden die Chinesen die blauen
Augen lächerlich. Im Walliser Lande wo die Leute fast alle
Kröpfe haben, fiengen die Leute in %.einer Kirche als %.ein fremder
ohne Kropf herein kam darüber zu lachen %und zwar so daß
der Prediger sie errinnern mußte %und zwar so: Sie sollten
sich %nicht wundern %daß %diesen Fremden die Natur diese Zierde des Kropfes
%nicht verliehen hätte %und an den Sirach gedenken welcher sagt:
Spotte nicht eines Elenden *1 (So ist auch die SchreibArt %.eine Mode
besonders war dies im vorigen %.Jahrhundert in %Frankreich. Wenn die
Mode so hoch getrieben wird %daß sie lacherlich wird, so er
schrikt man %und fallt aufs andre Extrem.) Der Luxus bevöll
kert. Ist er auf den höchsten Grad gestiegen so entvöllkert er
und befördert den Verfall des Staats - Zu der Zeit sind auch
die %.großen MeisterStuke des Geschmaks hervor gekommen, welche
ächte Schönheit sind. In der Mahlerei, BildhauerKunst könen
%nicht Moden statt finden *2 (So predigte man noch vor 50 Jahren
auf den Kanzeln wieder die Peruquen Jetzt darf %.keiner ohne Perüquen
auf der Kanzel erscheinen) (der %Englische %.Zuschauer sagt man kan die
Moden prognosticiren besonders bei den %Frauenzimmern denn es
wäre mit ihnen so als mit den Bäumen. Wenn die Aeste un
ten beschnitten werden so schießen sie in die Krone %und umgekehrt
So würde wenn die Reifroke abnehmen der Kopfputz
immer %größer %und umgekehrt) Schönheit hat %.einen Reiz bei sich
/Nach dem Reiz urtheilen wir mit. Bei den Menschen urtheilen wir nach
dem Geschlecht. Eine Weibsperson die wir sehr haßlich finden
würden wir als Mansperson noch sehr gut aussehend finden
So war Heidegger ein Schweitzer der in London Oratoriums
gab d.i %öffentlich Musik aufführte ein sehr %häßlicher Mann und sagte in
einer %.Gesellschaft im Spase %daß wol %.kein %häßlicherer als er in London wür
de gefunden werden. Ein anderer wettete deßhalb mit ihm %und
|F_75'
/und brachte ein altes versoffenes Weib zum Vorschein wo
rüber gleich ieder lachte. Heidegger aber gab es noch %nicht ver
loren sondern sagt: Wir wollen tauschen: laß sie meine
Peruque nehmen %und ich ihre Corsette - Heidegger sahe da als
eine Hexe. Sie aber als %.eine ganz gute MansPerson aus.
/Winkelmann sagt: die Schönheit bei den %Menschen %und das Urtheilen darü
ber ist wohllustig. Beim %.Frauenzimmer fordern wir auch noch Reiz
das ist aber %nicht wahre Schönheit - die wahre %.Schönheit ist daher
wie die Alten sagten, männlich. Es ist besonders daß
wir bei der Beurtheilung der Schönheit, länge Proportion eines
%Menschen nach %.einem Ideale %von der %.größten %.Schönheit urtheilen.
/Woher haben wir dieses Ideal? Da wir %.verschiedene %Menschen von
%.unterschiedener %.Größe gesehen haben, so verschwinden zwar die Eindrücke
aber so daß sie zusammenfließen, %und %.eine %.gewiße Mittlere
%von dem uns ubrig bleibt, welche wir für die wahre
anstandige %.Größe halten und darnach alle andre beurtheilen
/Man kann so die mittlere %.Größe auch %durch Rechnen bald finden
wenn man nehmlich einiger tausend ausgewachsenen %Menschen
Länge addirt %und sie denn mit ihrer Anzahl dividirt - So haben
wir auch %.ein solches Mittelmaaß %von der proportion des Kopfes
zum Körper, der Nase zum Kopfe. So konte man aus der
Berechnung aller Glieder «besonders» vieler %Menschen besonders zE der Nase
des Kopfes p allemal das Mittelmaaß %und so noch die %vollkommene
%.proportion heraus kriegen Jedes Land hat diesem Zufolge sein eige
nes Mittelmaaß %von %Größe. In den Griechischen Profils findet
man die Nasen mit der Stirne in gleicher Linie laufen das ist
edel - So wie das schöne %vom angenehmen unterschieden wird
so muß es auch %vom Guten unterschieden werden. Das Schöne be
|F_76
/beruht auf der Eintracht des %Verstandes %und der %.Sinlichkeit sofern
es %durch die Eintracht befordert wird. Gehör %und Gesicht sind die
schönen Sinne. Sie geben %nicht allein der %Sinnlichkeit Nahrung son
dern auch dem %.Verstand was zu denken. Das Schone cultivirt
aber Mahlerei %BildHauerkunst wol, Music %nicht so sehr Ich habe
%.keine %.Begriffe da%von als bloß %von der Harmonie. Sie cultivirt darin
daß sie die sinnliche %.UrtheilsKraft anfeuert aus dem groben heraus
zieht. Sie macht das Herz sanft %und zärterer %.Eindrücke %empfänglich
besonders idealischer Reize und Rührungen Doch ist diese Cultur
von anderer Art als die des Gesichts. Denn dies giebt dem Ver
stand %.Begriffe Die Music belebt uns und befördert %und erleichtert
uns %.unsere Gedanken beßer nach zu hängen %und ist da%durch %eine gute Motion
Aber wir können %von der Music %nichts wieder erzählen. Sherlook
sagt: Wenn Reisende nach Italien kommen so werden sie %durch %.eine
schöne Opern Sangerinn ganz entzükt, indeß die Italiener in
den Logen Karten spielen %und wenn ein berühmter Sänger auftritt
etwas aufstehen. - Das ist das beste - die sich sehr der Music erge
ben sind seichte Kopfe mehrentheils. Man muß daher die Kinder
%nicht sehr Musik lernen laßen. Reiz ist %von Rührung unterschie
den das erstere ist Beförderung Belebung der %LebensKraft %durch %.einen
Anstoß - daher haben piquante Sachen %.einen Reiz. Die Rührung ist
Hemmung der %.LebensKraft die bloß dar%auf gestärkt wird. Rührun-
gen dringen tiefer ein. Die Dissonanzen der Musique hemmen auch
gleichsam die LebensGeister - Der Reiz wird geliebt. Ruhrung
erwekt Bewunderung. Junge Leute haben viel %.LebensKraft daher
haben sie lieber «Lebens Tragoedien» Ruhrungen %.deßwegen lieben sie
Tragoedien - Die Alten lieben mehr den Reiz die Rührung %nicht weil
die Ruhrungen länger bei ihnen bleiben bei den Jungen bald ver
schwinden. %.Schonheit müssen wir %nicht nach Reiz besonders %nicht nach
|F_76'
/nach Ruhrungen beurtheilen Denn die täuschen sehr. Gedichte
die wol Rührungen sind haben %nicht wahre Schonheit. So ist
Klopstok. Seine Schriften können daher in %.keine Sprache
ubersetzt werden Er hat dabei %.eine Art %von Undeutsch die nach
was antikes aus sieht als wenn es aus Felsen gehauen
wäre. Schön %und Gute kommen in Verwandschaft. Das gute
gefällt aus obiectiven das angenehme aus subiectiven das
Schöne aus ob %und subiectiven %Gründen zugleich - das gute kann
ich daher wol schön malen aber %nicht angenehm %nicht reitzend
sonst wird die Tugend eine Coquette - das schöne dient
zur Empfehlung des Guten. Der %Mensch wird verfeinert iemehr
er Geschmak am Schönen findet. Zur Unterscheidung des
angenehmen gehört Sinn Zur %.Unterscheidung des Schönen ge
hört %Sinnlichkeit %und %Verstand. Thiere könen daher %nicht Schonheit empfinden
Zur %.Unterscheidung des Guten gehört %Vernunft. Das angenehme kann
er als Thier das Schöne als %Mensch %und das Gute sofern er sich über
%.seine %Menschheit erhebt empfinden - Das Gute ist %.entweder mittelbar oder
unmittelbar gut. Das mittelbar gute gefallt nur als ein Mittel
zu %.einem guten Zweke und das ist das Nüzliche (die Natur hat das
Nüzliche oft hinter dem Schönen verborgen zE bei %Menschen ist das
äußere schön die innere Structur aber nüzlich das Skelet ist
bloß nüzlich. Ist das Schöne dem Nüzlichen zu wieder so läßts
%nicht einmal schön zE Wenn %.eine Säule oben dicker ist als unten.)
/Hier reden wir bloß %vom unmittelbar Guten %und das ist bloß das Mora
lische Gute. Das angenehme %und Schöne gefällt unmittelbar So auch das
%.Moralische Gute. Wenn wir moralisch böse handeln so kann dies in beson
dern Fällen vortheilhaft seyn; aber als %.allgemeine Regel mißfallts doch. Dies
Gefallen %und Mißfallen entspringt daher aus der %.Vernunft allein. Denn
/ das
|F_77
/denn das gefällt mir was als %.ein %.allgemeines Gesetz gelten
kann, also was mit meiner %.Vernunft übereinstimmt
/Das gute wird im allgemeinen betrachtet. Das Schöne im
besondern. Die Tugend hat innere Würde und will sich
daher %nicht durch Vortheile empfehlen laßen. Das wäre ein
MarktPreis. Aber einen affectiv %der Preis der auf ihrer
Schönheit beruht kann sie haben. Denn da ist %.kein Eigennutz
verbunden - Zum Empfinden des Guten gehört Sentiment
DenkungsArt - Wiedersprüche im Kopf zu haben ist %.kein Sen-
timent - Das Sentiment ist sehr %unterschieden. Alle müßen wol
erkennen daß es Unrecht oder Recht sei; aber die dieses Ur
theil begleitenden Empfindungen sind sehr %verschieden. Das Sen
timent ist eigentlich das Gefühl der Lust oder Unlust beim
Guten und Bösen. Zum Geschmak gehört bloß Uebung Cultur
Zum %.Erkenntniß des Guten und Bösen gehört Unterweisung
Zum Sentiment und zur Bildung deßelben gehort, %daß man
die Tugend schöner und das Laster haßlicher mahlen
beides mit lebhaften Farben schildere <%und> es %durch Geschichte
anschaulicher machen <kann>. Mancher kann %.ein gutes %.Sentiment
haben %und handelt %.deßwegen doch %nicht gut. So sagt man %von der
Königin Christine in Schweden daß sie stets klug gere
det und geschrieben aber unklug gehandelt habe. %Ge
schicklichkeit ist Vermögen %.sein Talent zu beliebigen Zweken
anzuwenden - %.Gutartigkeit sucht die %Geschicklichkeit zu
bloß %.großen Zweken anzuwenden Ein %.großer %und guter Fürst ist
daher zu unterscheiden. Der erstere ist der, der %große Natur
Anlagen zu beliebigen Zweken hat sie mögen gut oder böse sein
Die %.Gutartigkeit wenn sie auf Temperament beruht ist %nicht moralisch. -
/δLage_L
|F_77'
/%Gutartigkeit ist negativ dann heißts so viel als %Unschadlichkeit
das komt %von Dummheit, Schwachheit. - Die positive %.Gutar
tigkeit beruht auf Maximen, Grundsatzen die der %Mensch bei %.seinen %Handlungen
befolgt. Maximen werden %nicht angeboren aber wol Instinkt
Groß ist der der %.ein Vermögen hat viel Gutes auch böses zu thun
Es erregt Bewunderung. Redlichkeit erwirbt innern Bey
fall des %Menschen aber %nicht Ehrenbezeugungen. Durch Geschmak wird
man civilisirt %durch Bildung der DenkungsArt moralisirt.
Man hält sehr oft Ci«¿»vilisirung für %.Moralisirung Die %Ehrlichkeit
wird itzt sehr geehrt das ist aber %nicht gut denn dann muß sie
sehr selten sein und %.Ehrlichkeit müßte doch %alltäglich sein da
es das wenigste ist %und wer das %nicht ist ein Schelm ist. Man
denkt es wäre beßer wenn die guten %Menschen %von den bösen ge
trennt würden aber %durch die Mischung laßen die Bösen ab von
ihrer %Bösartigkeit %und die Guten werden da%durch immer mehr im Guten
geprüft Das %.Vergnügen was das angenehme schaft %und das
Schöne, kömt von außen. Das Gute gewahrt uns ein
%.Vergnügen aus uns selbst. Das Gute %und die Tugend ist %nicht bloß
NaturGabe sondern muß auch gelernt werden. Ienes
glaubte Rousseau dieses Hume. Wir müßen also früh
%.Maximen des Guten lernen. Leute die %nicht gern %moralische Gesprä
che hören haben %gemeiniglich sehr viel Selbstsucht %und Ei
gennutz. Manche Leute haben an %nichts Interresse
/Rest_leer
|F_78
/ ≥ Vom BegehrungsVermoegen Zweites %.Kapitel ≤
/Das BegehrungsVermögen setzt Gefühl der Lust oder
Unlust voraus %und %.diese %.Erkenntniß. Es kann etwas gefallen
und doch die Existenz deßelben uns gleichgultig sein
So ist das bei dem Schönen - Begierde ist das Wohl
gefallen an dem Dasein des GegenstaδLücke Es bewirkt
oft ein Bestreben nach dem Dasein des Dinges %und ist also
%.Ursache einer %.Handlung sofern das Ding in meiner
Gewalt ist - Nicht iedes Wohlgefallen ist daher Begier
de Das Begehren nennt man auch das Wollen. %.Entweder
will unsre %.Vernunft oder %.unsre %.Neigung nach den verschie
denen Arten «des» %.unseres Wohlgefallens. Wenn die
%.Vernunft %.etwas was die Neigung will, «auch» %nicht will
so wird sie oft zum Dienst der Neigung gebraucht
indem sie die Mittel ausfindig machen muß durch
welche die Neigung ihren Zweck erreichen «will» kann
So ist der Fall bei den mehresten %.Handlungen der %Menschen die
Neigung regiert uns %durch %.Empfindungen die starker eindrin
gen als die %.Begriffe der %Vernunft. Das giebt den Unterschied
zwischen 1.) Unteres BegehrungsVermögen wo die
Neigung %Triebfeder ist %und 2. %.zwischen Oberes - wo %.Vernunft
%.Triebfeder ist In beiden ist %.Vernunft im Spiel. Neigung
setzt voraus %daß wir den %.Gegenstand kenen, Instinkt
aber ist Begierde vor %Erkenntniß des %Gegenstandes. So ist der Ge
schlechtsInstinkt, der Appetit p aus Instinkt kann Neigung
werden. Eine habituelle %Sinnliche %.Begierde ist Neigung
daher müßen wir uns hüten. Denn «dann»sonst werden wir
|F_78'
/%.von ihnen abhangig - Sie setzen uns in die %.Nothwendigkeit %.etwas
zu thun ohne zu untersuchen warum So müßen wir aus
Gewohnheit<2> %nichts<1> thun lernen %und selbst Tugend %nicht. Sie
verliert sonst ihren Werth - Alle Begierden haben Be
ziehung auf %Thätigkeit. Sie sind %.ein Grund der %.Bestre«¿»bung %unserer
%Kraft, um %.etwas wirklich zu machen das sind thatige
Begierden Oft üben wir sie %nicht aus weil wir sehen
daß der %.Gegenstand %nicht in %.unserer Gewalt ist. Die Natur hat
uns bloß thatige Begierden gegeben aber wir haben
doch auch müßige %.Begierden pia desideria. So wünschen
wir oft %daß %.etwas %nicht geschehen wäre welches doch ietzt
unmöglich ist. Und sonderbar %.unser Wunsch ist desto
dringender ie mehr wir sehen %daß der Gegenstand %nicht in
%.unserer Gewalt ist. Es ist %.nothwendig daß wir zuerst
immer müßige Begierden haben den wir müßen
wollen %und hernach probiren ob wir die %.Gegenstände
%wirklich machen könen. Die Natur hat uns mußi
ge Begierden gegeben um uns da%durch zu bewegen
<un>sere %.Kraft zu versuchen Rousseau glaubt man soll
einen jungen %Menschen zur Liebe eines Frauenzimmers leiten
weil er dann aus Liebe zu ihr alle %.Kraft anstrengen
würde alles zu thun und sich vor allen Ausschweifun
gen hüten Aber durch die Liebe wird er zerstreut
wünscht dan %.seine %.Kraft anzustrengen, welches aber
Zerstreuung %nicht zur That kommen läßt. Maßige
|F_79
/Begierden wenn wir sie als solche eingesehen haben
zu hegen ist unsinnig %und schadlich. Hiezu gehoren also
die pia desideria die Reue welche bloß insoferne
gut ist insofern sie uns antreibt die Folgen davon
aufzuheben und in der Folge beßer zu handeln. -
Diese %.Beschäftigung mit der vergangenen Zeit macht uns unthätig
in der Folgenden Zeit Es giebt auch vage und unbestimmte Be
gierden die uns treiben aus dem gegenwartigen %Zustand heraus
%und in einen unbestimmten kunftigen %Zustand zu gehen von dem
wir %nichts wißen Von der Art ist die lange Weile welche ei
gentlich «in der Art» <darin> besteht daß uns die Zeit zu lange wahrt und
belästigt. Langeweile herrscht %nicht so sehr beim Natur%Menschen sondern
da wo der Luxus herrscht bei den Frauenzimmern bringt er Vapeurs
hervor Er herrscht mehr bei iungen lebhaften Leuten als
bei Alten. Sie entsteht aus der %.Gewohnheit %.seine Zufriedenheit im
Genuße zu finden. Dieser wird uns zuletzt überdrüßig und
daher entsteht Langeweile. Genuß nuzt auch die %.LebensKraft
ab; <da> hingegen Arbeit sie starkt und %.eine unmittelbare Zufrieden
heit gewährt - Langeweile ist %nicht im %.Zustand der %.Rohigkeit denn
sie haben %nicht so viele %.Begriffe Ihre Imagination stellt ihnen %nicht so viele
Arten %von %möglichen %.Vergnügen vor deren Nichbesitz sie sollte quälen
und ihnen Langeweile erregen könen. So sitzt der Caraibe
ganze Stunden lang mit %.seiner Angel am Fluß ohne daß er wenn
er auch %nicht das geringste fängt ungeduldig wird
/Langeweile ist der Ekel den man %von %.einem %.Zustand hat worin
man sich befindet - Er ist das %.große Uebel und die %.Ursache
%von vielem Bösen. Man muß schon früh in der Kindheit
sich davor verwahren lernen. Man sucht sich die Zeit
%durch Bücherlesen zu vertreiben. Aber wenn man dabei %nicht die
|F_79'
/Absicht hat daraus zu lernen; so fällt man nach dem
Lesen gleich in die Langeweile zurük. Wenn ich aber etwas
lese um daraus zu lernen so arbeite ich wahrend dem
le«s»rnen %und dann vertreibe ich die Zeit mir da%durch wahrend dem
lesen. Aber ich samle mir auch %.etwas ein durch deßen Ruk
errinnerung ich mir auch Künftig die Langeweile vertreiben
kann Unsre Gemüths %und %LebensKraft zu %wirklichen Zweken zu
gebrauchen ist die solideste Besetzung der Zeit und es
starkt auch unsere %.LebensKraft woraus denn wol die dar%auf
%.folgende %.Zufriedenheit entspringen mag. Die beständige Beschaftigung
mit %.Ergotzlichkeiten %.verursacht zuletzt Ekel %von allen Ergotzlich
keiten %und da%durch Langeweile %und noch dazu Ekel %von der Arbeit
Es ist ein namenloser Schmerz Manche glauben %und ver
treiben sich auch die Langeweile %durch Tobak rauchen aber
wenn sie es einmal einer %.Krankheit oder sonst wegen lassen
müssen so empfinden sie dan die %unertragliche Langeweile
Man flieht eben so auch zu %starken Getränken und zum Spiel
das Spiel und der Tobak besteht aus %einem Wechsel von Empfindungen
und in der Veränderung der Gegenstände wo %.unsere %.EinbildungsKraft ge
nug Stoff und %.Nahrung bekomt %und uns so die Langeweile vertreibt
Der Tobak beschäftigt unsre %.Imagination %durch die %.Verschiedenen Gestalten die
der Rauch annimmt. Daher schmekt im Finstern der Tobak auch %nicht so
%und gar %nicht; denn wir glauben denn immer %daß die Pfeiffe ausgegan
gen sey Es muß immer bei der %Ergotzlichkeit %.eines Sinnes noch %ein ande
rer verbunden sein, wenn diese bei uns %.einen %.großen Werth erhalten
soll - So könen wir Kalbs und Schöpsen Fleisch im Finstern %nicht unter
scheiden denn muß der Sinn des Gesichts dazu kommen. Die starken
%.Getränke %.vertreiben uns die Langeweile da%durch %daß sie uns das %Bewußt
|F_80
/sein rauben. Die Wilden %.Volker haben an diesen das %großte Wohlgefallen
Zwar anfangs schmekts ihnen %nicht; aber da sie sehen daß es berausche
so brenen sie itzt darnach. Unlust zur %.Arbeit ist der nächste Weg
zur %.Langeweile - Selbst die Ruhe muß immer mit %.einer %.Beschaftigung ver
bunden sein denn %.eine totale Ruhe erschöpft unsere %.Kraft eben so als die
%.großte Arbeit - %Arbeit %id %est %.Beschäftigung mit Zwang müßen wir haben
denn %.Beschäftigung in der Muße die %nicht mit Zwang verbunden ist, schützt
uns auch %nicht %.vor %.Langeweile %und ist bloß in der Ruhe gut. Der Hang zur
%.Arbeit oder %.Arbeitsamkeit ist die beste Neigung %und man muß sich diese
zu erwerben suchen - Daher müßen wir %von Jung auf zur %Arbeit ge
wöhnt werden %und es ist in diesem Betracht schädlich die Kinder
immer spielend unterrichten zu wollen. Es ist besonders %daß die mehre
sten %Menschen in die %.Faulheit die %.Freiheit, %und in der %.Arbeit Sklawerei setzen
Daher lieben die freiesten Nationen mehr die Faulheit und faule
Leute bilden sich %ordentlich was darauf %.ein %und glauben Edelleute zu sein
Arbeit scheint %.etwas sklawisches bei sich zu führen %und der %Mensch ist auch
%nicht fahig %.seine Zeit hinzubringen ohne sich selbst %.gewiße Feßeln und
Banden anzulegen. Denn der %Mensch kann %.seine %.Freiheit %nicht recht gebrauchen
der ist waker der die Hinderniße des Arbeitens %nicht scheut %und rü
stig der gleich freudig zur %.Arbeit geht. Die Natur reitzt uns selbst
zur %.Arbeit da%durch %daß wir ie %.großer die %.Beschwerniß ist, desto mehr %Vergnügen
darüber hernach empfinden So versuchen auch schon %.Kinder alle Ge
fahren %und suchen %.etwas was sie leichter erlangen lieber auf %.eine be
%schwerliche %und %gefahrliche Weise - Begehren scheint aber so viel zu
bedeuten als Bedürfen, indeßen haben wir bei uns %.eine Quelle %von
Begierden %deren %.Gegenstände wir für uns gar %nicht bedürfen So sind Die Mora
lische Begierden. Hier begehren wir %.etwas um der %.Vorstellung willen daß
%.etwas gut %und wir begehren das was wir %nicht sondern andere
bedürfen Was wir %nicht bedürfen ist entbehrlich. Wenn wir bei
|F_80'
/dem was wir begehren uns immer vorstellen können daß
es entbehrlich sei; so haben wir wahre %.Zufriedenheit Denn Be
dürfniß belastigt uns Wir begehren %gemeiniglich das am stark
sten, was am wenigsten in %.unserer %.Gewalt ist So zE Ehre begehren
wir sofern sehr %und es ist doch am wenigsten in %.unserer %.Gewalt denn
es beruht ia auf dem Willen anderer %uns Beifall zu geben. Es
scheint die Natur habe uns zu dem schweren so starke Triebe
gegeben um %.unsere %.Kraft zu üben - So auch das Verlieben. Da haben
wir ia auch %nicht in unserer %.Gewalt ob uns %.ein %.Frauenzimmer liebt oder %nicht -
%.Unabhänglichkeit %von den sinnlichen Anreitzen ist %.moralische %.Freiheit Die er
wirbt man %durch die %.Starke der Tugend - das muß in der Jugend ge
schehen Aber wir erlangen sie %durch die Abnahme der Starke der
Triebe im Alter da beruht es aber auf der Abnahme der %Leidenschaft
%und ist %eigentlich %.kein Wachsthum %von %Freiheit. Das Alter wird %durch %Un
empfindlichkeit frei %von vielen Reitzen Ueberdem leistet auch %nicht bloße
Abnahme %und %Unempfindlichkeit gegen Reitze %.moralische %Freiheit %.sondern
es muß auch noch Moralitaet schon selbst zum Grunde liegen
Die %.Predigten der Alten an %.die Jugend %von %.Enthaltsamkeit wirken daher %nichts
weil %.die Jugend sieht %daß die Alten darum so gut reden können weil
sie %.keine Reitze dafür mehr haben %nicht mehr tauglich dazu sind - Man
muß der Jugend sagen: Sie könne alle %.Vergnügen wol genießen; aber
sie müßte auch welche auf die Zukunft ersparen denn sonst möchten
sie dann im Alter %.LangeWeile haben (Freiheit findet %nicht in den Begierden
sondern nur in dem Willen statt. Begierden stehen in %.unserer %Gewalt %nicht di
recte; aber indirecte wol indem wir sie schwächen. %.Freiheit
geht auf %.die Beschließung welche Begierden man ausführen will. Sie
ist das characteristische %.des %Menschen denn Thiere haben Instinkte, denen sie
blindlings folgen müßen. Leute die mehr %.Begierden haben sind auch weniger
frei So ist der Reiche weniger frei als der Arme) %durch zu vielen
Genuß alles %möglichen %.Vergnügens werden alle überdrüßig %und man
/δZusatz_Z_15/6
/Freiheit besteht %nicht in der %Unfähigkeit der Begierden ~
|F_81
/%und man stumpft sie alle ganz ab %daß man %hernach gar %nicht mehr
im Stande ist %Vergnügen zu genießen Schon %Klugheit gebietet es
also hierin %sparsam zu sein. Wir müßen immer so viel %Vergnügen
übrig %und ungenießen laßen %daß wir %hernach %.unser %.Vergnügen immer steigern
könen. Denn könen wir das %nicht so werden wir schon matt
%und überdrüßig wenn wir %auch noch <genug> andre haben
/%.Die Arten des Gefühls der Lust oder Unlust sind %.Empfindsamkeit Gefühl
%und Affect %und %.die des %.BegehrungsVermögens sind Hang Instinkt, Nei
gung und %Leidenschaft.
/1. Hang (propensio) %Möglichkeit der Entstehung der Begierden die
ser kann statt finden wenn %auch wirklich die Begierde noch nicht da
ist. So haben %die %.Nordischen %.Völker %.einen Hang zu starken %.Getränken. Alle %.Frauenzimmer
haben %.einen Hang zum Putz daher definirt @Amst.@ ein Frauenzimmer
%durch %.ein Thier das sich gern putzt.
/2. Instinkt ist %.eine %wirkliche Begierde aber ohne klare %.Erkentnis des
Obiects. %.Eine solche ist die Begierde in %.Ansehung der %.GeschlechterNeigung
Die Begierde eines %Kindes die Milch zu saugen Instinkt recht er
klären zu können geht über die Quelle der %Philosophie heraus
/Wenn ich zE die Gründe anführen sollte warum die Vögel in
Africa ihre Nester oft an %kleine Zweige bauen die über dem
%Wasser hängen nehmlich ob sie uberlegt hatten oder %nicht, daß
wenn sie ihre Nester %nicht über dem %.Wasser an %kleine Zweige beve
stigen würden sie die Affen abreißen würden
/
/3. Neigung ist %.eine habituelle Begierde -.
/Jederman hat so %.seine permanente Begierden zE zum Spiel zum
%.Getränk. Es ist %.kein Glük Neigungen zu haben Aber doch wenn der %Mensch
auf der andern Seite %.keine %.Neigungen hätte; so würde %nichts %von %Thatigkeit
bei ihm anzutreffen sein Ist %.eine %Neigung zu %.einer Sache so stark %und
|F_81'
/%und habituell geworden daß sie alle andre %.Neigungen unterdrükt so
heißt sie
/
/4. Leidenschaft. Bei der %.Leidenschaft ist man %nicht im Stande
die %.Neigung mit der Summe aller andern - zu vergleichen. %.Leidenschaft
ist blind, indem sie «%nicht» das %Urtheil %und resultat des %.Verstandes %nicht an
nehmen will -
/Affect %und %.Leidenschaft entstehen aus %.einer %.Disproportion wenn die %.Empfindung
in der %.Neigung so anwächst %daß sie %.größer wird als das ganze aller
Neigungen. %.Leidenschaft %und Affect sind %unterschieden. Affekt ist die %Empfindung die
alle andre %Empfindung übersteigt %und %.die uns hindert sie selbst mit
der Summe aller %.übrigen %.Empfindungen zu vergleichen. %Gemeinhin ver
%.ursachen «d» %.kleine %.Gegenstände die starksten %Leidenschaften %und Affecten. Denn große
%.Gegenstände zu faßen ist das Gemüth %nicht <so bald> im Stande als %.kleine Daher es
sich den auch bei %.diesen weit %plötzlicher «ergießt» als bei ienen
erhizt. Affekt ist %.Empfindung %und muß daher %nicht zum %.BegehrungsVermögen ge
zählt werden sondern gehört zum Gefühl der Lust oder Unlust
%.Leidenschaft aber gehört zum %BegehrungsVermögen. Dies waren also die
Arten oder Stuffen des %.BegehrungsVermögens. Nun wollen wir
die Arten oder Grade des Gefühls der Lust oder Unlust
%durchgehen Das Gefühl der Lust oder Unlust hat 3 Stuffen
/«m»1.) Empfindsamkeit ist die %Fahigkeit Lust oder Unlust zu
empfangen. Gefühl ist der %.Zustand wo Lust oder Unlust fühlt
%.GemüthsBewegung ist %.ein Gefühl der Lust oder Unlust das unsre gan
ze %.Aufmerksamkeit auf sich zieht. Macht sie uns unvermögend
diese Empfindung mit der Summe aller %.Empfindungen zu vergleichen
so ists Affect. Er setzt uns außer Faßung macht uns unver
mögend unsre %.GemüthsKräfte %willkührlich zu dirigiren. Er zwingt
|F_82
/uns %.seine Aufmerksamkeit bloß auf ihn %und auf %nichts anders zu richten. Bei
der %.GemüthsBewegung stehts doch noch immer in %.unsrer %.Gewalt %.unsre %.Aufmerksamkeit
auch auf was andres zu richten wenn wir wollen aber der Affect
läßt uns gar %nicht nachdenken. Beim %.Affect glauben wir %entweder ganz
%glüklich oder %.unglücklich zu sein Aber wir handeln da ganz %.unvernünftig
denn wir schätzen %.unser Glük oder Unglük %nicht nach der ganzen Sum
me %.unserer %.Empfindungen sondern bloß nach «der ganzen Sum» einer %Empfindung nach
%.einem Theil der Summe der %Affect ist daher blind. Affekt ist %von %.Leidenschaft
%unterschieden. - Affekt ist wie %.ein %plötzlicher Sturm der bald aufhört. %.Leidenschaft
aber ist wie %.ein %continuirlicher Strom der %nicht aufhört sondern noch
mit der Zeit wächst. Sie kann auch nie recht ausgerottet wer
den. Affekt verschwindet %von selbst. Was der Affect %nicht gleich
thut, thut er gar %nicht. %.Leidenschaft ist %.behutsam Affect gar %nicht. -
Affect macht unklug denn wir wißen da rein gar %nichts was
wir thun sollen. %.Leidenschaft macht unweise indem wir da gar %nicht
auf den letzten Zwek sehen. Mit dem der im Affect ist kan
man machen was man will. Man kann iemand aus %.einem
%Affect in den andern versetzen aber das hilft der FaßungsKraft %nichts.
%.Personen die wenig affect haben «haben» wenig %.Leidenschaft %und vice
versa. Viele %Völker haben wenig %Affecte aber desto %starkere Leiden
schaften zE die Indianer haben mehr Rachsucht als Zorn - das
komt %von %.einer Feigheit her. - Affect ist wie ein Rausch den
man ausschläft - %.Leidenschaft wie ein dauernder Wahnsinn
%.Franzosen haben viel Affekt aber %nicht so viel %Leidenschaft.
/Affektlosigkeit ist %.keine %Empfindungslosigkeit - Man nent die
--- Phlegma. Und das ist das Temperament eines Weisen
Ein %Mensch ohne Affect hat %.ein ruhiges Gemüth -
/Es giebt Affekten der Freude des Mißvergnügens - die Affecten
treffen bei einigen bloß die Sinne; bei andern das Gemüth. Sich
|F_82'
/Sich worüber ärgern ist bis zur Kränkung unwillig wer
den %und das geht aufs Gemüth. Sich erzürnen geht auf den
%äußerlichen Ausbruch des Unwillens geht auf den Sinn. Es trift
zwar %.unsere Empfindung dringt aber %nicht ins Gemüth Die Affekten die
ins Gemüth dringen sind die schadlichsten. Selbst Freude muß
%nicht bis zu dem Grade dringen. An solchen %.starken Affecten
sterben oft %Menschen. So sterben die %Menschen sowol an Freude als an Be-
trübniß noch mehr an Freude das komt daher daß wir
bei der Betrübniß alle unsere %.Kräfte zusammenraffen um demselben
zu wiederstehen Bei der Freude aber überlaßen wir uns ganz
Die Stoiker %.verstanden unter ihrer Apateia bloß Affektlosig
keit - Man wünscht sich zwar oft Affekt aber %nicht Leidenschaft
Man muß %.unterscheiden Lebhaftigkeit %von Affekt. Der Italiener hat viel
Affekt Franzose bloß %Lebhaftigkeit. Sie könen %.willkührlich
allerlei Affecte vorstellen daher schiken sie sich sehr gut
zu Comoedianten. Der sich %.einen Affekt %.lebhaft %.vorstellen kann,
kann es beßer machen als der selber solchen Affekt hat
/%.Große Poeten sind oft gar %nicht Affectvoll gewesen zE Yo
ung Es ist sehr gut Affekten nach zu machen zu schelten
ohne wirklich zornig zu sein Denn bei %.einem %wirklichen Afect
leiden wir mehr als die andern Wir könen uns aber nie
%willkührlich in %.einen %wirklichen %Affect versetzen. Redner kon
nen rühren ohne gerührt zu sein Sie müßen es auch
wahrend dem Reden %nicht sein sonst sind sie %nicht im Stande
angemeßen ihren %Gegenstand zu sprechen. %.Empfindungen müßen sie wol haben
aber %nicht im Affekt sein Der im Affect ist wird stumm %und es
ist ein Zeichen des schon verrauchenden <affect> wenn man mit mehr
Worterwahl spricht. Er kann daher das Gemüth in %.Bewegung
setzen ohne im Affect zu sein. Das Gemüth muß in Ruhe sein
|F_83
/wenn die Seele in %Bewegung ist. Dies ist der %Zustand der wahren Ruhe
/%Ein %Mensch kann %.große Schmerzen empfinden ohne Gram darüber zu empfinden
Wenn ich das Uebel mit dem %.Verstand erwäge so ziehe ich es mir
zu Gemüthe Seele, Herz zeigt die %.Empfindung an. Die Seele kann
daher in %.Bewegung das Gemüth aber <muß immer> in Ruhe sein. Das ist das Bewußt
sein %.unseres %.Zustandes sofern das %.Urtheil über den Werth dieses %.Zustandes durch
den %Verstand gefällt wird - Wir sind %.tadelhaft daß wir uns in Affekt
kommen laßen; aber wenn wir schon darin sind, dann sind wir
%nicht vermögend uns herauszureißen, sind dann %nicht tadelhaft. Alle Affekten
überraschen aber einige - so plotzlich daß wir uns %nicht im mindesten da
rauf vorbereiten können So sind Zorn %und Furcht - der Affekt hin
dert uns selbst den Zwek zu erlangen wozu er entsteht So die Furcht
wenn sie sehr %.groß ist uns ganz unfahig macht da%von zu fliehen
Warum thut das die Natur - Bei Thieren geschah das damit sie
%durch ihr Unvermögen zu fliehen den Raubthieren zur Beute wür
den welches doch ihre Bestimmung ist - Bei den %Menschen sollte %durch diesen
Schaden das bewirkt werden %daß sie sich der Affekten so viel
möglich entledigen sollten. Einige Affecten hielt man sich zur Ehre
zE zornig %und Held zu sein wäre gut. Wir sympathisiren
mit %.gewißen Affecten als %Traurigkeit aber %nicht mit - Zorn sondern
anthipathisiren vielmehr - Denn wir fürchten %daß der Zornige
uns %von selbst angrife - Der Zorn ist %nicht bloß Vertheidigungs
sondern auch AngreifungsAffect - Wir sollen die Affecten über
winden warum gab uns die denn die Natur? Die Natur
gab uns %nicht Affecten sondern nur Anlage dazu und diese gab
sie %.unserer Thierheit Denn im Stande der %.Thierheit worinn doch
die ersten %Menschen waren dienten die Affecten %daß die %Menschen alle
ihre %.Kräfte verdoppelten %und so für ihre Erhaltung sorgten
Ist der %Mensch aus der %Thierheit %.herausgekommen so braucht er die Affecten
|F_83'
/nicht mehr %und muß sie unterdrüken Die Natur hat daher die
Affekten bloß provisorisch in uns gelegt %und sie uns %.gleichsam zum
Stachel der %Thätigkeit gegeben %.unsere %Menschheit auszubilden. Dem
Affekt ist entgegen gesetzt %.Gleichmüthigkeit der %.Zustand innerer Seelen
Ruhe %nicht %.Gefühllosigkeit sondern Affektlosigkeit. -
/Ist sie uns Temperament; so ists phlegma. - Ferner
ist dem Affect entgegen gesetzt die %Fähigkeit sich bei auf
wallendem Affect gleich zu faßen - die hätte Socrates
denn als er mit einen ungeschliffenen %Menschen einmal dispu
tirte %und dieser ihn darinn grob anfuhr, so fing Socra
tes an immer in %.einem gelindern Ton zu sprechen
Seiner Schüler einer sagte ihm nach der Endigung
des Disputs, daß er itzt bemerkt hatte, %daß Socra
tes im Affect gewesen wäre weil er sich gezwun
gen hatte in %.einem gelindern Ton als gewöhnlich zu
sprechen. Socrates gab ihm recht %und sagte. Man kann
den %Menschen %nicht ausziehen. - Der Leidenschaft ist entgegen
gesetzt das Vermögen sich zu beherrschen - Hier
ist man nie aus %.seiner Faßung. - Die angenehmen
%und unangenehmen Affecten sind den Arten nach
gleich nur können wir eher in einen angenehmen
als in %.einen unangenehmen %Affect versetzt werden
Der Affect geht aufs %gegenwärtige %.Vergangene %und Künftige
besonders auf das letztere. - Er kann gegen
wärtig sein; %.sein %.Prospect ist aber das Künftige. Ist
dieses unabsehlich so ist der Affect unbegrenzt
/Ein %plotzlicher %Affect ist Alteration, Der Affect rührt
|F_84
/her %.von dem freudigen oder traurigen Prospect den wir
vorhersehen und den die Imagination noch %.größer ausmacht
So die %Traurigkeit. Sie entspringt aus den Folgen aus der
%.Vorstellung der langen Künftigen Dauer des Schmerzes %nicht aus
dem gegenwärtigen Schmerz selbst. - Wer daher gar %nicht um
die Zukunft bekümmert ist; der kann auch %von vielen %.Affecten frei
sein. Zu den unangenehmen Affecten gehören 1 Furcht und
Hofnung Beide sind immer zusammen %und %von dem was %groß ist
wird der Affekt %.entweder Furcht oder Hofnung benant. Bei
der Furcht ist doch noch immer %Möglichkeit des Gegentheils
den sonst wäre es %Gewißheit. - Was gewiß ist dafür
fürchten wir uns %nicht. Hofnung und Furcht machen feige
So ist der Delinquent am verzagtesten wenn er %.seines %Schiksals
ungewiß ist er faßt aber Muth wenn %.sein Unglük %unver
meidlich ist, Es ist beßer %nichts hoffen und sich auf alles Uebel gefaßt
machen als stets %.zwischen Furcht und Hofnung herumgetrieben zu werden
Hofnung macht oft in Ansehung des gegenwartigen blind. Bei
der Hofnung mache ich gar %.keine Anstalten das Gegentheil abzu
wenden %und so auch bei der Furcht %und da kann ich %ungluklich
sein - Furcht und Hofnung ist auch oft gar %nicht Affect. Furcht ohne
%.Affect ist Besorgniß Ohne Furcht %und Hofnung zu sein ist männlich
%und standhaft Es giebt Leute die sich immer mit sußen %.Hofnungen speisen
Traurigkeit mit %.Hofnung kann 2erlei hoffen: %.entweder des Uebels
los zu werden oder es gewohnt - dieses letztere ist Gedult
eine weibliche Tugend - %Traurigkeit ohne Hofnung ist Ver
zweifelung wo der %Mensch in %.seinem Dasein %.keinen Werth mehr fühlt
Betrübniß ist %.eine %.Empfindung die auf den gegenwärtigen %Zustand geht
%.Traurigkeit wird sie wenn dazu die Reflexion hinzukomt
über %.unsern ganzen kunftigen %.Zustand wenn wir uns nun auf unsre
|F_84'
/ganze künftige LebensZeit für ungluklich halten -
%Traurigkeit ist zu nichts Schmerz aber %.ein %natürliches Warnungs
Mittel wieder künftiges Uebel - Den Traurigen verachten
wir - die Niedergeschlagenheit ist Betrubniß die sich %nicht
aufrichten kann - Der %Mensch muß nie traurig sein, aber Betrüb
niß kann man %nicht vermeiden. Verzweiflung ist %.entweder schwer
müthig oder wild die erste entsteht aus Gram. Die andre
aus Unwillen gegen das Leben %und %.seine Schicksale Aus beiden
nehmen sich die %Menschen oft das Leben - Die erste ist doch %Herzhaf
tigkeit die andre %Zaghaftigkeit. Nicht alle Selbstmörder kann
man daher für zaghaft schelten - Cato ermordete
sich auch darum, um die Römer durch %.sein Beispiel aufzu
muntern sich dem %Julius %Caesar %nicht zu ergeben. Er dachte; er
gebe ich mich dem Caesar; so werde ich dadurch viele
verführen deßgleichen zu thun - Man muß das Leben nie
für wichtig halten %und die Freuden %und Leiden deßelben als
ein Kinderspiel ansehen daher machte es Democrit beßer
als Heraclit - Das beste Hienieden ist also %ein stets fröhliches
Herz da%durch bin ich aller %Menschen Freund. %Ein %unglucklicher ist dagegen
ein %Menschen Feind %und man muß sich vor ihm fürchten
/Grade der Furcht sind Angst, %Bangigkeit, Grauen, Entse
tzen. %Eine %plötzliche Furcht ist Erschreken. -
/Der Herzhaftigkeit ist entgegen die Schuchternheit - Herz
haftigkeit erschrikt %nicht. Muth kann wol erschreken weicht
aber %nicht - Beide sind %nicht zusammen. Montesquieu sagt
%.Herzhaftigkeit komme %.von der Disposition des Korpers her
/Der Furcht ist %.entgegengesetzt %Herzhaftigkeit dem Schreken ist
entgegengesetzt Muth - Das erstere ist Temperaments
|F_85
/Sache - das 2 beruht auf Ueberlegung. Die %Herzhaftigkeit
verschwindet sobald man die Gefahr einsehen lernt. Man
trift sie oft bei iungen Leuten an. De_luc in %seiner %.Reisebeschreibung
erzählt daß er mit dem @Fründe\%Fräulein@ %von Schallenberg Hofdame der
Königin_%von_England reiste sie bei den Wegen über die hochsten Ge
bürge %keine Furcht äußerte %und da ganz herzhaft war wo %.einem Mann
sonst das Herz entfallen wäre. Allein ihr Muth war weg
sobald sie ein Thier p denn sie glaubte daß es sie freßen
würde. %Ein %Mensch %von härterem %.Korper abgeharteter LebensArt wird
so gleich %nicht erschreken denn er glaubt durchzukommen. Bei %.einer %.großen
Furcht bringt die Natur Ausleerungen zu Wege das ist aber
noch %nicht Verzagtheit. Feigheit ist Verzagtheit ohne Ehre. Das ist
%.eine %verächtliche Furcht %Einen solchen Ehrlosen Feigen nenen die
Franzosen Poltron Wenn man sich %.seiner Pflicht entzieht wo
Gefahr ist, dann ist man %.ein Poltron Dies Wort komt her von
pollex truncatus. Weil die Alten die feig waren sich den
Daumen abhieben um %nicht den Bogen spannen zu können %und so %nicht
in den Krieg gehen zu dürfen. Jemehr iemandes Leben Werth
hat ie eher setzt er es in Gefahr %und ie weniger das Leben
werthvoll ist desto weniger wird es dieser %Mensch in Gefahr setzen
Je bedeutender %ein %Mensch im Staate ist desto eher wa«t»gt er %.sein Leben %und
ie unbedeutender und %nichtswürdiger er ist, desto mehr wird er
%sein Leben erhalten wollen. Dieses beruht auf %.einem %.Begriff der Ehre
%und diese wieder auf einer %.Erhabenheit der Gesinnungen. Eine Art
%von %Herzhaftigkeit ist Tollkühnheit. Carl_XII hatte solche - Der Toll
Kühne stürzt sich blind in alle Gefahren %und schätzt %sein Leben gar %nicht das
bringt %nicht Ehre. Man nent das auch Waghalsigkeit. Da Herz
haftigkeit auf dem %.Temperament beruht so ists leicht möglich %daß sie in eine
/δLage_M
|F_85'
/Art %von furor ausarten kann. Die Türken nennen die die sich
in die Schlacht wagen toll «¿¿¿¿»schäzen sie aber doch hoch
weil sie sich für die Menge aufopfern.
/Muth ist vorzüglich schätzbar, weil er aus Maximen entsteht Plutarch
sagt: die Griechen haben im Sterben mehr Muth als im Treffen
%und bei den Germanen wars das Gegentheil: Jene hatten daher
%eigentlichen Muth diese nur %Herzhaftigkeit. - Bey den wilden Völkern
ist nur %Herzhaftigkeit %nicht Muth anzutreffen %und diese wird bei ihnen für
die vorzüglichste Tugend gehalten %und sie allein bestimt die Wahl der
Anführer - Zur %Herzhaftigkeit gehören Organe %.eine starke Brust, starke
Lunge, die die Ausspannung ertragen. Die Indianer haben %.keinen
wahren Muth. Denn sind sie umringt; so schmeißen sie das Ge
wehr weg %und laßen sich niederhauen. Wahrer Muth ist %.kein Affect
sondern Phlegma. -
/Es giebt %.einen %.Zustand indem der %Mensch zwar %nicht %.furchtsam ist aber perplex
oder verblüft wird. Dies ist der erste Anfall der sich oft
zuletzt in starken Muth auflößt wenn das Blut das zuerst zu sehr
zum Herzen trat, allmählich zurüktritt %und der %Mensch freier respirirt
Wo wahrer Muth angetroffen wird, wird der Muth zum duell
ganz vermißt werden. Denn da der %Mensch da am mehresten Muth
hat wo er das Recht auf %.seiner Seite hat Bei dem duelliren aber
immer das Gefühl des Unrechthandels bei %Menschen vorhanden ist, so
wird der %.gewißenhafte %und wol denkende Mann sich nie duelliren
Muth beim Duell ist allemal die Folge der Stupiditaet %und des gro
ben Sentiments. Länder in denen die Fürsten die Duelle erlau
ben sind gewiß noch äußerst Gotischen Geschmaks und haben Mangel
an wahrer Aufklärung %und %Ausbildung. Noch trauriger siehts da aus
wo die Duelle gar gebothen sind. Bei den wilden ist der Kriegeri
sche Muth das %.größte %.Verdienst Es ist ganz besonders daß der Krieg
selbst ein Mittel zur Cultur wird. Denn da die %Menschen das Recht und die
|F_86
/Gränzen deßelben überschritten so ward der Krieg dadurch
%unentbehrlich um die verlornen Rechte zu recuperiren. Durch die
Kriege nun kommen die %Menschen mehr in Connexion %und Künste %und %.Wißenschaften
werden dadurch ausgebreitet wie man das aus den Zügen der frem
den Völlker zE der Gothen, %.Longobarden sehen kann. Durch die Kriege
wurde unter %.Volkern nach %.geschloßenem %.Frieden ein Bund geknüpft der vor
her nie gewesen war - Und auf die Art haben die Kriege bei
aller ihrer %.Unmenschlichkeit doch cultivirt
/
/Mit dem Schrek ist sehr verwandt 1.) der Zorn der aus der Ueber
raschung der Entrüstung entsteht. Der Zorn ist äußerlich an den
Tag gelegt «E»Betrübniß. Die innere Betrubniß ist Aergerniß. Ist
die innere Kränkung fortdauernd so ists %ein Groll und wird
zur Leidenschaft. Der Zorn ist unangenehm. Die %.Bewegung deßelben
aber nicht sondern angenehm wenn sie %willkührlich ist. - findet
man aber Wi«e»derstand und ist sie %unwillkührlich; so ist sie unange
nehm. Es giebt 2erlei Arten von Zorn a Wenn man blaß wird
vor dem muß man sich fürchten, weil er die Gefahr sieht, in die
er itzt durch die Ausübung %.seines Zorns gehen will b.) Wenn man roth
wird Vor dem darf man sich %nicht fürchten denn er fuhlt %.seine Zaghaftig
keit und weiß sich %nicht zu betragen aber hernach behalt er %.einen Groll
in sich weil er sich %.seiner Errötung bewußt ist %und diese ihn verdrüßt. -
/
/2.) Die Bewunderung die aus der Ueberraschung, indem sie eine
%plotzliche «Erw» Ueberhebung der Erwartung ist, entsteht. -
Es giebt %.Empfindungen die %.keine Affekte sind aber doch dazu werden könen
ZE Achtung hoher Bewunderung %und dan der Affekt Erstaunen bei allen
wird das Gemüth in die Faßung gesetzt sich aus seinen Schranken auszu
dehnen. %.Dankbarkeit Mitleiden können auch Affekt werden -
Die Sympathie mit Gefühl ist %.entweder physisch wenn entfernte Sachen
aufeinander wirken ohne die geringste Verbindung zu haben das ist
lächerlich wird aber noch von vielen angenommen. Jetzt hat man %physiologische
|F_86'
/logische Sympathie erfunden die Freude und Leid betrift. Wird
diese zum Affect, so ist man sehr unglüklich. Man wird durch
Sympathie nur zärtlich und andern «qua Affect» hilfts %nichts. Freund
schaft qua Affect ist Liebe. Sie hört bald auf
/
/3. Scham die aus der Ueberraschung in die Verachtung ande
rer zu kommen entsteht. -
/Der Zorn ist rüstige %.Eigenschaft %und ist dem Haß der eine gränliche<«> %.Eigenschaft
ist weit vorzuziehen. Der Zorn ist %nicht allein dem gefährlich
über den der %Mensch entrüstet ist sondern auch iedem andern.
Daher sympathisiren wir nicht mit dem Zorn sondern wie
derstehen ihm indem wir beim Zorn Selbst in Gefahr zu ge
rathen glauben %und wir nehmen es auch ubel daß man in unserer
%.Gegenwart zornig ist. Der Affect des Zorns vergeht, spa@nt@
Kräfte und bewirkt auf solche Weise selbst einen Grad der %Thatigkeit
der Haß aber zehrt ab. Die Bewunderung entsteht aus %einer
Ueberraschung, wenn die Erwartung %durch eine plotzliche Ueber
hebung gespant wird.
/%Von %.Bewunderung muß man %.Verwunderung %unterscheiden. Sie entsteht wenn man
uber %.eine Sache staunt. Es ist Hemmung der %.LebensKräfte die sich her
nach desto %.starker ergießt. -
/Scham ist das Gefühl wenn wir glauben in den Augen ande
rer eines Uebelstandes geringschetzig zu sein Sie entspringt
also aus der plotzlichen Furcht vor Verachtung Man fürchtet sich
dabei aber %nicht allein vor der Verachtung %.sondern auch davor daß
man sich schämt Es ist hier also doppelte Furcht. Es wird sich
%.ein %Mensch im finstern %nicht schämen, sondern nur in Gegenwart an
derer die ihn beobachten könen in welchem Lichte er sich
zeigen wird. Man muß daher zu %.einem Kinde %nicht sagen daß es sich
schämen soll den 1 kann sich ein Kind %nicht schämen weil
es %nichts begeht was der Schaam fahig wäre 2 Erhält es da%durch
solchen Reiz der die Schuchternheit %und %Blödigkeit hervorbringt.
|F_87
/Weil man den %Menschen bei allem beschämt so erröthet oft %nicht
bloß der Schuldige sondern auch der unschuldige. Die Natur
scheint diesen Reitz der %.Schamhaftigkeit darum in den %Menschen gelegt haben
um ihn zu verrathen wenn er lügt. Man kann generaliter «etwas»
sagen %daß die Affecten etwas angenehmes %und einen Grad der %Thetigkeit
haben aber Scham %und Ekel schlagen nieder - %Vorzüglich aber schlägt der
Ekel ganz nieder %und kan nie zum Spaß erregt werden sondern
stellt sich so gleich wirklich ein. Man kann daher alle Affekten in
ein Gedicht bringen nur %nicht den Ekel. Der Ekel ist physisch oder
idealisch der erstere ist Hemmung des Appetits. Physischer Ekel beruht
auf den Sinnen und ist voller Einbildung. %.Idealischer Ekel ists Gegentheil
vom Idealischen Genuß - der %.idealische Ekel %.entsteht wenn %.Verachtung bis zum
Affekt steigt den setzt man %.einen %Menschen unter den Werth der %Menschheit herab. Ver
achtung ist auch Verwerfung %nicht bloß %Gleichgültigkeit. Einige Laster erre
gen Abscheu mit Ekel andre mit Grausen zu den erstern gehört zE Wohllust
Es giebt %.GemüthsBewegungen die aber %eigentlich nur Anlagen darstellen sind
/
/1. Lachen. Dieses %.entsteht aus der plötzlichen aber unschädlichen Umkehrung
der Erwartung ZE Carl_II in England kam einst zu %.einem sehr berühmten
Schullehrer in London Bushy dieser war sehr unhöflich gegen den
Konig und nöthigte ihn %nicht zum Sitzen Als dieser wegging sagte
er draußen Euer %.Majestät verzeihen %.meine Grobheit. Ich muß es den Schüler
%nicht merken laßen daß noch einer über mich ist sonst p Abt Ter
rasson %.Uebersetzer des Homers %und der Schrift %von den Vorzügen der Alten vor
den Neuern ging ganz angezogen mit der SchlafMutze auf die %Straße. Jeder
lachte er sagte aber ich habe heute ganz Paris Vergnügen gemacht
ohne %daß es weder mir noch ihnen was gekostet hat. Das lustige Lachen
ist sehr vom Auslachen %unterschieden welches letztere alle mal %einen Grad %von %Boßheit
anzeigt.*1 Der Stolz allein wird ausgelacht das hämische Lachen kann dann
gebraucht werden wenn man %.einen Railleur raillirt denn da die
se sehr gern spotten man so erfreut ist wenn man %.einen spottsüchtigen aus
lachen kann - Woher komts daß Kinder gern Schabernak machen?
/δZusatz_Z_17_ff
/Alles Lachen ist %eine sonderbare %Erfahrung Alle %Menschen lachen gern sogar der Hypochondrist
/%Einem %kleinem diken %.fetten %Mann steht das Lachen gut an daher man
aufs theater zu %.lacherlichen Rollen indem er schon %durch %seine Statur per %.sympathie zum
/Lachen reitzt. Bei «Eke»Tafel muß man %nicht %.Gelehrsamkeit auskramen
sondern lustig p. Bei allem was Lachen erregt
findet man %daß es unerwart %wenigstens in der %Vorstellung
komt ein Contrast nach den man %nicht vermuthet hat
/Man findet sich in der %Erwartung betrogen das Gemüth
wird %durch %.eine andre Direction der Ideen zurukge
bracht. Woher %.bringen aber %.Ideen solche %körperlichen %Bewegungen %hervor?
Wie komts daß %.das Lachen %.ein %solches %.Vergnügen machen
kann %daß wir es als %.das beste Mittel für %melancholische
%hypochondrische %und trubsinige Leute halten das es doch %.keine
%.Nahrung für %.Verstand hat ia wol oft die %.Ursache ungr¿¿¿
Man hat die ersten %.Principien der %.Affecte des Gemüths noch %nicht ge
nug kennen gelernt. Es wird %.eine %.gewiße Wieder@belebung@
gefunden %.das Lachen muß so %.beschaffen sein %daß iederman An@theil@
daran nehmen kann Es muß %.unschuldig sein Es muß ¿
%Frohlichkeit sein die sich allen communicirt - Oft @geschiehts@
%daß iemand aus distraction %Ungereimtheiten bege@ht@
worüber er hernach selbst lacht wenn er es erfa@hrt@
So schrieb - an %einen Pächter %und an %.einen Grafen ver
wechselte aber die Couverte %und nante den %.Grafen mein
lieber guter Josua %und den Pächter Hochgeborner Herr.
Hier macht man viel %Umstände %und %Cerimonien %und es zeigt sich G¿¿¿ ~
/δZusatz_Z_26/27
/(hat %vom Tükischen bei sich) ~
/δZusatz_Z_28/29
/Man sieht es dem an der auf Kosten anderer lacht, %daß er sich bewußt «sey»ist es sei
unrecht denn er zwingt sich. ~
/δZusatz_Z_29/31
/den da%durch daß er
gezupft %und verspottet wird geschieht %gleichsam dem %.ganzen %Menschlichen %Geschlecht Satisfaction daher
ist das auch %nicht das @erbend@ Lachen wenn man lacht um %.iemanden zu beßern ~
|F_87'
/Schabernak ist %.eine Handlung die dem andern zwar Entrüstung
verursacht sich aber doch nachher bald in %ein Lachen auflößt. Lachen
kan mechanisch erregt werden %durch Kitzeln aber dann ist %nichts angenehmes da
bei. Die Muskeln werden «auf» beim «Seite» <Lachen> gezwickt und schlagen auf einer
Seite aus schlagen aber so weit auf die andre Seite Zurük %und schwingen
so lange bis sie endlich stille stehen. Dies geschieht ebenfals so beim
%.idealischen Lachen. Denn alle %.unsere %.Handlungen sind, ob wirs gleich %nicht einsehen mit
%körperlichen %.Bewegungen verbunden. Die Ideen spanen hier die Nerwen vor
züglich aber die zum Zwergfell hingehen. Diese oscilliren durch diese
Spannung %und befördern äußerst die %.peristaltische %.Bewegungen %und mittelst derselben
den ganzlichen %.Wohlstand des Körpers. So ist das Lachen eben so nüzlich
als heilsam. Das Lachen geschieht, wenn man mit einem mal sich
ins Gegentheil versetzt sieht. Wir werden da %.gleichsam zurückge@prelt\preßt@
zu lachen, wenn ein anderer %nicht mitlachen kan ists %boshaft. Man muß
daher %nicht lachen wenn ein %.anderer fällt - es ist kindisch. Beim Lachen müßen
{3- nicht -3} Ungereimtheiten zum %.Grunde liegen %.sondern es muß %.etwas vernunftiges
sein. Bon Mots erweken nur Lächeln. Schabernak oder Aprill
poßen sind %nicht für ieden zum Lachen denn sie sind oft dem andern schäd
lich - Ueber eines andern Schaden Lachen ist Schaden Freude. Nekt
man %.einen andern und er erwiedert es so divertirts Man muß
aber %.behutsam sein %und erst sehen ob der andre solche Laune hat. Beant
wortet er es %nicht so muß man aufhören sonst kann man ihn «%nicht» beleidigen
Die Alten Satyriker geben wenig Stoff zum Lachen die neuern
aber mehr. Leicht %und über alles Lachen ist %.pöbelhaft aber gern Lachen
mögen Mäner %von Geist. Man kann sich eines herzlichen Lachens
lange errinern. Es ist angenehmer Nachschmak. Lachen ist %.gesellschaftliche
%.GemüthsBewegung denn wenn andre lachen so lacht man mit ohne oft die
%.Ursache zu wißen. Allein zu lachen läßt %nicht. %Durch lachen werden viel
%.Krankheiten gehoben. Das Grinsen ist ein Lachen %andern zu gefallen. Das
Hohe oder PferdeLachen, wenn man mit spöttischer Miene lächelt.
|F_88
/Sollen wir über die %Thorheiten %.anderer lachen? Es würde wenig
%.Verstand anzeigen %und wenig %.Ursache zur Freude sein %daß man %nicht so dum
sei wie andre. Wir können gar %nicht einsehen %daß %.eine Ungereimtheit
%.eine %Frölichkeit erregen köne %und eben so schwer ist es die %.Ursache des Lachens
durch den %.Wiederspruch einsehen. %.Henricum_III sahe einmal %.einen Edelmann
mit einer trotzigen Miene auf %und niedergehen in %.einem Dorfe wo er der
vornehmste war. Der Konig war ganz schlecht angezogen %und frug ihn
Wem dienen sie? Keinem %.antwortete er ich bin mein eigener Herr
das bedaure ich (inquit rex) dann haben sie %.einen rechten Flegel zum
Herrn. Der %.Wiederspruch stekt hier darinn %daß er beim Bedauren
%etwas Gutes im Sinne zu haben scheint. %Eine Sammlung %von witzigen
lustigen %lacherlichen naiven Einfällen ist gut wies Vademecum Ein Indi
aner war bei %.einem vornehmen %.Englischen HErrn in der Factorey auf der
Insel Suratte. %.Sein Herr tractirte einmal %und wie er den Propfen
aus der %.Bouteille zog gieng der Champagner in die Luft. Der Indianer
erstaunte. Wundert euch %nicht so sehr sagt ihm %.sein Herr. Er antworte
te ich wundre mich auch %nicht so sehr wie er herausgekommen ist son
dern wie ihr ihn habt herein bringen könen. Das Lachen wird erregt
wenn das Gemüth %.gleichsam wie ein Ball zurükprallt. Es komt unver
hoft %und der %Mensch geräth «oft» in %.einen %.schwankenden %.Zustand die wahre %Frölichkeit
des Lachens ist die %.melancholische Hiedurch können wir viele Dinge erklären
ZE Warum wir gerne in eine Tragoedie gehen um zu weinen
Es wird bei den %Menschen <leicht> erregt %.besonders bei denen die küzlich sind. Es ist
%.ein %unwillkührliches Lachen - es ist ihnen wi«e»drig und sie werden un
geduldig. Das Kitzeln ist %.eine Reitzung der Fasern %und Nerwen. Das
Zwergfell welches den ganzen innern Leib «be»umgiebt (es liegt über
dem Magen zwischen dem obern und untern Leibe) wird bei einer
Erwartung %.zusammengezogen - es geräth in %.eine schwankende Bewegung
die %durch %.unerwartete Dinge «erregt wird» verursacht wird. Diese
%.Bewegung stößt die Lunge an %und setzt sie gleichfals in %.Bewegung die %durch das
Einziehen %und auslaßen der Luft stoßweise den Ausbruch oder
das Lachen hervorbringt. -
|F_88'
/Der Gedanke der beim Lachen ist macht %nicht frolich sondern
die innere %.Bewegung durch Lachen - Es ist eine beßere
Bewegung als Holz segen %und reiten - Das unmäßige
Lachen ist schädlich; denn die Nerwen und Fasern werden da%durch
schlaf. - Man pflegt zu sagen Leute die zu viel gelacht haben
sind wie auf die Nase geschlagen - Die Medici sollten bei
einem Patienten auf diese innere Motion sehen. Beim Spatzie
renfahren sollten Unpäßliche %.einen lustigen Gesellschafter haben
und das würde dem Kranken %.zuträglicher sein als alle Ar
zenei - Unsere Seele denkt niemals allein sondern im
Laboratorio des Körpers Es ist immer eine Harmonie zwischen
ihnen beiden. So wie die Seele denkt bewegt sie den
%.Korper %mit. Die %.Bewegungen gehen weiter fort daher uns das Ab-
springen sehr frappirt
/%.Ungereimtheit macht %eigentlich %.kein Vergnügen; würde man das
ungereimte %nicht ernsthaft erzählen, so würde die Ungereimt
heit bleiben aber %.das Lachen wegfallen. Das Gemüth muß treu
herzig %.einen falschen Gang gefuhrt werden Daher einer der
zu Lachen machen will es sich %nicht muß merken laßen. Am be
sten ists wenn er %.die %.Ungereimtheit in die %letzte %Zeile bringen kan.
Dem Lachen ist %.entgegen das Weinen. Es ist mit Seufzen
verbunden diese ist ein Ton der Einathmung ienes der Aus
athmung. Beim Weinen geht %.eine Excretion vor als die Thränen
Allein man kann bisweilen beim Lachen Thränen %vergießen.
Das Weinen hat etwas angenehmes Es ist %.ein Ausbruch süßer
%.Empfindung worin der Schmerz aufgelößt wird Auch %von Großmuth
%.Dankbarkeit gerathen wir in Thränen. Ein %Mensch der sehr %.seine
Schmerzen äußern läßt %von dem wenden wir %.unser Gesicht
weg. Aber ein %Mensch der sich alle Mühe giebt die Ausbrüche
des Schmerzes zu unterdrücken um uns %nicht zu belästigen bewei
/nen wir
|F_89
/weil er gegen uns so höflich und Großmüthig ist. Bloß bei ed
len Dingen weinen wir über andre. Wir weinen
mehrentheils, wenn der andre %nicht weint und lachen wenn der
andre nicht lacht Daher lachen wir über %.eine drolligte Ge
schichte die ganz ernsthaft erzählt wird. Wir weinen über
Züge der Großmuth darum, weil wir überall Wohlwollen %und
%MenschenLiebe finden möchten %und da wir hier die Aus ubung der
selben finden so gerathen wir in Zärtlichkeit. Wir haben
hier guten Willen und Sehnsucht das nachzuahmen Da wir
aber uns unvermögend dazu fühlen so gerathen wir darü
ber in Wehmuth dies bringt das Weinen hervor dies
ist aber %nicht Zeichen des Grams sondern schon %.eine Auflösung deßelben
Weinen ist Erholung für den Gram der Weinende fühlt
also %nicht mehr so viel Schmerz. Beim Weinen macht man %ähnliche
GesichtsZüge als beim Lachen nur die Augen bewegen sich
anders. %.Weiber weinen gleich bei allen besonders wenn sie
zornig sind. Man weint auch aus %.Boßheit wenn man sich ohn
mächtig fühlt sich zu rächen. Es giebt Kopfbrechende %.Schriften
in denen man keinen %.Verstand findet, herzbrechende die zu %.Affecten
reitzen %und halsbrechende die von allen Regeln abweichende
wie die der neuern Genies.
/%.Blodigkeit ist die Besorgniß in dem Urtheil anderer %.unsern Werth
zu verlieren. Es ist besonders der Hang zu %.dieser Besorgniß
/Man hat %nicht so viel Zutrauen zu sich in den Augen %.anderer
%würdig zu scheinen. Dieses entspringt %nicht aus Prüffung %.seiner Selbst
%.sondern ist schon %.ein %.solcher Hang der %.entweder aus %.Erziehung oder aus
der gar zu %.großen Meinung %und Schätzung anderer %und gar zu
%.großen Foderung von sich selbst. Sie kann %durch Gesellschaft gehoben
werden. Schaam ist %.eine Furcht oder %.Verlegenheit die aus
|F_89'
/aus dem Bewußtsein %.seiner Blödigkeit entsteht. Die
Beschämung macht daher noch blöder. Hume sagt
Unverschämtheit sei %.eine gute NaturGabe. Denn %ein solcher
%Mensch setze sich ganz über %.die %.Urtheile anderer heraus und kön
ne daher %.seine Talente aufs «f»vortheilhafteste zeigen und sie
frei spielen laßen aber man reitzt dabei auch den Hochmuth
anderer - Er sagt ferner: Man köne Unverschämtheit
nie lernen. Denn wenn man einmal versucht und es fehl
schlägt so wird man zum andern Versuche noch <viel> ungeschickter
Der %.Blödigkeit ist %.entgegen %.Freimüthigkeit Dies ist das Bewußtsein
%.seines Werthes ohne dem Werth anderer «z»nahe zu treten.
/Das andre Extrem ist %Dräustigkeit e diametro entgegen gesetzt
vom Dräuen, weil solche Leute schon solche Mienen haben
die %.einem imer Grobheiten drohen - So auch lüderlich komt
%nicht von Lieder %.sondern %von Luder her. Dumdräust der an
dern ihren Beyfall abzwingen will. %Bescheidenheit ist %.entweder
in Gesinnungen %und das ist Mäßigkeit in Ansprüchen das
ist %.eine Tugend Aber es giebt auch %.eine %.Bescheidenheit in der Manier
die Schaam äußert sich bloß vor den Augen anderer
also %nicht vor Blinden in %.Abwesenheit %und im Finstern. Denn
die Scham %.entspringt aus der Furcht, %daß %.ein anderer %.unsere %.Blödig
keit uns ansehen würde. Kann er uns also %nicht sehen; so
hört auch die Scham auf - Daher sind Schriftsteller oft sehr
freimüthig in Schriften %und sehr blöde im Umgange
Die Scham betrift daher bloß den Anstand - Wilde sind
%nicht blöde - denn die wißen %nichts %vom Unterschied unter den
%Menschen, daß einer niedriger wäre - Und Schaam entsteht
dann, wenn ich mich für gering %und andre für wichtig
|F_90
/halte. Aus Knechtschaft und %Unterwurfigkeit entsteht %Blödigkeit.
Die Abneigung andere zu erzürnen ist Gelindig
keit; die Abneigung andere zu kränken ist Sanfmuth
die %Gleichgültigkeit andre zu erzürnen ist Grobheit; die
Neigung andre zu kränken, Boßheit. - Wer Neigung
hat andre zu erzürnen; ist moquant andre zu schmähen
%und dadurch zu kränken, medisant. - Die Behutsamkeit
auch %nicht wieder die geringste %.Empfindlichkeit zu verstoßen
ist männliche Delicatesse. Das geringste unangenehme
zu empfinden ist %.weibliche Delicatesse iene ist empfind
same %Zärtlichkeit tendresse diese %empfindliche %Zartlichkeit.
Die Ataraxie der Pyrrhonisten ist befreiung
von %.Affecten die Apathie der Stoiker Befreyung %von Leidenschaften
Wer den %.Affect erstickt kann immer gefühlvoll sein aber
er läßt bloß %.sein Gefühl %nicht zum %Affect werden. Dieser ist auch
%.ein %.stärkerer Geist als der sich %.Affecten ergiebt. Die Stoiker hielten
die Apathie fürs Merkmal und Requisitum eines Weisen.
- eine stet«s»e Ruhe des Gemüths daß wir alles zwekmä
ßig %und mit Ueberlegung thun - Das Herz hingegen
kann bewegt werden weil @dieser@ %.ein Stachel der %.Thä
tigkeit ist. Der %Mensch kann entschloßen waker eifrig sein
aber ohne außer Faßung gebracht zu werden.
/
/
/
/
/
|F_90'
/ ≥ Von den Leidenschaften %Kapitel 3 ≤
/Affekten gehören zu Gefühl, %.Leidenschaften zum Begeh
rungsVermögen. Alle Leidenschaft gründet sich auf
Neigung sofern sie %nicht blos treibt %.sondern herrscht Sie ist eine
herrschende Neigung die die %.Vernunft außer Stand setzt Sie
mit den Sinen aller Neigungen zu vergleichen. Leidenschaften
sind sehr schädlich wenn wir %.eine Neigung %nicht zur %.Leidenschaft machen
wollen; so muß uns die Befriedigung derselben immer un
entbehrlich bleiben. Denn ist der Genuß derselben ein reiner
Zusatz zu meiner %Glukseeligkeit. - Alle %.Neigungen sind formell
oder materiell. Jene gehen ohne %.Unterschied der %.Gegenstände <bloß> auf die
Art wie wir bei dem Gegenstand %.unserer %.Neigung %.theilhaftig werden.
Diese auf bestimmte %Gegenstände. Formale Neigungen gehen auf
den %Zustand, der die Bedingung enthällt alle Neigungen ohne Un
terschied zu befriedigen
/Es giebt 2 formelle Neigungen die Neigung zur Freiheit und
zum Vermögen - (%.Freiheit ist die negative Bedingung - der %Mensch
kann nur seine Neigungen befriedigen wenn ihn %nichts hindert und dann
hat er Freiheit) Jenes ist die Neigung sich nach %.seiner eigenen Nei
gung zu bestimmen %und von anderer Neigung unabhängig zu
sein. Es ist also %eigentlich negative Neigung da%durch wird die Be
friedigung meiner Neigungen %nicht befördert sondern bloß die
Hindernisse derselben aus dem Wege geräumt. Da%durch erwerbe
ich %nichts sondern mache nur mich unabhängig %von andern
Neigungen. Ist man %nicht frei so ist man Sclawe %und muß
sich nach %.anderer Neigungen richten %und dann ist man %nicht glukseelig
|F_91
/Wenn man auch %.seine %.Freiheit wenig zu brauchen weiß so findt
man doch schon in der %.Freiheit sein Glük. Hört die %.Freiheit
auf so hört die %.Persönlichkeit des %Menschen auf. Die meisten Thiere
haben %unüberwindlichen Hang zur %.Freiheit. Sie können aber
darüber %nicht reflectiren. Wer lange Sclawe %.gewesen ist wird
da%durch niederträchtig, wenn er aber frei %.gewesen ist wird
er bald sich heraufhelfen. Die positive formale Neigung
ist Vermögen oder der Besitz der Mittel %.unsere %.Neigungen zu %.befriedigen
zE Ehre p Die Freiheit ist das erste was der %Mensch verlangt
die vollige %.Freiheit opfert der %Mensch %nicht dem hochsten Gut auf. Ich kann
bloß hoffen nach meinen Begriffen glüklich %und zufrieden zu sein
dann muß ich aber %.Freiheit haben. Freiheit liegt also zum Grunde bei
der Hofnung zur %.Glukseeligkeit. Die %.Freiheit ist 2fach 1.) Die %.Freiheit
unter Gesetzen ist %bürgerliche %Freiheit. 2. Die %.Freiheit ohne Gesetze ist
barbarische. Man kann auch haben %.eine %.Freiheit unter Gesetzen die
aber keine Gewalt haben. Das ist die polnische %Freiheit
Barbarische %.Freiheit haben die wilden. Sie achten daher
auch die Europäer die gehorchen müßen für %nichts. Barbari
sche %.Freiheit ist ein %.Zustand der %Thierheit. Gesetze sind %.Einschrankungen un
ter der Bedingung daß %.unsere %.Freiheit mit anderer %.Freiheit be
stehe - Wir wollen gern daß anderer %.Freiheit zum besten der
unsrigen eingeschränkt wäre aber die unsrige wollen wir
%nicht einschranken laßen - Das ist aber unbillig. Es ist doch
bei den Gesetzen immer %.sein Vortheil. Wir glauben frei zu
sein wenn wir uns zu isoliren suchen daher gehen wir
gern aufs Land - Auf Städten ist man schon gezwun
gener. Man ist da durch die Gesetze des Umgangs; der
Mode %und %durch %.die %.Urtheile anderer eingeschränkt. Der Sclawe
|F_91'
/Der Sclawe kann %nicht ädel handeln weil er %nicht nach
eigenen Grundsätzen handelt. Die Meinung %von %Freiheit
giebt uns die %.Einbildung daß wir edlere %Menschen sind %und wir
werden dann Zu weilen auch wirklich ädel So Engländer
Regenten müßen daher darauf sehen %daß ihre Unter
thanen %.eine Opinion %von %.Freiheit haben das erlangen sie dadurch
daß sie verhindern, daß %.kein %.Unterthan den andern drükt %und sich
über ihn erhebt. %.Barbarische %.Freiheit macht %.große Opinion %von %.unserm Werth
und daher Hochmuth und %Faulheit. Daher arbeiten auch die Wil
den wenig denn sie denken %.Freiheit bestehe in der Faulheit
da %Arbeit doch Zwang ist faule Nationen sind auch hochmüthig
so die Spanier. Die Araber in der Wüste halten sich für vornehmer
als die in den Städten Von den Arabern soll auch der
Adel hergekommen sein denn bis auf 1000 Jahr reicht der
älteste Adel nicht. Ein Mann muß daher wenn er auch das regi
ment führt es doch so führen daß die Frau %.eine Opinion %.von
Freiheit hat. Man «ch»setzt mundus regitur Opinionibus
/%.Allgemeine %Bemerkungen über die formale Neigungen Sie sind die stärksten
unter allen weil sie bloß in der Idee liegen %und auf %.kein bestim
tes Object sondern ins %.unendliche gehen. Sie sind der Grund aller
übrigen Neigungen können sie %nicht befriedigt werden so kön
nen auch alle %.unsere übrige Neigungen %nicht %.befriedigt werden
/Die Neigung zum %.Vermögen beruht auf der Absicht Einfluß auf an
dere %Menschen zu haben (Jemehr %.Kraft ich zu meinem Willen brauchen
kann desto mehr Zweke erreiche ich. Auf der %.Größe des Ein
flußes beruht aber die Menge der Kräfte, die ich brauchen
kann.) - Dieser Einfluß kann 3erlei sein 1 %durch Achtung anderer
durch Ehre 2 %durch Furcht die andere für uns haben d.i. Gewalt
|F_92
/3. durch ihr eigenes Interreße %id %est %durch Geld. Dieser letztere
Einfluß ist der stärkste. Das Geld macht ieden willfährig
Brama erzählen die Brachmanen kam in die Welt um
%.ein tugendhaftes Volk zu besuchen. Er erschien im Tempel %und
bestimmte einen Tag wo alles Volk zusammen kommen und sich
ieder von ihm was erbitten sollte aber nur %.eine Sache allein
Wie es dazu kam so schrien alle: Geld. Es ist %nicht Wunder denn
da%durch kann man sich alles ubrige verschaffen Achtung beruht
auf der Willkühr anderer auf einer Art %von Großmuth. Wenn ich Ach-
tung fodere so verliere ich sie gewiß. Durch Gewalt zwin
gen wir sie wol aber wir werden dafür auch allen %möglichen
%.Wiederstand erfahren. Manche laßen sich wol eher durch einge
flößte Achtung als %durch Geld oder Furcht gewinnen; aber das sind
auch wenige Ausnahmen. Alle Leute suchen daher Geld zu samlen
um dadurch Einfluß auf andre haben deßen sie im Alter mehr
als in der Jugend bedürfen - Achtung können sie vielleicht
voriger %.Verdienste wegen erwarten; aber das kann vergeßen
werden %und die Achtung selbst ist ungewiß. Auch ihre Kinder
können die Eltern mit Geld gewinnen. Aber sie sind gegen
ihre Kinder auch in Ansehung des Geldes mißtrauisch denn haben
diese wieder Kinder so sorgen sie mehr für die als für %.die Altern
das hat die Natur gewollt um die %.Nachkommenschaft zu erhalten.
Aus den 3 Arten Einfluß auf %Menschen zu haben entspringen 3 %.Leidenschaften
Ehrsucht, Herrschsucht und Habsucht Diese 3 %.Leidenschaften haben iede ihr be
sonderes Alter beim %Menschen. Die Ehrsucht ist dem Jünglings, Herrsch
sucht dem Männlichen und Habsucht dem GreisenAlter %.besonders eigen
Vermittelst der Ehre haben wir auf die Meinungen vermit
telst der Gewalt auf die Furcht %und - des Geldes auf das In
terreße der %Menschen Einfluß. Die Neigung geliebt zu werden
um %.einen Einfluß zu haben ist %nicht %Leidenschaft. Wir machen uns %nicht
|F_92'
/so sehr viel daraus. Liebe knüpft auch %nicht andre %Menschen so
sehr an %.unser Interresse als Ehre. Ehrsucht ist %nicht Ehrliebe
Diese setzt einen unmittelbaren iene aber %.einen mittelba
ren Werth nehmlich so fern es dient auf andre Einfluß zu ha
ben in den Augen anderer zum Grunde. Ehrliebe entspringt
aus %.Bescheidenheit %und ist offenherzig. Ehrsucht ist gewaltthatig, heuchlerisch
Hochmuth ist niederträchtig; denn er fodert von andern, daß
sie ihren Werth gegen den unsern geringer «S»schätzen sollen d.i
daß sie niedertrachtig sein. Wer - fodert daß andere
niederträchtig sein sollen ist selbst %niederträchtig. Ehrsucht beleidigt
daher %und wird am meisten gehaßt %und ihr wiederstanden. Sie will
nur %äußerliche Achtung haben. Man kann dem Ehrsuchtigen am
leichtesten %.seine Absicht vereiteln. Man kann ihn kränken ohne ihm
was zu sagen bloß durch %Gleichgültigkeit. Herrsch«¿¿»sucht scheint nur
für wenige zu sein aber ieder versuchts doch im Kleinen
In %.Gesellschaften den Ton angeben ist %nicht eben Herrschsucht aber das
%.große Wort zu führen ist es. Die Herrschsucht ist noch mehr verhaßt
als der Hochmuth. Herrschsucht ist ungerecht. Ist sie mit Ge-
walt verbunden so ist sie ziemlich sicher als zE bei Monarchen
(Also ist bei der Ehrsucht <%eigentlich> gar keine wahre Ehrliebe. Ein Hoch
müthiger ist im Stande vor noch höhern wieder so kriechend
zu erscheinen als er es von andern bei sich haben will. Der
Hochmüthige oder Ehrsüchtige will nach dem Uebermaaß der
Gleichheit von andern geschätzt werden Der Ehrliebende nach dem
Maaß der Gleichheit - Indeßen sind auch einige Ehrsüchtige
höflich. Der Hochmuth ist «ungerecht» verhaßt, denn er ist %.eine Art
von %.Ungerechtigkeit gegen das %Menschengeschlecht. Der Hochmuth ist dumm
denn er ist das dummste Mittel Hochachtung zu erwerben weil
man da den %Menschen verachtet %und doch will daß er %.einen hochachten
soll. Hält %.ein Mann %von Stande auf %.seine Würde so ists gut läßt
er aber %.eine Praetension auf Ehre blicken so wird er lächer@lich@
|F_93
/Daher sind Kluge Vornehme stets herablaßend. Die
Jalousie des Ranges wegen ist %.überhaupt %.größer unter den Män
nern als Weibern. Denn die %.Schönheit Tugend p machen die
%.Frauenzimmer mehr einander ähnlich beim Adel sind die %.Frauenzimmer mehr ialoux
als %Männer. Denn bei diesen ist der Adel «g»angeerbt, bei ienen aber
ists %nicht so ganz entschieden. Je weniger aber mein Vorzug entschie
den ist desto mehr suche ich den %.kleinen %.Vorzug andern fühlbar
zu machen. Wollen wir klug sein so müßen wir %.unsere Ehrsucht
verheelen. Wenn man sich gezwungen sieht andern %.Höflichkeit
zu erweisen; so wiedersetzt man sich der geringsten %Höflichkeit
Steht es uns aber frei so überschütten wir ihn damit. Stolz ist die
%.Wiedersetzlichkeit dem Hochmuth Nahrung zu geben. Es solte %eigentlich
heißen SelbstStolz %natürlicher Stolz - Spricht iemand %.etwas in hochmütigem
Ton aus so finden wir gleich %.Wiedersprüche darin die wir sonst
%nicht finden würden. Jener Stolz ist wahre Ehrliebe, Es ist ärger
ohne Ehrliebe als ohne Gewißen zu sein. Denn %.ein %Mensch der %keine Ehrlie
be mehr hat ist zu %.keiner %Sittlichkeit mehr fähig - hat aber ein %Mensch
%.kein Gewißen und doch noch Ehrliebe; so kann er doch noch
zum Gewissen gebracht werden Point d honeur ist Schaum
von Ehre war in alten Zeiten %nicht. Es ist %.eine %zärtliche Empfindung
da man glaubt durch %.eine Kleinig«¿»keit %.seine ganze Ehre umgestürzt zu
sehen. Leute von viel Point d honeur sind sehr zanksüchtig %und
haben oft gar %.keine rechten %.Begriff %von Ehre. Sie haben sie wie
die Frauenzimmer bloß in den Ohren Denn Schulden %nicht zu
bezahlen ist für sie %.keine Schande - ) Herrschsucht findet sich bei
iedem. Der Stärkere unterdrükt immer den schwächeren
wenn er es kann. Das finden wir überall in der
Geschichte. Schon Kinder haben es. Denn sie herrschen über
Thiere. Es macht dem Herrscher viel Mühe %und woher
hat der %Mensch den Trieb? Aus Liebe zur %.Freiheit Wir besorgen
daß andre über uns zu herrschen anfangen möchten %und daß wir
/δLage_N
|F_93'
/wir %.unsre %.Freiheit verlieren möchten; daher spielen wir
das sicherste und herrschen selbst - Sie %.entspringt bloß aus Furcht
daher kam es auch daß die %Menschen sich so über dem ganzen Erd
boden verbreitet haben - Habsucht ist Neigung des
Erwerbs. -
/Neigungen die auf Mittel gehen ohne %.davon Gebrauch zu ma
chen sind Neigungen des Wahns. Wahn ist der eingebilde
te Werth eines Mittels ohne es zu gebrauchen. - So haben
die %Menschen ein unmittelbares Vergnügen am Gelde. Da es
doch bloß darum %.einen Werth hat, wenn es als Mittel ge
braucht wird. Das Geld kann %nicht anders %.gebraucht werden als
wenn es %.verbraucht wird - Das Geld gewährt aber ein
%.idealisches Vergnügen, wenn ich mir alle Vergnügungen
vorstelle die ich da%durch haben kann. Das wahre %.Vergnügen
verschaffe ich mir, wenn ich aus diesen %.idealischen %.Vergnügen eins
wähle %und es wirklich %durch Geld zu erlangen suche - Die meisten
%Menschen %.besonders im Alter erwählen %.das %.idealische %.Vergnügen %und behalten %das Geld
Aber dies ist %.ein %.Vergnügen des Wahns denn es beruht bloß auf
der %Einbildung. Der Geitzige ist eben so arm als wenn er kein
Geld hätte - Ein Geitziger ist incurabel %.besonders im Alter. Geitz
besteht in der Phantasie daher hat er so wie %.die %.EinbildungsKraft
%.keine Gränzen. Er ist der %.Vernunft ganz zu wieder daher kann
man ihn %durch %Vernunft %nicht davon abbringen. %.VernunftGründe sieht
er immer ein: aber er findet mehr Vergnügen im ideali
schen als im realen und %.seine %EinbildungsKraft kann man %nicht verändern
Das Geld ist %.eine Art %von Macht %und die sicherste Art. Die Nationen zei
gen in ihren RedensArten gleich ihren Geitz So sagt der
Engländer %von einem der 100000 %Pfund %.Sterling hat: er ist 100000 %Pfund %.Sterling
werth %.gleichsam als wenn der %Mensch an sich %nichts werth wäre. Der
|F_94
/%.Holländer sagt er commandirt 1000 %Pfund. Jenes ist ein hochmüthiger die
ses aber ein herrschsüchtiger Ausdruck. Die Materialen Neigungen
beziehen sich auf Wohlwollen %und %Gemächlichkeit. Jenes ist Nei
gung des Genußes; dieses ist Neigung in Entfernung aller
Hindernisse. In der Iugend haben wir Neigungen des «Ge
nusses» Wohllebens im Prospect %und im Alter Neigungen de«s»r
%Gemächlichkeit. Es sind Beschäftigungen im Spiel, die an sich
angenehm sind %und in der Arbeit, was nur unmittelbar
angenehm ist. Beschäftigungen des Spiels gehören zum
Wohlleben - der Arbeit «¿»die ich thun kann wenn ich will
sind %Gemächlichkeit. Aber wenn ich mir %.Arbeit selbst auflege
ohne Zwang so ists %nicht Arbeit sondern Spiel - Wohlleben
entwikelt mehr Talente weil es mehr %.Thätigkeit hervorbringt
aber auch mehr Laster und %Unbequemlichkeit. %Gemächlichkeit
ist %.Unschuldigkeit aber das Leben des %Menschen stirbt dabei ab wie
bei den Wilden. Es ist %.Unnützlichkeit
/%.Leidenschaft des %Menschen geht wieder auf %Menschen und %nicht auf Sachen. Man
kan zu Sachen %.große Neigung haben aber %nicht %.Leidenschaft
/Neigung zu %.Gesellschaft und zum Geschlecht sind die Neigungen
des Wohllebens, die %.Leidenschaft werden können. Der Neigung
für %.Gesellschaft %.überhaupt hat ist unglüklich - denn %.Gesellschaft muß nie
Bedurfniß werden - Die Neigung zum %Geschlecht ist %.größer als die
Neigung zur %.Gesellschaft %überhaupt. Die Neigung zum langen Leben kann
auch oft fast zur %.Leidenschaft werden (das Leben ist uns leer
wenn wir %durch zu %.großen Luxus schon alle Arten %von Vergnü-
für uns stumpf gemacht haben %und denn sind wir zum SelbstMord
geneigt. Die Liebe zum Leben ist sehr %.verschieden nach dem Grad
der %Annehmlichkeit des Lebens) Die Natur hat die Neigung
zum Leben zu %.unserer Selbst Erhaltung %und %die Neigung zum Geschlecht zur
|F_94'
/zur %.Erhaltung der Art gegeben - Als Neigungen sieht man
beide für billig %und dem %Menschen geziemend an; aber als %.Leidenschaften
werden sie getadelt. Die Liebe zum Leben wird aber als
%Leidenschaft noch mehr verachtet als die Liebe zum Geschlecht
%.Uebergroße Liebe zum Leben zeigt %.kindische %.Furchtsamkeit an. Das
Leben hat %durch die %.Vernunft %betrachtet gar %.keinen Werth, bloß insofern
als %.sein Wandel deßen würdig ist. Ist es %.dieses %nicht; so hat das
Leben gar %.keinen Werth daher giebts Fälle wo wir %.unser Le
ben wagen müssen um recht zu handeln Es ist aber mora
lische %.Phantasterei in %.sein Leben %.keinen Werth zu setzen und die
Neigung zum Geschlecht für unanständig zu halten das sind
Puristen in der Moral welche wollen, daß wir uns %von
lauter %.VerstandesGründen %und %von %.keinen thierischen Trieben leiten lassen
der gehört nur für reine Geister. Die %Achtsamkeit %.vor
der %.Erhaltung des Lebens findet sich bei Alten auch @oft\aus@ mehr Furcht
%vor dem Tode als bei Jungen. -
/(Der das Leben am wenigsten werth ist achtet es am
meisten %und der es am meisten werth ist, achtet es am we
nigsten. Jener schätzt es darum so hoch weil er %.keine ädleren
Güther kente als dies %und daher zu %.keinen ädlern Handlun
gen fähig ist dieser weil er höhere Pflichten kent %und
weiß %daß %das Leben an sich %keine %.Glukseeligkeit «hat» sei, son
dern daß es, wenn wirs %nicht nützen können für uns ver
loren sey. Daher halten wir den für hoch der %.einen «Herois»
<Heroismus> im Sterben beweißt %und sei es auch %.ein Bösewicht
denn wir denken dieser müsse doch wirklich %.eine Anlage
zum Guten gehabt haben. Der im Tode kleinmüthig
ist den verachten wir. Es ist dies aber immer ein zwei
deutiges Zeichen denn bei %.gewißen %.Krankheiten sehen wir
|F_95
/kleinmüthig aus ob wirs gleich %nicht innerlich sind %und bei ge
wissen %.Krankheiten können wir uns bei aller angeborenen
Feigheit, %.herzhaft stellen wenn diese nähmlich leicht sind zE
Schwindsucht) Der %Mensch muß einmal sterben und wenn
ihm wichtige Pflichten gebieten %.sein Leben in Gefahr zuse
tzen so muß ers thun. Aber %.GeschlechterNeigung ganz aus sich weg
schaffen zu wollen ist %.kein Heroism. %Durch beides scheint es,
erhebe sich der %Mensch über die %.Thierheit aber beim letztern erheb
ich mich über %.die %Menschheit %und das geht %nicht an - Aber bei verschiedenen
Volkern setzte man darinnen %.einen hohen «Werth» Grad von
Weißheit und %.Ueberwindung die %.GeschlechterNeigung zu unterdrücken
Die %.GeschlechterNeigung kann gegen das ganze Geschlecht über
haupt geäußert werden, aber der Zwek derselben und
das besondere verhüllt man in Geheimnisse diese Delica
tesse hat uns eben sehr cultivirt. Die Natur wollte es
um uns %vor der Brutalen %.Thierheit zu bewahren
/Die Neigung zum %Geschlecht ist %.eigentlich %nicht Leidenschaft %.sondern nur ein
%.starker Instinct der periodisch ist wie man an den Wilden
sieht. Sie wird nur %.Leidenschaft %durch die %.Einbildungskraft %und %durch die Cul
tur derselben diese %.GeschlechterNeigung wird Liebe genant. Allein
sie ist nur thierischer Instinkt so lange sie brutal ist %und bloß
auf den Genuß geht - Sobald sie aber mit Wohlwollen
verbunden ist %und auf die %.Glukseeligkeit des andern geht; so wird
sie %eigentliche Liebe. Sie muß %nicht sein wie Liebe zum Rinder
Braten den man destruirt So sprach einmal %.ein Lord im
Parlament %von der %vaterländischen Liebe. Er sagte nehmlich: %.England
gleiche %.einem Rinderbraten %und die Liebe zum %.Vaterland der Liebe
|F_95'
/zum %.RinderBraten. Jeder schnitte %.sein Stük ab und er
würde auch %.sein Stük nehmen müssen. Die Liebe zum
%.Geschlecht bringt dem %Menschen %.gewißer Maaßen Ehre aber zu große Lie
be zum Leben ist %.Feigheit %und bringt Schande. Diese ist selbstsüch
tig indem sie bloß auf eigne %Erhaltung geht. Jene aber ist schon
mit einer Sorgfalt gegen andre verbunden indem sie
die Fortpflanzung der Art zum Grunde hat. Die Liebe zum %Geschlecht
ist Liebe die sich andern mittheilt. Liebe zum Leben aber Pri
vat_Liebe daher ist iene ädler. Die Natur hat %.keine %.Leidenschaften
in die %Menschen gelegt %.sondern bloß Neigungen %und die Phantasie
allein macht diese zu %Leidenschaften. Daher wollte sie auch %nicht daß wir
in %.Ansehung der %Leidenschaften %und %.Affecte die Apathie der Stoiker beob
achten solten. Die Natur hat nur starke Triebe in die %Menschen
gelegt die %durch die Cultur der %.EinbildungsKraft noch erhöht wer
den. Aber deßhalb verlangt sie auch daß die Vernunft
in eben dem %.Verhältniß als die Neigungen wechseln soll
damit der %.Verstand das Mittelmaaß %.zwischen diesen %Neigungen halten
könte. Die %.Glückseeligkeit %.entspringt allein aus dem %.Princip der
%.Vernunft Daher kann der %Mensch <nur> allein %gluklich oder %.unglüklich sein als
Thier aber %nicht. Der %Mensch ist aber auch niemals in concreto
glükseelig oder mit %.seinem Dasein ganz zufrieden. Die Natur hats
gewollt %daß wir hier bloß im steten Fortschritt in der
%.Glükseeligkeit sein sollten. Sie machts mit uns hier fast
so wie der Marder mit dem Honigseiger auf Cap bonspei
indem sie uns die %.Glükseeligkeit stets im Prospect zeigt aber
niemals %.unsern Appetit %.davon sättigen läßt. Daher sind Neigun
gen die stets wechseln der Natur sehr gemäß aber
|F_96
/aber %nicht %Leidenschaften Diese machen daß man stets, wenn sie
gesteigert werden %.seinen %.eigenen %.Absichten entgegen handelt. So han
delt der Ehrgeitzige %.seinen %.Absichten stets zu wieder indem er «wenn»
stets geehrt sein will %und sich das merken läßt so setzen
ihm die andern %.die %.größten Hinderniße entgegen
/Es giebt Neigungen die %nicht ursprünglich %von der Natur
%.herkommen sondern die man erworbene Neigungen nen
nen kann. Diese werden in der %.Gesellschaft %und zwar in der
häußlichen erworben. Die %.Gesellschaftliche %.Unterhaltung besteht:
/1.) In der Unterredung diese ist wieder 3fach a) Erzählung
b. Raisonniren c. Scherzen
/In der %.Gesellschaft fängt man gemeiniglich das %.Gespräch immer
%vom Wetter. Es ist auch das natürlichste denn es ist allge
mein interressant. So sagen die Italiener %von einem
der in die %.Gesellschaft komt %und beim Anblick %.derselben ganz
perplex wird im Sprichwort: Er hat die Tramontana
verloren. Dies ist der NordWind der ihnen so wie der
Sirocco (SüdWind) sehr viel zu schaffen macht. Daher
sie denn auch in allen %.Gesellschaften zuerst %vom Winde sprechen
/Bei der Tafel fängt man gemeiniglich %von Erzählen an
denn das raisoniren ist stets mit Zank verbunden %und wenn
es auch auf die gelindeste Art geführt wird. Es wäre
daher %.kein gutes Zeichen, wenn %.eine %.Gesellschaft mit Streiten anfienge
Der Schluß der Unterredung macht Scherz denn da dieser ein
Spiel ist so ist er angenehm %und leicht %und verursacht einen
angenehmen Nachklang indem das letzte was man
|F_96'
/vernimt den stärksten Einfluß auf den %Menschen zurükläßt
/
/2.) Spiel. Dies ist 3fach a.) das Spiel der %.Empfindung b. der
%.Geschicklichkeiten zE Tanz %und c des Glüks
/Bei der Unterredung muß man sich diese %allgemeinen Regeln merken
/1. Man muß bloß %.davon sprechen was ieden <%.allgemein> interressirt
/2. Man muß %nicht das %.große Wort führen wollen
/3. Man muß %.keine tödliche Stille einreißen lassen den sonst
läßt sich das Gespräch %nicht bald wieder anheben.
/4. Man muß in %diesen Umständen so etwas in die %Gesellschaft
spielen was die %.Unterredung wieder anfeuert.
/5. Vorzüglich muß Rechthaberei entfernt werden %und
diese Resignation ist der gelinde Ton in der Ge
sellschaft. -
/6. Beim %.Wiederspruch hat man vorzüglich auf den Ton
Acht zu geben mit dem man wiederspricht. - Denn
dieser beleidigt sehr oft ohne daß iener beleidigen
könnte die beste %.Gelegenheit zur %.Unterredung %und Unterhaltung
Was das Spiel betrift so kann man %nicht immer böses
davon sagen weil es %.Geschicklichkeit und Glük betrift
Zwar wenn es %.Leidenschaft wird; so wird es äußerst gefähr
lich. Es ist aber doch die %.Eigenschaft eines gut cultivirten
%Menschen indem es amusirt %und recollection des Geistes da
er %durch die Unterredung %und da%durch diese selbst allmahlich ge
schwächt wird. -
|F_97
/Wird es aber Hauptsache und %nicht bloß Episode der
Unterhaltung so ist es äußerst schadlich - .
/Der Umgang dient dazu, um den %.Egoismus der %Menschen zu mäßigen
%und den der die %.Gesellschaft scheut nennt man Misanthrop. - Ein
solcher «M»Anthropophobus war Rousseau %und alle die
%von sich sagen: Sie hätten viele Feinde. - Man nennt
einen solchen beßer anthropophobum denn er wünscht
den %Menschen beßer als er ist Wünscht ihnen alles Gute will
aber nur nichts %mit ihnen zu schaffen haben. Die Misanthro
pie komt aus %.einem verkehrten %.Begriff %.seiner %eigenen %.Wichtigkeit %und aus
einer schwarzen %.Vorstellung von dem %Menschen her. Man muß
wenn man in %.Gesellschaft ist stets mitsprechen; sonst wird die
%.Gesellschaft schüchtern %und hütet sich vor diesem %Menschen als %.einem Aufpaßer
Daher hielten die Alten Deutschen den Wein in der
%.Gesellschaft so nöthig um da%durch die %.Aufmerksamkeit auf sich selbst zu
vergessen. Die wahre %Hoflichkeit ist bloß negativ %und
besteht darinn daß man den Leuten %nicht Grobheiten sage
die positive %Höflichkeit ist wenn man den Leuten stets %.eine
%.Verbindlichkeit oder %.eine %.kleine Schmeichelei sagt. -
/
/
/
/
/
/
|F_97'
/
/ ≥ Von der Gemeinschaft der Seele
mit dem Körper %Kapitel 4 ≤
/Man hat dabei %folgendes zu merken
/1. Wir könen %unserm Gemüth %und dem %Gemüth anderes %durch
den %Körper beikommen und wieder dem %Körper durch
das %Gemüth nehmlich die Cultur deßelben. Der Körper
wirkt und drükt auf das Gemüth wieder und das %Gemüth
wieder auf den Körper. So erzählt Brinemann ein
Arzt in der Pfalz %.von einem %.großen General %daß er ein ta
pferer Man %.gewesen aber so bald sich %.eine Portion Säure
in dem Magen %und in den ersten Canaelen der Verdau
ungsWege «g»befunden; sei er sogleich die feigeste Mem
me geworden
/2. Wenn wir auf den wechselseitigen Einfluß Rücksicht
nehmen wollen so müssen wir darauf sehen was
/a. das Gemüth auf den %Körper für %willkührliche Einflüsse
habe. «Hieher die %plötzliche Erschütterung als in Afecten»
Hiervon darf die Rede hier %nicht sein. Denn diese - sind
bekant genug %und der %Verstand muß sie hier moduliren
/b.) Was das %Gemüth für %unwillkührliche Einflüsse auf den
%Körper habe. Hieher die plötzliche Erschutterung als in Affecten
der «V»Affect macht diesen Durchbruch indem er den Ver
stand überwältigt. Er ist %.gleichsam der electrische Schlag der
die LebensSäfte in dem NerwenKnoten plotzlich zurük
hält und den stillen Uebergang derselben zur Lebens
%.Empfindung verhindert. (James Johnston in den %.Englischen Trans
actionen sagt: die NerwenKnoten sind wie kleine Ge-
|F_98
/Gehirnchen anzusehen die aber alle unter der Herrschaft
des Gehirns stehen. In diesen ist ein %.kleiner Sammelplatz des
LebensSaftes, wie im Gehirn aus dem bekantlich der
%.LebensSaft herauskomt %und diese in die Canaele wieder fortgeht
Nun sind immer mehr Knoten in den Nerwen ie näher
sie zum Eingeweide oder Diaphragma kommen.) Diese Zurük
haltung macht die Anhäufung des NerwenSafts %und der nach
her verdoppelte Fortfluß derselben macht diese schnelle %und
%plötzliche Erschütterung. %.Beispiele %von diesen Einflüßen des Gemüths
auf den %.Körper findet man im Gaubius einem %.großen Phy
siologen. %.Dissertatio de regimine mentis quatenus medi
corum est %und in Zimmermanns medicinischen %.Erfahrungen Krue
gers Experimental_Seelenlehre. Das neueste Werk ist
des Moritz. Im Gaubius sind %vorzüglich lesens wer
the %Bemerkungen zE Von einem Hund, den %.ein Knabe in
dem %.Zustand der Begattung fortriß, der darauf diesen
biß, %daß er toll wurde. Das %.verursacht auch zu solcher
Zeit der Biß eines Hahns. Zimmerman erzählt %von der Cur
des Boerhave da alle Kinder <%einer Schule> über den Anbik eines
dieselbe Zufälle erhielten
/Es sind viele %.Personen %durch die %.plötzliche Erschütterung der %Affecte gestorben
Aber doch mehrere vor Freude -
/Alle diese Einflüße sind schwer zu erklären
/
/
/
|F_98'
/C. Was der %Körper für %unwillkürliche Einflüsse aufs Ge
müth habe. So hatte %.eine Frau wehrend ihrer Schwanger
schaft einen %wunderlichen Hang zum Stehlen. Dies war ihr
vor der Zeit der Conception bis zur Geburt ganz unmög
lich. Sobald sie aber geboren hatte schikte sie alles gestole
ne; was sie unter der Zeit sorgfaltig verborgen hat
te, zurük - So finden wir auch ahnliche Beispiele
in Moesers, eines Arztes in Berlin %.ArzneyKunde. Hallens
%natürliche Magie in der Vorrede - die beiden letztern führen
sichre Beispiele %von Hexen an, die als solche zur Inquisition
geführt wurden. Diese erzählten selbst daß sie Hexen
wären %daß sie %mit dem Teufel in der WalpurgisNacht auf
dem Broken getanzt hätten. Die %.Ursache war wol die:
Sie hatten sich mit Salben %und narkotischen Sachen ZE Bilsen
Kraut geschmiert %und %.besonders hatte ihnen die Bestreichung
der Schläffe den %.Verstand genommen %und ihren %.EinbildungsKraft zu
einer so regel %und zügellosen Schwarmerei gestimmt
/Alle diese Beispiele sind schwer zu erklären Ia dem Gau
bius scheint seins unmöglich zu erklären zu sein denn ob
man wol weiß, %daß %.die Frauen in der Schwangerschaft eine
sehr %.große %Lüsternheit die die Alten Pica nanten besetzen
(das Lusten der Nase nach dem Tobak heißt auch Pica
nasi) die noch aus dem Vorurtheil selbst vermehrt wird
so ist denn dann %.kein Beyspiel %und %.kein Grund, es zu erklären
|F_99
/ ≥ Zweiter %.oder practischer Theil der
Anthropologie welcher handelt von der Characteristic
des Menschen. ≤
/Da der erste Theil die Physiologie des Menschen und
also %.gleichsam die Elemente enthält aus denen der %Mensch zusammen
gesetzt ist; so ist der practische Theil der Anthropologie der
ienige der uns lehrt, wie die %Menschen in ihren %.willkuhrlichen Hand
lungen beschaffen sind.
/Die Characteristic des %Menschen besteht
/1.) in dem Characteristischen des %Menschen %und
/2.) in dem Moralischen Character des %Menschen selbst
/Zum Charakteristischen des %Menschen, wo ich den %Menschen als %.ein Natur
product betrachte %und auf das sehe was ihn von andern
producten unterscheidet das ist der Character latius, ge
hort. -
/a.) das Naturell oder die Naturanlage
/b.) das Temperament oder die SinnesArt
/c.) der %natürliche Character oder die DenkungsArt des
%Menschen überhaupt. -
/Zu dem %.moralischen Character des %Menschen selbst wo ich ihn als
freies Wesen betrachte, gehören. -
/a.) der Character der Geschlechter
/b.) der ---- der Nationen
/c.) und ---- der %MenschenGattung
/Wenn ich %.von einer Sache den Character ent«fer»werfe; so
sehe ich dabei auf den %natürlichen %.Unterschied den sie von
andern Dingen haben (der %.Natürliche %.Character ist leicht der %Moralische
aber schwer zu finden. -
Der Character %.des %Menschen ist aber hievon sehr unterschieden. Er ist der %.Character eines
Wesens das was beharrliches hat. Folglich den %Character der Freiheit
|F_99'
/
/≥ Erster Abschnitt
/Erstes Capitel
/Vom Naturell ≤
/Naturell ist überhaupt das am %Menschen was zu ei
nem Zweke tauglich ist. Es ist das Vermögen eines %Menschen
zu lernen und der Beruff der Natur zum «Befehl» <Gebrauche> der
Talente - Es ist %.eine %.Eigenschaft wodurch man zu Zweken taug
lich ist brauchbar ist. Also ists passiv. Dagegen ist das Ta
lent das, wenn man geschikt ist, selbst etwas zu Zweken
zu brauchen. Dieses ist also activ. -
/Das Naturell besteht. -
/1.) die Fähigkeit, Formen anzunehmen. -
/2.) - - - - zu erfinden
/Die Fahigkeit wird specifice zur Naturanlage gerech
net %und %eigentlich Naturell genant, das Vermögen nennt
man hingegen auch Talent, ob es gleich auch Naturanlage
ist. So bedeutet das Naturell %eigentlich das passive, das Na
turell aber ist auch der Geist. So ists unter den Thieren
zE. ein Hund %von gutem Naturell wenn er sich leicht ab
richten läßt. Bei den %Menschen ist ein Naturell zE bei den Deut
schen daß sie gern Disciplin annehmen. Andre Völ
ker haben %.ein gutes Temperament aber %.ein schlechtes Na
turell. Es ist kein Lobspruch, wenn von einem ge
sagt wird: er hat ein gutes Herz, er läßt mit
sich machen, was er will. - Denn man nimmt hier nicht
auf das Vermögen gutes zu thun sondern auf die Fahig
keit alles zu ertragen Rücksicht %.Eigentlich muß man das
gute Herz zur SinnesArt rechnen, indem das Tempe
|F_100
/perament damit ins Spiel kommt. - Man er-
forscht das «Temperament» Naturell der Kinder %und
Bedienten um an ihnen die Seite aufzufinden auf
der sie sich am besten lenken und beherrschen lassen
Man erforscht das %.Temperament der Aeltern, Lehrer %und
Herrschaften um sich in sie zu schicken. - Man sagt
die Rußen haben viel Naturell aber wenig
Genie. Daher sind sie gute Schüler aber schlechte Lehrer
und die Erfahrung zeigt, daß noch %.kein einziger Russe
ein guter Lehrer geworden ist, indem sie alle
ihre Lehrer aus fremden Ländern kommen laßen
Tücke ist Wiedersetzlichkeit gegen seine BefehlsHa
ber die aus Groll entsteht und Niken ist %.Wieder
setzlichkeit gegen %.seine Obern aus einem dummen Stolz in der
Absicht ihm einen Querstreich zu spielen. Jenes ist eine
%.Eigenschaft der Russen diese der Pohlen. -
/Gut Gemüth und gutes Herz ist ganz von einander un
terschieden. Das Naturell ist theoretisch und practisch. Theo
retisch ists die %.Fähigkeit was zu lernen %.practisch ist das %Naturell
gut, wenn man lenksam und willfährig ist das ist das
gute Gemüth. Es ist %.vom guten Herzen %und guten %.Character zu unterscheiden
Das gute Gemüth geht aufs Dulden und ist negative boni
taet. Es gefellt daher andern Leuten denn %.ein gutmü
thiger komt andern nie in Weg %und man kann %mit
ihm machen was man will. E«s»r ist der Welt wenig
nützlich, denn er ist bloß passiv aber er ist daher auch wenig
schädlich. Das gute Herz gehört zum Temperament und ist activ
Es wird daher %von andern auch oft betrogen denn es ist so
|F_100'
/wie andre %.Leidenschaften blind. Guter %.Character ist positive Bo-
nitaet das ists beste. Für das Frauenzimmer schickt sich
beßer ein gut Gemüth - für %.die Männer gut Herz
Die Deutschen haben gut Gemüth lassen sich gut lenken
und verbergen sich auch %nicht so sehr wie andre Na
tionen zE Italiener -
/Die Frauenzimmer verbergen sich weit mehr und sind auch
weit geschickter andern ihre Geheimnisse auszufragen
als %.die %.MannsPersonen ihre eigne aber bewahren sie vest
Solche %Standhaftigkeit und %.Beharrlichkeit sind gute Eigen
schaften. Ein gut Gemüth hingegen ist %.eine Schwäche
/Der Ausdruk %von einem Frauenzimmer sie hat %.ein gut Ge
müth ist sehr zweideutig. Man zeigt damit ihre Schwä
che und die Leichtigkeit sie zu allem disponiren %und len
ken zu können. -
/ ≥ 2. Capitel
/Vom Temperament. ≤
/Das %.Temperament kann man %eigentlich das characteristische
der %.LebensKraft nennen. Es ist der %.Inbegriff der Trieb
federn. Es muß %von der habituellen GemüthsDisposition
des %Menschen unterschieden werden. Diese ist %.ein Gemüths
%.Zustand einer %.Person wodurch sie zu einer Art des
Thuns und Laßens mehr aufgelegt ist als zur andern. Von
der Disposition %.des %Menschen sagt man: er habe Laune.
/Es giebt aber auch %.eine habituelle GemüthsDisposition «von
der sagt» <allein> diese muß man %nicht für das %.Temperament ansehen
Es haben einige vernünftige Männer angemerkt daß
man bei der %.Erziehung des %.Frauenzimmers ihr viel angenehme
Sachen vorbringen solle. Denn schon %durch das ofte
|F_101
/oftere Lachen bekommen ihre Gesichtszüge eine ange
nehme %.Bildung der %.Fröhlichkeit %und sie %.eine habituelle Dispo
sition zur Aufgeräumtheit die ihnen in ihrem %.Ehestande sehr nütz
lich sein wird. -
/Die habituelle «G»Disposition kann das %.fehlerhafte %.Temperament
selbst verbeßern und ihm abhelfen
/Das %.Temperament ist zwiefach
/1.) das %.Temperament des Körpers welches die Mischung oder
Composition der Bestandtheile des %Menschen anzeigt. - Dahin ge
hört
/a. die Constitution, das Bauwerk, die %.Festigkeit des %.Körpers
/b.) die Complexion oder die %.Vermischung der flüßigen mit
den vesten Theilen. -
/c. das %.Temperament medicinisch betrachtet und dies ist die
Mischung der flüßigen Theile unter sich.
/2.) Das Temperament der Gemüther
/ad a.) Die Constitution beruht auf den Knochen
%und andern vesten Theilen dies sind die Grundlagen
des Lebens. -
/ad b.) Die Complexion beruht auf den Canaelen und
auf der Mischung der Säfte. Sie enthalten also die
Grundlage der innern Lebens %.Bewegung
/ad c.) Das %.Temperament beruht auf dem Nerwen Bau
also auf die %.Empfindung der Lebens %.Bewegung
/ad 2.) Beim %.Temperament der Seele kömt es nur auf 2 Stü
ke an a. auf das EmpfindungsVermögen b. Auf das
BegehrungsVermögen. Ein solches Geschöpf das empfin
den kann %und thatig ist (oder begehren kann denn dadurch
|F_101'
/äußert sich doch die Thätigkeit) lebt. Nach dieser Ein
theilung nun haben wir eine vierfache SinnesArt der
Seele:
/1. Die SinnesArt der Empfindung dazu gehört:
/a.) die Sanguinische Sinnes Art (LeichtBlütigkeit)
wo ein Uebergewicht der %.Zufriedenheit mit unserem %.Zustand herr
schet. Beim %.Sanguinischen werden die %.Empfindungen leicht erregt
aber sie dauern auch %nicht lange. Er empfindet also %nicht
leicht hinten nach
/b. Die %.melancholische SinnesArt (Schwerblütigkeit)
wo ein Uebergewicht der Unlust mit %.seinem Zustande
herrscht. Melancholischen werden die %.Empfindungen sehr
schwer erregt aber sie dauern «%nicht» lange
/2. Die SinnesArt der Thatigkeit. Dazu gehören
/a.) Das %.cholerische %.Temperament (Warmblütigkeit AffectVollheit)
wo die Triebfedern schnell und stark wirken
aber %nicht lange dauren. -
/b.) Das %.Phlegmatische %.Temperament (Affeklosigkeit, Kaltblü
tigkeit) In Ansehung des %Thätigkeit wird das
Temperament %nicht lange bewegt hält aber auch
lange an. - Also
/1.) Das Sanguinische Temperament die
leichte Reitzbarkeit und die eben so leichte
Verganglichkeit machen den Sanguiniker
aus. -
/Er ist leichtsinnig sorglos, hoft leicht, verspricht
bald %und aufrichtig hält aber selten was, indem
|F_102
/ers hernach %nicht halten kann, da er %nicht die %Schwürigkeit
voraussieht die ihm bevorstehen daher ist er ein
schlechter Schuldner. - Er ist lustig und guter Dinge
weil der Kummer aus einem Nachdenken uber Empf
findungen entsteht. Die %.Sorglosigkeit macht ihn immer
hoffnungsvoll %und fröhlig denn %nichts stört %Frolichkeit so sehr
als Sorgen. Nichts dringt tief in %.sein Gemüth ein daher
sind die wichtigsten Sachen nur auf %.einen Augenblik
für ihn wichtig %und er betrachtet nur alles von der
Oberfläche. Er ist freundschaftlich giebt sich aber kei
nem theilnehmenden Kummer Preis denn er kan sich
sehr leicht trösten. Man hat also stäte %.Frolichkeit zum
%.Wesentlichen des Sanguinikers gemacht Es ist aber %.eine
bloße Folge %von der %.großen %.Reitzbarkeit %und eben so leichten
Verganglichkeit %.seiner Empfindungen. So ist auch beim
%.Melancholischen die stete «Frölichkeit» Traurigkeit bloß
«so lange» Folge %.seiner tief eindringenden %und daurenden
%.Empfindsamkeit) Er liebt die Mode indem diese in der Ver
anderlichkeit in der Wahl der %.Gegenstände des Geschmaks
besteht. Daher sind die Franzosen auch Sanguinisch
Sie sind daher auch die lustigste Nation. Er ist immer lustig
%und wie man %.disponirt ist; so sieht man
auch die Dinge an. Es ist ihm daher alles ein Ge
genstand der Freude. - Er ist veranderlich %und
giebt %.keiner Sache %.eine rechte %.Wichtigkeit sondern macht
sie bald zur Sache des Gespötts. Unwichtigen
Dingen giebt er daher oft eine %.Comische %.Wichtigkeit
|F_102'
/Er hat %.einen Esprit des bagatelles der in Gesel
schaften sehr willkommen ist. Er ist daher ein guter
Gesellschafter %und liebt sie selbst sehr denn die ist sein %.Element
aber %.kein guter Freund denn er belästigt sich %nicht mit an
dern Angelegenheiten %nicht einmal mit %.seinen eigenen.
Er ist %kein %Mensch von bösen Absichten aber ein schwer zu
bekehrender Sünder denn seine Reue dauert niemals
lange. Er ist gutmüthig aber %nicht gutherzig. Er ist des
Mitleids Freund denn das %.afficirt rasch und was er dann
thun kann thut er auch. Aber darüber nachzusinnen ist ihm
langweilig. Er ist voll guter Vorsätze %und Entschlüsse aber
deßhalb auch %.kein gutes Temperament
/
/2. Das %.melancholische %.Temperament. Hier herrscht %.ein Mißver
gnügen «zu»am Leben. Es ist dies nicht ein Fundamental
Zug im %.Temperament des %.Melancholikers sondern es ist der schwe
re und langdaurende Eindruk der Empfindung. Die
Schwermuth muß %.von dieser Unlust am Leben abgeleitet
die aus dem tiefen Eindringen der %.Empfindungen aufs Gemüth
wieder hergeleitet werden muß. Darum heißt er auch
tiefsinnig weil er alles tief empfindet. Er giebt allen
Dingen %.eine %.große %.Wichtigkeit daher brütet er «oft» lange
an einem Gegenstande. Durch diese %.Anhaltsamkeit wird
das Gemüth in der %.Empfindung des Lebens gestört %und so ent
steht Schwermuth. (Der %.Melancholiker hat %.überhaupt an allen %Vorstellungen
ein habituelles Anhangen) Selbst das Vergnügen er
schüttert den %.Melancholiker mehr als es ihn vergnügt dann
wird er einmal lustig so ist er auch ganz ausgelassen
|F_103
/so ist er auch ganz ausgelaßen, weil sich alles bei ihm
so tief eindrükt. Daß ihm alles so wichtig erscheint ist %.Ursache
%.seiner %.Traurigkeit denn das angenehme fürchtet er sich denn zu
verlieren %und das angenehme sieht er dann als ein %.großes Ue
bel an. Des Sanguinikers %.Temperament ist daher der Natur mehr
angemeßener, denn er wird doch in eine Sache %.«¿»Wichtigkeit
setzen da sie nicht lange in %.unserer Gewalt ist, indem %unser Leben
kurz ist und mit demselben doch die Wichtigkeit der Sache auf
hört) Aus dieser Furcht für alles entsteht in ihm ein Hang
zum Verdacht von dem er schwer zu heilen ist so wie der
Sanguincus wieder allen traut. Der %.Melancholiker findet bei ieder
Sache %Schwürigkeiten da dem %.Sanguiniker Alles leicht erscheint daher
entsteht die %.Behutsamkeit des erstern %und er taugt vorzüglich zu
Geschaften die %.Behutsamkeit erfodern Er verspricht %nicht leicht aber
hälts fest. Er ist sich selbst %nicht genung denn da er allenthalben
%Schwürigkeiten findet %und in alles %.eine %.Wichtigkeit setzt so ist ihm %nichts ge
nung gethan. Der %.Melancholiker ist dankbar der %.Sanguiniker %nicht Er ist aber
auch eben so rachbegierig als dankbar und behält %.einen Groll
im Herzen.) Daß er %.dankbar ist komt aus der %.Wichtigkeit
her, die er auf alles setzt. Er ist %.enthusiastisch in der %.Religion
und leicht schwärmerisch der %.Sanguiniker ist %nichts weniger als das
denn er kümmert sich %nicht darum und untersucht nie. Eben
so enthusiastisch ist er in der %.Freundschaft %und VaterlandsLiebe
Der %.Melancholiker kann sehr %.tugendhaft sein auch sehr %.lasterhaft Der %.Sanguiniker
hingegen «¿»hat %.keine %sonderliche Tugend und Laster und ist mehr
%.indifferentistisch. Hat der %.Melancholiker viel %.Verstand so wird er ein Enthusiast
hat er wenig %.Verstand so wird er ein Phantast oder Schwärmer
beim %.Enthusiasten ist die %.EinbildungsKraft zügellos beim %.Phantasten regel
/δLage_O
|F_103'
/regellos. Das erstere kann ich noch zähmen denn es ist
bloße Uebertreibung der Regeln das letztere aber %nicht denn
es ist ohne alle Regeln
/
/3. Das %.Cholerische Temperament. Es ist sehr thätig aber
nicht ämpsig. Er ist äußerst Affectvoll dies %.entspringt aus
der %.großen %.Thätigkeit iedes Hinderniß das sich %.seiner %Thätigkeit und
Unternehmung entgegensetzt, schnell wegzuschaffen. Daher
%.entspringt der Zorn dieser muß aber %nicht als ein GrundZug
des %.cholerischen %.Temperaments sondern als %.eine Folge %.seines schnellen und star
ken Triebes zur %.Thätigkeit betrachtet werden. Er mag
gern befehlen aber selbst was zu thun ist er %nicht auferlegt
denn er ist zu fluchtig - Er ist daher der unerträglichste wenn
er gehorchen soll aber gut, wenn er befehlen kann. Er
kann ein ehrlicher Mann und gerechter Richter sein, wenn er
nur allein herrscht. Wird ihm aber wiedersprochen so thut
er oft Unrecht, weil er gern %.sein Recht behaupten will
Er hat bei %.seinem Anstande %.keinen Geschmak %.sondern ist steif, weil er
vor den %Menschen geachtet erscheinen will. Deßwegen nimmt er %.einen andern
Gang an sieht immer auf sich %und ist daher gezwungen. Er
liebt wegen %.seiner Herrschsucht die Monarchie. Er ist %nicht filzig sondern
habsüchtig geizig denn er giebt auch aus um sich andre zu verbin
den. Er ist vehement aber %nicht anhaltend. Unter %.seine %.Affecte rech
net man vorzüglich den Zorn und unter %.seine %.Leidenschaften die Ehrbe
gierde. Der %.Choleriker bekömt leicht Händel seiner schnellen Reitzbar
keit wegen zur %Thatigkeit. Wenn er %.ein %Geistlicher ist so mischt
er sich in alles und hat die Polypragmasyn$en$. Er ortho
dox oder bekent sich zur herrschenden Religion, wo man die
Meinungen mit der Hercules_Keule %durchsetzen kann. -
|F_104
/Er ist %ordentlich in %.Ansehung der Arbeit. Er hat %.eine %.große Meinung %von
%.seiner Klugheit %und scheint auch mehr zu sein als ers ist. Dazu trägt
die Ordnung, welche immer Parade erregt viel bei, die
immer %.eine Art %von %.Wichtigkeit den Sachen giebt. - %.Uberhaupt scheint
er mehr als er ist und wird mehr Parade für den Aufwand
als den Genuß machen. In der %.Religion ist er heuchlerisch. Er ist
höflich mit Caerimonien und steif. Er ist beleidigend im Ton
%und schickt sich wenig unter %.seines Gleichen aber bei %.Personen wo er
das Ansehen eines Protectors hat ist er vortreflich. Selten
findet sich bei diesen Leuten viel Genie aber wol Talent
Zwey %.cholerische schicken sich gar %nicht in %Gesellschaft. Er ist ein beßerer
Verwandter als ein Freund denn als Freund muß Gleichheit
da sein aber als Verwandter kann er sich %.ein protectorisches
Ansehen geben. -
/
/4. Das %.phlegmatische %.Temperament kan zwiefach betrachtet werden
/a.) als Schwäche und dann ists %.Empfindungslosigkeit %.Trägheit
in Entschlüßungen und %.Handlungen dieses ist unedel denn die Trieb
federn bestehen bloß im Thierischen Genuß Es ist niederträch
tig, da es sich alles gefallen läßt. -
/
/b.) Als Stärke. Wenn die Thätigkeit %.langsam erregt wird
aber desto langer anhalt, wenn die Begierden erregt wer
den. Das %.Phlegma als Stärke betrachtet ist das %.vortreflichste
%.Temperament denn %.seine %.Thätigkeit ist %.seinen Grundsätzen angemessen. Er
überdenkt zuerst alles genau ehe er handelt. - Er wird
%nicht leicht warm geschweige denn entzükt. Er besitzt sich ganz
%und %.seine Affecten und hat wahre Stärke der Seele. Aber solche Leu
te giebts wenige. Dies %.Phlegma scheint die Reife des %.Urtheils
|F_104'
/der Seele zu sein. Eugen war ein %.Phlegmatiker Schwerin ein %.Cho
lericus. Fabius Cunctator so auch ein Ungerscher Gene
ral Corvinus der sich auch immer zurükzog und dadurch zuletzt
gewann. Sein %.Symbolum war: Vir Fugiens iterum pugnat
Einen solchen %.Phlegmatiker nent man %.einen Philosophen weil man von
diesem fordert daß er alles mit %.Gleichmüthigkeit ertragen soll
Das %.Phlegma giebt uns %.Ueberlegenheit über den andern. Denn
die %Heftigkeit womit der %.Choleriker in Affect gesetzt wird macht ihn
blind. Beim %.Phlegmatiker ist Gedult beim %.Choleriker ist Ungedult. Er ist auch
ämsig. In der %.Religion wird er dauerhaft sein %nicht auf bloße An
dacht gehen. - %.Dieser ist sehr %.sparsam denn die Natur liebt %.Man
nigfaltigkeit durch viele solche %.Phlegmatiker würden die Dinge alle
in Ordnung gebracht werden. - Er ist ganz unpartheyisch
bloß Zuschauer und er wird daher Comisch oder Satyrisch @schrei
ben@.) Der %.Phlegmatiker ist %nicht heftig %und ubereilt er läßt sich keine
Mühe verdrießen. Der %.Choleriker prellt %vom %phlegmatiker wie die @allen@
arietes von den Wollsoken ab denn er findet einen
kaltblütigen Mann. Er ist %von vestem Vorsatz und be
kömt %.eine wahre Ueberlegenheit über andre <ohne> daß er
sie sucht. Dies %.Temperament vertritt die Stelle der Weisheit
denn oft haben diese %.Personen %nicht wahre %.Weisheit aber sie
haben doch das, was man %von %.einem practischen %.Philosophen verlangt
Daher man sie auch %.Philosophen zu nennen pflegt. Eitelkeit hat
der %.Phlegmaticus %nicht denn %Kleinigkeiten afficiren und reitzen ihn %nicht
%.Phlegmaticus glänzt nicht und erregt daher auch %nicht Jalousie
da hingegen der %.Cholericus sehr glanzt %und eben %.deßwegen auch Neid
erregt. Allein daher wird auch der Werth des %.Phlegmaticus «auch»
%nicht so leicht erkant, indem er alles %.langsam behandelt. Der
|F_105
/Der %.Phlegmaticus ist der beste Ehemann indem er nie Gezanke an
fängt. Im guten %.Verstande ist es das glüklichste %.Temperament
/Die habituelle Neigung zum %.Temperament hängt %von der Erziehung
dem Umgange der LebensArt und %.von erworbenen Grund
satzen ab. %.Frauenzimmer müßen frei erzogen werden damit
ein Sanguinisches %.Temperament bei ihnen praevalire. Kaufleute
bekommen vorzüglich von ihrer LebensArt ihr %.phlegmatisches %Temperament
%und das %.phlegmatische %.Temperament der Holländer komt wol mehr %.von der
LebensArt derselben als %.von ihrer Gemüths«An»Lage her. In %.Ansehung
der Religion ist
/1. Der Sanguiniker leicht ein Spötter 2 der %.Melancholiker schwär
merisch 3. der Choleriker heuchlerisch %und orthodox 4 der
%.Phlegmatiker %indifferentistisch.
/Im Amte ist der 1 %.Sanguiniker zerstreut und %unordentlich 2.
der %.melancholiker peinlich und scrupuloes 3 der Cholericer
neuerungssüchtig und ruhmsüchtig 4) der Phlegmati
ker mechanisch %und läßt gern alles beim alten.
/In den %.Wißenschaften ist der 1 %.Sanguiniker populaer 2 der %.Melancholiker tief
oder dunkel %und mehrentheils original 3 der Choleriker
unrichtig aber methodisch 4. der %.Phlegmatiker sehr weit
läuftig aber ohne vielen Innhalt %und dabei mühsam
/Im Umgange unterhält 1. der Sanguiniker mit Scherzen
2.) der %.Melancholiker mit Vernünfteln 3. der Choleriker
im Erzählen 4. der Phlegmatiker mit Zwiken. Sein
Temperament drükt folgender Vers aus:
/Und damit ich auch was thu«t»
/Seh ich euch im Lehnstuhl zu.
|F_105'
/ ≥ Drittes Capitel
/Von der Physionognomik ≤
/Die Physiognomic soll eine Kunst sein aus dem
äußern auf das innere zu schließen %und zu errathen.
Es ist %.eine %.Wißenschaft %.von den äußeren Merkmahlen des Tem
peraments, Talents und Character der %Menschen. Aeußere
Merkmahle könen dem %Menschen %.entweder eigenthümlich oder bloß
accessorie oder zufällig zu kommen Zu den erstern ge
hört Bildung zu den letztern Kleidung, Gang, Essen, p
die erstern gehören %eigentlich zur %.Physiognomic indeßen
Lavater auch aus den letztern das Temperament er
kennen vorgiebt zE aus der %.verschiedenen %.Handlung eines ieden
im Schreiben. Das komt aber von der %.Manigfaltigkeit
der Muskeln her so raßelt ia auch ieder Wagen
anders. Man kann %.von der %.Physionomie %.keinen %.allgemeinen %.Begriff
geben, denn sie beruht bloß auf Empfindungen Sie kan
daher auch %nicht andern mitgetheilt und auch %nichts nützen
weil sie %.kein sicheres Fundament hat. Lavater hat sie
seit Baptista Porta, der die %Menschen mit Thier Gestalten
verglich wieder aufgebracht. Er ist aber ein Mann
der mehr der %.Empfindung als %deutliche %.Begriffe gewohnt
und empfindungsvoll %.von %.Empfindungen spricht. Es ist schwer
in der %.Physionomie ohne Bilder zu reden aber doch
soll hier das %.nothwendige gesagt werden. - Es ist aus
gemacht %daß die Seele auf den %.Korper einen solchen
Einfluß habe daß sie sich so gar in dem Bau des Körpers
|F_106
/offenbaret. Allein wer lehret uns diese Charactere so
genau kenen, daß man %.eine %untrügliche %.Wißenschaft daraus bilden
könte. Zwar ist es ausgemacht, %daß wir einige Züge des %Menschen
mit der %.EinbildungsKraft faßen könen; allein wir konen diese Zü
ge «¿»eines %Menschen nicht so leicht faßlich machen als %.eine %.mathematische Figur
denn wir könen sie %nicht %.einem andern mittheilen. Dieser Ein
druck der Imagination bleibt gleichsam in uns verschloßen
daher läßt sich dieses %nicht auf veste %.Begriffe bringen und
so wird nie eine %.Wißenschaft daraus werden. Das ist
wol gewiß, daß wir etwas aus der äußern Bildung
des %.Korpers %.von dem %.Temperament und Charakter des Geistes
erkennen können und dieses findet auch selbst bei den
Thieren statt. Denn der %Körper muß der Qualitaet der See
le angemeßen sein. Zur Physiognomic gehört.
/1.) Das Bauwerk oder der %Körper. D«as»er vollkomme
ne proportionirte Schöne Bau ist das Mittlere von
dem Bau vieler Dinge einerley Art. Der %.vollkommene schö
ne Bau ist also das Princip zur Beurtheilung des Schö
nen. Die Schönheit liegt in den Begriffen die wir von
der Erfahrung her haben. Wahre Schönheit ist die Natur
Schönheit %und %nicht das Imaginaere Ideal des Künstlers
deßen Ebenmaaß nur in der %.Einbildung besteht. -
Es ist angemerkt daß %.ein ganz regelmäßiger Körper
Bau immer %.einen ganz gemeinen Alltags%Menschen ohne
viele %.Fähigkeiten bezeichne. (Die Natur scheint %.eine %.gewiße
Proportion zu haben. Wenn sie auf den %Körper mehr
gewandt hat so ist die Seele schlechter geworden %und vice
versa) Das Genie ist %.gleichsam gebrechlich %und es stechen eini
ge Eigen«sc»heiten des Temperaments stets hervor zE
|F_106'
/zE der Virtuose ist oft eigensinnig, mürrisch, Beim
Genie hat die Natur durch die Hereinbringung der %.Voll
kommenheit an %.einen Ort hin, eine %.Gebrechlichkeit hervorge
bracht. Aus dem %.Begriff der OriginalSchönheit gehet der
%.Begriff der mittleren Größe hervor also auch der Begrif
%.von der Mittleren %.Größe %.von den Kräften und %.Fähigkeiten des %Menschen
An Genies der %.EinbildungsKraft vorzüglich findet man, daß eine
%.gewiße Disproportion in ihrem %.Korper herrsche ZE Socrates,
Pope - Wahre %.Häßlichkeit geht aus den Zügen des Gesichts
hervor, die Bosheit verrathen. -
/Kann in der Natur wol %.eine %.Häßlichkeit als %.ein Product dersel
ben hervorgebracht werden? Nein denn wenn wir ausgebrei
te %.Erkentniß %von ihren %.Zweken hätten wenn wir den %.Gebrauch aller ihrer Glie
der wüßten so würde uns %nicht was von den Regeln der Natur
hervorgebracht wird häßlich sondern wahrhaft schön erscheinen
denn im Laufe der Natur ist alles schön. %Häßlichkeit ist bloß rela
tiv in Vergleichung mit andern. Sehen wir auf die %Regel
mäßigkeit; so ist auch das %häßliche regelmäßig. Es kann %nichts daran
geändert werden; sonst sieht man noch 10 mal ärger aus
Ein General hatte im Gefecht %.seine Nase verloren
da sie sehr %.groß war %und ihn verunstaltet hatte, so wollte
er itzt %.eine recht nette - %und ließ sich daher die beste wächser
ne Nase aus Paris kommen Als er sich diese aber anmachen ließ
so sahe er nach 10 mal %häßlicher aus Er mußte sich daher %.seine Alte
wieder anmachen lassen. Alle %.Gebrechlichkeiten gehören zum
Statu praeternaturali. Wir nennen ein Gesicht häßlich grotesk
%.deßhalb weil wir %nicht die %.Proportion einsehen können die zu iedem Ge
sicht %.nothwendig war. Denn %.Verschiedenheit in den Anlagen des Ge
sichts war %.nothwendig %und diese Anlage war %.von der Natur schon da
mals gemacht als sie den ersten %Menschen schuff %und in ihn den Samen
zu vielen 1000 andern legte. Kein %Mensch ist im Stande mit aller
|F_107
/Kunst in der Phantasie diese Züge nachzuzeichnen. Man kann in
einer Reihe Gemälde leicht das %unterscheiden was Ideal des Malers
und wo das Original lebendig anzutreffen ist. Hieraus erhellt
daß %.von Natur %.kein %häßliches Gesicht giebt die %.Häßlichkeit ist bloß Varie
taet. Bösartigkeit des %.Temperaments %und Characters ist wahre Häßlichkeit
Eine hämische Miene und tükisches Gesicht bezeichnen es. Wird ein
böses %.Temperament zum bösen Character so drüken sich die %häßlichen Gesichts
Züge noch %deutlicher aus. Solchen hassen wir. Das groteske Gesicht
können wir sogar liebgewinnen die bösen Mienen aber nicht
/
/2. GesichtsBildung. Hiebei ist zu merken
/a.) Das Profil oder der Schnitt des Gesichts. Unser
Gesicht können wir uns %nicht recht vorstellen, weil wir nicht im Spie
gel %.unser Gesicht wie im Profil sehen, denn das Auge mahlt uns
auf einer Fläche dar %und zeigt uns %nicht die Erhabenheiten daher
können wir uns %nicht gleich im Bilde erkennen. Die Stirne der
%.Amerikaner ist sehr mit Haaren bewachsen. Bei den Griechen
läuft Nase mit der Stirne parallel das ist %.perpendiculaeres profil
den Männern laßt das den %.Frauenzimmern aber %nicht Die Augen
liegen dan tief im Kopfe. Wer einen Hübel auf der
Nase hatte den hielten die Alten für einen Spötter. Die
gequetschten Nasen sind %.Ueberbleibsel von den Hunnen
Die %.Chinesen haben den obern Kinnladen %und die obern Zahne vor
aus wir haben das Gegentheil. -
/In %.einem Alten Physiologen Baptista Porta findt man viele
ThierKöpfe so wie im Lavater %MenschenKöpfe. Weibliche Stir
nen sind weit kuglichter als die Männlichen, welche plat
ter sind. Die Profile ieder Nation sind auch verschieden
/Lavater glaubt daß in den ekigten Kopfen viel Talent
liegt deßhalb stellt er auch den Kopf des Erasmus von Rotter
dam auf. -
|F_107'
/3. GesichtsZüge sind Anlagen zu Mienen und diese sind
ins Spiel gesetzte GesichtsZüge. Mienen sind Geberden wo%durch
man %.seinen gegenwärtigen Gedanken ausdrükt. Engels Minik
handelt davon. Die Gesichtszüge sind nach den %Temperamenten
eingerichtet. -
/Lichtenberg glaubt die Gesichtszüge kommen von den Mienen
her indem durch %.die %.Erziehung %und Gewohnheit erst die Gesichtszüge
vestgestellt werden. Lavater behauptet %daß die Gesichtszüge
%von der Natur herkämen %und %nicht habituelle Mienen wären. -
Er hat recht. Die Mienen beym Denken sind ganz anders
als die beim Sprechen denn hier nimt der %Mensch Mienen an, die
ihm zu %.seiner Absicht sich am besten schiken. Von diesen sind aber die
Mienen wenn der %Mensch in Ruhe ist ganz unterschieden. %.Lavater sagt
%daß die Mienen eines %Menschen, wenn auch viel %.Boshaftigkeit darin
läge nach %.seinem Tode doch %.Gutartigkeit verriethen (Er glaubt
daher solche müßten daher doch gute Anlage gehabt haben.)
Allein dies würde für den Satz des Lichtenberg beweisen
Die %.Ursache kömt wol daher: die Mienen der Todten haben
ihre Haltung durch die %.Einwürkung des Gemüths, die itzt man
gelt, verloren und die Mienen der %.Bösartigkeit werden
nur %durch die %.Einwirkung des Gemüths zu solchen so gemodelt.
Die Mienen werden auch für Gesichts_Züge «so» genommen
/Die %.Erziehung die LebensArt gewöhnen auch die Mienen ganz
erstaunend zu einer Lage. (Ein berühmter Dieb hatte vor
Gericht %.ein unstätes wildes Gesicht, wie die wilden Raub
thiere weil er auch lange %.ein %.solches Handwerk getrieben
Ein Prinz dem Niemand zu befehlen hat bekömt daher
ein Aussehen %.von %.Größe %und Selbstzuversicht dies ist %.ein königlich
Gesicht. Man unterscheidet ein vornehmes %und gemeines
Gesicht. Ein %.vornehmes Gesicht ist das feine %.Empfindung immer
|F_108
/immer aus drükt. Man erlangt das durch vielen Um
gang mit %Menschen und Cultivirung. Ein %gemeines Gesicht ist was
plump %und so gar %nicht biegsam ist. Zwischen %.den %Menschen %und Thieren ist eine
Gewisse %Aehnlichkeit, wie Baptista Porta bemerkt hat
zE einen Esel und fauler %Mensch. Ist ein %Mensch in Gedanken so sieht
er anders als sonst aus zuweilen grimmig als Hume, wenn
er beim Camin Feuer war woraus Rousseau %etwas böses
schloß. Aus Mienen schließt man aufs Denken. Im Tristram
Schardy spricht eine Person: Aristoteles sagt, wenn man
ans künftige denkt so sieht man in die Höhe. Denkt man
ans vergangene so sieht man auf die Erde. Mein Vater
«denkt» sieht gerade zu also denkt er %nichts. Manche sehen wie
ganz todt aus aber im Sprechen haben sie %.eine angenehme
Miene. Angeborne Fehler sind unter anderm das Schielen
wenn ein Auge stärker ist als das andere. Daraus kann
man %nichts schließen. Wenn aber iemand sonst %nicht schielt und
bloß im Sprechen auf %.seine Nasen Spitze heraufschielt so
lügt er beständig wenn er das thut So wie er in Ge
danken %.einen künstlichen Gang nimt so machen %.seine Augen
auch %.einen solchen. Der dräuste Blik und der hamische
Zug sind uns wiedrig. Der dräuste ist %nicht freimüthig Er
macht sich aus <allem> %nichts und wir müssen uns immer furchten
von ihm %.Grobheiten zu erfahren. Der hamische Zug zeigt
ein Hohngelachter an. - Der Zug zum frohlichen Lä
cheln muß %nicht continuirlich sein. Denn ist man immer
freundlich so zeigt das gemeine %.Erziehung an. Lavater sagt
Wenn sich Physiognomie andert so andre sich auch die
Denkart %und umgekehrt. Aber %.ein %Mensch kann dicker, fetter volliger
werden im Gesichte, %und das kann seine «Denkart» <Miene sehr> andern. -
|F_108'
/aber %.seine DenkungsArt %nicht Die GemüthsDisposition
kann bei %besondern %.Umständen LebensArt, Freiheit, Zwang p sich
andern; aber die GemüthsArt %nicht. - ) So kann man einem
%Menschen der bis in %.sein 40 Jahr auf dem Lande gewesen es an seinen
Mienen gleich ansehen daß ihm Feinheit %und Politur fehlen
So giebt es Mienen, die oft einem ganzen Volke eigen
sind (Um %Frauenzimmern %.eine %fröliche %.Gesellschaft zu %.verschaffen muß man sie oft
lachen lassen) Ia selbst %.Verschiedenheit der Religionen giebt %.Ver
schiedenheit der Mienen und Veränderung der ReligionsCaeri
monien %und der %.Begriffe darüber. verändert auch diese Mienen
So klagt Herodot schon darüber %daß die %Menschen mit ganz schlechten
Geberden zu den Altären der %Götter giengen als ihre
Vorfahren es thaten. - Leute die Enthusiastisch in der
%.Religion sind haben auch %.ein groteskes Ansehen - Die Otahei
tier %und Italiener haben sehr viel Ausdruk im Gesicht
Aus den Mienen kann man aufs %.Temperament schlüßen auf den
Character aber nur insofern, weil die mehresten den
Character annehmen zu dem sie %durch ihr %.Temperament Anlage
haben Aber aufs Talent können wir gar %nicht schließen
%und was %.davon in Lavater %.vorkommt ist lacherlich denn dieses
setzt die Gesichtszuge ia gar %nicht ins Spiel. Man müßte
es sonst aus dem Profil herleiten wollen. -
/Die %.großen Spitzbuben haben gar %.keine Mienen sondern
sind träumerisch. Die Baskiren wußten gleich ob ein
Kutscher Ruße oder %.Franzose zu ihnen kam. Lavater
sagt: die Engländer hatten %.eine glattere Haut als
die Deutschen %und diese würden daher im Alter runzlichter als iene
Die Griechen haben ihr Profil aus dem Mittelmaaß
|F_109
/der eingebogenen und hervorspringenden Nasen
/Die Maler %.unterscheiden) Character %und Carricatur dieses letztere ist
Uebertreibung eines Characters. In Carricatur Gemälden
hat sich Hogarth ganz vorzuglich ausgezeichnet das kann
auch ein Acteur thun, wenn er den Character %.seiner Rolle über
treibt. Es ist ausgemacht, daß es National_Gesichter giebt
das sieht man auf den %.verschiedenen Gemälden der %.verschiedenen
Nationen. Die Bilder der Italiener findet man fast immer
mit aufsteihenden Augen %und immer volle Gesichter auf ihren Gemälden
Die Gesichter niederträchtiger Bösewichter sagen %nichts %und wenn sie
gefragt werden antworten sie ganz zerstreut als wenn sie
abwesend wären. Gesichter %.verschlagener Bösewichter aber
drüken immer diese Verschlagenheit aus dies bestätigen
die Beobachtungen der %.Personen die mit CriminalVerbrechern
viel umgegangen sind zu thun gehabt haben. %Weibliche Ge
sichter sind oft schön %und doch mit bösem Character als
die Marquisin %von Brengville zu Ende des vorigen
Saeculi. Eine Giftmischerin der ersten Gattung diese brachte
ihren Vater, Oncle, Geschwister mit Gift um p %und theilte selbst
mit den Suppen die sie im Hospital herum schickte Gift
aus um die %.Kraft deßelben zu versuchen Als es bekant wur
de fluchtete sie sich wurde aber eingeholt %und verbrant
/Ein Brandenburger erzählt Pernelle, kam nun nach
Paris zu einem ParlamentsRath %und sahe dies Gemälde
Er kante die %.Person %nicht der Parlamentsrath gieng
weg kam hernach wieder %und fand ihn noch am Gemälde
Frug ihn was er daran fände. %.Schonheit sagte %.dieser
kann man ihr %nicht absprechen allein wenn sie original ist
|F_109'
/so hat die %.Person gewiß ein Teufel bewohnt. Grimm be
suchte auf %.seiner Reise die Bastille, Newgate %und andre Ge
fängnisse %und fand daß alle Bösewichter %.eine %.gewiße Nerwen
Stärke und dadurch %.eine gewiße Uebermacht zeigen, die sie
auch wirklich obgleich schlecht anwenden. Es ist ausgemacht
daß die %.Personen immer %.eine %.gewiße Geistes_Starke %und Talent
haben, die sie zu %.großen %Menschen machen könten, wenn sie %nicht in die
Lage gekommen waren in der sie sie mißbrauchten
Es ist die Frage ob sich die %.Physiognomie andre? So leicht %nicht sie
bildet sich nur aus. Aber %durch %.die LebensArt kann man doch
die Mienen zu einer andern Haltung bringen als sie bei der
ersten LebensArt %durch dieselben geformt werden. Daher
sagte %ein Vater zu %.seinem Sohn als er ihn auf die %.Academie schikte
Junge bringe mir wieder daßelbe Gesicht zurük So
viel ist in %.Ansehung der %.Physiognomie ausgemacht daß man zwar
einigermaßen das %.Temperament %und den %.Character des %Menschen kennen
lernen konne allein aus dem Gesicht den Gesichtszügen die
ganze Seele %und den ganzen %.Character des %Menschen beurtheilen zu wol
len «ist» wäre %.Vermeßenheit %und Lieblosigkeit. Denn
würden wir den %Menschen der %.eine üble %.Bildung hatte plat
terdings zum Bösewicht machen wollen weil man
es sogar aus %.seinen Zügen schon lesen könnte Eine Art
%.von Physiognomik hat ieder %Mensch und man miethet oft einen
Bedienten nicht, nimmt iemand %nicht zum Freunde, weil in
%.seiner GesichtsBildung etwas abschrekendes ist Im ganzen ist
es also gut sich mit Beobachtung der %MenschenGesichter abzugeben.
|F_110
/ ≥ Viertes Capitel
/Vom eigentlichen Character der Menschen oder vom
/Character der «Menschen» Freiheit ≤
/Der %eigentliche Character ist Character der frei alles übrige
was die Natur dem %Menschen als Anlage gab, %.sein Naturell, %.Temperament
Physiognomie, macht %nicht %.seinen %eigentlichen Character aus. Der %Character ist
der Wille des %Menschen nach Grundsatzen. Das %.characteristische des
freien Willens aber macht den %eigentlichen %.Character des %Menschen aus und
dies ist der %.Character des %Menschen im stricktesten %.Verstande und man nent es
DenkungsArt. Der practische %.Character ist independent von seinem %.Temperament
Ein Talent nennt man tüchtig, %.Temperament gluklich, Character gut
oder das Gegentheil. Der %.Character eines ieden %Menschen beruht auf der
Herrschaft der Maximen. Der Character könte also auch %durch
Bestimmung der Willkühr des %Menschen %durch daurende und veststehende
Maximen definirt werden Der %Mensch hat drei Kräfte.
/1. Das Talent dies bestimmt %.seinen Marktpreiß und geht auf den
Werth des %Menschen
/2 Das Temperament bestimmt den AffectionsPreis des %Menschen und
geht auf das Gefuhl des %Menschen
/3 Der Character bestimmt den innern Werth des %Menschen und bestimmt
ihren Gebrauch
/Das Talent ist geschatzt durch daßelbe wird man zu %.allerhand Zwe
ken ausgerüstet dies wird cultivirt. Das %Temperament ist beliebt
durch daßelbe ist man zur %.Glukseeligkeit bestimmt oder %stiefmütterlich
verwarloset dies wird Disciplinirt. Der Character wird
hochgeachtet oder gefürchtet. Durch diesen wird er zum allge
meinen Wohl bestimmt. Dieser wird moralisirt Beim %.Talent
geht der Zwek auf andre, beim andern geht der Zwek des %Menschen auf
sich selbst %und beim 3ten geht der Zwek auf die ganze Schöpfung -
|F_110'
/Das %.Temperament muß gezähmt unterdrükt oder genahrt wer
den. der %.Character ist bestimmte %.Beschaffenheit des Willens sich al
ler Naturgaben zu bedienen. Er ist %nicht angeboren daher
können wir ihn tadeln. %.Temperament und Talent aber nicht
Ein %Mensch hat DenkungsArt, wenn er bestimmte %.practische Prinzipien
hat. Denkart aber, wenn er logisch theoretische Grundsätze
hat. Der Character bevestigt die Freiheit. Der sich %.keine
Regeln des Handlens macht hat %.keinen Character. Der hat einen
%.Character von dem man weiß, was man sich zu ihm zu versehen
hat. Aufs %.Temperament kann ich mich %nicht verlassen denn der %Mensch kann
doch anders handlen aber auf den %.Character kann ich mich verlassen
Der %.Character komt erst bei reifern Jahren In der Jugend hat man
ihn noch %nicht Man gelangt oft erst sehr spät dazu %und viele
gar nicht
/Das Talent und %.Temperament kann wenn eins fehlt durch ein an
deres aequivalent wieder ersetzt werden. Aber Man
gel des %.Characters oder DenkungsArt kan %durch %nichts ersetzt werden
Denn den %.Character legen wir dem %Menschen als Verdienst bei die andre
Naturanlagen sind nur merita fortunae und können ihm
gar %nicht als was %verdienstliches angerechnet werden. Zum
Character gehort 1. daß er überhaupt einen Willen habe
/2 daß der %Mensch %.einen eigenen Willen habe. Dies ist %nicht mit Eigen
Sinn zu verwechseln denn Eigensinn gehört zum %.Temperament
%und zeigt eine Unlenksamkeit in Ansehung der Neigungen
an allein so sehr es %schädlich ist Eigensinn zu haben; so
nöthig ists doch einen eigenen Willen zu haben, denn
dieser besteht aus feststehenden daurenden Maximen
Wer %.keinen eigenen Willen hat kann %nichts abschlagen und wer
ohne selbst einen bösen Character zu haben ein Tagedieb
|F_111
/Säufer, Spieler und derienige den ieder zum %.Gegenstand
%.seiner Näkereyen und Narrheiten braucht. Wer aber eigenen
Willen haben will muß auch eigene Ueberlegung haben und
sich %nicht kümmern was andre von ihm urtheilen. Er muß
daher um eigenen Willen zu haben nicht %.seine Instinkten und Lau
nen befolgen %und befragen %.sondern %.seine veste und bestimmte Grund
Sätze und %.dieselben muß er %nicht aus %.Angewohnheit folgen, %sondern iedes
mal sie besonders überlegen.
/3. %Daß der %Mensch %.einen %.beständigen Willen habe und darnach handle
dies ist das Hauptstük %.vom %.Character Er muß %nicht aus Launen herkom
men. Es müssen da gar %.keine Ausnahmen statt finden sonst
werden die Regeln %.von den Ausnahmen zu nichte gemacht
Der bloß nach Launen handelt ist wetterwendisch. Aus
den %.Handlungen kann ich %nicht auf guten oder bösen %.Character schlüssen
denn sie können %.vom %.Temperament herrühren der %Mensch muß gute
%.Maximen d i %.practische Grundsatze haben. Man muß die Jugend
schon früh bei indifferenten Dingen zum %.Character vorberei
ten. Man muß sie lehren %nicht leicht zu versprechen son
dern bei iedem Vorsatz zu vor überlegen. Setzen sie sich
%.von selbst was vor so muß man sie lehren dabei zu be
harren. Kurz man gewöhne sie bei %.Kleinigkeiten zuerst
nach Regeln zu handlen besonders muß man sie von
Nachahmung abhalten. Der einen %.Character affektirt und %.von
der Mode immer das Gegentheil macht ist %.ein Sonderling
%und lächerlich. %.Gefälligkeit ist %.eine sehr gute Tugend in der Gesell
schaft aber es muß %nicht kindisch werden. Der Eigensinn
ist aus %.Temperament wen er aus Mangel theilnehmender Nei
gung aus Talent wenn er aus Mangel der Ueber«le»<zeu>gung
%und aus %.Character wenn seine Grundsätze stärker sind als das Gegentheil
/δLage_P
|F_111'
/Das letztere ist gut. Es giebt dreierlei Arten von Ma
ximen 1. %.Maximen der Diaetetic wenn man ißt, schläft, geht
aufsteht p 2 Maximen des Umgangs %und 3 %.Maximen der %.Sittlichkeit
Man kann bei %nicht genau bestimmten Maximen Ausnahmen machen
aber nur zum Besten anderer %Maximen. Ein Freund von %.Character ist
ein beharrlicher Freund. Erzürnt er sich auch so wird er %nicht
hassen und %nichts Böses %.von einem Sprechen. Ein Mann %.von %.Character ist
ein %.großer Mann aber darum noch %nicht gut. Die %.Bösartigkeit des
%.Temperaments kann %durch guten %.Character gehoben werden. Den %.Character achten
wir hoch. Das ist Liebe zu dem was %.unsere Selbstliebe überwie
get. Mit dem, den wir hochachten, mögen wir %nicht umgeh@en@
denn es thut immer %.unserer Selbstliebe Abbruch. Wir mögen lieber lieb@en@
aber selbst wieder lieber geachtet werden. Rousseau sagt
Mögt ihr mich gleich haßen so will ich euch doch zwingen mich
hoch zu achten. Der böse %.Character erregt auch Hochachtung als Sul
la in Rom. Der steife Sinn erregt anfangs Bewunderung
wird aber hernach gleichgültig als Carl_XII.)
/Was giebts für %.eine Art %.seinen %.Character zu üben? Man muß 1.) sich selbst
Wort halten und auch 2 andern Wort halten. Der %Mensch muß nur
sich selbst %.eine Gesetzgebung haben. Er muß sich selbst Wort hal
ten sonst verliert er alle Achtung für %.seine %.Vernunft %und für %.seinen eigenen
%.Character Denn wenn man sich das erstemal %nicht Wort halt, so wird
%nichts draus zE Wenn er sich vorgenommen hat stets früh aufzu
stehen und diesen Vorsatz in der Ausfuhrung stets verschiebt
so wird %nichts daraus. Der %Mensch der sich in %.Ansehung seines Vorsatzes
selbst %nicht trauen darf ist in einer %.Hofnungslosigkeit alles
des guten, das er sich selbst verschaffen könte Er muß aber
auch andern Wort halten dazu gehört 1. daß man %nicht lüge 2 %daß man
Wort halte. Wer lügt hat %.keinen «Ch»%wirklichen %.Character und er ist stets
was verächtliches aber ich muß auch Wort halten d«enn»as setzt
|F_112
/voraus daß ich erst alles überlege, ehe ich verspreche. -
Viele %.Personen die einen eigenen Character haben werden oft
Ketzer des Geschmaks oder Sonderlinge. Ein Sonderling ist
ein Nachäffer der Originalitaeten; allein dies zeigt in der
That %.keinen %.Character an. Ein %.Character besteht %eigentlich in der vesten %An
hanglichkeit «von»an Grundsatze«n» Zur Erlangung deßelben kann man
schon in der Jugend %.etwas beitragen. Jedes %.Temperament ist %nicht gleich
geneigt %.einen %.Character anzunehmen zE der %.Melancholiker nimt zuerst %.einen
%.Character an der Sanguiniker %nicht so leicht, %Eigentlich beruht er aber
%nicht auf dem %.Temperament sondern auf der %.Freiheit des %Menschen. Um sich %.einen
%.Character zu schaffen ist sehr nützlich
/1. Die unwandelbare Beobachtung und die Bemühung Grund
sätze beständig und bei ieder %.Gelegenheit zu haben.
/2. Die Vorstellung der GeringSchätzigkeit eines %Menschen ohne %.Character
/Es ist schwer %.Gutartigkeit des %.Temperaments und bonitaet des Characters
zu unterscheiden. Ein Physiognom sahe dem Socrates aus %.seinen Ge
sichtszügen ein %.schlechtes Gemüth (%.Temperament) an %.dieser gestands ihm auch
ein und sagte nur %daß er %durch %.anhaltende Uebung diese GemüthsAnlage
zu %.einem guten %.Character gebildet habe. - %.Gutartigkeit ist gutgesintes
Temperament. Man kann sehr schwer %.seinen %.Character erkennen. Der
gute %.Character ist negativ «und»auch positiv. Das %.negative ist der Mangel an
bösem %.Character zu dem gehoren 3 Stuke a das Lügen b Falschheit
und Affectation c das Kriechen und die Schmeichelei. Denn da
opfert man seinen Werth auf %und %.ein %Mensch %.von wahrem %.Character muß diesen zu
schätzen wissen. Schmäucheln und Heucheln in den Augen freund
lich und hinter dem Ruken falsch sein zeigt %.einen %Menschen ohne %.Character an. Man
nennt iemanden %.einen guten Mann ohne was vorauszusetzen aber
wenn man ihn %.einen %.rechtschaffenen Mann nennt so setzt man immer den
%.Character voraus. - %.Schwatzhaftigkeit das Zutragen aus %.einer Gesellschaft
in die andre %und Uebelreden %.von %.einem %Menschen der einmal mein Freund
|F_112'
/war aber sich %durch %.Umstande von mir trente, zeigt stets einen
%Menschen ohne allen %.Character an. Vorzüglich hat Freundschaft so was ed
les, daß man %.eine Trennung vermeiden muß so lange
man es nur kann und wenn es ie geschieht, %daß man alle
Geheimniße %.eines Freundes die er in %.seine Seele legte aufbe
wahren und %nichts zu %.seinem Nachtheil brauchen muß. Sonst wür
de das Italienische Sprichwort wahr werden: Gehe mit
deinem Freunde so um als wenn er einst dein Feind wer
den könte. Das ist aber ein %abscheuliches Sprichwort denn auf
eine eine andre Art ausgedrükt heißt es so viel: Spiegle
iedem nur vor als wenn du %.sein Freund wärest aber im
Grunde seis %nicht.
/Zum Positiven gehört 1 daß er dauerhaft und allgemein gut
sei %nicht aus bloßem Interresse 2 %daß man in %.Gesellschaft das Zu
trauen anderer %nicht mißbrauche. Wenn gleich in %öffentlichen %.Ge
sellschaften ganz frei und ohne Zurükhaltung gesprochen wird so
muß mans doch %nicht ausplaudern. Denn es ist da gleichsam %.ein Pactum
errichtet. Ein %Mensch der alles erzählt ohne das zu Erzahlende %und %nicht zu
erzählende zu unterscheiden ist indiscret %und keines %.Characters fahig kann
ers aber %.unterscheiden und handelt doch darnach %nicht so ist er bösar
tig (es ist selbst für uns verächtlich %.von dem übels zu sprechen
dem man doch vorher %.seiner Freundschaft gewürdigt hat.)
/3. Man muß %nicht nur das böse verabscheuen sondern sich auch
demselben wiedersetzen, wenn in einer %.Gesellschaft was Böses
geredet wird %nicht stillschweigen
/4. Man muß wahre Ehrliebe haben %nicht EhrGeitz und %Eitelkeit
Man muß %nicht mit %nichtswürdigen umgehen denn da heißts noscitur
socus qui non p
/Es ist %nicht Schande, wenn ein Vornehmer mit niedrigen %.von guten
Character umgeht aber wenn ein niedriger %.von gutem %.Character mit
|F_113
/mit einem vornehmen %.von bösem %.Character umgeht ists %Eitelkeit
wo %nicht wahre Ehrliebe. %.Eitelkeit ist, was an sich selbst %.keinen Werth
hat dem man aber bloß der Mode wegen %.einen Werth giebt
Maximen müssen %nicht modisch sein. %.Gutartigkeit des %.Temperaments muß %von
der des %.Character %unterschieden. Jene will aus %.Neigung das Gute diese
aus Pflicht. Die Lehre der %.Weichherzigkeit bloßes Mitleid das
%nicht auf Grundsatze gebaut ist ist dem %.Character sehr zu wieder. Darin ver
sahe es Gellert %.seine Moral geht mehr auf Neigung als Pflicht
bei erregten %.Empfindungen wird zuletzt aller Gute %.Character fortge
schaft. Neigung kann sich ändern, wenn die %.Ursache derselben
aufhört. So auch Hutscheson der sagt: Was man als gut empfin
det ist Pflicht. Wer nun %.keine empfindsame Seele hat kann so
auch %.keine Pflicht erkennen, Eben so ist alle ReligionsBeobachtung
aus Furcht %und Strafe %und %nicht aus Grundsatzen dem %Moralischen %.Character zuwie
der, wie alle Ausubung des Guten aus Rüksicht auf
Vortheil -
/Gewisse Stände geben schon mehr als andre zur %.Bildung des
%.Characters Gelegenheit. Weil Poeten %.eine %.große Biegsamkeit haben alle %.Charactere
vorzustellen und anzunehmen; so könen sie %.keinen vesten %.Character
haben Das Sieht man auch aus ihren %LebensBeschreibungen. So Young.
Spieler %von Passion, Musiker, Tänzer p haben auch selten %einen
%.Character denn sie lieben das Wandelbare und das stimmt «selt» nicht mit
dem %.Character Daher können bloß Leute %.von wenig Anlagen zum %.Character,
Musiker %und Poeten werden. %.Speculative Gelehrte sind gemeinhin %.von
allen andern %.Leidenschaften frei nur %.Wißenschaft interressirt sie daher fehlen
ihnen die %.Triebfedern zu andern %.Leidenschaften %und haben daher %.einen guten Character
Dies bemerkt David Hume denn er sagt man findt %nicht so leicht
bei Gelehrten %.von Profession leicht %.einen der %nicht ein ehrlicher Mann sein
/sollte
|F_113'
/Eben dieser Hume sagt auch, daß %Geistliche leicht in Heucheln
und Verstellung fallen, wenn sie %nicht %.eine gute SinnesArt haben
sie thun das um %nicht dem Pöbel Anstoß zu geben %und unterlassen
sehr vieles was sie immer thun könten. Das komt %vom Wahn
der %Menschen her, daß sie so vieles von ihnen fordern. Soldaten %und
Bürger sind zu gutem %.Character mehr auferlegt denn sie sind %nicht so
genirt. rustica gens p ist ein Grundsatz brutaler Finanz@Räthe@
wie Sultzer sagt So ist auch das schlecht %von iedem Bosheit zu
praesupponiren denn da rechne ich mich selbst unter die Bö
sen. Das Fehlerhafte in dem %.Character ist Leichtsinn. Die Schlechtheit
des %.Characters ist Falschheit. Das %.Fehlerhafte des %.Characters kann durch manches
bewirkt werden. So kan das SprichWort rustica gens, opti
ma flens pessima ridens. Jeder für sich %Gott für uns alle p
einen %Menschen leichtsinnig machen indem es ihn falsche Maximen lehrt %und ihn
da%durch hartherzig macht. Ferner daß %Gott den Ungläubigen hasse
¿ unrecht verstanden %und unrecht gebraucht kann der %Mensch zum Hasser
sehr vieler %Menschen «werden» machen. Kurz wer sich durch Exem
pel regieren läßt der hat %.keine Anlage zum %.Character denn der gu
te %.Character kommt %nicht %von der Natur her sondern muß erworben werden
Zur Erwerb des %.Character gehört 1. die %.Erziehung die mannliche muß auf
Grundsatzen die %weibliche auf Ehre beruhen. -
/2 durch Nachdenken %und durch Unterhaltung %von %moralischen Sachen mit
Freunden die Anlage zum Character haben. -
/3. Durch %feyerliche Annahme vester Grundsatze. - Dies kann
man die %philosophische Wiedergeburt nennen, wenn man nehmlich %vom Re
giment der Instincte zum Regiment der Grundsatze kehrt
/4 Die Achtsamkeit auf die %.Unverletzlichkeit der Grundsätze.
Selbst in %.seinen eigenen Augen muß man %.ein %.Gegenstand der Achtung sein. -
|F_114
/ ≥ Zweiter Abschnitt
/Vom %wirklichen Character des %Menschen. Erstes Capitel
/Vom Charakter der Geschlechter ≤
/In allen Producten der Kunst, wo durch eine kleine %.Kraft
eben so viel als durch %.eine %.große ausgerichtet werden soll wird
Kunst erfordert. Die Natur hat die %.Glukseeligkeit beydes
Geschlechts gewollt. Die Natur hat weder so viel Leibes
noch Seelen%.Kraft den Weibern gegeben sie wollte sie doch
eben so glüklich machen als die Männer daher mußte sie
ihnen mehr Kunst in der Anwendung der %.Kraft %und dem Mann
eine einfache %.Anwendung %.seiner %.Kraft geben. Der Mann ist für die Natur
gemacht und die %.Frau für den Mann. Die %.Frau regiert am Ende
auch die Natur durch den Mann. Das Weib und deren %.Character
muß in dem gesittesten %Zustand vielleicht an den feinsten Pari
serinnen betrachtet werden. Der Keim der Natur entwickelt sich
bei %weiblichem Geschlecht mehr als beim Manne im verfeinerten Zu
stande. Die %Weibliche Schwäche ist die Schwäche der Natur aber
%wirkliche Stärke für die %mannliche Natur. Denn das %.die %Männer helfen
können macht sie bey den Weibern beliebt. Wäre ihre Stär
ke gleich so entstünde Realitaet daraus. Wenn %.eine Vereinigung
statt finden soll so kann sie %nicht durch %.Gleichförmigkeit geschehen
sondern durch %.ein gegenseitiges Bedürfniß. Man nent die
Schwäche des %Weiblichen Geschlechts %.Weiblichkeit Die Natur hat gewollt
daß derienige Theil %.des %MenschenGeschlechts dem die Fortpflanzung oblag %nicht
waghälsig sein sollte. Auf der andern Seite regiert die
Frau durch diese %Weiblichkeit selbst den Mann. Denn %.Einför
|F_114'
/formigkeit wiedersteht der genauen Vereinigung zweier
%Personen. So werden zE 2 Gelehrte eines Fachs nie Freunde wer
den. Die Frau ist schwach %von Natur der Man ist schwach %durch %.seine Frau
David Hume machte die %.Bemerkung daß %.Frauenzimmer %nicht böse wer
den, wenn man über ihr Geschlecht spottet; daß sie aber ent
setzlich aufgebracht werden, wenn man über die Ehe spottet
(Sonst kann man auch dem %.Frauenzimmer alles vorwerfen nur ihr Alter
%nicht) Die %.Ursache davon liegt darin. Die %.Frauenzimmer wißen wol daß das
%männliche Geschlecht nie die Hochachtung gegen ihr %Geschlecht verlie
ren werde; allein sie scheinen zu besorgen, daß der Ehestand
einmal in Verachtung komen könne Dies bringt sie auf, denn
sie würden sonst ihren Einfluß auf die Männer verlieren %und
ihr Werth würde unter den Werth der Männer sehr herunter
gesetzt werden. Man muß nie über %.die %.Weiblichkeit
spotten. Denn wenn man darüber spottet; so spottet
man über sich selbst Denn durch diese %.Weiblichkeit
herrscht noch das andre %.Geschlecht über das Männliche
Die %.größte %.Herrschaft hatte es sich zur Zeit der Chavallerie
erworben wovon man obgleich nur aus Mode einige
Kennzeichen in den Spanischen Thiergefechten findet auch noch
könnte sich %.das %.Frauenzimmer %durch ihren Zauberreitz %.eine %.große %Herrschaft
über %.das %männliche Geschlecht erwerben, wenn sie wollten
%.Frauenzimmer müßen %durch Delicatesse im Punkt der Ehre erzogen werden
%nicht %durch Zwang sondern freimüthig. Das Laster muß ihnen
von der unanständigen und haßlichen Seite vorgestelt werden
Daher sind %.Frauenzimmer %.von solcher %.Erziehung in %.Gesellschaft voller Zu
versicht und gar %nicht verlegen. Dagegen Junglinge vom
besten Gehalt %das %.ist %von Muth, %.Verstand Herz sehr verlegen sind
wenn sie in Gesellschaft %.von gut %.erzogenen %.Frauenzimmern kommen
|F_115
/Die FrauensPersonen haben %nicht Achtung %.vor %.Männern die Puppen sind
%und den Narcissus spielen wollen Dagegen %.MansPersonen sich oft an
Puppen %.von Damen entzüken. Die %.Frauenzimmer haben darinn %.ein solideres
Urtheil. Das %weibliche %.Geschlecht ist zur Cultur des männlichen da
Es erlangt bei ihnen 1. die Cultur des Nützlichen 2 - des Schönen
Die %.Frauenzimmer haben %nicht %.einen so feinen Geschmak als %.die %Männer. Denn da sie selbst
ein feines Obiect des Geschmaks sind so cultiviren sie wol
den Geschmak des %.männlichen %.Geschlechts, cultiviren sich aber %nicht selbst.
Es ist ein %.specifischer %.Unterschied zwischen den gleichnahmigen %.Eigenschaften
die wir sowol dem %Männlichen als %weiblichen %.Geschlecht beilegen So ist
zE fur den männlichen %.Verstand %.ein ganz anderer Maasstab
als für den %weiblichen anzunehmen. Der Mann denkt nach %.Principien
die Frau denkt wie andere denken, ist bei ihr auch wahr
Daß die %.Frauenzimmer der %.allgemeinen Meinung beiflichten kömt daher weil
sie auf %.allgemeinen Beyfall ausgehen %und den %nicht erlangen können wenn
sie sich der %.allgemeinen Meinung wiedersetzen. Der Mann hat die
Ehre in sich die Frau im %Äußerlichen. In %.Ansehung der %.Religion muß %.die %.Frau %nicht
selbst grüblen sondern das annehmen, was die Kirche sagt. In
%.Ansehung ihrer Ehre kömts bei ihnen darauf an, was die Leute %von ihnen
sagen bei Männern aber wie sie sich selbst beurtheilen müssen
%.Frauen sehen nur darauf was andere %.von ihnen reden Männer aber
was andere %.von ihnen denken, wenn sie unpartheyisch urtheilen. In %.Ansehung
des Sentiments müssen beim %männlichen %.Geschlecht Ehre beim %weiblichen aber
Tugend die Triebfeder sein. In %.Ansehung der %.häußlichen %.Verdienste ist die %.Eigenschaft der
Männer zu erwerben der %.Frau zu ersparen. Daher nehmen %.Frauen auch eher
Geschenke als die Männer; indem diese sich gleich da%durch verbindlich zu machen
glauben. Es ist auch gut %daß Weiber %nicht freigebig sind, denn sie wißen %nicht wie
viel es gekostet hat zu erwerben. - Der %.Mann hat außer %.seinem PrivatInter
reße auch ein %.Interreße fürs %öffentliche die %.Frau aber nur für ihr Hausinteresse
Es wäre auch sehr «tadelh» besonders, wenn die %.Frau sich um Krieg und Frieden
bekümmere und Parthei %.irgendeines Staats nehmen wollte daher ist in Polen
%.keine rechte RegierungsForm, weil da nur die Weiber regieren %und diese die
Ruhe lieben %und nur fürs PrivatInteresse sorgen. Man hat %.keinen Frauen wol
|F_115'
/so viel gethan als der - des Hiobs und Socrates. Des Hiobs %.seine war
wegen %.seiner %Freigebigkeit besorgt gewesen %und schalt ihn hernach deßwegen aus
weil sie dies mit für die %.Ursache %.seines Unglüks hielt; des Socrates %.seine bat ihn
Er möchte %.sein Vornehmen die Welt zu verbeßern lieber aufgeben %und wenn
sie dann sahen, daß er das %häußliche Interesse %nicht so besorgte %und dieses
zum Grunde gienge, weil er auch %.keine Geschenke nahm; so schalt
sie ihn auch zu weilen - %.Uebrigens war Socrates mit ihr sehr zu
frieden. So läßt Richardson, der Verfaßer der Pamela, Claris
sa, Grandison ein Buchhändler in London ein %.Frauenzimmer aus dem Cicero
Seneca was hersagen aber mit dem Anhängsel: wie mein Bru
der mir gesagt hat als wenn sie sich scheute den Cicero selbst
gelesen zu haben. - Das ist getroffen. Die Frau ist unversöhn
lich sucht aber immer ihren Mann zur Ruhe zu bewegen. -
Die %.Frauenzimmer sind %nicht so leicht freundschaftlich unter einander als
%.MannsPersonen es sind. Das komt daher weil %.die %.MannsPersonen nur %.eine Neigung
«immer» haben einer einzelnen %.Person diese aber dem ganzen mann
lichen Geschlecht zu gefallen %.Diese Neigung kann bei ihnen %nicht auf %.einen
fallen sonst ware es Coquetterie oder %.gefließentliches Spiel der
Reitze %.Frauen wollen aufgesucht sein Männer aber suchen selbst
daher ist %.eine %.bestimmte rivalitaet unter ihnen diese äußert sich auch in der
Mode, wenn sie «au»gleich wissen %daß %.das Kleid sie in den Augen der %.MannsPersonen
%.Personen %eigentlich beliebt macht. (%.Frauen mögen daher in ihren Streitig
keiten lieber %mannliche als %weibliche Richter haben %und richtet %.ein Weib
so wird sie immer eher der %.Frau unrecht geben. Die %.Frauen putzen
sich %nicht der %.Männer wegen %.sondern um ihres gleichen zu übertreffen. Vor
den %.Mann mögen sie lieber im Negligée erscheinen. Die %.Weiber
sind weigerlich %.die %.Männer annehmlich. Jene müssen das sein;
sonst würden sie zu sehr %vom %.Mann abhängen. %.Der %.Mann muß sich bewer
ben %und die %.Frau hat %nicht %.die Wahl des %.Antrages, das würde sie
herabsetzen. Der %Mann ist in der Wahl delicater als %die %.Frau
|F_116
/auch delicater im %äußerlichen als sie. Denn sie hat %nichts als An
nehmung und Verwerfung %und kann sich gar %nicht dem, denn sie
gern wollte anbieten. Sie sieht mehr auf Reichthum, Stand als
auf äußere Gestalt und Ansehen. Alle liebreiche %.Handlungen sind
bei ihr als Gunst anzusehen beim Mann aber als Pflicht. Durch
Weigerung zieht %.die %.Frau den %.Mann an sich %und kann sie diese im
%.Ehestand «v»fortsetzen so beherrscht sie %den %Mann. Der %.Mann sucht %.keiner %.Frau mehr
zu gefallen, wenn er schon %.eine hat, die %.Frau aber sucht in der
Ehe doch auch noch andern zu gefallen. Denn sie kann ia
Wittwe werden %und denn «%nicht» wieder %nicht die Wahl haben. Die in-
tolerante Eifersucht der %.Männer leidet die %.Frau die mißtrauische
aber %nicht. %.Tolerante Eifersucht ist höchst %lächerlich denn dann brauch
te der %Mann ia gar %nicht zu heurathen %und sich auf %.seine %.Frau einzuschrän
ken %durchs Heirathen hat er in %.Ansehung %.seiner %.Frau ein ganz exclu
sives Privilegium. Ein in %.Ansehung %.seiner %.Frau tolerant denkender
ist Hahnrey. Das komt aus dem Wort Rehhahn, wel
ches ein Capaun, der ein Horn auf dem Kopf hat be
deutet. Kaiser Carl konte die Eifersucht in der Mark %nicht
leiden da fuhrte er %.eine %.Gesellschaft ein die die Rehhahns
%.Gesellschaft %.Gesellschaft hies und in %.Ansehung ihrer %Frauen unter sich ganz
tolerant war. Botanisch heißts concurbitare %.von Kürbiß. Im
Arabischen hat man dafür %.ein Wort das auch %.von Hahn hergenommen
ist. Die Frau ist %zärtlich in %.Empfindungen aber %nicht in der DenkungsArt das ist
der Mann. Sie legt dem Mann alle Beschwerden auf weil sie
%.keine aushalten kann
/Es ist oft die Frage aufgeworfen: Wer soll in der Ehe regie
ren? D«er»ie %.Frau soll in der Ehe %durch Neigung herrschen. Der Mann
soll die Neigung %durch Verstand regieren. - Wenn zE ein Fürst eine
%.Lustbarkeit anstellen wollte so könte er es allerdings thun
Wenn aber die Minister ihm den elenden %Zustand der Casse die des
|F_116'
/deßwegen einzurichtende Abgaben vorstellten - so würde es
ihn bewegen dies zu unterlaßen und so würde der Ministre
regieren und der Fürst doch herrschen Auf die Art muß auch
der Mann der Rathgeber %und Leiter des Willens der Frau sein
%Eine iüngere Frau herrscht über den alteren Mann und %.eine ältere
Frau wird %.von einem iungen Man beherscht. Die eheliche Lie
be ist an sich intolerant. Es ist Contradictio in adjecto Eheliche
Liebe und Toleranz. Diese Toleranz macht den Mann in den
Augen %.seiner Frau verächtlich %und verhaßt denn sie glaubt daß
er den Schatz so wenig schätze den er so wenig in ihr besitzt
Die %.Ausschweifung des %Männlichen %.Geschlechts vor der Ehe werden <%nicht> so «wo»
«¿¿»hoch angerechnet als die des %.Weiblichen - Die %.Freiheit der %.Männer wird
%durch die Ehe eingeschrankt %und %die der %.Frau extendirt. %Die %.Frau den
ket, der Mann, wenn er eine Frau habe, habe %nicht nöthig %.eine an
dere zu suchen, denn sie könne %.das ganze %.Geschlecht repraesentiren, er
werde also %nicht nöthig haben %.seine eheliche Treue zu brechen. Ein
Man aber denkt, %.ein %.Frauenzimmer d«ie»as bei dem unverheyratheten Stande
so viel wagte und doch auf verboten Wege gieng, wird gar
%.keine %eheliche Treue halten, da sie itzt dabei weniger wagt, den
Mann zum DekMantel gebrauchen kann. In %.Ansehung der Familie er
ziehen gemeinhin die Mütter die Söhne %und es werden dieienigen
gemeinhin Muttersöhnchen genannt, die nur viele Lebhaftig
keit zeigen. %.Ueberhaupt lieben %.Frauen sehr die %Lebhaftigkeit der
%.MansPersonen die Töchter werden hingegen gemeinhin
%.von den Vatern erzogen. Söhne %.von guter DenkungsArt
lieben daher immer ihre Mütter vorzüglich und gehorchen ihr
ia sie finden %.ein festes Vergnügen darin und es ist %.eine Art %von
GroßMuth %daß sie sich %von ihren Müttern beherrschen lassen und ihnen
bis an ihr Ende gehorchen. Daher ists %nicht gut, wenn Sohne nach
der Hochzeit ihre Mütter zu sich nehmen Denn die %.Frau ist dann
|F_117
/eine Null im Hause. Aber der Fall gilt %nicht bei Töchtern
und ihren Müttern, Diese haben mehr %.Anhanglichkeit an ihre Väter
%und stehen dem HausWesen selbst vor, indem sie sich %nicht von
ihren Müttern beherrschen lassen.
/ ≥ 2. Capitel vom Character der Nationen ≤
/Wenn viele %.Charactere im Volk sind so hat das ganze Volk %.keinen
%Character Dies ist eine %.Anmerkung die Hume auf die %.Engländer anwen
det - Es ist ganz richtig denn wenn die individua
%.einen eigenen %.Character haben so machen sie %.kein ganzes aus. Das
Volk hat also %.keinen %.Character weil es %.keine %Gleichförmigkeit hat
/Man kann vie«le»r gelehrte Nationen in %.Europa zahlen nehmlich
1.) %.Franzosen 2 Italiener 3 %Engländer 4 Deutsche wozu auch Schweitzer
Hollander, Daenen %und Schweden gehören. Alle diese %.Volker sind mit
deutschen %.Volker Stämmen vermischt. Die %.Italiener nach Denina %.besonders
mit OstGothen %und haben auch da%durch viel gewonnen. Die Lehns
Regierung stammt %.von den deutschen %.Volker her auf welche sich das
itzige System der Staaten gründet das beßer als das vorige ist
/1.) Franzosen. Sie haben den gereiften Volks%.Character denn die In
dividua haben so %.große %.Gleichförmigkeit mit einander daß keins
viel %.von %.einem eigenen %.Character hat. Sie sind sehr %veränderlich sie machen
das %.große %Klein das %.kleine groß %und wichtig. Alles wird bei ihnen alt.
Die Inoculation war %nicht lange Mode geworden; so fieng
man es wieder an abzuschaffen bloß weil es schon alt geworden
war. Es ist %das Land des Geschmaks. Sie sind Originale des Geschmaks
%und %.zugleich Meister deßelben Sie sind %von %.Conduite, gesittet ohne Tugend,
gesellig ohne ihr Wohl zu befördern da%durch, %und in ihren %.Gesellschaften %und The
atern leiden sie %nicht den geringsten aequivoken Ausdruk, erstau
nende Patrioten ohne den geringsten Antheil daran zu nehmen
Sie sind Patrioten aus %Eitelkeit %und %nicht aus %Anhanglichkeit ans
Vaterland. Die %.Franzosen haben alles das ienige ohne Mühe was
|F_117'
/ihnen ein %.glänzendes %.äußeres Ansehen geben kann. - Als Autoren
haben sie %.popularitaet die %.Ursachen %.davon sind die %.Gesellschaften indem da
mehr %.Verbindlichkeit unter den Ständen %und %.kein so großer Abstand unter
den selben anzutreffen ist wie bei den Deutschen. %.Popularitaet ist das
summum bonum bei ihnen, macht das %.characteristische der %.Franzosen
aus und bringt gleiche Conduite unter alle Stände. Daher kann
man sagen, %daß man hier %.die %.große Conduite %und in %.England die %große %.Ge
lehrsamkeit findet. Es giebt in der %.Französischen %.Sprache Wörter die im Deutschen
gar %nicht ausgedrukt werden könen das komt daher weil
sie Eigenheiten in ihrem %.Character ausdrüken zE Frivolite
(%.eine %.Neigung der Gelehrten %.das %.kleine %.groß %und das %.große %.klein vorzustellen und
da%durch %.eine Satyre, wenn man %nicht fortkommen kann sich darüber
lustig zu machen) So auch %das Wort Conduite gute LebensArt
/Galanterie ist %.eine zuvorkommende %Höflichkeit, die der Neigung %und
%.Eitelkeit eines andern schmeichelt) Es kann dies auch auf Manns
%.Personen gezogen werden. - Bei den %.Griechen %und Roemern wußte
man davon %nichts das sieht man aus den Oden des Horaz, denn
wenn dieser %.Lobsprüche dem Mecenat ertheilt so giebt er sich doch
zuletzt die %größten.
/Point d'honneur ist mit dem Puncto iuris oder einer Sache
worüber es streitig ist, ob sie recht oder unrecht sei zu ver
gleichen. Es ist %.der Point d' p %.eine scrupulositaet in der Ehre, die
sich auf %.keine %.Begriffe %und %.Maximen gründen. Man stellt sich zwar ge
meinhin vor, %daß die %.Franzosen %.keine wahre Ehre haben: Aber darin irt
man sich. Nur unter den %.Franzosen findet man Leute die aus Ehre in
der Schlacht mehr thun als sie sollten
/Es ist der Point p wie ein Casus conscientiae in der Casuistic
daraus %.entsteht bei den Rittern die Tourniere %und hernach die Du
elle. Bei der ersten Einrichtung konte der sich %nicht duelliren der
geprugelt war; sondern der beschimpft war, %daß er %.ein Laster begangen
|F_118
/hätte. In Frankreich ist %.ein Gericht des Point d'honneur
aus lauter Marschallen, wo die Edelleute, die auf ihre Ehre
Geld aufnehmen %und %nicht bezahlen, verklagt werden %und denn ehrlos
verklagt werden. -
/Petit Maitre bedeutet ohngefahr %.ein %.kleiner Gebiether die sich
aber dabei %.ein sehr bedeutendes %.Ansehen geben. Der Name %.entstand
beim Marchall du Comte. %Ein Petit maitre nent man den der
die hochste Cultur in %.Ansehung der Sitten %und Manieren hat. Man kann ihn
%nicht %durch Stuzer übersetzen denn %.das ist ein geputzter Affe. %Einen Petit mai
tre ist der den Ton des Hofs in der %.Gesellschaft angiebt %und so macht als
wenn er mit dem Hofe ganz vertraut wäre Der ihn nachahmen
de aber %nicht nachkommende Deutsche ist Macacon
/
/Etourderie ist die Manier mit einer %.gewißen %.Freiheit ieman
den %.etwas zu sagen
/Coquetterie ist das %.gefließentliche Spiel mit %.seinen Reitzen es ist eine
zu sichtbare Begierde zu gefallen. Man muß es %nicht %durch Buhlschweste
ren ubersetzen
/Alle diese angefuhrten Fehler bei den %.Franzosen sind extreme der %.Höf
lichkeit
/Frankreich ist auch das Land der Moden. - Der %.Gebrauch einer Ma
nier die erst anfängt ist Mode wird der %.Gebrauch %.allgemein so ists bloßer
Gebrauch. Nicht Versailles %.sondern «¿¿»das %allgemeine Volk zu Paris giebt die
Mode an und der Hof muß sich darnach richten. Die Orientaler haben
einerlei %.Gewohnheit in Kleidern %und Buchstaben %und haben %.keine Moden die Moden
kommen wol mehrentheils %.vom Theater. In %.Frankreich geben die Damen
den Ton an %und %.die Dame die gemeinhin der Ton angiebt heißt die
Dame de bon ton (Ton %id %est den Werth nach dem man %.die Sache «S»schätzt)
So nehmen auch die bureaux d'Esprit den Damen ihren
Ursprung. -
|F_118'
/Prude nent man %.eine affektirte Art keusche δLücke und
seltsame δLücke. Pretieuse die auf eine affectirte Art Achtung
verlangt. -
/Die %.Franzosen interressirt alles, was ihr König vornimt. Sie sind
sehr willig alle Auflagen zu ertragen, wenn sie nur Vergnügen
haben. Daher sorgt der Hof auch immer für die %Lustbarkeit. Jeder
Gelehrte bemüht sich ihm ein Buch zu praesentiren. Jeder
spricht mit Wärme %.vom Könige. Das ist aber %nicht %.Anhanglichkeit an
den Konig %.sondern %.Eitelkeit indem sie sich %durch die Ehre eines
glänzenden Königs selbst zu ehren %und so %.von %.seinem Glanze zu pro
fitiren glauben. Der %.Franzose ist beliebt, wenn er über die Jahre
der Etourderie weg ist. Muß er aber seinen %.Character zeigen so wird
er verhaßt denn er hält %.seine Nation allein für klug und satyri
sirt über alle andre So hält er %.seine Sprache auch für die beste
und glaubt daß sie ieder lernen müsse %.deßwegen corrigiren sie
den Deutschen wenn er falsch %.französisch spricht ohne Lachen als wenn
er ihr Schüler wäre. Wenn sie deutsch reden lernen so muß
man lachen, weil sie alles ihrem %.Character gemäß lustig machen. Sie
lernen daher auch selten recht deutsch machen sich auch %nichts draus ob sie
%.einen Namen so oder so aussprechen Das sieht man auch in ihren Schriften
Der %.Franzose ist %nicht reinlich aber «zärtlich» zierlich. Die %.Engländer sind die rein
lichsten ziehen täglich frische Wäsche an. Grimm sagt: Man darf
nur die %.FranzosenKüchen besuchen um %.einen Ekel am Tische zu bekomen
Denn die Heerde sind da sehr niedrig und wenn sie den Tobak
schnauben oder ausschnauben; so fallt da alles auf den Heerd und «E»die
%Franzosen sind sehr gegen Fremde hoflich aber %nicht gastfrei. Die %.Frau
enzimmer sind sehr verstandig sie sind %nicht schön aber sehr beliebt, sehr un
terhaltend aber %nicht häußlich %und Rousseau behauptet %daß die %.Frauenzimmer
weit treuere Freundinnen sind als %.die Männer. Die Franzosen
|F_119
/%.Die %.Franzosen lieben sehr die bon Mots und können ohne
sie %nicht leben er ist suaviter in arte sed non fortiter in re
Sie lieben das hardie Urtheil %und urtheilen selbst in der Philo
sophie hardye; daher glänzen ihre Schriften nur immer
eine Zeitlang. Der %.Franzose ist gründlich, wen er %.keinen Witz an
bringen kan, kann er aber dieses so wirft er lieber
die %.Gründlichkeit weg um nur den Witz anbringen zu
können. Was die Gesetze anbetrift so sind sie sehr
hart und das Verfahren tumultuarisch. Die %.Polycey tyran
nisirt und ein lettre de cachet «ist»kann wie ein Blitz aus
der Luft kommen. Die Criminal_Gesetze sind äußerst
hart und man verfahrt dabei ohne alle Form
Es ist die %.größte Intoleranz nebst der %.größten Freigeisterei
aber die Regierung glaubt, weil die %.Franzosen unbestän
dig sind, die Protestanten würden bei der Toleranz
bald aus schweifen. Die Geschichte der Protestanten %und
Jean Calas ist ein Beispiel davon. Hernach aber
rehabilitiren sie ihn d.i. wenn sie %.eines unschuldig ge
räderten oder gehenkten Unschuld bei genauer
Prüffung erkennen so stellen sie feyerlich %.seine Ehre
wieder her - So wurde auch Calas rehabilitirt
/2 Die Spanier obgleich ein Prinz aus dem bourbon
schen Hause ihr Konig ward hat er doch ihre Sitten
nicht um ändern könen. Vielleicht ist das alte Mohri
sche Blut daran schuld. Sie sind gerade die Gegenfüßler
von den %.Franzosen halten steif und vest auf ihren alten Ge
bräuchen, und sind wie Orientalische Völker abgesondert
ohne viele %.Wißenschaften anzusehen. Sie haben %.keine Lust zu reisen
/δLage_Q
|F_119'
/lernen auch %.kein Französisch das Wort Grandezza
bezeichnet so recht das Ansehen, das sich sogar ieder
Bauer giebt und aus dem Gefühl %.seines eingebildeten Wehrts ent
springt. Die Kaufleute haben vorzuglich was nobles und
sind die ehrlichsten %.von der Welt. Denn wenn ein Krieg
zwischen %.Spanien %und %.England entsteht; so wird gleich ein Edict ge
geben; daß sie ihre Schuld an die %Englischen Kaufleute %nicht bezahlen
sollen; allein sie thun es doch, wenn auch mit Lebens
Gefahr. Ihre Tafel ist schlecht besetzt. Sie essen wenig
der Quantitaet und Qualitaet nach. %Ein deutscher Reisender
machte daher mit %.seinem Gefolge viel Aufsehen, weil er
so viel verzehrte und die Spanier liefen alle zusammen
die Deutschen eßen zu sehen. Die Stadt Saragossa schick
te ihm daher entgegen doch %nicht in ihre Stadt zu kommen
weil sie befürchteten %nicht genug eßen zu haben. -
/Die Nation hat wenig Vergnügungen. Nur ein Tanz
Fandango genant, hat %.einen solchen Reitz fürs Volk, %daß
wenn iemand %.einen solchen Tanz spielt, %.das Volk auf der Stra
ße tanzt. Die Nation ist etwas grausam das zeigt
das Stiergefechte %und ihr Auto da Fe wo die Santo
nito verbrant werden, welche papierne Mützen haben
die mit Teufeln bemahlt werden %und aufrechtstehende Fa
keln haben; die aber mit umgekehrten Fakeln sind, wer
den nur Landes verwiesen. Sie haben %.einen Hang zum
Romantischen. In Spanien dürfte iede Reform schwer
fallen denn sie halten steif und vest auf ihren <alten> Gebräuchen
denn als der König nur die Mäntel %und %.großen runden Hüte
abschaffen wollte um den Spitzbuben mehr die Verkappung
zu nehmen so entstand %.eine Revolte wieder ihn
|F_120
/3. Italiener. In diesem Lande ist der Geschmak der Kunst
wie in %.Frankreich der Geschmak der Conversation. Die Gondoli
ers singen solche schöne Duetten, daß mancher Sänger
sie %nicht schöner singt. Die Italiener sind sehr gesellig aber
auch sehr klug. Sie sind sehr affectvoll und ernsthaft
Aus ihrem Affect entstehen die Ermordungen? Der %.Franzose
ist lebhaft ohne Affect; er liebt alles was Parade macht
Sie sind scherzhaft könen aber das Neken nicht leiden
Sie lieben mehr die <%ofentlichen als> PrivatLustbarkeiten zE Carneval
Sie haben mehr prächtige als gemächliche Zimmer. Rousseau
sagt: Sie haben prächtige Säle und schlafen in Ratzen
Nestern. Die Cicesbei waren erst Aufseher und nun
sind sie Verliebte geworden. - Die Cicesbei oder Ca-
valieri serventes sind %eigentlich Personen, die die Damen
bedienen und ein Mann %.von Ansehen und Ehre kann mit
%.seiner Frau ohne Cicisbeo erscheinen. Sie haben prachtige Kirchen
a la Mosaique und al Fresco - Sie verstehen herrlich
das Geld aus dem Beutel zu ziehen aber auch es in Um
lauf zu bringen das haben sie alles erfunden zE die Ban
quen, die Lombards, die Lottos, wie das Lotto in Venedig
Es giebt Künstler, die sich mit vielem abgeben, Bei den Italie
nern ist die Ungleichheit der %.GlücksUmstände sehr %.groß. In Enge
land ist es lange %nicht so - die Polenta ein Brei aus turkschen
Weitzen %und die Castanien machen ihren %gewohnlichen Unterhalt
aus - Ihr Geist ist sehr tief angelegt allein ihre Politic
beruht auf sehr schlupfrigen GrundPfeilern. Der Roemische
Hof ist ein Muster der Politic Die Italiener haben viele
Banditten, die man bravos und viele Giftmischer
/Es ist hier recht entstanden. Eine %.gewiße Signora Toffana
unter Carl_6. erfand %.ein Gift das langsam tödtete welches
|F_120'
/Gift aus Arsenic und dem Kraut Combattaria bestand
sie wurde nachdem sie 30 Männer getodtet hatte entdekt
floh in %.ein Kloster fand da Schutz %und starb auch hier. Die
Italiener haben den %.größten Abscheu vor den Gerichts_Diener
Sbirri %und diese sind in ihren Augen halb unehrlich. Sie haben
die %Lebhaftigkeit der %Franzosen aber fixirt durch %.den Verstand. In Frank
reich hat der gemeinste Mann mehr den geselligen Geschmak
%und in Italien mehr den Geschmak der Kunst als in andern Ländern
Die %.Beförderung des Geschmaks ist Antheil der %.Franzosen die Beförderung
des Pomps - der Italiener
/Die %.Gesellschaften der Italiener sind %nicht so zur Cultur eingerichtet als der %Franzosen
Jene sind mit den Börsen zu vergleichen wo, man kommt
und geht. Man lernt hier nur viele %Menschen kennen sonst
haben diese Zusammenkünfte %.keinen Nutzen - Hingegen in %.Frankreich
cultiviren sie ganz ausnehmend %und wer in %.Frankreich %.ein Jahr
%.gewesen ist %und %nichts gelernt hat, hat %.entweder %nichts lernen können oder
%nichts wollen. -
/
/4.) Die Engländer. David Hume macht die %«A»Bemerkung daß ie
des individuum in der ganzen Nation %.seinen eigenen %.Character habe
Man findet %wirklich in %.keinem Lande so viel Sonderlinge
als in %.England - Ja man findet da %.eine %ordentliche Ehre Sin
gularitaet zu haben. Sie scheinen alle Nachahmung zu hassen
und lieben doch Moden - Eigensinn ist oft ein Zeichen
eines dummen Kopfs aber auch eines vesten Characters
In %.Frankreich hat ieder bis auf den gemeinsten Man mehr bon
Esprit allein hier - - mehr bon sens mehr Be
lehrung als irgendwo. Dazu tragen wol die %Englischen Zeitungen
viel bei denn diese sind so voll %.von %.Mannigfaltigkeiten allerlei
Art %und man findet für kluge %und Narren immer etwas
diese werden %.allgemein gelesen, und in vornehmen Häusern
hält man sie sogar für Bediente. Diese hören nur
|F_121
/darinn das Urtheil ihrer Herrschaft. Der Engländer
arbeitet stark und behende aber nur bis zum AbendEßen
Hernach geht er in WirthsHäuser und raisonirt dann über
Politic %und Religion. Es komt das zu weilen viel %wunderliches
Zeugs heraus aber es cultivirt doch den Geist der Nation
Sie haben daher wunderbare Klubbs. Der Wohlstand
geht in England am weitesten. %.England ist das wahre Land der
Maschinen. Da%durch verkürzen und erleichtern sie ihre Arbeit
recht sehr daher werden ihre Arbeiten da am besten bezahlt
daher laßen auch die %.Franzosen, wenn sie recht praecise %.astronomische
%.Instrumente haben wollen sie aus England kommen. Aus ihren Arbeiten
leuchtet Einfalt und %Einformigkeit hervor %und sie zeigen vorzüglich
ihre %.Nutzlichkeit und %.Brauchbarkeit Aus den %.Englischen Schriften kann man
stets %.etwas lernen. Sie sind wol durchgearbeitet %und man darf
wenn mans gelesen hat nicht fragen. Warum es wol der Autor
geschrieben haben möge. Nicht so ists bei den %.Schriften der %.Franzosen
/Montesquieu einer ihrer %.großen Geister hat in %.seinem Werke %.vom
Geiste der Gesetze nur lauter angefangene Ideen, denen die
realitaet fehlt. Kein Staat wird %durch dieses Buch gebeßert
werden. Es ist auch viel spielender Witz darinn zE er macht
ein Capitel %von der Despotischen Regierung darinn sagt er bloß:
Wenn der Wilde aus Java die Frucht eines Baumes
haben will so haut er ihn ab %und ißt %.die Frucht. Dies ist %ein Bild
der despotischen %Regierung. Das ist es wol freilich: ver
diente aber %.das Bild %.deßwegen %.ein %.besonderes Capitel. Die %.Engländer
sind höflich ohne Ceremonien ihre Laune %und ihr Witz ist origi
nal und der %.Franzose verliert %.gewiß wenn es auf Spotten ankömt
%.Das wahre antipodische %.zwischen %.Engländern %und %.Franzosen %und der NationalHaß zwischen
beiden beruht auf der %.verschiedenen %.RegierungsArt. Der %.Franzose rühmt aus Vani
taet immer den König. Der %.Engländer leidet %nicht gern das Ansehen des Kö
nigs %und liebt %.die %.Freiheit. Der Franzose sucht hingegen das Ansehen
seines Konigs so viel möglich zu befördern. Es ist hier also
%.ein Contrast. - Jenes ist die %.Eigenschaft des Sclaven diese des Wilden
|F_121'
/Wenn der %.Engländer uns für Affen halt so kann man sie für
Bären halten. Er ist höflich aber %nicht einschmäuchelnd. Er findt
Gefallen am Eigensinn %und läßt sich am wenigsten durch an
dere geniren. Schort sagt in %.seinen Reisen. In %.Frankreich ist alles
höflich nur %nicht die Gastwirthe %und in %England alles %unhöflich nur
nicht die Gastwirthe. Denn in %.Frankreich ist man bloß hoflich wenn
es auf Complimente ankomt; aber bei reellen Diensten
sind sie %nicht zu Hause. Bei den %.Engländern ists aber umgekehrt. Der %.Engländer
ist gastfrei invitirt aber %nicht gern. Sie sind in %ihren %Gesellschaften
ohne alle Cerimonien daher begegnen sie auch %.den Fremden
gleichgültig. %.Seine Speisen sind %vortreflich aber es wird %.kein solcher
apparatus wie bei den Deutschen gemacht. Die Deutschen
sind die Gastfreiste Nation nehmlich iemand mit Formali
taeten zu bewirthen. Dies sagt der Obriste Bossuet zum
Paoli, die beide in %Deutschland %.gewesen waren. -
/Die %Engländer reisen herum, wie %.die %.Franzosen um alles zu verachten
Wenn sie reisen so halten sie immer mit Reisenden ihrer
Nation Klubbs %und lernen nur die WirthsHäuser kenen
da der Deutsche auf %.seinen Reisen die Nation kennen zu lernen sich be
müht. Man muß daher erstaunen was die %.großen %Englischen %.Geographen für
elende %.Begriffe %von andern Landern haben zE Gouthry der mit
Gray die %.allgemeine WeltGeschichte herausgab %von Preußen
/%.England ist das Paradies der Frauenzimmer. Bei aller Galanterie
der %.Französischen %.MansPersonen herrscht in %.England das %Frauenzimmer mehr als in
%Frankreich. Sie sind auf ihren Reisen sehr bei den Gastwirthen
beliebt, denn sie verzehren viel daher sind sie in Rom die
beliebtesten Fremden
/Rest_leer
|F_122
/5te Deutschen. Hier herrscht das %.phegmatische %.Temperament. Sie sind
ein am wenigsten vermischtes Volk. Der %.Mechanismus ist hier die %.größte
Triebfeder die alles in Bewegung setzt Ordnung ist bei ihnen in
allen Dingen. So findet man %.Mechanismus in der Regierung
und vorzuglich in der Armee daher ist ihre Armee die beste %und
die %.Franzosen konen mit allem ihren %.Patriotismus %und %.die %.Engländer mit aller
ihrer %.Waghalsigkeit das %nicht was die Deutschen mit ihrem %Mechanismus
Sie sind Erfinder in alle dem was sich durch Beobachtung %und %.Erfahrung
heraus bringen läßt. So sind sie vorzüglich stark in der Chemie
Sie sind beßere Entdeker als Erfinder. In den %.Hoflichkeiten sind sie
peinlich oder genirt. Sie können gar %nicht das air degagée der %.Franzosen
annehmen. Sie sind stets etwas holzern und man findet un
ter den Deutschen nie %.einen guten Acteur. Die Deutschen über
setzen alles und man könte den andern Nationen den Rath
geben Deutsch zu lernen, denn so können sie alle andre Sprachen
entbehren. Die %.Deutschen haben %.keinen NationalStolz. Einige Schriftsteller
wollen ihn itzt anfeuren aber das ist %.eine gute %.Eigenschaft die man
nicht vertilgen muß Die %.Ursache liegt wol darinn daß sie in viele
%.kleine Staaten getheilt sind %und %.keine ganze Nation ausmachen. Die Deu
tschen sind gute Colonisten und hängen %nicht sehr an ihrer Heimath
So fand Cooke %.einen in Kamschatka %.einen auf der Insel Saba seit
warts %von Java ia man kann sie überall antreffen, wo
nur %nicht der Druk der Religion herrscht. Sie sind cultivirter
wie die Polen, Rußen p ihre %Peinlichkeit ist dem Genie zu
wieder in %.Ansehung des Genies haben sie den Rang unter den
%.Franzosen %.Engländern %und Italienern. Sie arbeiten nur so lang bei
einer Sache als es auf ihren Fleiß ankomt. Sobald es Sache
des Genies wird uberlassen sie es den %.Franzosen So ent
dekte zwar Kepler das Fortruken der Planeten, allein
|F_122'
/Newton setzte dies durch %.seine Entdeckung %von der Schwere
der %Körper weit beßer und genau aus einander. So auch in
der Chymie. Die Analysis der Luft ist %.von Blak in Edinburg
erfunden. Der Deutsche hat %.das Talent der Erlernung %und Faßung
aber mehr %.UrtheilsKraft als Geist. Er unterscheidet %gründlich %und ge
nau %und hat %.eine %.große Titelsucht. Er redet %.von einer Person
im Singulari %und Plurali. Die deutsche Sprache ist sehr reich
haltig in Synonymen sie ist daher zur Philosophie geschickter als
die %Französische denn «s»diese hat viele viel bedeutende Worter. Sie ist
sehr rein %.und iede Beimischung aus fremder Sprache ist gleich zu
merken zE Genie %von ingenium oder Genius. In andern Spra
chen ist das %nicht so. Die %.Franzosen nehmen zE ein %.Lateinisches Wort
hängen %.eine %.französische Endung an %und sogleich klingts ganz französisch
besonders klingt %.ein fremdes Wort in der deutschen Sprache
in %.einer Solennen Rede höchst lächerlich. Ein Prediger sagte
einmal beim Schluß %.seiner Predigt: Wenn ihr das thun werdet
so werdet ihr euer eigen Wohl befordern %und mich höch
lich obligiren. Die Deutschen lieben die Vergnügungen
die mit dem Phlegma verbunden werden könen %und diese
sind die Mahlzeit und der Trunk. Die %.Deutschen sind gastfrei %nicht so
wol aus Freundschaft, als um sich selbst %.gleichsam zu Gaste bitten
zu könen. Sie sind sehr disciplinirt %und nehmen gern Disci
plin an. Dies macht das %.mechanische und peinliche in der Schü
ler %.Erziehung aus. Die Ellenlange nach Dispositionen ein gerich
tete Briefe Imitationes Ciceromanae p unterdrüken alles
Genie und die %.ErfindungsKraft wegen der schon in der Jugend
angewöhnten %Peinlichkeit. Sie sind in der Arbeit geduldig
allein sie arbeiten %nicht mit so vieler %.Zwekmäßigkeit als %.Engländer
Sie haben viel Belesenheit daher komen die vielen
Citationen in ihren Schriften die aber oft schon abzunehmen scheinen
|F_123
/Es kömt auf viele Spuren in %.Ansehung der Erfindung zE Otto Gue
ricke die LuftPumpe p aber sie wißen diese Erfindung %nicht zu
nutzen. Die weitere Ausfuhrung %und Verbeßerung muß er andern
uberlassen. Er ist sehr systhematisch so daß vielen Wißen
schaften das %.systhematische Kleid gegeben hat zE iure publico
Er nimmt willig %.eine Reform an. %und Rousseau hat wol Recht
daß wenn ia der Vorschlag des Abbe de St_Pierre %.von einem
VolkerBunde wo die %.Streitigkeiten der Nationen statt der Kriege
durch Processionen entschieden werden sollten zu Stande kommen
konte. %.Deutschland der Mittelpunkt da zu sein möchte. Das beweisen
auch viele «Streitigk» Beispiele %.von %gluklich %.entschiedenen %.Streitigkeiten auf dem
ReichsTage zu Regensburg.
/Wir gehen nun die Daenen, Schweden, Niederlaender und
Schweitzer vorbei da dies germanische Nationen sind. Wir gehen
daher
/1. Zu den Pohlen. Bei diesen findet man, was die Staats
Verfaßung betrift %.eine brutale %.Freiheit %.von den Gesetzen. Dahin
kann man vorzuglich die Einritte der Polen rechnen die mit
den Befehdungen der Alten Deutschen zu vergleichen sind
Sie sind lebhaft aber ohne vielen Witz und %.ErfindungsKraft. Wir
finden %.keinen guten originalen Schriftsteller unter ihnen. Die Pohlen
sind leichtsinnig und wählen daher die %.Franzosen gern zum Muster
Sie sind %.keine gute Wirthe %und bezahlen %nicht leicht, ob sie gleich immer
wollen denn sie haben nie Geld. Sie lieben die Pracht aber
ohne alle %.Reinlichkeit Ihren Character schildert recht ihr Tanz
Er fängt mit einer %.Spanischen Grandezza an und endet sich mit
%.eine Masurisch. Der Pole wird leicht conduisirt aber %nicht civilisirt
In Pohlen ist %.kein %.Mittelstand sondern alles %.entweder Adel (der MittelAdel
ist nur TitulaerAdel) oder Bauer. Diese nent der Edelmann
|F_123'
/Chlopiec. Die %.Frauenzimmer sind da recht in der %.großen Welt
und die vornehmsten StaatsSachen werden in ihren Zimmern
verhandelt. - Die Polen lieben die %Persönliche %.Freiheit verkaufen aber
«ihr» allenfals ihr Vaterland. Sie sind sehr ceremoniell %und sprechen
immer mit %.ein ander %durch Mein HErr. Sie sind weichlich %und
lange %nicht so hart als die Russen. -
/7.) Russen haben %.einen eisernen Sinn. Sie sind %eigentlich eine
asiatische Nation. Sie haßen iede andre Nation und verber
gen ihren Haß nur so lange als sie Gewalt befürchten. Die Rus
sischen Bedienten sind ihren Herren nur so lange getreu als
sie im Glük sind %und helfen wol hernach gar ihr Unglük zu
vergrößern. Daher haben vornehme Rußen lieber deutsche
Bedienten. Tüke ist geheime Feindschaft unter dem Anschein
%von Ergebenheit das giebt man den Russen schuld. Niken ist ge
heime %Wiedersetzlichkeit unter dem Anschein des Gehorsams
dies den Polen - %und man siehts auch am Polnischen Gesinde
Es besteht gemeinhin in der Ausübung des Gegentheils %.von Befehlen
Es ist %.ein falsch verstandener Stolz und man spielt dabei sei
nem Befehlshaber %.einen Querstreich. Man findet ihn auch bei
Kindern. Der Ruße wird leicht disciplinirt aber schwer con
duisirt und wen Pohle %und Russe conduisirt werden
so werden sie erstaunlich manquirte Franzosen. Die
Russen lieben sehr den Handel %und das komt wol daher weil
da viele Gewerbe und Handwerker %nicht so gemein sind
als in andern Ländern. Der Russische Bauer muß %ein Av
todidactos sein der %.sein Rad, Wagen %und Schlitten selbst macht
Die %.Russischen Bauern reisen sehr herum %und sind da%durch %und durch
die eigene Anschaffung ihrer Bedürfnisse weit cultivirter
als der Preussische %und Schwabische Bauer. - Wo also in %.einer
|F_124
/Nation der Bauer sehr raffinirt ist, da ist die Nation im
ganzen sehr dumm. Das scheint paradox zu sein es ist aber doch
durch die %.Erfahrung bestätigt und es laßt sich auch daher erklaren:
wenn nehmlich %.eine Nation mehr cultivirt wäre so möchten sich
mehrere auf %.besondere Künste legen die man denn mechanischer
lernte. Der Bauer könte denn %.seine Bedürfnisse für wenig
Geld haben %und bliebe den bei %.seiner Akerwirthschaft. «¿»Die Rußen p
dringen %nicht in den Geist der %.Wißenschaft %und können %nichts aus Principien
einsehen und beibringen. Unter ihren Malern haben sie gute
Copisten aber %.keinen einzigen OriginalMaler haben sie gehabt. Sie
sind sehr geneigt unter dem Despotism zu stehen. Wie die Orien
talschen Volker welche sich gar %.keine %.Begriffe %von der %.Freiheit machen
können %und lieben daher %nicht so sehr die Freiheit als die Pohlen
Die %.Orientaler stellen sich alle %.RegierungsArten %.monarchisch vor. Den Prinzen
%.von Oranien nenen sie daher immer König %von Holland. Die
%.Ostindianische %.Compagnie personificiren sie unter dem Namen John
%.Compagnie. Daher nante sich Sparrmann der %von der Compagnie an die
Caffern geschickt war einen Sohn der John Compagnie. Vor
diesen haben sie %.große Achtung welche sich gleich verlieren wurde
wenn sie wüßten, %daß %.diese John %.Compagnie %eine %.Gesellschaft Kaufleute
wäre
/Die Türken sind ehrlich, tapfer, nüchtern, ernsthaft, stolz Un
ter dem gemeinen Volk ist viel %MenschenVerstand %und ohnerachtet des
%.Despotismus viel Stolz %und Zutrauen zu sich selbst. Bei ihnen ist
%.keine Knechtschaft denn sie haben %Christen Sclaven. Die Regierung ist
barbarisch. Sie wollen %.keine Cultur am wenigsten Disciplin
annehmen. Wenn %ein Turke %durch Europa welches er Frankestan
so wie alle %.Europaeischen %.Nationen Franken nent wegen des Einfalls der Unter
Anführung der Franken ins %.Ottomanische Reich geschah reisete so würde er:
|F_124'
/1 Frankreich das Modenland 2 Spanien das Ahnenland (denn
man hält da sehr viel auf Ahnen, daß oft %ein Duc die Tochter %.eines
Bauren heyrathet, weil sie nur aus altem unvermischten Spanschen
Blute herstammt) 3 Italien das Prachtland 4 England das Lau
nenLand 5. Deutschland das TitelLand 6 Ein Land das
Land der Tüke eins das Prahlerland nenen. -
/Wir haben itzt den %.Character der Nationen abgezeichnet. Iedem stehts
frei aus %.dieser Schilderung wegzunehmen %und zuzusetzen, wenn
er %gründliche reflexionen %und data dazu hat. Es kann %nicht fehlen %daß
bei einer %Characteristic oft Carricatur mit vorkomt allein oft
ist auch der Character der Nation wahre Carricatur.
/Auf die Zeichnung %.dieses NationalCharacters gründet sich nun
die politische Verfaßung der RegierungsForm der Erziehung
kurz alles dasienige was in die Anthropologie einschlägt. -
/ ≥ 3. Capitel vom Character der MenschenGattung ≤
/Das Characteristische der %MenschenGattung sieht man, wenn man den %Menschen gegen
das Thier aufstellt %und beide vergleicht. Der %Mensch gehört in dem Natur
system zur Thierart. Wenn ich aber den %Menschen im Weltsysthem betrachte so
gehört er zu %.vernünftigen Wesen. Also
/1.) den %Menschen als ThierArt betrachtet das ist der physische %Character
Hier ist zu fragen a. Ist der %Mensch bestimmt von der Natur auf 2 oder 4 Füssen
zu gehen. Rousseau behauptet das letztere. Ihm tritt %.ein %.großer %.Italienischer
Anatomiker Boscati bei. Er beweiset dies 1. Aus der Schwanger
Schaft, indem das Kind im 5 Monath der Schwangerschaft im utero sich
umkehrt und mit dem Kopf nach unten kömt. Dies hätte viel %.Un
gemächlichkeit für Kind und Mutter. Würde aber die Mutter auf allen 4 gehen
so läge das Kind horizontal 2 aus der Circulation des Bluts welches
viel leichter durch den %.Körper laufen möchte, wenn es in horizontaler
Lage fortgienge %und %nicht aufsteigen dürfte; allein dies Paradoxon ist
%.von andern auch hinlänglich aus dem KörperBau des %Menschen erwiesen worden
|F_125
/Linnee theilt %.die %Menschen verschieden ein auch in homines diurnos
%und nocturnos. Die Kakerlaks«,» Albinos oder Dondos westliches Volk
in MittelAfrica können nur im Finstern sehen die nent er nocturnos
Der %Mensch kann in allen Climaten leben das kann aber %nicht das Thier
das kommt %von %.seiner %.Vernunft her da er alle Producte zu %.seiner Nahrung an
wenden kann die Producte der Erde und des Waßers. Die
Negern am Senegal eßen die noch %nicht ganz verfaulte Pflanzen
Erde die der Senegal als Schlam auf die Aeker wirft die
einige %.Fettigkeit bei sich führt
/b. Ist der %Mensch ein frucht oder Fleischfreßendes Thier. Aus dem Bau
des Magens kann man ihn eher unter die letztern rechnen in
dem die Fruchteßende Thiere %.einen dicken «m»Magen haben. Die Frucht
Speisen bringen in den %Menschlichen Korper %.eine %säuerliche %und alcalische Feuch
tigkeit das beweiset die Erfahrung. Milch %von Ammen die mit lau
ter Fleisch gefuttert wird - %nicht sauer wenn man sie aufkocht
%und sogar CitronenSaft hineintröpfelt. Ammenmilch die %.von
lauter Vegetabilien entstanden ist der Kuhmilch ahnlich daher
ists dem Kinde zuträglicher wenn die Ammen oft Fleisch eßen.
/c. Ist der %Mensch ein Raubthier oder nicht? Der %Mensch hat %nicht
Gebiß und Klauen wie die Raubthiere aber er ist den Thieren
%durch %.seine Macht in %.Ansehung der Ueberlegung weit furchtbarer als
das starkste Raubthier.
/d. Ist der %Menschen zu %.Gesellschaft geschaffen oder nicht. Der %Mensch ist %nicht
wie die Biene für den Stok geschaffen auch %nicht wie %.ein einsames
Thier in die Welt gesetzt sondern er hat einerseits einen
Hang zur Gesellschaft wegen der Bedurfnisse selbst die bei
ihm weit %.größer als bei andern Thieren sind. Auf der andern
Seite hat auch der %Mensch %.ein Princip zur %.Ungeselligkeit weil %.eine zu
%.große %.Gesellschaft ihn einschränkt, genirt %und nothigt auf %.seiner Hut zu sein
|F_125'
/Es ist zu vermuthen daß %.die %Menschen einander sehr aus ihren
Wohnungen vertrieben haben müssen, weil man sie in den
unfruchtbarsten Gegenden antrift, wo sie gewiß ohne Ge
walt nicht hingegangen sind ohne diese %.Vertreibung würde
aber auch der Erdboden gewiß %nicht ganz bevölkert sein
/2. Als Intelligenz zum Weltsysthem betrachtet ist der %Mensch von
ganz besonderer Art.
/A Mit dem Thier verglichen weiß iedes Thier schon durch
den Instinct was es zu thun habe die Vögel ausgenommen
diese lernen ihren Gesang %.von den Alten. Dies lehrt die Er
fahrung, da man Vögel wenn sie noch ihre Eltern %nicht viel
haben singen gehört, den Gesang %.anderer VögelArten beibringen
kann. Bei dem %Menschen ist schon der Unterschied daß sie unterrichtet
werden müßen. Der Unterweisung giebt ist %.ein informator
der aber disciplinirt ist %.ein Hofmeister. Der erste Unter
richt ist der in der Sprache, denn %daß sie dem %Menschen sollte aner
schaffen sein ist %nicht zu glauben, weil sonst noch itzt eine und
eben dieselbe Sprache sein müßte. Der 2te Unterschied besteht darin
/B. der %Mensch soll sich alles selbst zu verdanken haben. Dies ist
auf einer Seite %.eine %.große Ehre die uns die Natur erwiesen
hat auf der andern Seite aber %.eine %.große %.Beschwerlichkeit indem es
ihm da%durch sehr schwer wird glüklich zu werden und %.seinen Wohl
stand zu befördern %und erhalten
/C. Beim Thier erreicht iedes Individuum die Bestimmung
%.seines Seins schon in %.diesem Leben. Beim «Thier»Menschen erreicht «schon»
erst die Species die Bestimmung der %Menschheit %.von Generation zu
zu Generation indem immer %.eine Generation zur Aufklärung
der vorhergehenden %.etwas hinzusetzt %und sie also vollkommner
|F_126
/überliefert als sie sie erhalten. Nicht allein Aufklärung
in Künsten und %.Wißenschaften sondern auch in der Moral soll sich der %Mensch
selbst zu danken haben
/D. Ist der rohe %.NaturZustand oder gesittete wo der %Mensch cultivirt ist der
beste? Der letzte %.Zustand den wir aber noch %nicht kennen, wo sich alle Kei
me des %Menschen zur besten Constitution der %.bürgerlichen Gesellschaft werden
entwickelt haben, wird der beste sein. Es giebt 2 EndPunkte der
Aufklärung und der Fortschritte der %Menschen «%Gesellschaft» Bestimmung - nehmlich
/1.) der rohe %.Zustand des %Menschen (%.NaturZustand)
/2.) der cultivirte δLücke (gesittete %.Zustand)
/Der «¿»Mittel %.Zustand von diesen beiden ist der schlimmste. In ienem ersten
war der %Mensch negativ glüklich in diesem andern wird er es positiv
sein. Der Mittel %.Zustand %.zwischen diesen beiden ist der ZeitPunkt des Luxus
der Verfeinerung des %Geschmaks der %Geselligkeit p Insoferne
hat nun wol Rousseau recht, wenn er diesen %.Zustand dem Natur
%.Zustand vorzieht. Allein es gilt dies %nicht %vom gesitteten %.Zustand daß der %Mensch
aber zu diesem gesitteten %.Zustand durch viele %.Ungemächlichkeit Kriege
%und üble Folgen derselben gelangen sollte «ist»geschah wenigstens auf %.unserm
Globo darum, weil dem %Menschen der Schmerz %.ein Stachel der %.Thatigkeit werden
sollte. Ein iedes Geschöpf erreicht doch endlich %.seine Bestimmung d.h. es
erreicht den ZeitPunkt in dem alle %.seine Naturanlagen entwickelt wer
den «können» und zur Reife kommen Bei dem %Menschen ist nur der Unter
schied %.von den Thieren, %daß bei ihm erst die ganze species %durch %.verschiedene
Generationen ihre Bestimmung erreicht. - Es ist dies freilich hart
daß andre erst die Früchte unsrer sauren Bemühung einärndten
sollten; allein die %.Erfahrung die Annalen der Geschichte der %Menschheit
beweisen uns doch dieses ohne Möglichkeit %.eine Einwendung dagegen
zu machen. Der rohe %.Zustand der Natur da die %Menschen an der edlen
|F_126'
/Einfalt hingen %.keine Bedürfniße %.keine Begierden (aber nur aus %.Unwißenheit)
%nicht kanten, war in einiger Absicht gut. Allein, wenn Dichter und %.Phi
losophen diese Zeit die goldne nennen %und %glukliche; so geschieht das aus
Hang zur Faulheit. Diese Zeit war die Zeit der grobsten %.Un
wißenheit da die %Menschen sich wie Affen %.von Bäumen nährten %und aus Mangel
an %.Bedürfnissen %nicht arbeiten durften. Die wahre goldne Zeit konte
man die Zeit der vollendeten Cultur der %Menschheit nennen ienes war
das KindesAlter der %Menschen %und wer wollte wünschen %.ein Kind zu sein
/E.) Wie komts aber daß %Menschen durch die Cultur so viel Böses
unter sich gebracht haben. -
/$a$. Die Natur Epochen treffen mit den %bürgerlichen %nicht zusammen
daraus entsteht %.eine Antinomie des Guten %und des Uebels. Im
Natur %Zustand ist der %Mensch weit eher geschikt %.seine Art fortzupflanzen
und sogleich auch zu unterhalten. - Nach dem Natur %Zustand ist der %Mensch schon
im 16 Jahre geschikt %.seine Art zu erzeugen und nach eben dem
%.Zustand wäre er alsdenn auch schon geschikt %.seine Art zu erhalten
Nach dem %.Mittelstand ist der %Mensch zwar wol geschikt fortzupflanzen
aber weder sich noch %.seine Art zu erhalten Das wird er erst gegen
das 30ste Jahr. Im ersten %.Zustand ist er also schon Mann im letzteren
Jungling wenn er nehmlich 16 Jahr alt ist. Hier entsteht nun %eine Con
tradiction. Würde aber die Natur Epoche mit der %Bürgerlichen pa
rallelfortlaufen so würden viele Laster wegfallen ZE Wenn der %Mensch
erst im 30 Jahr geschikt wäre zur Fortpflanzung
/Der %Mensch war %.von der Natur bestimmt sich und %.seine Gattung zu erhalten aber
die Natur wollte auch daß er aus dem Natur %Zustand heraus gehen
sollte. Zu der ersten Ansicht mußte sie ihm den Trieb zur
Fortpflanzung frühe geben allein auf der andern Seite mußte
|F_127
/mußte er auch %.von der Natur abweichen und daraus entstand ein
Wiederstreit der in %.Ansehung des Guten das die letztern Absichten hervor
brächte doch selbst in %.Ansehung des ersteren der Grund zu manchem Uebel
ward
/2.) Der Trieb zur Cultur hat kein Verhaltniß zur LebensDauer
denn wenn der %Mensch in %.sein 60stes Jahr komt, wo er die erlangte Cultur
am meisten nützen könte so wird er stumpf, vegetirt %und muß %.seinen
Platz %.einem andern räumen. Dies war aber auch nothwendig denn
wenn %.keine %Menschen abtreten sollten; so würden die %Menschen sich verdrängen
Auf diese Art mußte die Weisheit der %.Vorsehung diese Dispropor
tion einführen. Allein selbst diese Cultur macht den %Menschen %vom Natur
%.Zustand abweichend. Sie ist mit vielen %.Unbequemlichkeiten verbunden %und
wegen der DisProportion zur Wißbegierde<2> «(»LebensLange«)»<1> muß der
%Mensch eilen und selbst dadurch sich %.Unbequemlichkeit sich zuziehen. -
/3. Der %Mensch ist %.von Natur frei %und alle %Menschen sind sich %von Natur gleich<2> ein
ander<1> - Hierinn weicht der %Mensch auch %von der thierischen Natur ab -
denn der %Mensch ist %ein Thier das %.einen Herren nothig hat %und ohne %Oberhaupt
%nicht bestehen kann. Und hier entstand wieder %.eine %Unbequemlichkeit
aus der Cultur indem man da%durch die Ungleichheit unter den %Menschen entstehen
sieht, welche Unterdrükung des weniger cultivirten wieder
nach sich zieht. Hierauf gründen sich die 3 Paradoxa Rousseaus
/1.) Vom Schaden der Cultur oder der %.Wißenschaften unter den %Menschen
/2.) Vom -- der Civilisirung unter den %Menschen oder der Ungleichheit
in der bürgerlichen Verfaßung aber ohne Ungleichheit laßt sich
%.keine %burgerliche Verfaßung denken also vom Schaden der %.burgerlichen Ver
faßung für den %Menschen. -
/3. Vom Schaden der künstlichen Methoden beim Moralisiren
/ad 2. In der Ungleichheit der %burgerlichen %.Verfaßung können wir allein
Cultur Und Civilisirung erhalten ob gleich diese Ungleichheit
sehr unangenehm ist. Ja der Krieg selbst das größte Uebel
ist selbst «dazu» Mittel zur Cultur %und zur «Bestimmung» Erreichung der %endlichen Bestimmung
der Menschen. -
/δLage_R
|F_127'
/Hier haben wir nur %.von der thierischen Bestimmung %.des %Menschen geredt
Allein nun müssen wir auch %.von der geistigen Bestimmung des %Menschen reden
Wenn diese erfolgen wird so wird %nicht mehr die Thierische Bestimmung des
%Menschen mit der geistigen im %.Wiederstreit stehen. - Kurz Rousseau hat
in %.seinen Paradoxis nur die %.eine Seite des Blats betrachtet. Er sahe nur
auf den Schaden, den das Herausgehen aus dem Natur %.Zustand scheinbar
verursachte nicht aber auf den Nutzen durch die Cultur des %Menschen die
ser Wiederstreit der thierischen und geistigen Natur des %Menschen trägt %endlich
selbst dazu bei um die Endbestimmung des %Menschen zu bewirken. -
/Denn wenn zE der %Mensch in den Jahren ist, wo er %.seine Art fortpflanzen aber
noch %nicht erhalten kann; so wird er genöthigt aus der Thierheit heraus
zu gehen und sich die Erhaltung %.seiner Art durch Fleiß und Anwendung
%.seiner Kräfte möglich zu machen. Und so entstanden %.Wißenschaften %und Künste mit
zum theil. - Das Böse entspringt aus dem Wiederstreite der %Menschheit
mit der Thierheit oder der physischen NaturAnlagen mit den moralischen
das %unvermeidliche Uebel in der Bestimmung des %Menschen ist der Stachel zum
Guten das der %Mensch ausüben muß. - Es sind in dem %Menschen 3 NaturAnlagen
1. Faulheit. 2. Feigheit %und 3. Falschheit
/ad 1.) Faulheit wird endlich selbst die Triebfeder des Fleißes %und ist
deßwegen schon nützlich ohne darauf zu sehen daß die Bösewichter
und auch alle %Menschen, wenn sie diesen Hang %nicht hätten, vielmehr Böses
ausrichten würden. Denn alle Arbeiten haben die Faulheit im Prospe
cte zum Triebrade, was sie in %.Bewegung setzt. Die Natur %.Kraft würde
auch endlich überspant und zerrißen werden, wenn die Natur %nicht ein
Gegengewicht %.einen solchen Hang zur Ruhe %und %Unthätigkeit in den %Menschen ge
legt hätte. -
|F_128
/ad 2. Wenn alle %Menschen solche Herzhaftigkeit hätten, wie einzelne
Individua derselben, wen %.keine Furcht vor dem Tode sie beherrschte
so würden in ieder Schlacht alle %Menschen die darinn sind umkommen. Daher
gab die Natur dem %Menschen deßhalb Feigheit, um ihn für die mancherlei
Gefahren in die er sich selbst stürzen «möchte» konte, zu sichern. -
Auch war diese Anlage zur Erhaltung der Art nothwendig. -
/
/ad 3. Der %Mensch ist heimlich und höchstens nur da offenherzig,
wo er %.einen recht guten moralischen %.Character vermuthet. Er würde auch
verächtlich sein, wenn er zu offenherzig wäre. Aus diesem Zurük
halten entsteht dissimulation (Zurükhaltung) %und Simulation (Verstel
lung) welches zusammen den %.Character der Falschheit ausmacht. Der %Mensch
will sich über andre in Vorzug setzen einer will über andre herr
schen %und dies erregt Verstellung und Falschheit. Daher wird der %Mensch
immer mehr und mehr falscher ie %.vollkommener die %bürgerliche %.Gesellschaft
ist De Luc sagt: die %Menschen sind %nicht so grausam als man sie vorstellt
Sie dienen sich gerne, wenn sie nur %nicht %.eine %.gewiße geheime Falschheit
hätten - Es ist schon angeführt %daß wenn man %.ein %MenschenGesicht nimmt %und
nur %.einen Theil darin verändert ohne die andern zu verändern
daraus %.eine Disproportion und <wahre> Carricatur entstehe. So gehts auch
mit den Moralischen Eigenschaften des %Menschen. Wenn man %.eine ändert
und %nicht alle so wird gleich alle Proportion verdorben. Es ist daher
gut %daß die %Menschen solange sie noch %nicht %.vollkommen gesittet sind, %nicht offenherzig
sind. Denn wären sies so möchte unendlicher Schaden daraus ent
stehen %durch den Mißbrauch der schlechtgesinnten %von dieser Offenherzigkeit
Sind die NaturAnlagen auf halben Wege so stiften sie lauter Bö
ses es wird aber doch %durch dieses Böse endlich alles gute bei der
Endbestimmung bewirkt. Der %Mensch ist ungesellig %und im Natur %.Zustande ist ieder
Fremde %.ein Feind, wie denn auch Cicero anmerkt %daß hostis ehemals %nichts als %.einen
|F_128'
/Fremden bedeutete - . Diese %.Ungeselligkeit erwekt Furcht und
treibt die %Menschen %.von einem Pol zum andern und bevölkert auf die
Art den Erdboden. So sehen die Wilden ieden Fremden für %.einen
Feind an und sie freßen auch ieden der ihnen in die Hände fällt
So erzählt Ritter Marion in %.seinen Reisen %daß die Wilden einmal 15
%.seiner Matrosen gefangen und gefreßen hätten und setzt hinzu der %Mensch ist
%.ein %fürchterliches Thier, wenn er %nicht in der %bürgerlichen %.Gesellschaft ist. Es ist schwer
den Wilden zu beweisen %daß man ihr Freund sei. Bei den Neu
hollaendern geschiehts durch die Nasenberührung. Denn kann man so
gar in ihre Wohnhäuser Hippahs, welches %unzugängliche Oerter
auf steilen Felsen am Meer und verpallisadirte Plätze sind, hin
komen. Durch diese %Ungeselligkeit wird aber auch ferner die
veste %bürgerliche Vereinigung hervorgebracht diese bewirkt wie
der Cultur und Verfeinerung des Geschmaks. Ohne diese Ungesellig
keit wäre nie %.eine veste %bürgerliche Vereinigung sondern höchstens
%.ein arcadisches Schaferleben entstanden %id %est ein Leben voll Faulheit
bei den besten Gesinnungen; wodurch nie der %Mensch vervollkommnet
cultivirt und %nichts mehr geachtet worden wäre als iede andre
Thiergattung. Ein solches Leben findt man noch in Otaheite
an, wo Faulheit alle %.Einwohner beherrscht indem ihnen %.das Meer Fische
%und die Fruchte ihr Brod geben. Ihr Fischfang selbst ist auch %.ein ge-
schaftigscheinender Müßiggang. Aber %.Ungeselligkeit trieb %.die %Menschen in
den Zustand, wo einer nach des andern Haab und Gut trachtete %und
da%durch mit dem andern in Collision kam und sie da%durch genothigt wur
den %.ein befehlendes Oberhaupt anzunehmen zu erwahlen und auf die
Art das systhematische in den %burgerlichen %Zustand zu bringen. Die Bedürf
niße des %Menschen wurden durch die Cultur groß und dies war auch ein
Band das die %Menschen vester an einander knüpfte. So wurde wie
|F_129
/wieder die Faulheit bekämpft %und der %Mensch genöthigt fleißig %und
arbeitsam zu werden. Der %.bürgerliche %.Zustand ist daher allein
der Zustand, indem alle die NaturAnlagen des %Menschen entwikelt
werden können. Der %bürgerliche %Zustand ist nun wieder %.entweder ein
Staat oder %.eine Macht ersterer %.seinem innern %.der andere %.seinem äußern
%.Zustand nach. Diese machen aber %.keine allgemeine Verbindung aus
denn die erkenen %.keine Gesetze über sich. Daher entsteht dann auch
der Krieg, weil %.ein Staat die Macht des andern fürchtet das
ist Barbarei - Von dieser ist %nicht abzusehen, wenn sie aufhören
wird. Alle %.Freiheit des %Menschen die %nicht durch «diese» Gesetze eingeschrankt ist
%.sondern bandenlos und mit der %.Bedrükung %.anderer verbunden ist
kann man barbarische Freiheit nenen. - Die Fürsten die Re
gierer des Staats sind anzusehen wie einzelne %Menschen im Zustande
der Wildheit, denn sie erkennen %.keine Gesetze als die sie sich selbst
machen; %und führen alles gegen andre Staaten mit Gewalt aus
Sie leiten zwar alles durch Deductionen her %und der andre
Theil thut zwar eben daßelbe; allein da%durch wird eben so wenig
als %durch den Krieg bestimmt wer Recht hat %.sondern wer %.die %größere Ge
walt hat, bestimmt was Recht ist. - Daher sagt Rousseau
selbst. Es ist beßer ihr Feind als ihr Bürger zu sein. Denn %durch
diese Kriege werden die Staaten im Innern selbst barbarisch
Um diesen barbarischen %.Zustand zu vermeiden müßte
/1.) Eine Regel des Rechts sein 2. Ein Richter der Recht spräche
3. Eine Macht, die auf diese %richterliche Aussprüche starke Aufsicht
hielte. Auf die Art würde das AmphictionenGericht der Grie
chen und der Plan St. Pierre und Rousseaus erfullt werden
obgleich die Fürsten noch darüber wie über andre Chimaeren spot
ten. Wird nun ein solcher %Zustand wol einmal eintreffen. Man muß
es wenigstens hoffen %und in der That ist auch schon wirklich %.eine
|F_129'
/eine Art von Anstalt dazu gemacht. Denn es wird mit dem
Kriege schon %nicht mehr so gerade zu δLücke sondern es giebt
Mediateurs die die Kriege zu verhüten suchen und auch wol Drohun
gen gegen den Angreifenden brauchen, wenn aus der Ursache: tum
tua res agitur paries dum proximus ardet oder aus der die
La Motte in %.seiner Fabel von den Fröschen anführt, daß ein Frosch dem andern
erzählte %daß die Bullen und Stiere %.einen Krieg mit einander haben, der
andere darauf antwortete, was sie das angienge und dieser wieder
replicirte, daß die überwundenen sich in den Sumpf retirirten %und
uns alle zertreten könten - Wenn aber dieser %.Zustand erscheinen wird
ist %nicht abzusehen. Denn aber wird erst %.eine dauerhafte Regierung statt
finden. -
/Zur %.bürgerlichen Verfaßung gehört
/1.) Freiheit. Hiezu gehört 2 das Gesetz oder die %.Einschrankung der %.Freiheit
eines Individuums um nicht die Freiheit eines andern zu stören au
ßer diesem muß auch 3 Eine Gewalt sein, die die Gesetze ausübt
Freiheit ohne Gesetze und Gewalt ist die Freiheit der Wilden %und Noma
den. Bei dieser Freiheit bin ich immer in Gefahr meine Freiheit zu
verlieren. Die Freiheit mit Gesetz und Gewalt schaft %.eine Gleichheit
unter den %Menschen. Aber Freiheit mit Gesetze und ohne Gewalt ist das unge
reimteste was sich denken läßt %und ist die wahre polnische Freiheit.
%.Freiheit mit Gewalt und ohne Gesetz ist Contradictio in adjecto denn das läßt
sich %nicht denken. Gewalt und %Gesetz ohne Freiheit ist %.Despotismus und die
turkische Regierung. Zwischen einer polnischen %und despotischen Regierung
ist wenig Unterschied in Ansehung des Bösen das daraus entsteht der
erste Staat kann nie %.ein Ganzes harmonische«s» ausmachen. Der Haß
wieder das Gesetz ist %.ein wahres Kennzeichen eines barbarischen
Zustandes. - Sie dulden lieber die größten Plakereyen als daß sie
etwas nach den Gesetzen abtragen sollten - Von der Art sind die
Türken %und Rußen %und ihre wahre Antipoden sind die Engländer, die %nichts
für Recht erkennen was %nicht nach den Gesetzen geschieht. Dies zeigt
wieder %.einen hohen Grad %.von Cultur an. Der NaturZustand ist
|F_130
/bei den %Menschen in dem Anfange als der vollkommenste anzusehen
Dieser erste Stand ist also der Stand der Unschuld. Das Böse so
wol als das Gute das in %Menschen liegt, ist noch %nicht aufgekeimt. - Der erste
Versuch nun, den der %Menschen %.von %.seiner Freiheit macht ist allemal fehlerhaft.
/Alles Böse %und alles Uebel das der %Mensch begeht, entspringt aus der %.Rohigkeit
der Natur, in Ansehung des Gebrauchs %.unserer Freiheit. Da die %Menschen sich
drängten, entstanden allerlei Uebel, denn sie hatten noch nicht
die Regel ausgedacht durch die die Freiheit eingeschrankt wurde
oder durch die der Publike Wille zu %.einem Entzweke eingeschrankt
würde, ohne da«s»ß der PrivatWille «zu %.einem Entzweke E¿» einge
schrankt «würde», ohne das der PrivatWille eingeschrankt wird
Krieg und Zwietracht war daßienige deßen sich die Weißheit
der Vorsehung bediente um die Cultur zu bewirken
/Der Status civilis ist ein besonderer Staat dem sich die %Menschen im %.Zustand
der Rohigkeit %nicht unterwerfen und der %.ein befehlendes Oberhaupt
uber sich hat daß 1. Gesetze geben kann %und 2 die Gewalt hat zur Be
folgung dieser Gesetze zu nöthigen. Es gehört schon Cultur dazu
um es einzusehen, wie dieser %.Zustand sich vor dem andern auszeichne
Die %bürgerliche %.Gesellschaft nun ist das Mittel wodurch die Cultur der %Menschen
hervorgebracht wird %und in der er %.seiner Endbestimmung immer näher
kömt. Ein Baum der auf freiem Felde wachst, wächst schief und
krum aber im Walde wächst er gerade indem er %.seine Aeste %nicht so sehr
ausbreiten kann, weil andre Bäume ihm Sonne und Raum rauben
Das ist das wahre Bild des wilden und civilisirten %.Zustandes In diesem
wehrt einer den andern %.seine Ausbreitung nach Belieben. Er kann %.seine Frei
heit %nicht gedankenloß genießen da Gesetz und Gewalt ihn einschränken
Im %bürgerlichen %Zustand muß der %Mensch sich nach der Concurrenz des Willens
richten %und er kann %nicht thun was er will. Hier allein werden
%.seine Talente und %.Fähigkeiten entwikelt werden konen. Dieser %bürgerliche
%Zustand ist aber nur %durch %.eine Reihe %von Uebeln entstanden da nehmlich die
Freiheit des einen, die Freiheit des andern hinderte. Die %.Vollkomenheit
|F_130'
/des %bürgerlichen %Zustandes beruht auf der Entwikelung der NaturAnlagen
zur endlichen Bestimmung des %Menschen. Jetzt ist die %Menschheit an den äußer
sten Gränzen der Civilisirung aber %nicht der Moralitaet. Das %.große Mei
sterstük das die Natur durch die %.vollkommene Entwikelung der NaturAnlagen
hervorzubringen getrachtet hat ist die vollkommene %.bürgerliche Verfaßung
oder die Uebereinstimmung deßelben mit den Zweken der %Menschheit
Woher sind nun die alten %bürgerlichen Verfaßungen alle umgestürzt?
Die %.Ursache %.davon ist das Mangelhafte derselben, indem sie wol zum
Aufblühen der Künste und %.Wißenschaften aber %nicht dazu dienten um den Staat
zu erhalten, wenn er durch den Luxus auf %.einen hohen Grad der Be
durfnisse der Individuorum gekommen war. So fehlte den Griechen
bei allen ihren Gesetzen Gewalt %und den %.Orientalischen Volkern bei der Ge
walt Gesetze. Tugend und Laster, Religion %und Künste %und %.Wißenschaften sind
Producte der Politischen Verfaßung. Denn wenn %.ein Staat auf %.einen hohen
Grad der Cultur gestiegen ist; so wächst %durch die Luxuries das
Mannigfaltige der Bedürfnisse %und da%durch die Beschneidung der Freiheit
Nun aber wollen Leute die der %.Freiheit gewohnt sind ihre %.Freiheit sich
%nicht einschranken laßen %und es entsteht so Zerrüttung des Staats
So wars mit den Griechen. Alles was %.groß %und erhaben an den
%.Wißenschaften war komt daher und das andere ist für %nichts zu achten
Allein sie konten sich %nicht erhalten da %.keine Gewalt war die sie
einschränkte. - Wenn nun die %Menschen darauf komen (%nicht %durch Erfindung d@ie@
den %bürgerlichen %Zustand zu verbeßern kann %.kein %Mensch einsehen, weil der der
die Gewalt in Händen hat, %nicht %vom Thron herabsteigen wird) die
beste %burgerlich Verfaßung einzusehen, was sollen wir denn %vom Volker
Recht denken? Das %VolkerRecht wird denn %nicht %durch den Krieg mehr beßer
werden; %.sondern %durch %einen %.richterlichen Ausspruch. Die Könige werden sich selbst
%nicht mehr Recht sprechen %.sondern sich %.einem %.allgemeinen AmphyctionsGericht unterwer
fen. Denn wird ein %allgemeiner Friede auf %.unserm Globo herrschen. Die NaturAnlagen
gehen zur Entwikelung %.unserer Talente 1. %durch die hochste Cultivirung 2 Civi
lisirung 3. Moralisirung. Bis itzt sind wir in der Cultur noch ohne
Plan und der Luxus belebt sie nur. Der %.große Theil der %Menschen ist noch roh
|F_131
/und die %gründliche Entwikelung %.unserer Talente fehlt noch. Selbst die %.Wißenschaften
sind Befriedigungen des Geschmaks des Zeitalters %und gehen %nicht auf den %.allgemeinen
Nutzen. Was die Civilisirung betrift so ist sie bei uns nur mehr eine
%Wirkung des Geschmaks %und der Mode als %daß sie auf Maximen zum allgemeinen besten ge
gründet sein sollte. Wir sind bis itzt nur verfeinert und geschliffen haben
aber %nicht das was %.einen guten Burger macht. Was die Moralitaet betrift so kön
nen wir sagen %daß wir darin noch %nicht so sehr weit gekommen sind. Wenn
wir die Tugend loben so geschiehts nur weil wir ihren Werth %nicht abläug
nen können %und weil wir dafür angesehen sein wollen %daß wir sie be
sitzen. Sitten ohne Tugend, %.Geselligkeit ohne Rechtschaffenheit %und Freundschaft
%.Eitelkeit ohne wahre Ehrliebe zeigen genug an %daß die Moralitaet bei uns
noch %nicht in rechtem Ansehen sei
/Welches sind nun die Mittel zur Verbeßerung der %burgerlichen %Gesellschaft %und
Verfaßung? 1. Erziehung 2 Gesetzgebung 3 Religion.
/ad 1. Die Erziehung muß negativ sein. Es muß alles das weggelaßen
werden was der Natur zuwieder ist. Das Kind soll schon als Kind gut
sein. Es muß aller rauhe Zwang bei der Cultur der Talente wegge
laßen werden, damit sie %nicht nachher, wenn sie in Freiheit komen
faul werden. Es muß daher den Kindern ihre Freiheit bleiben %und sie
doch genöthigt werden aus Pflicht zu handlen.
/ad 2. Die Gesetzgebung muß auch negativ sein. Sie muß die Freiheit
des Bürgers %nicht einschränken %.sondern %.ein ieder Bürger muß so zu sagen
%.seine Stimme haben, aber doch dabei gehalten sein nach Gesetzen zu hand
len.
/ad 3. %.Religion muß auch negativ sein - Es müssen alle gelehrte Definitio
nen aus dem Vortrag weggelaßen werden obgleich %.Gelehrsamkeit selbst
in der Religion sein muß
/
/Wir sind so zu sagen in einer 3fachen Unmündigkeit.
/1. Als Kinder im %häußlichen %.Zustand wo man immer nach andern Ur
bildern handlen muß
/2 Im %Bürgerlichen %.Zustand. Wir werden %.von Gesetzen gerichtet die
/δZusatz_Z_14/5
/Alle 3 aber
müßen %öfentlich %und der Natur @a\u@npaßend sein %durch %Religion muß der %.Moral das %unverlezliche Siegel
aufgedrükt werden ~
|F_131'
/die wir %nicht gegeben haben und die wir oft nicht einmal kennen
denn auch in Ansehung der Gesetze, wächst die %.Wißenschaft zu einem
Schwaden %von %.Gelehrsamkeit herauf die wir selbst %nicht kennen können
Ein Kind nent man denienigen der kein Eigenthum hat, sondern
sich nach dem richten muß %und mit dem begnügen, was er hat. -
Man findet nun aber, daß in iedem Staat despotisch, monarchisch
und aristocratisch p immer die %Menschen unmündig sind. Woher komt das?
Der %Mensch ist so beschaffen, daß er nie bestehen kann ohne %.einen HErrn zu
haben, weil er sonst die Freiheit des andern einschränken würde
Aus dieser %.Ursache sind daher die %Menschen genöthigt %.ein Oberhaupt zu wahlen
Dies Oberhaupt kann man <nun> aber %nicht aus einer höhern Claße %von Geschöpfen
nehmen. Es ist ein %Mensch und dieser bedarf also wieder andere über sich
das geht nun aber %nicht an und auf solche Art ist die Gerechtigkeit %und Frei
heit in der Gewalt eines %Menschen. Gesetzt nun auch daß dieser %Mensch voll
kommen gerecht wäre. Würde immer %.ein solcher sein?
/3. Wir sind in einer frommen %Unmündigkeit. - Man schreibt noch
immer den %Menschen %.ReligionsBegriffe vor, die sie %.entweder %nicht examiniren
dürfen oder %nicht konen, wenn wir sonst %.Geschiklichkeit genug haben
Bei dieser %.Unmündigkeit ist %.etwas bequemes, denn man halt sich
%.gleichsam %.einen Curator der %.seine Geschäfte besorgt. Ein Konig ließ sich
%.von %.seinem Beichtvater aufsetzen, was er zu thun habe um seelig zu
werden - dieser schrieb einen Schwall %von caerimonioesen Hand
lungen Fasten Kasteyen p vor. Der Konig aber der sehr peinlich
war sagte darauf zum Beichtvater: Er müßte den Zettel unter
schreiben, damit, wenn was vergessen ware dies %nicht auf %.seine (%des Konigs)
Rechnung käme. Das aufgeschriebene wollte er erfüllen
/Wir sehen %daß %.ein ieder die Religion umändern kann, wie er will
weil man alles annimmt ohne es zu untersuchen. Ein redendes Bei
spiel %.davon ist wol Mahomet deßen Weißheit wol %nicht weit her
war. - Wir könen auch %nicht alles fehlerhafte in der Religion
|F_132
/den Geistlichen Schuld geben; denn es gehört gewiß erstaunlich viel
darzu um %.ein ganzes Publicum in %.seinen %.Begriffen zu läutern %und zu reinigen
Endlich sehen wir wol daß bei dem Wohl der Welt alles auf die Er
ziehung ankomme und hier sollte die %.Regierung mehr auf Religion
und Moralitaet denken. um die %Menschen beßer zu machen. - Allein darauf sehen
sie %nicht so sehr weil sie die Macht in Händen haben %und die unmoralischen
%durch Gewalt zwingen könen, nach Gesetzen zu handlen. Daher halten sie
in Schulen mehr auf Schreiben, Rechnen, lesen p als auf %gründliche Erzie
hung in der Religion als dem Fundament der Moralitaet und dem
Siegel derselben. Aus %.diesem allen sehen wir daß die Endbestimmung der
%Menschheit denn erreicht sein wird; wenn wir %.eine %.vollkommene %.bürgerliche Verfaßung
haben werden d i wenn wir d. i wenn wir in hochstem Grade
der Cultivirung, Civilisirung %und Moralisirung uns befinden werden
%daß wir %.einen solchen %.Zustand erreichen werden, %.einen %.Zustand wo das %.allgemeine
Wohl der gesamten %Menschheit %nicht mehr %durch Kriege und mancherlei Uebel
unterbrochen, die hochste Cultur, Civilisirung %und Moralisirung er
reicht %.ein %.allgemeiner Friede auf der Erde herrschen und durch Gerichtsaus
sprüche der Streit der Fürsten ausgemacht werden wird, Kurz
wo der Natur%Zustand mit dem civilisirten %nicht mehr in Wiederstreit
stehen wird, daß wir diesen Zustand einmal erlangen werden
laßt sich gewiß hoffen. Was aber die Vorsehung dazu für Mittel
bedienen wird bleibt uns unauflößlich %und zu entdeken ganz un-
moglich weil unsre Vernunft hier an die Grenzen der ewigen
Vernunft sich nahert, die allein im Stande ist kunftige Dinge
Mittel und Zweke dazu vorherzusehen %und zu ordnen. δSchnörkel finis den 31 %.October
/
/≥ Finis ≤